Kreditwesen aktuell

Europäische Bankenunion - auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel

Vor einem Jahr hat diese Zeitschrift (Heft 14, Seite 686 ff.) das Thema "Braucht Europa eine Bankenunion?" mit Beiträgen von Gerhard Schick und Hans Reckers zur Diskussion gestellt. Unter dem Strich blieb damals die Auffassung, dass die Europäische Währungsunion ohne eine Bankenunion auf Dauer nicht funktionieren kann. Dieses Urteil ist auch heute nicht infrage zu stellen. Die Finanzkrise hat zu einer unheilvollen Verbindung zwischen Staatsfinanzen und Bankensystemen geführt. Einerseits werden systemrelevante Banken mit öffentlichen Mitteln restrukturiert, andererseits hat die damit einhergehende Belastung der Staatshaushalte Rückwirkungen auf die Ertrags- und Solvenzlage der Kreditinstitute. Diese sind nicht zuletzt durch die Staatstitel in ihren Portfolios in eine zunehmende Abhängigkeit von den öffentlichen Finanzen geraten. Eine grenzüberschreitende Bankenaufsicht kann solche Entwicklungen frühzeitig evident machen und gegensteuern.

Verzögerung als Chance?

Am 12. September 2013 hat das Europäische Parlament dem entsprechenden Vertragswerk zugestimmt, nachdem auch hinsichtlich der Informationsrechte der Parlamente gegenüber der EZB ein Kompromiss gefunden wurde. Großbritannien hat allerdings am 26. September 2013 zunächst die notwendige Abstimmung im Ministerrat blockiert. Auch deshalb ist offen, ob tatsächlich bis zum geplanten Start Mitte 2014 alle sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden können, damit die EZB rund 130 Banken der EU effektiv beaufsichtigen kann.

Diese Frage stellt sich auch angesichts der jüngsten Erklärung der EZB, die Bilanzprüfung und den darauf aufsetzenden Stresstest erst dann in Angriff zu nehmen, wenn geklärt ist, wie eine gegebenenfalls notwendige Vorfinanzierung identifizierter Kapitallücken erfolgt. Ob eine Verzögerung wirklich ein Schaden wäre, wie vielerorts behauptet, oder nicht eher die Chance böte, Ziele und Mittel einer solchen Idee in eine wirkliche Übereinstimmung und in eine sinnvolle Schrittfolge zu bringen - dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Es geht also nicht um das "Ob", sondern um das "Wie" des Ansatzes. Zunächst aber zu den Fakten und zu der Perspektive weiterer Überlegungen: Die Staats- und Regierungschefs des Euroraums hatten sich Ende Juni 2012 darauf verständigt, eine einheitliche Bankenaufsicht unter Einbindung der EZB einzurichten. Dies war die grundsätzliche Weichenstellung in Richtung einer Europäischen Bankenunion, deren Elemente die gemeinsame Bankenaufsicht, ein einheitliches Bankaufsichtsrecht, ein abgestimmtes Regime zur Sanierung und Restrukturierung von Banken und - als perspektivische Option - ein gemeinsames Einlagensicherungssystem sein sollen.

Bankenaufsicht am weitesten fortgeschritten

Am weitesten fortgeschritten sind die Konsensfindung und die Konkretisierung für die Europäische Bankenaufsicht: Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten verständigte sich Mitte April 2013 über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Bankenaufsicht. Die Rechtsgrundlage dafür sind zwei Verordnungen, mit denen zum einen besondere Aufgaben der Bankenaufsicht auf die EZB übertragen (SSM-Verordnung), zum anderen die seinerzeitige Gründungsverordnung über die European Banking Authority (EBA) der geänderten Aufsichtsarchitektur angepasst werden.

Bis Juli 2014 soll der einheitliche Mechanismus für die Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism, SSM) seine operative Tätigkeit aufnehmen. In den Mitgliedstaaten des Euroraums sowie in anderen freiwillig teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten wird die EZB als Aufsichtsbehörde für die großen und grenzüberschreitenden Banken tätig sein. Aufgrund einer "Opt-In"-Regelung können auch Mitgliedstaaten außerhalb der Eurozone sich dem SSM anschließen. In diesen Fällen soll die EZB Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit den nationalen zuständigen Aufsichtsbehörden vornehmen. Dass Großbritannien und damit der Finanzplatz London sich diesem System nicht anschließt, ist mehr als ein Schönheitsfehler des Ansatzes, wird aber offensichtlich in Kauf genommen. Ebenso offen ist, ob jene EU-Mitglieder in Osteuropa, die nicht der Euro-Zone angehören, diesem Vorgehen folgen werden.

Die EZB soll künftig "signifikante" Kreditinstitute beaufsichtigen, dabei gelten für diese Qualifizierung folgende Kriterien:

- Banken mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro oder mehr als 20 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts, wobei die Bilanzsumme auch im letzteren Fall mindestens fünf Milliarden Euro betragen muss;

- Banken mit direkter EFSF-ESM-Unterstützung;

- die drei größten Banken in jedem teilnehmenden Mitgliedstaat.

