Aufsätze

Wie Europa wieder Stabilität und Dynamik entfalten kann

Diagnose und Lehren aus der mehrfachen Krise (Finanzmarktkrise, Verschuldungskrise einiger Staaten in Europa, Vertrauenskrise) bleiben kontrovers. Dennoch lassen sich einige für Stabilität und Dynamik in Europa kritische Faktoren benennen.

Vertrauen in die gemeinsame Währung

Der Euro ist ein für die Menschen anfassbares Symbol der europäischen Integration, er ist stabil und genießt das Vertrauen der Bevölkerung. Zudem ist er als internationale Anlage- und Reservewährung anerkannt. Die aktuelle Entwicklung in Griechenland, Irland und Portugal stellt die Währungsgemeinschaft auf eine ernste Bewährungsprobe. Die Art und Weise, wie die akuten Probleme gelöst werden und wie mittelfristig die Bedingungen für die Währungsunion verändert werden, sind für den Wert und die Akzeptanz des Euro von zentraler Bedeutung.

Der Euro ist eine politische Währung. Das mag ein wichtiger Grund sein, weshalb eine politische, auch solidarische Lösung für die akuten Verschuldungsprobleme gesucht wird, ganz gleich, welche Zinsaufschläge die Märkte im Moment einpreisen. Es ist nicht ideologische Blindheit, wie mancher Kritiker der Stützungsmaßnahmen für Griechenland unterstellt.

Verantwortungsbewusste Politik

Die Politik handelt nachvollziehbar und verantwortungsbewusst, denn sie bewertet - anders als im Lehman-Fall - die Risiken eines Schuldenschnitts, einer Restrukturierung oder gar eines Austritts einzelner Länder aus der Währungsunion. Dazu gehören Ansteckungsrisiken anderer Länder der Eurozone, systemische Gefahren für das Finanzsystem Griechenlands und Europas sowie der im Fall des Defaults für lange Zeit versperrte Zugang zum Kapitalmarkt. Auch Moral Hazard spielt eine Rolle, nicht nur auf Seiten der Investoren, sondern auch auf Seiten des Schuldners, der sich lediglich als Ultima Ratio von seinen Verbindlichkeiten verabschieden sollte.

Keine Garantie für den Turnaround

Dennoch gibt es keine Garantie, dass Griechenland den Turnaround schaffen wird. Deshalb ist es richtig, in Alternativen zu denken, und zum Beispiel die Möglichkeit vorzubereiten, Anleihen von Krisenländern am Sekundärmarkt durch die europäischen Rettungsfonds zu erwerben. Auch wenn sich die Politik entschlossen gegen einen offiziellen Default Griechenlands positioniert, ist es nicht falsch, mögliche künftige Ereignisse geistig zu antizipieren.

Was in Europa auf dem Spiel steht, hat Bundeskanzlerin Merkel bei der letztjährigen Verleihung des Karlspreises an Donald Tusk in Aachen formuliert: "Scheitert der Euro, dann scheitert nicht nur das Geld. Dann scheitert mehr. Dann scheitert Europa, dann scheitert die Idee der europäischen Einigung." Dazu darf es nicht kommen.

Jenseits des akuten Krisenmanagements gibt es mittelfristige Herausforderungen. Damit der Euro auch künftig Vertrauen genießt, muss die begonnene Überarbeitung des institutionellen Regelwerks der Währungsunion zum Erfolg geführt werden. Auf der Sitzung des Europäischen Rates am 24./25. März 2011 wurden hierfür Beschlüsse gefasst. Wesentliche Komponenten sind strengere Haushalts- und Verschuldungsregeln für die teilnehmenden Staaten und die ab 2013 geplante Beteiligung privater Gläubiger an Verlusten, wenn staatliche Emittenten ausfallen. So richtig diese Ansätze sind, ist ein Preis zu zahlen: Collective Action Clauses werden die Refinanzierungsfähigkeit von Staaten einschränken und die Kosten der Verschuldung erhöhen. Im günstigen Fall erhöht dies die "Marktdisziplin" der Schuldner.

