Aufsätze

Inflationsderivate - Schutz der tatsächlichen Renditen

Die hohe und weiter steigende Inflation droht, nominelle Renditen auszuhöhlen und die Kaufkraft zu schwächen. Verständlicherweise suchen europäische Investoren bei globalen Investmentbanken Unterstützung, um sich gegen Inflationsrisiken abzusichern und ihre tatsächlichen Renditen zu schützen. Währenddessen lassen hohe angedeutete Markterwartungen (Break-Even) im Vergleich mit Inflationsdurchschnitten von fünf und zehn Jahren vermuten, dass Inflationsemissionen attraktiv sind, besonders im Zusammenhang mit einer zinsaggressiven EZB mit einem offiziellen Ziel von zwei Prozent (Abbildung 1).

Wachsender Markt für inflationsindexierte Anleihen

Während Deutschland erst 2006 mit dem Start seiner ersten Bundesanleihe mit Inflationsschutz, die an den Eurozonen-HICP gebunden ist, am Inflationsmarkt aktiv wurde, hatte sich die Begeisterung von Emittenten und Investoren für inflationsindexierte Produkte bereits seit vielen Jahren entwickelt. Großbritanniens Debt Management Office hat seine erste inflationsindexierte Anleihe (ILB) bereits 1981 emittiert. Heute sind alle G7-Staaten "aktive" Emittenten von staatlichen inflationsindexierten Anleihen auf Indizes einschließlich UK RPI, US CPI, Euro HICP, Frankreichs CPI, Japans CPI und Kanadas CPI. 1998 emittierte die Agence France Trésor die FRF ILBs, 2001 folgten Anleihen, die an die Inflation des Euro HICPs gebunden sind. Der Betrag staatlicher herausragender europäischer ILB hat vor kurzem 250 Milliarden Euro überschritten und wächst weiterhin um 20 Prozent pro Jahr.

Die Steigerung der Emissionen von inflationsindexierten Anleihen hat die starke und schnelle Entwicklung eines Markts für Inflationsderivate vorangetrieben. Inflationszahler und -empfänger haben bald entdeckt, dass sie maßgeschneiderte Strukturen nutzen können, um ihr Inflationsrisiko effektiver zu verwalten. Europa hat weltweit den liquidesten Markt für Inflationsderivate, der die größte Bandbreite an Produkten mit Swap-Märkten für binnenländische Indizes, einschließlich dem deutschen CPI, Inflations- und Hybridproduktoptionen bietet. Der Umsatz der ILB der Eurozone liegt gegenwärtig bei über 80 Milliarden Euro im Monat; für Inflationsswaps sind es etwa 40 Milliarden Euro.

Verschiedene Entwicklungen haben die Nachfrage für inflationsindexierte Produkte in die Höhe getrieben. Beispielsweise haben die deutschen Behörden 2003 die Beschränkung der Verknüpfung von Verbindlichkeiten mit der Inflation aufgehoben. Ungefähr zur selben Zeit wurden als Reaktion auf die fallenden Aktienmärkte und steigende demografische Unsicherheit Reformen der Lebensversicherungen und Rentenversicherungen in ganz Europa eingeführt. Dies beeinflusste grundlegend die Investitionsstrategien der Fonds mit langfristigen Inflationsrisiken, da die Investition in ILB oder die Verwendung von Inflationsderivaten eine starke Absicherung ihrer Verbindlichkeiten bietet.

Buchhaltungsreformen wie IAS 19 und 39, durch die Rentenkassendefizite auf ihre Bilanz übergegangen sind und die weitere Nachfrage für inflationsindexierte Investitionen vorangetrieben haben, haben Unternehmen dazu gezwungen, eine bessere Übereinstimmung von Aktiva und Passiva und niedrigere Risikoprofile sicherzustellen. In Großbritannien müssen Rentenkassenverbindlichkeiten über reale Sätze diskontiert werden, während in den Niederlanden die Indexierung progressiv verläuft. Außerdem haben einige Produkte, wie etwa französische Sparbücher, einen inflationsindexierten Ertrag und machen somit Inflationssicherungen für die Kontenanbieter erforderlich (Abbildung 2).