Diese Maßstäbe sind alternativ, sodass auch das Erfüllen nur einer Voraussetzung genügt, um ein Kreditinstitut als "signifikant" zu qualifizieren. Abgrenzungskriterium ist die oberste Konsolidierungsebene innerhalb der teilnehmenden Mitgliedstaaten, sodass gegebenenfalls auch gruppenangehörige Kreditinstitute "signifikant" werden können.

EZB-Aufsicht über das Gesamtsystem

Im Sinne der aufsichtsrechtlichen Arbeitsteilung zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden werden für die "weniger signifikanten" Institute die Aufgaben weiterhin durch die nationalen Aufseher wahrgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung regulatorischer Anforderungen. (Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2013, Seite 20, Abbildung). Die nationalen Aufseher sind jedoch hier nicht völlig autonom, die EZB übt eine Aufsicht über das Gesamtsystem aus, was - wie noch zu zeigen sein wird - wegen der unterschiedlichen Gestaltung der regulatorischen Vorgaben nicht ganz einfach sein wird.

Die EZB wird künftig nicht nur als Aufsichtsbehörde, sondern auch als Eingriffsverwaltung agieren. Da ein harmonisiertes europäisches Verwaltungsrecht nicht existiert, hat man dafür drei Handlungsvarianten vorgesehen: Den Rückgriff auf eigene Befugnisse, die Anwendung von nationalem Recht und schließlich die Anweisung an nationale Stellen zum Erlass aufsichtsrechtlicher Akte. Wegen der fehlenden direkten Anwendbarkeit von EU-Richtlinien ist die EZB auf entsprechendes nationales Recht, das heißt auf die nationalen Gesetze zur Umsetzung von entsprechenden EU-Richtlinien, verwiesen. Die Anwendung nationalen Rechts durch die EZB wird allerdings zu Problemen führen, da die einschlägigen EU-Richtlinien Wahlfreiheiten und Spielräume für nationale Besonderheiten belassen.

Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus

Die geplante Europäische Bankenaufsicht soll ergänzt werden durch einen Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus. Dazu soll ein europäischer Abwicklungsfonds gegründet werden. Die Vorbereitung einer Bankenschließung soll einem europäischen Abwicklungsgremium ("Board") überantwortet werden, dem Vertreter der EU-Kommission, die in der EZB anzusiedelnde Eurobankenaufsicht sowie die nationalen Abwicklungsbehörden der betroffenen Staaten angehören sollen. Dieser Board soll aktiv werden, sobald die EZB den Hinweis gibt, dass eine bestimmte Bank gefährdet ist. Das Gremium soll dann der EU-Kommission einen detaillierten Vorschlag zur Abwicklung unterbreiten. Mit diesem soll darüber entschieden werden, welche Vermögenswerte eines Instituts in eine "Bad-Bank" ausgelagert und welche Investoren an den Kosten der Abwicklung beteiligt werden sollen. Die letzte Entscheidung über eine Schließung beansprucht die EU-Kommission für sich selbst.

Während für den geplanten Abwicklungsmechanismus die Strukturen weitgehend bestimmt sind, ist das mögliche dritte Element der Europäischen Bankenunion, ein Europäisches Einlagensicherungssystem, zurzeit noch offen. Es steht aber insbesondere auf Wunsch Frankreichs und der "Südländer" als Option auf der Agenda. Notwendig ist ein solcher Schritt nicht, da die Rechtsgrundlagen der nationalen Einlagensicherungssysteme der EU durch eine Richtlinie von 1994 harmonisiert wurden.

Zudem ist im Juni dieses Jahres die bereits im Sommer 2010 begonnene Diskussion über eine weitere Harmonisierung der Regeln zur Einlagensicherung wieder aufgenommen worden, unter anderem mit dem Ziel risikoorientierter Beitragssysteme. Ein gemeinsamer Einlagensicherungsfonds würde letztlich eine Umverteilung von Traglasten innerhalb der europäischen Bankenwirtschaft bedeuten, bei der gegebenenfalls Einleger deutscher Banken für die Konsequenzen fehlgeschlagener Geschäftsmodelle anderer Kreditinstitute in der EU eintreten müssten. Abgesehen von den damit einhergehenden Umverteilungsaspekten kann dies auch bankordnungspolitisch nicht gewollt sein.

Kein Zweifel: Eine rasche Ingangsetzung der Bankenunion ist wünschenswert. Damit diese funktionsfähig und vertrauensbildend ist, sind jedoch bankordnungspolitische und regulatorische Klarstellungen, Präzisierungen hinsichtlich der vorgesehenen Haftungskaskaden bei der Abwicklung von Banken, bei der Verantwortung für die Rekapitalisierung von Banken und eine hinreichende Rechtssicherheit für die Umsetzung des Gewollten, auch im Hinblick auf die Governance innerhalb der EZB, notwendig.

