Aufsätze

Genossenschaften in der Finanz- und Wirtschaftskrise

Die Finanzkrise hat auch die Kreditgenossenschaften berührt, allerdings in einem weit geringeren Maße als die Investment- und die Geschäftsbanken. Dass die Kreditgenossenschaften nicht so hart getroffen wurden, hängt (wie im Einzelnen erläutert wird) mit ihrem besonderen Förderzweck, ihrer lokalen oder regionalen Verwurzelung, ihrer Verbundstruktur zusammen und nicht zuletzt auch damit, dass ihnen vergleichsweise weniger freies Anlagekapital zur Verfügung steht.

Förderwirtschaftliche Lehren

Die infolge der Finanzkrise um sich greifende Wirtschaftskrise hat auch viele sonstige Genossenschaften erfasst. Auch diese leiden (insbesondere als Handels- und Handwerkergenossenschaften) unter der sinkenden Nachfrage der Kunden. Weithin verschont blieben nur Genossenschaften, die (etwa als Wohnungsgenossenschaften) darauf angelegt sind, stabile Verbraucherbedürfnisse zu befriedigen. Grundsätzlich ist zu fragen, inwieweit und warum sich Genossenschaften und die von ihnen betriebenen Unternehmen bei Wirtschaftsstörungen besser behaupten können als andere Vereinigungsformen und deren Unternehmen. Gibt es eine besondere Krisenfestigkeit der Genossenschaften selbst?

Eine eingetragene Genossenschaft (eG) hat den Erwerb (das heißt die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit) oder die Wirtschaft (das heißt die Hauswirtschaft und sonstige Lebensführung) ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes zu fördern. Die Mitglieder einer Genossenschaft sind also Mitglied und Kunde der Genossenschaft zugleich. Als Mitgliederkunden erstreben sie anders als die Mitglieder einer Kapitalgesellschaft keine Kapitalrendite. Vielmehr wollen sie von dem genossenschaftlichen Unternehmen mit Waren, Werk- oder Dienstleistungen versorgt werden, oder sie wollen ihre Erzeugnisse über das genossenschaftliche Unternehmen absetzen. Jeweils soll das zu möglichst günstigen Konditionen geschehen.

Weniger Investitionen in hypride Finanzanlagen

Die eingetragenen Genossenschaften dürfen keine sogenannte Dividendengenossenschaft sein. Das heißt, sie dürfen nicht Geschäfte mit einem beliebigen Personenkreis machen, um den daraus erzielten Überschuss als Kapitaldividende an ihre Mitglieder auszuschütten.1)

Die Einlagen (Geschäftsguthaben) ihrer Mitglieder darf eine eG nur verzinsen, soweit das die Satzung vorsieht und die Jahresbilanz keinen Fehlbetrag ausweist (§§ 21, 21 a GenG). Eine Dividende auf die Geschäftsguthaben darf sie ihren Mitgliedern nur gewähren, soweit der Überschuss nicht für die förderwirtschaftlich gebotenen Rücklagen benötigt wird (§ 19 I GenG).

Eine Genossenschaft verfolgt also keine kapitalzinswirtschaftlichen Kapitalanlagezwecke. Darüber wacht eine Staatsaufsichtsbehörde (§ 81 I 1 Halbs. 2 GenG). Deshalb ist die Gefahr, in hybride Finanzanlagen zu investieren, bei Genossenschaften, jedenfalls soweit sie keine Kreditgenossenschaft sind, geringer als bei Kapitalgesellschaften.

Keine spekulativen Unternehmensbeteiligungen

Eine eG darf sich an anderen Gesellschaften nur beteiligen, soweit dies der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft (einschließlich der sozialen und kulturellen Belange) ihrer Mitglieder sowie (ohne dass das zum alleinigen oder überwiegenden Gesellschaftszweck wird) gemeinnützigen Zielen der Genossenschaft dient. Gestattet sind einer eG also nur förderwirtschaftliche, das heißt wiederum nicht-kapitalistische Geschäftsziele.2) Damit sind einer eG jedenfalls spekulative Unternehmensbeteiligungen untersagt.

Anders als bei den Kapitalgesellschaften ist die Mitgliedschaft in einer eG nicht in einem übertragbaren und vererblichen Genossenschaftsanteil verkörpert.3) Nur das Geschäftsguthaben, das innerhalb des genossenschaftlichen Geschäftsanteils durch Einlagen oder Gewinnzuschriften gebildet wird, lässt sich auf ein anderes Genossenschaftsmitglied oder einen Dritten, welcher der Genossenschaft beitritt, übertragen (§ 76 GenG).