Wahrung der Kaufkraft

Für Investoren bieten inflationsindexierte Produkte reale Einnahmen und bewahren die Kaufkraft des Kapitals, das sie investieren. Sie sind außerdem starke Streuungsmittel, die in den letzten Jahren hohe Einnahmen mit niedrigen Preisschwankungen erbracht haben, wodurch sie die effiziente Grenze für optimale Portfoliozuweisung verbessert haben und gleichzeitig Möglichkeiten boten, den Portfolios kurzfristige Alpha hinzuzufügen. Historisch gesehen waren Rentenfonds große Käufer von ILB, aber sie wenden mehr und mehr ihre Aufmerksamkeit inflationsindexierten Swaps zu, die eine bessere Anpassung des Passivaprofils ermöglichen. Eine erhöhte Liquidität hat erhebliche Aktivazuordnungsprogramme und die Entwicklung von dezidierten Inflationsfonds ermöglicht (Abbildung 3).

Schuldenstruktur optimieren

ILBs emittieren oder Inflation bezahlen ist aus mehreren Gründen attraktiv für Emittenten, ob sie nun staatliche Behörden oder Unternehmen sind. Zum einen erlaubt es Emittenten, die Inflationsrisiken in ihrer Bilanz zu neutralisieren, indem sie Cash-Flows, die mit Inflation verbunden sind (zum Beispiel Steuereinnahmen, Empfang von Waren), gegen inflationsindexierte Passiva aufrechnen können.

Inflation zu emittieren, ermöglicht den Emittenten auch, ihre Schuldenstruktur zu optimieren und ihre Investorenbasis breiter aufzustellen. Angenommen ein Vermögensverwaltungsunternehmen will sein Inflationsrisiko schützen, das aus inflationsgebundenen Mietzahlungen entsteht. Nimmt es an einem Swap teil, bei dem es Inflation zahlt und einen festen Satz erhält, kann der Objektverwalter sein implizites langfristiges Inflationsrisiko für die Dauer des Vertrags festsetzen.

Vergleichbar mit der Verbesserung der potenziellen risikoangepassten Investorenrenditen durch Portfoliostreuung mittels ILBs, stellen inflationsindexierte Emissionen eine Verbesserung für das Schuldenportfolio eines Unternehmens dar.

Eine Analyse des Break-Even-Niveaus im Vergleich zu einer statistischen/wahrscheinlichen Verteilung der Inflation, zeigt eine fast 40-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die realisierte Inflation (im Lauf der nächsten zehn Jahre) das aktuelle Niveau des zehnjährigen Break-Evens (gegenwärtig etwa 2,30 Prozent) weit übersteigen wird.

In der Theorie heißt das: Angesichts dieser 40-prozentigen Chance, dass der ILB bei einer normalen jährlichen Verteilung für HICP mehr als die nominelle Anleihe über zehn Jahre einbringen wird, sollten rationale Investoren 40 Prozent eines Anleihenportfolios in ILBs investieren. Ein Emittent sollte unter diesen Annahmen 70 Prozent der Schulden als Inflation emittieren. In der Praxis könnten Liquidität oder Marktgröße diese Risikogröße im Gesamtumfang beschränken. Mindestens fünf Prozent Inflationsrisiko in Investoren- und Emittentenschuldportfolios zu haben, ist nicht nur folgerichtig, sondern zwingend (Abbildung 4).

Firmeninflationsmarkt

Das Potenzial für weiteres Wachstum wird besonders im Firmenmarkt deutlich, auf dem es in Europa bisher wenig Emissionen gab und der weniger liquide ist. In Großbritannien gab es die meisten nicht-staatlichen inflationsindexierten Emissionen, in erster Linie von Versorgungsunternehmen und privaten Finanzierungsinitiativen. BNP Paribas war dabei federführend bei einem 30-jährigen indexangepassten Anleihenangebot über 175 Millionen Pfund von Tesco, der größten Lebensmittelkette in Großbritannien, das auf große Nachfrage von Investitionsmanagern, Versicherern und Rentenfonds in Großbritannien stieß.

In Italien emittierte Terna ebenfalls unter Federführung von BNP Paribas die erste Euroanleihe in Benchmark-Größe mit Verbindung zur Inflation. Der maßgeschneiderte' natürliche Schutz von 500 Millionen Euro erlaubte es dem Unternehmen, Gewinne und Verluste sowie Bilanzprofile zu stabilisieren. Bisher ist das französische Versorgungsunternehmen Veolia das einzige Unternehmen, das eine Anleihe emittiert hat, die an die europäische Inflation gekoppelt ist.

Der Inflationsmarkt bietet zahlreiche Möglichkeiten für Investoren und Emittenten, ihr Inflationsrisiko zu kontrollieren. Gerade jetzt, da der sich andeutende Preisanstieg in Deutschland und Europa Bedenken bei den Marktteilnehmern hervorruft, sollte dieser rasant expandierende Markt weiter sondiert werden.

Dr. Joachim von Schorlemer , Mitglied des Vorstands, ING-DiBa AG, Frankfurt am Main
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