Aufsätze

Dialog pro Betriebsrente

Die Zukunft der Alterssicherung in Deutschland steht anlässlich des Rentendialogs der Bundesregierung im öffentlichen und politischen Fokus. Vermeidung von Altersarmut, Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos und zusätzliche Stärkung der kapitalgedeckten Altersversorgung sind Themen dieses Herbstes und Winters. Dies ist sehr zu begrüßen.

Ein differenziertes Gesamtbild

Zehn Jahre nach der Grundsatzentscheidung für mehr Kapitalbildung in der Altersversorgung ist es jetzt geboten, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Denn viel wurde inzwischen erreicht.

Mehrere Studien der letzten Jahre liefern ein differenziertes Gesamtbild. Besonders die jüngste Erhebung des Statistischen Bundesamtes gibt dabei wertvolle Hinweise. Fasst man die vielen vorliegenden Erkenntnisse zusammen, so kann man heute feststellen:

- Die bAV ist auch im Mittelstand angekommen. In den meisten Unternehmen bestehen heute bAV-Anwartschaften. Allerdings gibt es Unterschiede nach Unternehmensgröße. In 75 Prozent der Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten besteht eine bAV, aber in praktisch allen Unternehmen mit über 1000 Arbeitnehmern.

- Bei den Arbeitnehmern entwickelt sich bAV dynamisch, aber insgesamt zu langsam. Die Beteiligung der Arbeitnehmer ist geringer als das Angebot in den Unternehmen: Etwas über die Hälfte der Arbeitnehmer verfügt über eine Versorgungszusage im Rahmen der bAV, in der öffentlichen Verwaltung über 70 Prozent, in der Privatwirtschaft ist die Hälfte der Arbeitnehmerschaft noch nicht erreicht.

- In der Privatwirtschaft ist die Verbreitung nach Branchen zudem sehr unterschiedlich. Dazu tragen Traditionen und unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen bei. So gibt es hohe Deckungsgrade bei Versicherungen, Banken, in der Chemie- oder Automobilbranche, aber kaum bAV in der Gastronomie.

- Auch nach Betriebsgröße ist die Verbreitung sehr unterschiedlich zwischen zirka 30 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen mit unter 50 und rund 70 Prozent in Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten.

Entgeltumwandlung als Wachstumsmotor

Das Arbeitgeberengagement ist weiter - hin stabil. Durch Arbeitgeber finanzierte Betriebsrenten weisen nach wie vor den höchsten Anteil der bAV auf. Die Eigenvorsorge durch Entgeltumwandlung weist mit insgesamt einem Fünftel aller Beschäftigten bei großen Branchenunterschieden bislang den geringsten Verbreitungsgrad auf.

Die Entgeltumwandlung wächst besonders stark. Gleichzeitig ist die Entgeltumwandlung der derzeit hauptsächliche Wachstumsmotor der bAV. Mehr als ein Drittel der zirka 15 Millionen Versorgungszusagen in der bAV stammen inzwischen aus Entgeltumwandlung.

Arbeitgeber unterstützen die Entgeltumwandlung. In der Entgeltumwandlung zeichnet sich infolge vieler tarifvertraglicher Regelungen und freiwilliger Leistungen auf Arbeitgeberseite ein weiterer Trend deutlich ab: Die Ko-Finanzierung der Entgeltumwandlung durch den Arbeitgeber, dies belegen Daten der Tarifpartner, umfasst je nach Branchen 30 Prozent bis 100 Prozent der umgewandelten Entgelte. Oft stellt sie einen entscheidenden Anreiz für die Eigenvorsorge dar.

Die Entwicklungsrichtung zeigt nach oben. Ein Vergleich mit den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes zur "Erhebung über Art und Umfang der betrieblichen Altersversorgung im früheren Bundesgebiet zum Stichtag 31. Dezember 1990" zeigt, dass infolge der Rentenreform 2011 bereits viel erreicht wurde. Im Vergleich zur damaligen Untersuchung zeigt nämlich die Arbeitskostenerhebung 2008 eine Zunahme der bAV-Verbreitung in allen alten Bundesländern. Dazu beigetragen haben unter anderem die zahlreichen tariflichen Vereinbarungen zur bAV.

Von einer nachhaltigen, zukunftsfesten Bewältigung der demografischen Herausforderungen kann aber noch keine Rede sein. Weiteres Engagement ist erforderlich, um die Altersversorgung in Deutschland zukunftsfest zu gestalten. Der von der Bundesregierung initiierte Regierungsdialog Rente kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Die AbA begleitet ihn aktiv. Bereits Mitte September hat sie der Ministerin von der Leyen als erster Verband konkrete Vorschläge zur Umsetzung der Zuschussrente überreicht. Als gemeinnütziger Fachverband für alle Fragen der betrieblichen Altersversorgung bringt die AbA ihr Fachwissen ein. Sie plädiert dabei über die Zuschussrente hinaus für eine Neugestaltung der Landschaft der kapitalgedeckten Altersvorsorge und der bAV.