Mit genossenschaftlichen Geschäftsanteilen kann daher nicht gehandelt werden. Diese haben deshalb keinen Kurswert. Schon das macht eingetragene Genossenschaften übernahmefest. Genossenschaftliche Geschäftsanteile sind infolgedessen anders als Aktien kein Spekulationsobjekt.

Jedes Genossenschaftsmitglied hat grundsätzlich nur eine Stimme (one member one vote, § 43 III 1 GenG). Keinem Mitglied können mehr als drei Stimmen gewährt werden (§ 43 III 3 Nr. 1 S. 2 GenG). Bei Grundlagenbeschlüssen zählen selbst diese zwei Mehrstimmen nicht mit (§ 43 III Nr. 1 S. 3 GenG). Genossenschaften lassen sich daher nicht von innen beherrschen. Auch das schützt sie vor kapitalistischen Begehrlichkeiten Dritter.

Pflichtmitgliedschaft im genossenschaftlichen Prüfungsverband

Jede eG muss sich einem genossenschaftlichen Prüfungsverband anschließen, dem der Staat das Prüfungsrecht verliehen hat (§§ 54, 63 a GenG). Tut die Genossenschaft das nicht, so wird sie nicht im Genossenschaftsregister eingetragen. Tritt sie aus dem Prüfungsverband aus, ohne sich einem anderen Prüfungsverband anzuschließen, wird sie gerichtlich aufgelöst.

Die genossenschaftliche Verbandsprüfung reicht besonders weit und tief. Anders als die gewöhnliche Jahresabschlussprüfung, der die Kapitalgesellschaften und anderen Vereinigungsformen unterliegen, erstreckt sie sich auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung (§ 53 I GenG). Dazu sind auch die Einrichtungen und die Vermögenslage der Genossenschaft zu prüfen.

Die Besonderheit der genossenschaftlichen Verbandsprüfung liegt darin, dass nicht nur geprüft wird, ob die Geschäftsführung Gesetz und Satzung entspricht, also rechtmäßig ist. Vielmehr hat der Prüfungsverband auch ein Urteil darüber abzugeben, ob die Geschäftsführung der Genossenschaft zweckmäßig ist. Diese Beratungsprüfung ist besonders intensiv, weil die zu prüfende eG nicht wie eine Kapitalgesellschaft jedes Jahr den Wirtschaftsprüfer oder die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wechseln kann, sondern dem Prüfungsverband grundsätzlich auf Dauer angehört.

Regelmäßige Staatsaufsicht

Der Prüfungsverband hat darauf zu achten, dass die eingetragene Genossenschaft ihren auf die realen Wirtschaftsbedürfnisse der Mitglieder ausgerichteten Förderzweck (§ 1 I u. II GenG) einhält.4) Er muss die Genossenschaft daher von spekulativen Kapitalanlagen abhalten. Dazu dienen gemeinsame Besprechungen zwischen dem Verbandsprüfer sowohl über das voraussichtliche als auch über das endgültige Ergebnis der Prüfung (§§ 57 III, 58 IV GenG). In der Generalversammlung, die über den Jahresabschluss beschließt, hat sich der Aufsichtsrat über wesentliche Feststellungen oder Beanstandungen des Prüfungsberichts zu erklären (§ 59 II GenG). Der Prüfungsverband ist berechtigt, an dieser Generalversammlung beratend teilzunehmen. Er kann verlangen, dass sein Prüfungsbericht dort ganz oder in bestimmten Teilen verlesen wird (§ 59 IV GenG).

Gewinnt der Prüfungsverband die Überzeugung, dass die Beschlussfassung über den Prüfungsbericht ungebührlich verzögert wird oder dass die Generalversammlung bei der Beschlussfassung unzulänglich über wesentliche Feststellungen oder Beanstandungen des Prüfungsberichts unterrichtet war, so darf er auf Kosten der Genossenschaft eine außerordentliche Generalversammlung berufen. Er kann dabei bestimmen, über welche Gegenstände zwecks Beseitigung festgestellter Mängel verhandelt und beschlossen werden soll (§ 60 I GenG). In der vom Prüfungsverband einberufenen Generalversammlung führt eine vom Verband bestimmte und damit unbefangene Person den Vorsitz (§ 60 II GenG).5)

Besondere Krisenfestigkeit des genossenschaftlichen Unternehmens?