Beseitigung von zwischenstaatlichen Regulierungsgefällen

Bankordnungspolitisch ist es illusorisch zu hoffen, dass das, was in den zurückliegenden Jahren seit der Finanzkrise nicht geleis tet wurde, jetzt gewissermaßen mit einem "Urknall" gelöst und auf den Weg gebracht werden kann. Der Financial Stability Board (FSB) hat kürzlich eine Mängelliste für den Umgang mit systemrelevanten Banken veröffentlicht und die fehlende Bereitschaft zu grenzüberschreitender Kooperation der nationalen Aufsichten kritisiert. Es sei zwar vieles vereinbart, aber das Problem sei offensichtlich die Umsetzung gegen nationale Interessen und damit die Beseitigung von zwischenstaatlichen Regulierungsgefällen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Verschiebung der Erstanwendung des gesamten Regelwerkes IFRS 9 (das IAS 39 als Bewertungsmethode ersetzen soll) auf unbestimmte Zeit.

Es wäre für die Funktionsfähigkeit auch der Europäischen Bankenunion richtiger gewesen, zunächst konsequent am notwendigen internationalen Konsens hinsichtlich der Aufsichtsstrukturen undinstrumente sowie der maßgeblichen Umsetzungsnormen zu arbeiten und die möglichen Lösungsansätze auf der Ebene der G20-Staaten anzugehen, auch um so den Bankplatz London einzubinden. Die erst kürzlich, quasi in letzter Sekunde, zu Ende gebrachte transatlantische Auseinandersetzung über die grundsätzlichen Regeln für die aufsichtsrechtliche Behandlung von OTC-Derivaten hat diese Notwendigkeit ebenso verdeutlicht, wie die erst jetzt in Gang gekommene Diskussion über die Regulierung der sogenannten Schattenbanken.

Offen bleibt die künftige Funktion der nach der Finanzkrise geschaffenen europäischen Regulierungsplattformen, der Bankenaufsicht EBA in London, der Wertpapieraufsicht ESMA in Paris und der Versicherungsaufsicht EIOPA in Frankfurt. Notwendig wäre deren Bündelung und Zusammenfassung mit dem European Systemic Risk Board zu einer makroprudentiellen Aufsicht. So weit aber reicht offensichtlich die europäische Konsensfähigkeit (noch) nicht.

International strittige Ansichten

Die Ingangsetzung der Bankenunion erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem grundsätzliche Fragen der Bankordnungspolitik und der Regulierung nicht gelöst sind. Das gilt nicht nur für die internationale, sondern auch für die europäische Dimension. International strittig sind die Ansichten und damit auch die künftigen Normen

- für die angemessene Höhe des Kernkapitals von Banken, wie insbesondere die jüngsten Interventionen der USA zeigen,

- für die Ausformung und aufsichtsrechtliche Anerkennung von Risikomesssystemen,

- für das angemessene Verhältnis von risikogewichteten Bilanzpositionen einerseits, einer generellen Begrenzung "ungewichteter" Aktiva nach Maßgabe des Haftkapitals (Leverage Ratio),

- für die Transparenz und Begrenzung von Risiken von Produkten und Geschäftsbereichen sowie deren Abwicklungsmöglichkeiten im "Ernstfall", eine Diskussion, die durch das Schlagwort Trennbanken-System bislang mehr vernebelt als erhellt wurde,

- für die Abfassung von Bankentestamenten, bei denen die USA nunmehr Auslandsbanken auffordern, Handlungsalternativen auch für den Fall vorzulegen, dass die internationalen Aufsichtsbehörden nicht kooperieren. Was ist - so muss man fragen - vom Willen zur internationalen Koordination zu halten, wenn die Regulatoren offensichtlich selbst daran nicht glauben?

Unabhängig von wettbewerbspolitischen Aspekten eines Level Playing Field ist eine Klärung dieser offenen Fragen im Sinne eines internationalen Konsenses für die Disziplinierung der Märkte notwendig.

Gleiches gilt auf europäischer Ebene: Hier ist der Blick für das Grundsätzliche offensichtlich der Neigung zur Überregulierung gewichen. Das Basel-III-Paket ist bei der Transformation in europäisches Aufsichtsrecht zu einem "Brüssel"-Paket geworden. Beide Regelwerke eröffnen erhebliche nationale Gestaltungsspielräume. Das gilt nicht nur für die Capital Requirements Directive (CRD IV), sondern auch für die parallele Verordnung, die Capital Requirement Regulation (CRR), welche die Normen zur Kapitalunterlegung und Offenlegung enthalten. Gerade letzteres Instrument sollte als Verordnung nationale Optionen ausschließen. Tatsache aber ist, dass dieser Ansatz rund 70 Regeln mit Ermessensspielräumen enthält, und diese gerade für die Kapitalanforderungen. Damit wird das Potenzial für einen neuen Nationalismus der Regulierung geschaffen.