Effizienz- und Kostenvorteile

In der zwingend erforderlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge kann die betriebliche Altersversorgung (bAV) in Zukunft einen noch weit bedeutenderen Beitrag leisten. Aufgrund ihrer kollektiven Struktur bietet sie erhebliche Effizienz- und Kostenvorteile, die jeder anderen Form kapitalgedeckter Altersvorsorge überlegen sind und die noch stärker genutzt werden müssen. Betriebsrenten sind wichtige Sozialleistungen der Arbeitgeber, für die diese stets auch eine Haftung übernehmen. Unternehmen und Tarifpartner engagieren sich ohne Gewinninteressen. Die Sparbeiträge in Betriebsrentenanwartschaften sind höher als in jedem anderen Instrument der Altersvorsorge.

Betriebliche Altersversorgung gewährt den Begünstigten, das hat sich auch im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, in hohem Maße Sicherheit, die in der privaten Vorsorge nicht immer gegeben ist. Insolvenzschutz, Betreuung und Haftung durch den Arbeitgeber sowie gesetzliche Dynamisierungsregeln sind Merkmale der zweiten Säule der Altersversorgung in Deutschland. Betriebsrenten sind weltweit nach der gesetzlichen Rente das wichtigste Modell zur Sicherung des Lebensstandards im Alter.

Soll die kapitalgedeckte Altersvorsorge in Deutschland möglichst alle erreichen sowie nachhaltig und effizient ausgestaltet sein, führt an einer stärkeren Fokussierung auf die bAV kein Weg vorbei. Damit Betriebsrenten noch mehr helfen können, den Lebensstandard von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Alter zu sichern, müssen sie besser als bislang für die Zukunft gerüstet werden.

Dazu bedarf es eines Bündels von Maßnahmen, die ineinander greifen:

1. Ein kontinuierlicher Dialog zum Ver breitungsprozess ist dringend geboten.

- Zur Verbreitung der bAV gibt es keine einfachen Lösungen. Alle Akteure, die Einfluss auf die Verbreitung der bAV ausüben können, sollten dieses Thema vorausschauend, aktiv und ohne Verzögerungen aufgreifen. Politik, Tarifpartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen den Ausbau der betrieblichen Altersversorgung entschlossen anpacken und nicht darauf warten, dass jeweils andere Akteure vorangehen.

- Die AbA schlägt vor, einen regelmäßigen "Gesprächskreis bAV" zu etablieren, in dem neben den zuständigen Ministerien (BMAS, BMF, BMJ) die Sozialpartner und Betriebsrentenexperten gemeinsam nach Wegen des Ausbaus der bAV suchen und so den Gesetzgeber in dieser wichtigen Frage beraten können.

Einfache Handhabung erwünscht

2. Eine angemessene Dotierung von externen Versorgungseinrichtungen vereinfacht die Handhabung der bAV.

- Der Zuwendungsrahmen nach §3 Nr. 63 EStG muss flexibler gestaltet werden. Er kann insgesamt erhöht, aber auch in einer Weise gestaltet werden, die dem Arbeitgeber die Finanzierung der bAV erleichtert, ohne dem Staat mehr Kosten zu verursachen oder die Förderung für den Arbeitnehmer zu mindern.

- Es sollte bei der Dotierungsgrenze eine kollektive Betrachtung zulässig sein (vergleichbar der früheren Betrachtung bei §[40]b EStG).

- Eine Nachholung ganz oder teilweise in der Vergangenheit ausgelassener Dotierungen sollte zugelassen werden.

- Die bAV kann einen erheblichen Beitrag zur Absicherung des Invaliditätsrisikos leisten. Dafür muss ein Sonderdotierungsrahmen geschaffen werden.

- Wenn Arbeitgeber umfassend ganze Belegschaften kollektiv mit Hilfe von Versorgungswerken absichern, sollte dies anerkannt und steuerlich besonders honoriert werden. Fehlanreize vermeiden

3. Weder Arbeitgeber noch Arbeitneh mer dürfen durch Fehlanreize demoti viert werden.

- Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses fortgeführte Dotierungen einer betrieblichen Altersversorgung dürfen nicht zu einer gegenüber der privaten Vorsorge nachteiligen zweifachen Verbeitragung bei Kranken- und Pflegeversicherung (in der Finanzierungs- und Leistungsphase) führen.

- Betriebsrenten sollten nicht nur bezogen auf "Hartz IV", sondern auch hinsichtlich der Grundsicherung Schonvermögen sein. Für die Zuschussrente sollte ein die Motivation stärkender Betriebsrenten-Freibetrag erwogen werden.

- Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten in einzelnen Jahren nicht ausgeschöpfte steuerliche Dotierungsmöglichkeiten bis zum Renteneintritt nachträglich ausschöpfen dürfen.

- Unnötige und schädliche europarechtliche Regelungen wie die Eigenkapitalanforderungen von Solvency II müssen ebenso verhindert werden wie die Einführung kontraproduktiver europäischer Mindeststandards im Bereich der bAV.

4. Betriebsrentensysteme müssen leicht administrierbar sein.

- Die Hürden für die Einführung automatischer Einbeziehung der Arbeitnehmer in die bAV müssen vom Gesetzgeber und den Sozialpartnern beseitigt werden.

- Die Auslagerung der Versorgungsverpflichtungen von Direktzusagen und Unterstützungskassen auf Pensionsfonds sollte erleichtert werden, so sollte insbesondere die Übernahme des sogenannten Future Service ermöglicht werden.

- Regelungen, die zu unnötigem Verwaltungsaufwand bei den Versorgungswerken führen, müssen beseitigt werden.

- Die Einführung der Zuschussrente ist so zu gestalten, dass die Handhabung der Versorgungswerke nicht erschwert wird.

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