Solide Staatsfinanzen

Übermäßige Schulden machen Staaten, ebenso wie Unternehmen und private Haushalte verwundbar. Deshalb liegt der Fokus der Finanzmärkte derzeit weniger auf den etwas erhöhten Inflationsraten in der Eurozone, sondern vor allem auf der nicht tragbaren Haushalts- und Verschuldungssituation von Ländern. Der Euro kann langfristig nur stabil sein, wenn die Staaten des Währungsraums auf finanziell soliden Füßen stehen. Der oft zitierte Konstruktionsmangel, dass die Europäische Währungsunion bisher nicht mit einer politischen Union einhergeht, kann überwunden werden, indem eine stärkere Abstimmung und Kontrolle der Fiskalpolitik in Europa praktiziert wird. Keine europäische Wirtschaftsregierung, aber mehr Koordination und mehr Nachhaltigkeit in den Staatsfinanzen sind gefragt.

Gerade die Finanzmarktkrise hat gezeigt, wie wichtig es ist, finanzpolitisch handlungsfähig zu sein. Die weitgehend zeitgleich in Europa beschlossenen Konjunkturprogramme von Ende 2008 und Anfang 2009 waren notwendige und sehr erfolgreiche Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Heute ist die Staatsverschuldung im Durchschnitt des Euroraums mit fast 90 Prozent der Wirtschaftsleistung auf ein Niveau gestiegen, das nicht nachhaltig ist.1) Dies belastet auch die wirtschaftliche Dynamik. Ein negativer Einfluss auf Wachstum und Beschäftigung kommt bereits bei Schuldenquoten oberhalb von 70 bis 80 Prozent, wie sie im Euroraum verbreitet sind, deutlich zum Tragen.2) Europa kann es sich nicht leisten, dass Investitionen von Unternehmen durch den hohen Mittelbedarf der öffentlichen Hand verdrängt werden.

Eine Rückführung der Schuldenquote um zehn Prozent kann das Trendwachstum um bis zu 0,2 Prozentpunkte erhöhen. Am stärksten von der Rückführung der Schulden profitieren dabei die Staaten mit den höchsten Schuldenquoten.3) Die bestehende Schuldenlast ist bereits zu hoch. Demografische Veränderungen bringen noch zusätzliche Belastungen in der Zukunft. So hat die EU-Kommission im Herbst 2009 in einer Studie über die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen berechnet, welche Primärüberschüsse Länder erzielen müssen, um die Staatsfinanzen angesichts dieser Herausforderungen dauerhaft stabil zu halten.4) Deutschland, das besser als der europäische Durchschnitt auf diese Herausforderungen vorbereitet ist, muss künftig den konjunkturbereinigten Primärüberschuss der öffentlichen Haushalte um rund 3,5 Prozentpunkte des BIP verbessern, damit trotz steigender demografischer Lasten die Schuldenquote in 2060 nicht die Marke von 60 Prozent übersteigt5).

Fiskaldisziplin stärken

Für den Euroraum insgesamt ist das Ergebnis mit rund fünf Prozent noch deutlich sportlicher. Bei einer gegenüber 2009 unveränderten Finanzpolitik würde die Schuldenquote im Euroraum nach den Projektionen auf über 400 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.6) Lange bevor diese Quote erreicht wäre, würde die Gemeinschaftswährung ihre Akzeptanz bei internationalen Investoren und auch bei den Menschen verlieren. Deutschland muss in puncto Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen Vorbild sein. Dies kommt dem Euro zugute und es erleichtert die Haushaltskonsolidierung in anderen Ländern.

Die Politik macht sich die Bedeutung des Problems mehr und mehr bewusst. Sie hat seit Anfang des vergangenen Jahres eine beispiellose Reformagenda des institutionellen Rahmenwerks des Euro auf den Weg gebracht, mit dem unter anderem die Fiskaldisziplin gestärkt werden soll.

Doch ist der Erfolg noch alles andere als sicher. Zwar sind in dem reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt an verschiedenen Stellen Ermessensentscheidungen durch einen Quasi-Automatismus ersetzt worden, indem das Prinzip der umgekehrten Mehrheiten eingeführt wurde. Dennoch werden weiterhin Ermessensspielräume im Sanktionsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eine große Rolle spielen.

Für die Glaubwürdigkeit des Paktes ist es vor allem wichtig, dass die Euro-Staaten möglichst rasch Fortschritte bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen erzielen. In diesem Jahr werden voraussichtlich zwölf von 17 Staaten die Defizitmarke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten.7) Jede Haushaltsregel ist überfordert, wenn die Grenzüberschreitung nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellt. Hier liegt eine Kernaufgabe für die EU-Kommission, aber auch für die Regierungen jedes Mitgliedstaates.