Probleme aus der Zweiteilung des "Brüssel-Paketes"

In der Europäischen Bankenunion wird es Probleme aus der Zweiteilung des "Brüssel-Paketes" in eine Verordnung und eine Richtlinie geben. Wenn gleichwohl von einem Single Book gesprochen wird, bezieht sich dies nur auf den Regulierungsrahmen und den Ausschluss nationaler Sonderregelungen. Das ordnungspolitische Konzept ist aber kein umfassend einheitliches europäisches Aufsichtsrecht, vielmehr wird der Maßstab der Aufsicht weiterhin nationales Richtlinienrecht und nationales Aufsichtsrecht sein, soweit das Single Book dem nicht entgegensteht.

Gleichermaßen komplex ist die geplante Leverage Ratio, obwohl der ursprüngliche regulatorische Anspruch eine einfache, transparente und unabhängige Begrenzung des Risikos war. Nach dem jetzigen Stand der Basler Überlegungen ("Revised Basel III leverage ratio framework and disclosure requirements", June 2013) wird sie auf der Basis des aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreises ermittelt, berücksichtigt ein "add on" für das Derivatevolumen, differenziert das außerbilanzielle Exposure mit verschiedenen "credit conversion factors" und errechnet sich als Durchschnitt von Monatswerten zum relevanten Quartalswert.

Eigene Abwicklungsbehörden in den Mitgliedstaaten

Möglicherweise wird diese Kennzahl auch noch nach Geschäftsmodellen differenziert. Über diese Hintertür werden wahrscheinlich auch bei dieser Kennziffer Risikogewichte vorgesehen, obwohl gerade das bei diesem Ansatz vermieden werden sollte. Dessen regulatorischer Mehrwert wird dann kaum noch zu erkennen sein. Diese regulatorischen Gemengelagen werden zu unterschiedlichen Maßstäben in der europäischen Aufsicht führen, die entsprechenden Konfliktpotenziale sind damit vorprogrammiert.

Die Mechanik der Bankenabwicklung und die Reihenfolge der dabei vorzusehenden Sanierungsbeiträge und Haftungsverpflichtungen sind Kern des im Juni 2012 vorgelegten Entwurfs einer "Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten".

Alle Mitgliedstaaten bauen - soweit noch nicht geschehen - eigene Abwicklungsbehörden auf. Diese sollen Krisenbanken zur Sanierung zwingen oder schließen können. Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Restrukturierungsgesetz von 2010 dafür eine Blaupause geliefert. Dabei gilt der "Bail-in"-Grundsatz. Die Abwicklungsbehörden können in einer fixierten Reihenfolge An sprüche der Aktionäre, Anleihegläubiger und Einleger mit Einlagen von mehr als 100 000 Euro abschreiben oder in Eigen kapital umwandeln, wenn eine als system relevant erachtete Bank in Not gerät. Aus dem Kreis der Großeinleger haften natür liche Personen sowie kleine und mittlere Unternehmen zuletzt, Einleger mit Ersparnissen von weniger als 100000 Euro sollen von der Haftung ausgenommen werden.

Es werden neue nationale Krisenfonds aufgebaut, die künftig für Garantien oder Kapitalspritzen für zu restrukturierende Banken zur Verfügung stehen. Diese Fonds sollen die nationalen Institute binnen zehn Jahre befüllen, wobei nach den Risiken der einzelnen Institute differenziert werden soll. Vorgeschlagen ist ein Satz von einem Prozent der gedeckten Einlagen, der über zehn Jahre aufgebaut werden muss und ein Volumen von rund 55 Milliarden Euro speisen soll. Für die deutschen Banken wären das rund 16 Milliarden Euro.

Das Konzept für das Krisenmanagement sieht drei Stufen vor: Vorbeugung, frühes Eingreifen und Abwicklung. In der ersten Phase müssen die Banken Notfallpläne zum Umgang mit Finanzklemmen aufstellen. Ist die Insolvenz nicht mehr abzuwenden, übernimmt die Abwicklungsplattform die Kontrolle. Sie kann kleine Banken schnell schließen, Großbanken sollen aufgespalten und teilsaniert werden.

Die Reihenfolge der Haftung ist wie folgt geregelt: Eigentümer und Gläubiger einer Bank sollen im Krisenfall mit einem Minimum von acht Prozent der Bilanzsumme haften. Sollten noch höhere Verluste anfallen, können weitere fünf Prozent über den nationalen Krisenfonds oder dem Eurorettungsschirm ESM gedeckt werden. Übersteigt der Finanzbedarf die Schwelle von 13 Prozent, werden wieder Bankinvestoren zur Kasse gebeten. Stattdessen kann allerdings auch der nationale Abwicklungsfonds angezapft werden, zumindest zur Deckung der weiteren Fünf-Prozent-Verbindlichkeiten. Der Europäische Rettungsschirm ESM würde erst dann beansprucht werden, wenn die Kapitalquellen der Bank, ihr Eigen- und Fremdkapital, und auch die Einlagen ihrer Kunden oberhalb der gesetzlichen Schutzmarke von 100000 Euro ausgeschöpft sind. Im ESM werden 60 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung von Banken reserviert.

