Aufsätze

Gefahr durch neue Wettbewerber - Chancen durch Schärfung des Kundenfokus

Wie geht man aus der Sicht etablierter kreditwirtschaftlicher Anbieter mit dem ernst zu nehmenden Phänomen neuer digitaler Finanzdienstleister um, ohne es zu bagatellisieren und ohne es zu überhöhen? Wie diskutiert man über Handlungsoptionen, ohne zu sehr dem Status quo verhaftet zu sein und ohne das Heil in beliebigen Kopien zu suchen?

Komfortable Ausgangslage - aber keine Entwarnung

Zur Bestimmung der Ausgangslage ist sicher ein Blick auf die wirtschaftlichen Grunddaten hilfreich. So konnten die Volksbanken und Raiffeisenbanken im Jahre 2013 ihre Bestände im Kundenkreditgeschäft erneut um 4,3 Prozent auf nunmehr 463,3 Milliarden Euro ausbauen, die Bestände im Kundeneinlagengeschäft wuchsen um 3,5 Prozent auf nunmehr 561,2 Milliarden Euro - all dies in einem Jahr, in dem Vergleichsportale und Lending-Plattformen bereits hohe Aufmerksamkeit erreichten. Parallel steigerten die Genossenschaftsbanken das außerbilanzielle Kundenvolumen um 4,9 Prozent auf 347,5 Milliarden Euro. Und im Zahlungsverkehr hat das Girocard-System der Deutschen Kreditwirtschaft gerade mit 2,5 Milliarden Transaktionen per annum einen neuen Höchststand erreicht - trotz des Vordringens von E-Commerce-Anbietern in den stationären Point-of-Sale-Bereich (PoS).

Um Bestandsdaten mit jenen der neuen Wettbewerber zu vergleichen, fehlt es häufig an Transparenz. Zum Kreditgeschäft ist immerhin ein Vergleich möglich: Die beiden Lending-Plattformen, die seit 2007 im deutschen Markt arbeiten, haben nach eigenen Angaben bisher Kredite für mehr als 100 beziehungsweise knapp 50 Millionen Euro vermittelt. Ein wesentlicher Beitrag zur Unternehmensfinanzierung ist das bislang nicht.

Ist also Entwarnung angesagt? Sicher nicht, denn die Philosophie der neuen Wettbewerber definiert sich ja gerade nicht über aktuelle Bestandszahlen, sondern über die Geschwindigkeit des Wachstums. Und entsprechende Finanzierungsmodelle stellen häufig sicher, dass zumindest über eine längere Zeitstrecke Wachstum auch ohne hinreichende Deckungsbeiträge möglich ist.

Erfolgsfaktoren neuer Wettbewerber

Es lohnt sich also, einen Blick auf die Erfolgsfaktoren neuer Wettbewerber zu werfen, mit denen diese in der Öffentlichkeit und in affinen Zielgruppen erkennbar Aufmerksamkeit gewinnen. Diese sind:

Einfachheit: Digitale Finanzdienstleister sind in eine Welt geboren, in der schnelle Internet-Kommunikation das Denken in administrativen Bankprozessen mit komplizierten Formularen ablöst. Während regulierte Banken, die für ihre eigenen Produkte in der Haftung stehen, vermeintlich unnötige Volumina von Kundenbedingungen und Informationsblättern generieren, können unregulierte Vermittlungsplattformen sich voll auf eine kundenfreundliche Darstellung im Netz konzentrieren.

Da die Kreditwirtschaft - politische Interessenvertretung zur Vereinfachung von bürokratischen Vorgaben mal ausgenommen - kaum die Möglichkeit hat, regulatorisch vorgegebene Komplexität zu vermeiden, wird es für die Zukunft darauf ankommen, die notwendige Komplexität angemessen aufzubereiten oder zu erklären. Außerdem ist es wichtig, nicht notwendige Komplexität zu reduzieren, wo es im eigenen Verantwortungsbereich möglich ist. Dies gilt beispielsweise für die Darstellung in den Online-Medien, für Online-Brokerage und -Zahlungsverkehr.