Dynamische und wettbewerbsfähige Realwirtschaft

Wachstum kann nicht alle Probleme lösen, aber es ist evident, dass Europa von dem in der Lissabon-Strategie 2000 erklärten Ziel, zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten, wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt" zu werden weit entfernt ist. Emerging Markets haben in den letzten Jahren, auch während der Krise, ihre Rolle deutlich gestärkt. Es wird zum Beispiel zunehmend schwieriger, die technologische Führerschaft gegenüber Ländern wie China oder Indien zu behalten.

Auch in internationalen Gremien wie dem IWF melden Emerging Markets ihre Führungsansprüche an. Hinzu kommt der Aufholprozess in der Grundlagenforschung. Einer neuen Studie zufolge könnte China bereits 2013 mehr wissenschaftliche Artikel veröffentlichen als die USA. Großbritannien und Deutschland sind bereits überrundet. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas bleibt ein zentrales Ziel und auch ein Problem bei der Lösung der aktuellen Verschuldungskrise.

Bezogen auf die Eurozone ist zu verhindern, dass weniger wettbewerbsfähige Staaten von den wachstumsstärkeren Staaten abgehängt werden. Sich trendmäßig ausweitende Produktivitätsunterschiede im Währungsraum untergraben die Stabilität, insbesondere wenn sie mit einer steigenden Auslandsverschuldung der schwächeren Staaten verbunden sind. Dabei sollte es keine Frage sein, dass sich Europa an den wettbewerbsfähigsten Ländern orientieren muss. Eine Orientierung am Durchschnitt brächte Europa nicht voran.

Leistungsfähige und stabile Banken

Stabilität und Dynamik in Europa sind nicht vorstellbar ohne stabile Banken. Nur ein gesunder, gegen externe Schocks widerstandsfähiger Bankensektor kann seiner vornehmsten Aufgabe gerecht werden, Finanzmittel in volkswirtschaftlich produktive Verwendungen zu lenken.

Nach der größten Finanzmarktkrise der Neuzeit arbeiten die Politik und Regulatoren an einer erheblichen Verschärfung des Regulierungsrahmens für Banken und Finanzmärkte. Eine besonders traumatische Erfahrung in der Krise bestand in dem nie zuvor erlebten Ausmaß staatlicher Interventionen in den Markt zur Rettung systemrelevanter Banken. In Deutschland erhöhte im Jahr 2010 die Mittelübertragung an zwei Bad Banks alleine die Staatsschuld um fast zwölf Prozent8). Der Staat hat deshalb auch ein starkes fiskalisches Interesse daran, die Finanzstabilität zu sichern.

Neue, verbesserte Regeln für den Finanzsektor sind ohne Frage notwendig, und erhebliche Fortschritte sind erzielt worden. Die vorläufige Bilanz zu den in letzter Zeit verabschiedeten Regulierungsvorhaben ist dennoch nicht eindeutig positiv. Der neue Regulierungsrahmen sollte ein bis zwei Generationen lang Bestand haben. Daran bestehen Zweifel. Vor allem wurden einige zentrale Erkenntnisse aus der Finanzmarktkrise bisher nicht in eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Finanzsektor umgesetzt. Hierzu zählt insbesondere die sogenannte Too-Big-To-Fail- beziehungsweise Too-Connected-to-Fail-Problematik, national, aber - noch viel wichtiger grenzüberschreitend. Es gibt nun mehr systemrelevante Player im Finanzsystem, und deren Größe im Verhältnis zum BIP hat zugenommen. Einzelne Marktsegmente im Investmentbanking oder etwa im Handel mit Derivaten werden durch wenige große Marktteilnehmer bestimmt.