Nur begrenzte Disziplinierungskraft

Diese Lösung muss sich an ihrer Zielsetzung, der Wiederherstellung der Einheit von Eigentum und Haftung, messen lassen. Auch die "Non-Bail-out"-Klausel des Maastricht-Vertrags sollte ursprünglich die nationale Eigenverantwortung durchsetzen, von den Investoren und von den Märkten wurde sie von Anfang an nicht als wirklich ernst gemeint wahrgenommen. Es ist zu befürchten, dass auch das für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken vorgesehene "Bailin" nur von begrenzter Disziplinierungskraft ist. Für diese Einschätzung sprechen gegenwärtig folgende Gründe:

Erstens sollen die EU-Beschlüsse erst ab dem Jahre 2018 gelten. Was geschieht bis dahin? Eine weitere Kette von Ad-hoc-Maßnahmen wie im Falle Zypern kann nicht für Vertrauen und Stabilität sorgen. Vielmehr wird jedes Mal neu die Frage aufgeworfen werden, welche Gläubigergruppen unter welchen Voraussetzungen und in welcher Reihenfolge an der Bankenrettung beteiligt werden.

Zweitens werden auch nach dem Jahr 2018 Unsicherheiten bleiben, die gefassten Beschlüsse sehen eine Reihe von Ausnahmen vor. So können nationale Abwicklungsbehörden dann alle oder bestimmte Verbindlichkeiten von Gläubigern und Beteiligungen ausschließen, wenn "Ansteckungsgefahr" droht. Wie diese Gefahr definiert wird, ist unklar. Ziemlich sicher ist dagegen, dass staatliche Interventionen in solchen Fällen künftig auch ohne klare Regeln möglich sein werden.

Drittens werden bestimmte Kategorien von Bankverbindlichkeiten vom "Bail-in" ausgeschlossen. Dies gilt zum einen für Einlagen bis zu einer Höhe von 100000 Euro. Zum anderen sollen besicherte Schulden der Banken ganz von der Leistungsverpflichtung ausgenommen werden. Da besicherte Schulden keines weiteren Schutzes bedürfen, fragt man sich nach dem Grund für diese Ausnahme. Offensichtlich zielt sie auf die Refinanzierungskredite der EZB an die Geschäftsbanken der Krisenländer, zurzeit ein Betrag von rund 730 Milliarden Euro. Dies würde eine Umverteilung besonderer Art auslösen: Abschreibungsnotwendigkeiten der EZB würden auf den Fonds beziehungsweise auf den ESM verlagert.

Viertens fehlt eine einheitliche Mindestquote für Bankverbindlichkeiten, die künftig einem "Bailin" unterliegen. Damit gibt es auch kein Gegengewicht für die genannten Wahlfreiheiten.

Fünftens bleibt das Erpressungspotenzial der Banken gegenüber den Staaten erhalten, wenn die nationalen Behörden mit dem Argument "Ansteckungsgefahr" diskretionär, das heißt nach eigenem Ermessen, Bankverbindlichkeiten von der Haftung ausnehmen oder gar auf den Art. 27 Abs. 2d III des Richtlinien-Entwurfs zurückgreifen können, der von "außergewöhnlicher finanzieller Unterstützung" (durch den jeweiligen Staat) spricht.

Sechstens mangelt es an Vorkehrungen dafür, dass Gläubiger wirklich haften können, ohne dass eine Systemkrise entsteht. Dafür wären Regulierungen nötig, welche die Banken zwingen, für die Absorption von Verlusten hinreichend Eigen- und Fremdkapital von Investoren aufzunehmen.

Einheit von Eigentum und Haftung nicht umgesetzt

Zusammenfassend bleibt festzustellen: Das Prinzip der Einheit von Eigentum und Haftung bei notwendigen Abwicklungen von Banken wird mit den vorgesehenen Regeln nicht umgesetzt. Die angedachten Umsetzungsschritte sind zu vage und sie führen zu weiteren Umverteilungen zwischen den Bankgläubigern und den europäischen Steuerzahlern. Schließlich: Die Regelungen treten erst in vier Jahren in Kraft, sie sind politisch disponibel und deshalb von Anfang an wenig glaubwürdig.

Zu dieser Kritik kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Wie wird sichergestellt, dass der gemeinsame Abwicklungsmechanismus nicht auch die "Altlasten" in den europäischen Bankbilanzen umverteilt? Diese Frage ist auch deshalb von Bedeutung, weil der ESM künftig die Möglichkeit erhalten soll, Banken direkt zu kapitalisieren. Auch dieser Integrationsschritt wäre dann vom Geist der Kollektivhaftung für europäische Banken bestimmt. Dass der ESM als Kapitalgeber damit auch Miteigentümer maroder Institute werden würde, sei am Rande vermerkt. Die Sozialisierung nationaler Lasten würde über die Dimension der Fiskalunion und deren Rettungsmechanismen hinaus auch auf die Bankenunion übertragen, zumal nach den bisherigen Überlegungen - wie erwähnt - die Bankengläubiger bis Ende 2017 nicht zur Lasttragung herangezogen werden sollen. Es käme also zu einer staatlichen Gewährträgerhaftung unter neuem Vorzeichen. Die "Too big to fail"-Problematik würde nicht durch eine klare Verantwortungskette und entsprechende Sanktionsmöglichkeiten gelöst. An deren Stelle träte eine implizite europäische Staatsgarantie. Die Bankensanierung zulasten der Gesellschaft und ihrer Steuerzahler würden dann ein Pfeiler der Europäischen Bankenunion.