Transparenz: Vergleichsportale erwecken den Eindruck von unendlicher und objektiver Transparenz. Dass die dort dargestellten Angebote häufig nur eine eingeschränkte Anbieter- und Produktauswahl abbilden, bemerkt nicht jeder Besucher. Und während Banken sich an regulatorische Vorgaben zu halten haben, müssen Vermittlungsplattformen gerade keine Offenlegung von Provisionen befürchten. An dieser Stelle wird auch deutlich, dass der Verbraucherschutz hier mit zweierlei Maß misst: Warum fordert er nicht, dass der Verbraucher ein Entgelt an die Plattform entrichtet, um in seinem Interesse Transparenz herzustellen und Transaktionen abzuwickeln?

Gesamtvergleich lohnt

Für Banken wird es vor diesem Hintergrund darum gehen, darüber aufzuklären, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Online-Suche nach der günstigsten Produktkondition und der tatsächlich besten Bedürfnisbefriedigung. Im Beratungsthema "Vermögen" existiert eben nicht nur das von Direktbanken und Portalen favorisierte Tagesgeld. Es gibt zahlreiche länger laufende Anlageformen, die zu einem besseren Anlageergebnis führen. Nur wer alle infrage kommenden Lösungen vergleicht, erhält eine echte Transparenz. Eine programmierte Logik wie eine Tagesgeld-Rennliste bietet eine solche Transparenz nicht, sondern ist lediglich eine eingeschränkte Momentaufnahme.

Vernetzung: Digitale Finanzdienstleister haben es verstanden, Finanzprodukte für den Verbraucher in eine umfassendere Nutzenwahrnehmung einzubinden. Als Vorreiter kann man hier sicher die Zahlungsabwicklung im E-Commerce sehen, in die ein Konsumentenkredit oder ein Käuferschutz integriert wird. Aber auch Beteiligungsangebote im Netz wie Crowdinvesting oder Neo Investing beinhalten Elemente sozialer Netzwerke. Und bei der Zahlungsabwicklung am PoS verschmelzen zunehmend die Endgeräte und Funktionen wie Reservierungen oder Rabatte in einem Angebot.

Banken haben schon begonnen, diesen Trend aufzunehmen. Von ihren Infrastrukturen her sind sie durchaus in der Lage, auch selbst derartige neue Wertschöpfungsketten aufzubauen. Mit dem in das Online-Banking integrierten Personal Finance Management ist dies bereits gelungen. Herausfordernd bleibt dabei, dies mit einer G+V-Perspektive zu verbinden, die weiterhin positive Deckungsbeiträge in den Kerngeschäftsfeldern voraussetzt. Dies kann durch intelligente Preispolitik etwa in Form von Produktbündeln unterstützt werden.

Kommunikation mit den Kunden suchen

Diese Überlegungen zeigen, dass die Geschäftsmodelle neuer digitaler Finanzdienstleister durch Banken nicht 1:1 aufgegriffen werden können. Dagegen sprechen regulatorische Gründe, aber auch die Notwendigkeit der Erhaltung der Ertragskraft im Kerngeschäft. Letztlich wäre es aber auch nicht authentisch, eine über lange Zeit gewachsene kulturelle Positionierung einfach so aufzugeben, schon gar nicht für die Genossenschaftsbanken mit ihrer in über 160 Jahren unter Beweis gestellten Interpretationsfähigkeit eines Social Bankings mit und für Genossenschaftsmitglieder. Das beinhaltet aber zugleich die Verpflichtung, die Kommunikation mit und das Leistungsangebot für Kunden und Mitglieder jeweils State of the Art auszugestalten.