Damit die genossenschaftlichen Prüfungsverbände ihrer Prüfungspflicht ordnungsgemäß nachkommen, unterliegen sie ihrerseits einer regelmäßigen Staatsaufsicht (§ 64 GenG). Alles das soll gewährleisten und sorgt auch dafür, dass ein genossenschaftliches Unternehmen auf keine kapitalistischen Abwege gerät.

Förderwirtschaftliche Partnerschaft: Genossenschaftsmitglieder stellen ihrer Genossenschaft zwar auch Kapital zur Verfügung, aber sie sind keine den Aktionären vergleichbaren Kapitalanleger. Als Kunden, die beim genossenschaftlichen Unternehmen bestimmte Waren, Dienst- oder Werkleistungen nachfragen oder dort anbieten, sind sie mit diesem funktional verbunden. Sie erstreben keinen kurzfristigen kapitalistischen Shareholder Value, sondern im Rahmen einer förderwirtschaftlichen Partnerschaft einen lang-, jedenfalls längerfristigen Membership Value. Deshalb gehen die Überschüsse des genossenschaftlichen Unternehmens eher in förderwirtschaftliche Investitionen als in gewagte Finanztransaktionen ein.

Genossenschaftsmitglieder als Stammkunden: Da die Genossenschaft und ihre Mitglieder in einer engen Förderpartnerschaft zusammenwirken, sind die Genossen nicht nur beliebige Kunden des genossenschaftlichen Unternehmens. Vielmehr sind sie dessen Stammkunden. Als solche wandern sie nicht so leicht ab. Vielmehr sind sie eher dazu geneigt, eine allgemeine Wirtschaftskrise gemeinsam mit der Genossenschaft durchzustehen.

Räumliche Einbindung des genossenschaftlichen Unternehmens: Die Kundennähe der Genossenschaft und die Kundentreue der Genossenschaftsmitglieder werden dadurch gefestigt, dass genossenschaftliche Unternehmen meist auf lokalen oder regionalen Märkten tätig sind und sich daher gut und schnell auf die jeweiligen Förderbedürfnisse ihrer Mitgliederkunden einzustellen vermögen. Auch das verleiht dem Fördergeschäftsverkehr zwischen Genossenschaft und Mitglied eine besondere Verlässlichkeit und Stabilität.

Arbeitsteilige Verbundwirtschaft: Besonders eng ist die Zusammenarbeit zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern, wenn diese einzelne betriebliche Aufgaben auf das genossenschaftliche Unternehmen auslagern. Dann können die Genossen diese Funktionsausgliederung6) nicht kurzfristig rückgängig machen. Das gilt vor allem, wenn das genossenschaftliche Unternehmen seinerseits arbeitsteilig mit einer Zentralgenossenschaft zusammenarbeitet und sich auf deren Zentralfunktion ausgerichtet hat.

Soweit sich Genossenschaften - wie die deutschen Kreditgenossenschaften - in einer unter einem einheitlichen Gruppenzeichen (Logo) auftretenden Unternehmensgruppe zusammenfinden, werden alle verbundzugehörigen genossenschaftlichen Unternehmen durch einheitliche geschäftliche Standards und durch sicherheitspolitische Vorgaben7) eingebunden. Wirtschaftskrisen lassen sich so leichter gemeinsam durchstehen.

Festigkeit durch Mitgliedereinfluss Generalversammlung als oberstes Genossenschaftsorgan: Die Hauptversammlung einer AG kann über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn der Vorstand dies verlangt (§ 119 II AktG). Dagegen ist die Mitgliederversammlung einer eG grundsätzlich für alles das zuständig, was nicht durch Gesetz oder Satzung einem anderen Genossenschaftsorgan zugewiesen ist.

Zwar obliegt die Geschäftsführung dem Vorstand, der die Genossenschaft und das von dieser betriebene Unternehmen in eigener Verantwortung (das heißt frei von Weisungen anderer Genossenschaftsorgane) zu leiten hat (§ 27 I 1 GenG). Aber die Genossenschaftssatzung kann vorsehen, dass sich die Vertretungsmacht des Vorstands nur auf bestimmte Geschäfte oder Geschäftsarten erstreckt oder dass einzelne Geschäfte der Zustimmung der Generalversammlung bedürfen (§ 27 II 2 GenG). Das ist auch in Bezug auf Finanzanlagen möglich.