Auch die Bankenunion trägt also den Keim einer weiteren europäischen Umverteilung von beachtlichen Risiken. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts lag die Summe der Bankschulden der Krisenländer Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien und Zypern Ende 2012 bei rund neun Billionen Euro. Analysen - so beispielsweise eine von Ernst & Young dazu vorgelegte Studie - gehen davon aus, dass die Summe der notleidenden Aktiva in den Bilanzen europäischer Banken in 2013 auf rund 900 Milliarden Euro ansteigen wird, davon etwa die Hälfte in den Büchern italienischer und spanischer Kreditinstitute.

Kaskade von Eintrittsverpflichtungen

Diese "Altlasten" sollen vor dem Übergang der Aufsichtskompetenz auf die EZB zumindest bei den "signifikanten" Banken durch Bilanzprüfung (Asset Quality Review) durch die EZB und einem Stresstest durch die EBA verifiziert und abgesichert werden. Damit werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Abdeckung dabei erkannter Risiken einschließlich einer entsprechend notwendigen Rekapitalisierung in die Verantwortung jener Staaten fällt, unter deren Aufsicht sie entstanden sind.

Wahrscheinlich aber wird auch hier die normative Kraft des Faktischen entscheidend sein: Die Tatsache, dass Spanien in 2012 60 Milliarden Euro aus dem ESM zur Rekapitalisierung seiner Banken erhalten hat (von denen 40 Milliarden Euro bislang eingesetzt wurden), hat ein Präjudiz geschaffen, das die Restrukturierung von Altlasten in nationaler Verantwortung eher unwahrscheinlich werden lässt. Auch Irland und Griechenland fordern jetzt die Rekapitalisierung durch den ESM nicht nur "nach vorn", sondern auch für die Bewältigung bilanzieller Altlasten, gegebenenfalls auch durch Umwidmung früher geflossener EFSM- und ESM-Mittel. Mit der Aussicht, dass der ESM künftig Banken rekapitalisieren kann, wird ebenfalls die Ratio des Ganzen, der Zusammenhang zwischen Eigentum und Haftung, infrage gestellt. Die Verquickung zwischen Staatsfinanzierung und Bankengeschäft würde damit eine neue Dimension erreichen.

Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung auf einer bestimmten Schrittfolge besteht: Haftung nur auf der Grundlage von Kontrolle, also erst bei einer funktionsfähigen europäischen Bankenaufsicht. Zu Recht fordert sie auch eine Kaskade von Eintrittsverpflichtungen ein, bei welchem der ESM auch bei der Rekapitalisierung von Banken nur "lender of last resort" ist. Offen ist, ob diese Position einschließlich einer Obergrenze für Bankenrekapitalisierung durch den ESM von 60 Milliarden Euro schlussendlich durchgesetzt werden kann. Wahrscheinlich werden die Aussicht auf zusätzliche europäische Mittel und der politische Druck, dieser Versuchung nachzugeben, stärker sein. Ein Signal dafür ist, dass auf der Sitzung der Eurogruppe Mitte September von dem Vertreter der EZB der Vorschlag gemacht wurde, den ESM zu Vorfinanzierungen für Bankenabwicklungen heranzuziehen, sofern der vorgesehene Abwicklungsfonds noch nicht hinreichend dotiert sei. Damit würden Leistungen des ESM im Abwicklungsfall vor die vorgesehene Haftungskaskade treten.

Risiken der Staatsfinanzierung

Ein weiteres Indiz für diese Einschätzung ist, dass die Möglichkeiten der Bankenrekapitalisierung künftig auch von EU-Staaten außerhalb der Eurozone beansprucht werden sollen. Mit der "Fazilität des finanziellen Beistands für Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist" - so eine Vorlage der EU-Kommission an den Rat - soll eine ursprünglich für Zahlungsbilanzhilfen gedachte Unterstützung nach Art. 143 AUEV nicht nur auf 50 Milliarden Euro aufgestockt, sondern eben auch so gestaltet werden, dass sie für die Rekapitalisierung von Banken eingesetzt werden kann.

