China

Dreh- und Angelpunkt globaler Ungleichgewichte

Eine weitreichende Schlussfolgerung, die die betroffenen asiatischen Schwellenländer sowohl aus der asiatischen Finanzkrise 1997/98 als auch aus den rigorosen Anpassungsauflagen des IWF im Sinne des "Washington Consensus" gezogen haben, war die bewusste Hinwendung zu einer prinzipiell merkantilistischen Wechselkurspolitik in Anlehnung an China. Das heißt, dass die rasch fortschreitende Globalisierung seitdem nicht nur zu einem schnellen Anstieg der grenzüberschreitenden Bruttoströme im Waren- und Finanzverkehr führte, sondern auch zu einem rasanten Anstieg der jährlichen globalen Leistungsbilanzüberschüsse wichtiger Schwellen- und rohstoffproduzierender Länder - jeweils gemessen an ihren prozentualen Anteilen an der Weltproduktion. Verstärkt wurden diese Tendenzen durch hohe ausländische Direktinvestionen in diese Länder, angelockt durch günstige Produktionsmöglichkeiten.

Zeitweilig spektakuläre Kapitalzuflüsse

Zeitweilig sind auch spekulative Kapitalzuflüsse in der Erwartung von Währungsgewinnen hinzugekommen. Allein die chinesischen Devisenreserven sind per Ende 2009 auf den Gegenwert von gut 2 400 Milliarden US-Dollar angewachsen, darunter um 127 Milliarden US-Dollar im vierten Quartal 2009. Diesen Reserven stehen entsprechende Währungsverbindlichkeiten von entwickelten Defizitländern wie vor allem den USA gegenüber.

Die wichtigste Voraussetzung war und ist die prinzipielle nominale Anbindung des Renminbi Yuan und einiger anderer Währungen von Schwellen- und Rohstoffländern an die dominierende US-Dollar-Währung. Weitaus höhere Produktivitätsgewinne in den Aufstiegsländern - quod erat expectandum - sowie unter Schwankungen stark erhöhte Rohstoffpreise haben im Trend zu einer realen Abwertung ihrer Währungen geführt. Währungen, die sich gegenüber dem US-Dollar nominal aufgewertet haben, wie zum Beispiel der Euro, waren von dieser Entwicklung noch stärker betroffen. An dieser Grundkonstellation haben die dramatischen Ereignisse der letzten Jahre nicht viel geändert.

Zunehmende Diskussion der Risiken auch in China

Eine Zeit lang, von Mitte 2005 bis Juli 2008, hatte es so ausgesehen, dass China als führendes Aufstiegsland einen entscheidenden Beitrag zu einem marktkonformen Abbau globaler Ungleichgewichte leisten werde. In diesen drei Jahren wertete die chinesische Zentralbank im Rahmen eines gesteuerten Floating immerhin um mehr als 20 Prozent auf, von 8,28 CNY auf etwa 6,83 CNY = 1 US-Dollar. Diese Politik wurde abrupt im dritten Quartal 2008 abgebrochen, als die von den USA ausgehende Finanzkrise sich zu einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ausweitete und die US-Wirtschaft als globaler Importeur "of last resort" plötzlich ausfiel. Selbst die chinesischen Ausfuhren brachen zeitweilig um mehr als ein Viertel ein, als die Weltkonjunktur in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen in einen freien Fall überging.

Noch im vierten Quartal 2008 begannen die chinesischen Behörden mit einem massiven Konjunkturprogramm gegenzusteuern, um die inländischen Industrie- und Infrastrukturinvestitionen mit Hilfe von Bankkrediten anzukurbeln. Allein im ersten Halbjahr 2009 vergaben die staatlich gelenkten Banken kurz- und langfristige Nettokredite im Volumen von 7,4 Billionen CNY (1,1 Billionen US-Dollar), das heißt weit mehr als im gesamten Jahr 2008 (4,2 Billionen CNY). Das Tempo der Kreditvergabe wurde zwar im zweiten Halbjahr 2009 erheblich gedrosselt. Die reale Wachstumsrate des BIP wird jedoch auf acht bis neun Prozent für das Gesamtjahr 2009 und auf eine eher zweistellige Zahl im laufenden Jahr geschätzt. Das Geldvolumen M2 expandiert zurzeit mit einer Jahresrate von etwa 25 Prozent. Seit Dezember 2009 wachsen auch die chinesischen Exporte auf Jahresbasis wieder zweistellig.

Die Risiken, die mit dieser außergewöhnlichen Expansion der monetären Aggregate und mit der Vertiefung langjähriger ungleichgewichtiger Entwicklungen sowohl innerhalb von China als auch im globalen Kontext verbunden sind, werden zunehmend auch in China diskutiert. Zu ihnen gehören Überkapazitäten in einigen Wirtschaftssektoren (Investitionsanteil am BIP von fast 50 Prozent) sowie die Furcht vor einem beschleunigten Anstieg der Verbraucherpreise (Januar 2010: plus 1,5 Prozent im Jahresvergleich; Erzeugerpreise plus vier Prozent, Häuserpreise in den Städten plus 9,5 Prozent).

Die chinesische Zentralbank und andere Zentralbehörden haben seit dem Jahreswechsel auf dieses Dilemma nur mit kleinen und graduellen Interventionsschritten reagiert. Um das vorgegebene Kreditprogramm für 2010 einhalten zu können (Rückführung der Nettovergabe von Bankkrediten von 9,6 CNY auf 7,5 Billionen CNY), wurden einzelne Banken im Januar vom Bankenaufseher mit einem zeitweiligen Kreditvergabeverbot belegt.

Die nächste Stufe wäre die generelle Festlegung von festen Kreditquoten durch die Zentralbank. Die Mindestreservesätze wurden in zwei Schritten um je 0,5 Prozent auf jetzt 16,5 Prozent für große Banken und 14,5 Prozent für kleinere Banken erhöht, während die wichtigsten Zinssätze unverändert blieben. Daher ist nun im neuen Jahr des Tigers die Alternative einer signifikanten einmaligen Aufwertung des Renminbi Yuan beziehungsweise der abermalige Übergang zu einem gesteuerten Aufwärtsfloaten in den Mittelpunkt der internationalen Diskussion gerückt, zu Recht.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X