Anders als die Hauptversammlung der AG, die grundsätzlich nur über die Verwendung des von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Bilanzgewinns entscheidet (§ 174 I 1 AktG), stellt die Generalversammlung der eG den gesamten Jahresabschluss und damit auch den Bilanzgewinn fest (§ 48 I 1 GenG). Sie beschließt sodann darüber, wie dieser zu verwenden ist (§ 48 I 2 GenG).

Die Generalversammlung einer eG ist also sehr viel mächtiger als die Hauptversammlung einer AG. Sie kann damit die Finanzpolitik des Vorstands kontrollieren und begrenzen. Das gilt auch, wenn bei Genossenschaften mit mehr als 1 500 Mitgliedern kraft Satzung eine aus Vertretern der Mitglieder bestehende Vertreterversammlung an die Stelle der Generalversammlung tritt (§ 43 a I 1 GenG).

Generalversammlung als Wahlorgan:

Wer Vorstandsmitglied ist, möchte (weil er in aller Regel gut verdient) auch Vorstandsmitglied bleiben, also nicht vorzeitig aus dem Vorstandsamt abberufen werden. Insoweit ist der Vorstand einer eG sehr viel stärker von den Genossenschaftsmitgliedern abhängig als der Vorstand einer AG. Während der Vorstand einer AG vom Aufsichtsrat gewählt wird, wird der Genossenschaftsvorstand, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, von der Generalversammlung beziehungsweise der Vertreterversammlung bestellt (§ 24 II 1 u. 2 GenG).

Selbstorganschaft

Der Vorstand einer AG kann nur aus wichtigem Grund (namentlich wegen grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung) abberufen werden. Dagegen ist die Bestellung zum Vorstandsmitglied einer eG jederzeit, also auch ohne wichtigen Grund, widerruflich (§ 24 III 2 GenG). Auch auf diesem Wege vermögen die Mitglieder einer Genossenschaft auf die Geschäftsführung und damit auf die Finanzpolitik des Vorstands mittelbar Einfluss zu nehmen. Die Genossenschaftsmitglieder können sich so vor finanzpolitisch eigenmächtigem Handeln des Vorstands schützen.

Selbstorganschaft im Vorstand und Aufsichtsrat: Bei der AG können auch Dritte in den Vorstand und Aufsichtsrat berufen werden (§§ 76 III 1, 100 I 1 AktG). Dagegen müssen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einer eG Genossen sein (§ 9 II 1 GenG). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Genossenschaftsleitung mit den Förderbedürfnissen der Mitglieder aus eigener Erfahrung vertraut ist und keine mitgliederfremden oder gar eigene Interessen verfolgt. Auch das trägt dazu bei, dass sich die eG auf die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder beschränkt und sich nicht in waghalsige Finanzgeschäfte verstrickt.

"Nichtnutzende" Mitgliedschaft

Freilich erfüllt sich diese Hoffnung nicht immer. Denn bei Genossenschaften, die (wie die Wohnungs- und Kreditgenossenschaften) jedermann zu fördern vermögen, kann der Selbstorganschaft unschwer dadurch genügt werden, dass die für ein Vorstands- oder Aufsichtsratsamt vorgesehene Person der eG beitritt, ohne allein dadurch besondere Fördererfahrung in das genossenschaftliche Unternehmen einzubringen. Die Selbstorganschaft steht dann im Wesentlichen auf dem Papier.

Zudem können nunmehr einer eG als investierendes Mitglied auch sogenannte nichtnutzende Mitglieder beitreten. Das sind Personen, welche die eG zwar unterstützen wollen, aber an deren naturalen Förderleistungen nicht interessiert sind (§ 8 II 1 GenG). Eine solche nichtnutzende Mitgliedschaft können die als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied vorgesehenen Personen in jeder eG erwerben. Auch die investierenden Mitglieder sind aber an den genossenschaftlichen Förderzweck gebunden.8)

Zudem muss die Satzung sicherstellen, dass die investierenden Mitglieder die nutzenden Mitglieder nicht überstimmen und wesentliche Beschlüsse der Generalversammlung nicht verhindern können (§ 8 II 2 GenG). Eine eG kann also nicht durch die investierenden Mitglieder kapitalistisch überfremdet werden.