Schattenbank als Quelle für Instabilitäten

Auch das Schattenbanksystem, insbesondere Hedgefonds und andere kaum regulierte institutionelle Investoren sowie die hohen Volumina an außerbörslichen derivativen Instrumenten können Quellen für systemische Instabilitäten sein. Dies sind keine kleinen, vernachlässigbare Risiken für die Stabilität des Finanzsystems. Sollen in der nächsten Finanzmarktkrise, die sicher kommen wird, noch höhere staatliche Mittel zum Einsatz kommen, falls dies politisch und ökonomisch überhaupt möglich wäre? Künftige Krisen mögen durch mehr Eigenkapital höherer Qualität und verbesserte Liquidität weniger wahrscheinlich sein, aber der Wirkungsgrad der getroffenen Maßnahmen wird erheblich überschätzt. Hinzu kommt die Gefahr regulatorischer Arbitrage, wenn die neuen Regeln in den wichtigsten Regionen der Welt nicht synchron eingeführt werden.

Sicher ist allerdings: Die neuen Vorgaben werden administrative Belastungen bringen, deren gesamtwirtschaftlicher Nutzen kaum bewertbar ist. Diese Bürokratiekosten zu schultern, fällt kleinen und mittleren Kreditinstituten immer schwerer. Dabei waren es europaweit gerade die regional verankerten Institute - in Deutschland die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen -, welche die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Bankensystems gestützt haben. Die Diversifikation und Vielfalt innerhalb eines Finanzsystems aufgrund unterschiedlicher Geschäftsmodelle und Betriebsgrößen hat sich als klarer Vorteil erwiesen. Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Realwirtschaft sind aufgrund der Existenz nicht kleiner und mittlerer Banken gestützt worden.

Bürokratie als Existenzbedrohung

Das gegenwärtige Regulierungsmodell adressiert einerseits nicht hinreichend, wie künftig mit den oben erwähnten großen Risiken umgegangen werden soll. Andererseits werden kleine und mittlere Banken, die nicht auf andere Finanzplätze oder das Schattenbanksystem ausweichen können, erheblich belastet. Dies ist ein neuralgischer Punkt. Das Finanzsystem wird nicht dadurch am sichersten, dass man kleine Banken, die ohnehin gut durch die Krise kamen, noch "sicherer" macht, während die großen, schwerer mit Regulierung und Aufsicht fassbaren Risiken letztlich nicht ausreichend adressiert werden.

Volksbanken und Raiffeisenbanken sind eigenkapitalstark und liquide, sie haben einen niedrigen Leverage in ihren Bilanzen und stehen für ein risikoarmes, wenig volatiles Geschäftsmodell. Ebenso wie die Sparkassen begleiten und unterstützen sie zum Beispiel Klimaschutzvorhaben zur Steigerung der Energieeffizienz und des Anteils Erneuerbarer Energien. Fast jede zweite KfW-Finanzierungszusage bei den ERP-Umwelt- und Energieeffizienz-Programmen für Unternehmen entfällt auf die Genossenschaftsbanken.9) Volksbanken und Raiffeisenbanken erfüllen Basel III in der Regel bereits heute, können aber nicht gut mit hohen administrativen Belastungen umgehen. Zum Teil gibt es existenzielle Ängste, die Bürokratie nicht mehr verkraften zu können.

EU-Kommission und Parlament sollten mehr Mut aufbringen, nationale Besonderheiten, auch Besonderheiten einzelner Sektoren zu berücksichtigen. Es geht nicht um ein unebenes Spielfeld, sondern um sinnvolle Regeln. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass internationale Regeln nicht in allen Teilen der Welt identisch umgesetzt werden. Zum Beispiel ist es ein offenes Geheimnis, dass die Handelsbuchregeln in den USA bisher nicht umgesetzt sind. Basel II fehlt dort ebenfalls noch.

Regulierung und Risikogehalt müssen miteinander korrespondieren. Volksbanken und Raiffeisenbanken beispielsweise sind gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Viele Menschen schätzen diese Art des Banking, das nicht auf möglichst hohe Gewinne und Boni setzt. In Deutschland sind inzwischen 16,7 Millionen Menschen Mitglieder einer Genossenschaftsbank; in den letzten Jahren gab es ständig Zuwächse.

Europaweit haben die 4200 Genossenschaftsbanken 50 Millionen Mitglieder, 160 Millionen Kunden und einen Marktanteil von 20 Prozent. Das ist keinesfalls eine Randgruppe, sondern eine bedeutende Kraft im europäischen Bankenmarkt, die Besonderheiten aufweist in der Rechtsform, in der Organisation als Netzwerk, aber auch hinsichtlich der Grundausrichtung an nachhaltigen Werten.