Zu den Grundwerten der genossenschaftlichen Finanzgruppe gehören auch Sicherheit und Datenschutz im Interesse des Kunden. Zwar ist einerseits die Bereitschaft von Verbrauchern gewachsen, persönliche Details, die für die Abwicklung eines Grundgeschäfts gar nicht erforderlich wären, im Internet öffentlich zu machen. Andererseits besteht aber gerade Banken gegenüber die Erwartung, Kundendaten nicht für andere Geschäftszwecke zu nutzen. Die Konsequenz lautet, nur solche Online-Banking- und E-Commerce-Lösungen anzubieten, die Daten ausschließlich zur Zahlungsabwicklung verwenden und eben nicht für weitergehende Bonitätsoder Verhaltensinformationen. Derartige Angebote lassen sich durchaus mit Mehrwerten, wie etwa Käuferschutz, kombinieren. In diesem Sinne engagiert sich die genossenschaftliche Finanzgruppe in einem gemeinsamen Projekt mit Partnern in der deutschen Kreditwirtschaft, um ein einfaches und zugleich neutrales Zahlverfahren für den E-Commerce zu schaffen.

Wichtige Erfolgsfaktoren sind dabei Effizienz und Sicherheit - schließlich gilt es, Betrugsverluste zu vermeiden. Die von neuen Zahlungsverkehrsspezialisten erhobenen Händlerentgelte liegen etwa bei Pay-Pal um ein mehrfaches höher als die Konditionen im kreditwirtschaftlichen Girocard-System. Lässt auf Akzeptanzseite die Bereitschaft zur Zahlung höherer Entgelte für zunächst innovative Systeme mit neuem Kauferlebnis nach - und das ist zu erwarten - dann wird es entscheidend darauf ankommen, was es kostet, die Transaktion abzuwickeln.

Ein weiterer Grundwert der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist die strikte Orientierung an den Zielen und Wünschen der Kunden und Mitglieder. Hier gilt es herauszuarbeiten, dass Berater und Kunde erst in einer persönlichen Beratung die in unterschiedlichen Lebensphasen beste Lösung für eine finanzielle Angelegenheit finden können. Mit dem Projekt Beratungsqualität verfolgt die genossenschaftliche Finanzgruppe das Ziel, dieses Qualitätsmerkmal weiter zu schärfen und durch effiziente Abwicklungsprozesse zu unterlegen, in die die automatische Generierung von Produktinformationsblättern und Beratungsprotokollen einbezogen wird.

Marktentwicklungen im Blick

Unmittelbar verbunden mit der Qualität in der stationären Beratung ist die Qualität im Online-Auftritt. Mit dem Projekt "Web-Erfolg" hat sich die genossenschaftliche Finanzgruppe auf den Weg gemacht, die Anmutung und Aussagekraft aller Auftritte in der Gruppe zu verbessern, Abschlussstrecken für einfache Finanzprodukte zu integrieren und das volle Potenzial des Allfinanzverbundes online anzubieten. Sehr hilfreich für den Kunden ist dabei etwa der Online-Finanzstatus, der alle innerhalb der Gruppe abgeschlossenen Produkte auf einen Klick und Blick zugänglich macht. Das Projekt greift auch Innovationen aus dem Bereich der neuen Wettbewerber auf, zum Beispiel mit einer Plattform für lokale Crowdfunding-Projekte. Die erfolgreichen und ausgezeichneten multibankfähigen App-Angebote der genossenschaftlichen Rechenzentralen, natürlich mit Personal Finance Management, machen hieraus ein echtes Multikanalangebot.

Auch wenn die neuen digitalen Finanzdienstleister bis heute noch nicht unter Beweis stellen mussten, dass ihr Geschäftsmodell nachhaltig und profitabel ist und sich für hohe Transaktionszahlen und flächendeckende Versorgung eignet, ist die Kreditwirtschaft angehalten, sich mit den neuen Blickwinkeln auf klassische Bankprodukte auseinanderzusetzen. Die genossenschaftliche Finanzgruppe praktiziert dies in den BVR-Fachräten, in den zentralen Dienstleistern und Unternehmen der Gruppe, in Innovationszirkeln der lokalen Banken und in gemeinsamen Projekten. Letztlich geht es dabei immer um die Weiterentwicklung des Fokus auf Kunde und Mitglied - der Mensch steht im Mittelpunkt, auch bei den digitalen Finanzdienstleistungen.

Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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