Genossenschaftliches Ehrenamt: Die Mitglieder des Vorstands können unbesoldet sein (§ 24 III 1 GenG). Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass in den Vorstand auch Genossenschaftsmitglieder gewählt werden können, die dort nicht hauptamtlich, sondern nur nebenberuflich und ehrenamtlich tätig sind. Dieses genossenschaftliche Ehrenamt sorgt dafür, dass sich das Basiswissen der Mitglieder im Vorstand geltend macht. Vor allem sehen die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder aus der Nähe sehr viel mehr als der fernere Aufsichtsrat. Deshalb trägt gerade auch das genossenschaftliche Ehrenamt dazu bei, dass die Geschäftsleitung förderwirtschaftlichen Kurs hält und die Untiefen des Kapitalmarktes meidet.

Verweigerung der Entlastung: Da die Generalversammlung über die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder entscheidet (§ 48 I 1 Fall 2 GenG) kann sie auch auf diesem Wege (obschon erst nachträglich und mittelbar) Einfluss auf die Geschäftspolitik des Vorstands nehmen, freilich insoweit nicht weitergehender als die Hauptversammlung der AG.9)

Unterlassungs- und Schadensersatzklage gegen den Vorstand: Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden (§ 34 I 1 GenG). Vorstandsmitglieder, die diese Sorgfaltspflicht verletzen, sind der Genossenschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 34 II 1 GenG).

Schadensersatzanspruch

Diesen Schadensersatzanspruch muss der Aufsichtsrat, der die Genossenschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern vertritt (§ 39 I 1 GenG), auf Weisung der Generalversammlung geltend machen. Pflichtvergessene Vorstandsmitglieder können auf diese Weise von den Genossenschaftsmitgliedern für Spekulationsverluste der eG persönlich zur Verantwortung gezogen werden! Vom Vorstand erst geplanten Spekulationsgeschäften kann auf diese Weise mittels eines Unterlassungsanspruchs Vorschub geleistet werden.

Beschwerde beim Prüfungsverband und bei der Staatsaufsicht: Jedem einzelnen Genossenschaftsmitglied steht es frei, sich an den zuständigen Prüfungsverband (§ 54 GenG) oder an die Staatsaufsichtsbehörde (§ 64 GenG) zu wenden, sobald es die fassbare Sorge hat, dass der Vorstand nicht vom Förderzweck gedeckte Geschäftsführungsmaßnahmen plant oder durchführt. Auch das ist eine Einflussmöglichkeit, die Aktionären nicht offen steht.

Kündigung der Mitgliedschaft: Anders als Kapitalgesellschafter können Genossenschaftsmitglieder ihre Mitgliedschaft zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres kündigen (§ 65 I u. II 1 GenG). Allerdings kann die Satzung dafür eine bis zu fünfjährige Kündigungsfrist vorschreiben (§ 65 II 2 GenG). Jedoch übt bereits die Drohung mit der Kündigung, wenn diese von mehreren Mitgliedern ausgesprochen wird, einen nicht unerheblichen Druck auf den Vorstand aus. Denn dieser muss dann den ausscheidenden Mitgliedern binnen eines Jahres ihr Geschäftsguthaben auszahlen (§ 73 II 1 GenG). Ein Abfluss von Eigenkapital aber schwächt den geschäftspolitischen Entscheidungsspielraum des Vorstandes. Dieses Druckmittel der Mitglieder wird noch größer, wenn die eG kraft Satzung für ausscheidende Mitglieder eine besondere Ergebnisrücklage gebildet hat (§ 73 III 1 GenG).

Abkehr als Genossenschaftskunde: Das weitaus schärfste Druckmittel der Genossenschaftsmitglieder aber ist, dass sich diese jederzeit als Kunden des genossenschaftlichen Unternehmens zurückziehen und damit den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft schwächen können.

Ein Rückgang der Geschäfte trifft den Vorstand als Geschäftsleiter und mindert bei umsatzbezogener Vergütung dessen Einkommen. Kein Genossenschaftsvorstand kann es sich daher leisten, gegen die Förderwünsche der Mitglieder zu handeln oder deren Vermögensinteressen durch allzu gewagte Finanztransaktionen zu gefährden.

Vergleichsweise geringes Mitgliederrisiko

Auch für die Mitglieder einer Genossenschaft erweist sich eine allgemeine Finanz- und Wirtschaftskrise als weniger bedrohlich als für Kapitalgesellschafter.