Mehr Differenzierung

Welche Schlussfolgerung ist für die Bankenregulierung zu ziehen? Gebraucht werden in der europäischen Bankenregulierung Sowohl-als-auch-Lösungen. Das schließt ein, dass die Bedürfnisse großer Banken angemessen berücksichtigt werden. Das Single Rule Book kann vor allem für grenzüberschreitend aktive Banken ein guter Weg sein. Zugleich wäre es aber fatal zu ignorieren, dass in Europa weniger als 50 solcher großen, in mehreren Ländern vertretenen Banken existieren, auch wenn diese signifikante Marktanteile auf sich vereinigen.

Rund 8400 Banken10) in Europa sind regional beziehungsweise innerhalb ihres Heimatlandes tätig. Bei der Regulierung des gemeinsamen Marktes für Finanzdienstleistungen kann das nicht ausgeblendet werden, wenn Europa nicht Unterschiede wegregulieren will. Mehr Differenzierungen wo begründet statt One-size-fits- all-Ansätze sind notwendig. Dies ist nicht primär eine Frage technischer Details, sondern eine Frage der grundsätzlichen Ausrichtung der Regulierungspolitik.

Nähe zu den Bürgern erhalten

Nicht nur bei der Bankenregulierung, auch bei allen anderen Reformen wird die Politik an ihren Erfolgen gemessen werden. Die Bürgerinnen und Bürger in Europa spüren, dass viel auf dem Spiel steht.

Nach der aktuellen Eurobarometer-Meinungsumfrage der Europäischen Kommission nehmen seit dem vergangenen Jahr deutlich weniger Bürger die Vorteile der Europäischen Union wahr. Der Anteil der Befragten, der in der Mitgliedschaft per saldo keine Vorteile sieht, befand sich zum Zeitpunkt der Befragung, im Herbst 2010, auf dem höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre11). Zudem stellt sich die Frage, wie lange es dauern wird, bis zum Beispiel das Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und einigen anderen Ländern als Thema der Europäischen Union auftaucht.

Über die Vielzahl der einzelnen Reformprojekte darf die europäische Politik nicht die Nähe zu den Bürgern verlieren. Dazu gehört auch, dass gewachsene Traditionen und Kulturen der einzelnen Länder als Stärke, nicht als Problem angesehen werden. Stabilität, Dynamik und Zukunft Europas hängen letztlich entscheidend daran, ob es gelingen wird, die Menschen mitzunehmen und sie von den Vorteilen der europäischen Integration immer wieder zu überzeugen.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors beim Karlspreis-Europa-Forum in Aachen am 1. Juni 2011. Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt worden. Fußnoten

1) 87,7 Prozent in 2011 laut Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission vom 13. Mai 2011.

2) Checherita, Cristina and Rother, Philipp (2010), The Impact of High and Growing Government Debt on Economic Growth. An Empirial Investigation for the Euro Area, Discussion Paper 1237, August.

3) Kumar, Manmohan S. and Woo, Jaejoon (2010), Public Debt and Growth, IMF Working Paper 10/174

4) European Commission, Sustainability Report 2009, http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/publication_summary16273_en.htm.

5) Gemessen an dem Nachhaltigkeitsindikator S2, siehe in der Publikation die Tabelle III.1.1 auf S. 35.

6) Europäische Kommission, Sustainability Report 2009, S. 41.

7) Europäische Kommission, Frühjahrsvorhersage, 13. Mai 2011.

8) Destatis, Pressemitteilung vom 21. Februar 2011. Der Schuldenstand erhöhte sich in 2010 (Jahresultimo) gegenüber dem Vorjahr von 1694,4 auf 1998,8 Milliarden Euro. Zu dem Anstieg trugen die "Bad Banks" der HRE und der WestLB 232,2 Milliarden Euro (11,6 Prozent) bei.

9) 47,9 Prozent nach Anzahl, 21,8 Prozent nach Volumen; Zahlen zum 31. März 2011. Details zu den Programmen unter: http://www.kfw.de/kfw/de/Inlandsfoerderung/Programmuebersicht/index.jsp. P
10) European Central Bank 2010, EU-Banking Structures, September.

11)Eurobarometer 74 vom Herbst 2010, veröffentlicht im Februar 2011, S. 41 (http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb74/eb74_publ_de.pdf).

Gerhard Hofmann , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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