Damit wäre der europäische Steuerzahler "lender of last resort", obwohl mit der Bankenunion die Verknüpfung zwischen Banken- und Staatsschuldenkrise eigentlich aufgelöst werden soll. Die Entwicklung folgt aber auch in anderen Bereichen nicht diesem Ziel: Zu den notwendigen Schritten, um Bankverschuldung und Staatsverschuldung zu trennen, sollte auch die Beseitigung aufsichtsrechtlicher Präferenzen öffentlicher Titel in den bank- und versicherungswirtschaftlichen Aufsichtsregeln gehören. Diese sind nach den Erfahrungen der Krise nicht mehr zu rechtfertigen. Es hat sich erwiesen, dass auch Staatspapiere risikobehaftet sind. Gleichwohl hält man an dieser regulatorischen Präferenz, der Befreiung von der Eigenkapitalunterlegung, fest, ganz zu schweigen von einer gebotenen regulatorischen Obergrenze für öffentliche Kredite. Die geplanten Stresstests werden deshalb die Risiken der Staatsfinanzierung in der europäischen Bankwirtschaft nur partiell evident machen. Eine der wesentlichen Ursachen der Instabilität des Systems wird bei dem Befund außen vor bleiben.

Rechtliche Fundierung

Unabhängig von diesen ökonomischen Betrachtungen stellt sich die Frage nach der rechtlichen Fundierung des Ganzen. Man mag diesen Aspekt als nachgeordnet betrachten, zumal auch in der Genesis der Fiskalunion Rechtsfragen offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle spielten. Man sollte die Langfristwirkung solcher Permissivität aber nicht unterschätzen, letztlich werden die Märkte nur diszipliniert, wenn sie davon ausgehen müssen, dass die vorgesehenen Eingriffe auch rechtlich zweifelsfrei und ohne Umschweife exekutiert werden können. Für drei Handlungsfelder soll verdeutlicht werden, worum es geht:

Erstens: Vor wenigen Wochen hat die Kommission den Entwurf einer Verordnung für eine bei der Kommission angesiedelte Einrichtung zur Bankenabwicklung (Single Resolution Mechanismen) und einen Europäischen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fonds) vorgelegt. Dies geschah trotz nachhaltiger Bedenken der Bundesregierung, die wegen des möglichen Eingriffs in nationale Eigentums- und Budgetrechte bei dessen Vorfinanzierung dafür eine Änderung der EU-Verträge für notwendig erachtet. Diese Verordnung soll offensichtlich die Richtlinie zur Bankenrestrukturierung ersetzen. Wahrscheinlich ist das Motiv dafür das Interesse einiger Mitgliedstaaten, künftig europäische Mittel in Anspruch nehmen zu können, anstelle der in der Richtlinie vorgesehenen nationalen Abwicklungseinrichtungen und Abwicklungsfonds.

Die Kommission hat sich über die Bedenken der Bundesregierung mit dem Hinweis auf die "Binnenmarktklausel" des Art. 114 AEUV hinweggesetzt, wonach "Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten mit Bezug auf das Funktionieren des Binnenmarktes" zulässig sind. Genau eine solche Rechtsharmonisierung verkörpert aber der erwähnte Entwurf für eine Richtlinie zur Bankenrestrukturierung. Die Verlagerung der Zuständigkeiten für die Abwicklung von Kreditinstituten und deren Finanzierung auf die Kommission geht über den im Richtlinienentwurf vorgesehenen Ansatz weit hinaus.

Welche Anreize bestünden aber noch zur Umsetzung der Restrukturierungs-Richtlinie, wenn gleichzeitig der Zugang zu europäischen Fondsmitteln eröffnet wird? Mit diesem Ansatz würden auch Sachverhalte ausgeklammert, die vorher zu klären sind: Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach effektivem Rechtsschutz, wenn bei einer Bankenrestrukturierung nationales Insolvenzrecht und europäische Regeln sich überlagern. Vor allem aber wird es bei der Abwicklung von Kreditinstituten allein aus Gründen einer schnellen Handlungsfähigkeit auf die Entscheidungskompetenz der nationalen Aufsichtsbehörden und (zunächst) auf die Verfügbarkeit nationaler Fonds ankommen.

Zweitens ist offen, wo die neuen aufsichtsrechtlichen Kompetenzen der EZB in deren bestehende Governance integriert werden können. Künftig sind Zielkonflikte und Interessenkollision zwischen der Bankenaufsicht einerseits und Geldpolitik nicht auszuschließen. Die SSM-Verordnung spricht zwar von einer vollständigen und strikten Trennung der beiden Politikbereiche. Dazu sollen die für diese beiden Aufgaben verantwortlichen Einheiten innerhalb der EZB organisatorisch separiert werden, wobei diese Trennung sich auch in unterschiedlichen Berichts- und Weisungsketten verkörpern soll. Das europäische Primärrecht lässt eine solche institutionelle Trennung nicht zu.

Einschaltung einer Schlichtungsstelle

Nach dem Statut der EZB ist der EZB-Rat das oberste Entscheidungsgremium der EZB, ohne dass eine Differenzierung zwischen den Politikbereichen vorgesehen ist. Deshalb kann das Aufsichtsgremium innerhalb der EZB nicht mit eigenen Entscheidungskompetenzen anstelle des EZB-Rates versehen werden. Um dieses Problem zu lösen, wurde für die Entscheidungsprozesse im SSM ein "No-Objection"-Verfahren entwickelt.