Geringes persönliches Kapitalverlustrisiko der Mitglieder: Genossenschaftsmitglieder brauchen anders als Kapitalgesellschafter kein gesetzliches Mindesthaftkapital aufzubringen. Vielmehr dürfen eingetragene Genossenschaften ihr Vermögen, damit sie leichter gegründet werden können, allmählich durch ihren gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb aufbauen. Infolgedessen ist für die Genossenschaftsmitglieder auch keine bestimmte Einlagenhöhe vorgeschrieben. Wie viel Genossenschaftsmitglieder einlegen müssen, ist vielmehr der Satzung überlassen (§ 7 Nr. 1 GenG). Da genossenschaftliche Geschäftsanteile nur an andere Genossenschaftsmitglieder übertragen werden können, haben diese anders als Aktien keinen Kurswert. Deshalb können Genossenschaftsmitglieder bei einer Unternehmenskrise nur ihr meist geringes Geschäftsguthaben verlieren.

Geringes persönliches Haftungsrisiko:

Genossenschaftsmitglieder haften den Gesellschaftsgläubigern nicht unmittelbar. Es kann sie lediglich in der Genossenschaftsinsolvenz eine Nachschusspflicht in Höhe einer in der Satzung festgelegten Haftsumme treffen (§ 105 I GenG). Aber die Genossenschaftssatzung kann diese Nachschusspflicht auch ganz ausschließen (§ 6 Nr. 4 GenG).

Sowohl die Genossenschaften selbst als auch die von ihnen betriebenen Unternehmen haben sich nach alledem gegenüber der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise als besonders widerstandsfähig erwiesen.

Selbstbestimmte und selbstverantwortete Wohlfahrt

Sie verdanken das ihrem nicht-kapitalistischen, auf die realen Wirtschafts- und Lebensbedürfnisse ihrer Mitglieder ausgerichteten Förderzweck, ihrer von den Mitgliedern beherrschbaren Binnenstruktur, der lokalen oder regionalen Verwurzelung der genossenschaftlichen Unternehmen und der kollektiven Selbstprüfung durch die genossenschaftlichen Prüfungsverbände.

Behauptet hat sich vor allem die genossenschaftliche Unternehmensphilosophie, die nicht auf die menschenferne Kapitalvermehrung einiger weniger skrupelloser Finanzjongleure, sondern auf die selbstbestimmte und selbstverantwortete Wohlfahrt der in ihnen zu gemeinschaftlicher Selbsthilfe vereinten Menschen ausgerichtet ist.

Die Genossenschaften tragen daher in besonderem Maße zu einer von sozialer Gerechtigkeit und sozialem Frieden getragenen Unternehmensordnung bei. Deshalb verkörpert die genossenschaftliche Wirtschaftsidee gerade in heutiger Zeit eine humane Hoffnung.

Fußnoten

1) Näher dazu Beuthien, Genossenschaftsgesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004 (mit Nachtrag 2007), § 1 Rn. 8 u. Beuthien, Wie kapitalistisch darf eine Genossenschaft sein?, Die AG 2006, 53 ff.

2) Im Einzelnen dazu Beuthien, (oben Fn. 2), § 1 Rn. 7.

3) Kritisch dazu Beuthien, Der genossenschaftliche Geschäftsanteil - Begriffliches Unding oder Schlüssel zur Öffnung der Rechtsform?, Die AG 2002, 266 ff.

4) Näher zur Förderzweckkontrolle Beuthien, (oben Fn. 2), § 33 Rn. 5 u. Beuthien/Hanrath, Den Förderauftrag prüfen - wie soll der Prüfer das machen?, ZfgG Bd. 58 (2008), 85 (87 ff.).

5) Im Einzelnen zu dieser sogenannten Prüfungsverfolgung Beuthien, (oben Fn. 2), § 58 Rn. 7.

6) Näher dazu Beuthien, (oben Fn. 2), § 1 Rn. 25.

7) Dazu dient das Statut der Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR). Im Einzelnen dazu Daniela Recknagel, Sicherungsstatutarischer Dritteinfluss auf Organbesetzung und Geschäftsführung - Am Beispiel der Sicherungseinrichtungen des Kreditgewerbes, 2008, Marburger Schriften zum Genossenschaftswesen, Bd. 104, Seiten 43 ff.

8) Beuthien, (oben Fn. 2), Aktualisierungsband, 2007, § 8 Rn. 12.

9) Näher zur Entlastung bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften Beuthien, (oben Fn. 2), § 48 Rn. 8 m. N.

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