Der Kern dieses Prozesses ist ein Abstimmungs-Mechanismus zwischen dem EZB-Rat und der Aufsichtsseite der EZB, an dessen Ende gegebenenfalls eine Schlichtungsstelle (Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2013, Seite 25; Abbildung) steht. Unklar ist offensichtlich, ob diese Schlichtungsstelle letztverbindlich auch gegenüber dem EZB-Rat entscheiden kann. Die Bundesbank kommentiert in dem erwähnten Monatsbericht Juli 2013 das Verfahren mit dem Hinweis, dass wegen des Letztentscheidungsrechtes des EZB-Rates diese den EZB-Rat nicht binden könne. Damit bleibt auch offen, ob der erwähnte Zielkonflikt mit dem vorgesehenen Prozedere materiell tatsächlich aufgelöst wird.

Drittens haben sich mit dem Beschluss des Europäischen Parlaments vom 12. September Einfallstore in die Unabhängigkeit der EZB geöffnet. Dabei geht es um die Frage, in welcher Form die Notenbank künftig die Protokolle ihrer Ratssitzungen veröffentlichen wird. Sollten dabei auch die Meinungen und Haltungen einzelner Ratsmitglieder publik werden, sind politische Pressionen auf den EZB-Rat nicht auszuschließen.

Man mag einwenden, dass man bei der Kritik im Einzelnen das Ganze nicht aus dem Auge verlieren sollte. Darum geht es nicht. Die europäische Idee wird dauerhaft nur dann eine Zukunft haben, wenn sie ein ökonomisch tragfähiges Fundament hat und wenn die Schritte der Weiterentwicklung der Gemeinschaft vertrauensbildend sind. Die Fortentwicklungen in der Gemeinschaft sind aber durch zwei Tendenzen gekennzeichnet, die dies gefährden:

Zum einen durch die Neigung, die einschlägigen Fragen vorab nicht eindeutig zu klären, sodass deren Beantwortung einem Prozess nachgeschobener Auslegungen, Deutungen und Interpretationen zugänglich ist. Ein solches Verständnis läuft Gefahr, dass das Konzept sich selbst diskreditiert und sich letztlich als funktionsunfähig erweist.

Zum anderen droht sich die Gestaltungskraft der Gemeinschaft auch beim Projekt "Bankenunion" auf Umverteilungsprozesse zu konzentrieren. Fragt man, warum trotz aller offenkundigen Schwachstellen und offenen Sachfragen dieses Konzept derart forciert wird, so liegt die Antwort nahe: Weil es neue und zusätzliche Möglichkeiten der Sozialisierung von Traglasten bei der Restrukturierung des europäischen Bankensektors vorsieht.

Bestehende Altlasten nicht vergemeinschaften

Beide Entwicklungslinien sind deshalb keine wirkliche Perspektive für ein politisch und ökonomisch stabiles Europa. Soll eine Bankenunion als ein wirklich tragfähiges Gebäude entstehen, muss der Bauplan als Fundament einen harmonisierten Kernbereich gleichartiger Regeln und Normen für die Beaufsichtigung vorsehen. Darauf sollten das organisatorische Konzept der Umsetzung einer harmonisierten Aufsicht und in einem dritten Schritt die Werkzeuge für die Exekution bankaufsichtsrechtlicher Eingriffe aufsetzen. Nur ein Konzept, dessen Funktionsfähigkeit nicht von vornherein durch rechtliche Zweifel, Auslegungsmöglichkeiten und Notausgänge gekennzeichnet ist, wird die Märkte und ihre Akteure disziplinieren, nicht aber eine Bankordnungspolitik, die sich offensichtlich zwischen "weißer Salbe" und Überregulierung nicht entscheiden kann.

Die Bankenunion ist ein nach vorn gerichtetes Projekt. Dies erfordert, dass in der europäischen Bankenwirtschaft bestehende Altlasten nicht vergemeinschaftet werden dürfen. Sie müssen vielmehr in nationaler Verantwortung ausgeräumt werden. Erst auf dieser Basis kann ein Konzept "gemeinsame Aufsicht als Grundlage gemeinsamer Haftung" funktionieren. Wenn - wie vorgesehen - die Lasttragung der Stabilisierung des Bankensektors vergemeinschaftet wird, sind weiteren Regulierungsgefällen Tür und Tor geöffnet, da deren Konsequenzen nicht die Nationalstaaten treffen, sondern innerhalb der Gemeinschaft sozialisiert werden. Dies aber wird auf Dauer die europäische Idee politisch, ökonomisch und mental überfordern. Insofern steht nicht die Bankenunion als Konzept, sondern wegen ihrer unausgegorenen Ausführung in der Gefahr, nicht ein Instrument der Fortentwicklung, sondern der weiteren Belastung der Gemeinschaft zu werden.

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