Kreditwesen aktuell

Internationale Leasing-Bilanzierung im Umbruch

Die beiden internationalen Standardsetter International Accounting Standards Board (IASB) und US Financial Accounting Standards Board (FASB) treiben mit großer Eile eine Reform der Leasing-Bilanzierung voran. Ziel ist es, bis 2011 einen grundlegend neuen Leasing-Standard zu erstellen, um die Bilanzierung nach IFRS und US-GAAP zu vereinheitlichen. Leasing ist durch eine Trennung des rechtlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut von dessen wirtschaftlicher Nutzung gekennzeichnet. Damit stellt sich die Frage, wer das Leasing-Objekt bilanzieren soll. Die derzeit geltenden Standards folgen dem "Risk-Reward-Approach": Wenn die Chancen und Risiken des Objekts ganz überwiegend auf den Leasing-Nehmer übergehen, sodass der Leasing-Nehmer - wirtschaftlich betrachtet - eine eigentumsähnliche Position einnimmt, wird der Leasing-Vertrag als "Finance Lease" charakterisiert mit der Folge, dass das Leasing-Objekt beim Leasing-Nehmer bilanziert wird. Die Bilanzierung beim Leasing-Nehmer erfolgt dann in der Weise, als hätte der Leasing-Nehmer das Wirtschaftsgut erworben und den Erwerb mit einem Kredit finanziert.

Zwei Kernkritikpunkte

Verbleiben die Chancen und Risiken des Objekts dagegen in nicht unerheblichem Umfang beim Leasing-Geber, wird der Vertrag als "Operate Lease" klassifiziert und das Leasing-Objekt verbleibt in der Bilanz des Leasing-Gebers. Es gibt zwei Kernkritikpunkte an diesem Konzept:1)

1. Die Einteilung in zwei Vertragstypen wird der Bandbreite an unterschiedlichen Leasing-Verträgen nicht gerecht, zudem gibt es keine eindeutigen Kriterien, wie Operate und Finance Lease voneinander abgegrenzt werden sollen. Die Kriterien des IAS 17 sind in der Praxis der Rechnungslegung nur schwer handhabbar, da sie ausschließlich qualitativ formuliert sind. Die Praxis der Rechnungslegung benötigt aber eindeutige quantitative Grenzwerte. In der Bilanzierungspraxis behilft man sich mit Grenzwerten, die - mangels eindeutiger Regelungen in den IFRS - den US-GAAP entnommen werden. Dies kann dazu führen, dass ökonomisch gesehen nahezu identische Verträge bilanziell ganz unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob ein Grenzwert gerade unter- oder überschritten wird.

Dies wiegt umso schwerer, als die Vorgabe von Grenzwerten zur Abgrenzung von Operate und Finance Lease Anreize zu Gestaltungsmöglichkeiten gibt: Leasing-Verträge können in der Weise ausgestaltet werden, dass bestimmte Grenzwerte gerade eingehalten werden, um eine bestimmte Bilanzwirkung zu erzeugen. Leasing-Verträge, die bewusst so konstruiert sind, dass sie sich an der Grenzlinie zwischen Operate Lease und Finance Lease bewegen, sind jedenfalls in der Wahrnehmung des IASB häufig anzutreffen.

2. Operate-Lease-Verträge führen zu finanziellen Verpflichtungen für den Leasing-Nehmer, die in der Bilanz nicht erscheinen, genauso wenig wird das Nutzungsrecht, das der Leasing-Nehmer erwirbt, in der Bilanz aktiviert. Die Verpflichtung zur Zahlung von Leasing-Raten erfüllt im Regelfall zudem die Definition einer "Liability" gemäß dem Framework2) der IFRS. Umgekehrt erwirbt der Leasing-Nehmer durch den Leasing-Vertrag das Recht, das Leasing-Objekt über die vereinbarte Vertragsdauer zu nutzen. Da mit der Nutzung des Leasing-Objekts für den Leasing-Nehmer Vorteile verbunden sind, erfüllt das Nutzungsrecht die Definition eines Assets, das im Fall eines Operate Leases ebenso wie die Liability nicht in der Bilanz des Leasing-Nehmers erscheint. Durch die Nicht-Bilanzierung von Vermögenswerten und Verpflichtungen wird die Informationsfunktion der Bilanz beeinträchtigt.

Grundidee des Right-of-Use-Approach

Die Schwächen des Risk-Reward-Approach möchte das IASB mit einem neuen Konzept überwinden: Der Right-of-Use-Approach (RoU) stellt auf die Bilanzierung von Nutzungsrechten und Verpflichtungen aus dem Leasing-Vertrag ab. Die vom IASB gemeinsam mit dem FASB entwickelten Vorstellungen zur Reform der Leasing-Bilanzierung sind in einem Discussion Paper festgehalten, das im März 2009 erschienen ist.3)

Die vermeintliche Überlegenheit des RoU-Ansatzes wird anhand eines einfachen Lea-sing-Vertrages demonstriert. Der Leasing-Nehmer nutzt ein Wirtschaftsgut, die Leasing-Dauer ist fest vorgegeben, es gibt weder Mietverlängerungs- noch Kaufoptionen, ebenso wenig wie Restwertgarantien und Andienungsrechte. Die Höhe der Lea-sing-Raten liegt für die gesamte Vertragslaufzeit fest.

Nach dem RoU-Ansatz bilanziert der Lea-sing-Nehmer eine Verpflichtung in Höhe des Barwertes der Leasing-Raten sowie ein Nutzungsrecht in gleicher Höhe. Der Bilanzansatz ist unabhängig von der Laufzeit des Vertrages und der Höhe des Restwertes, diese schlagen sich lediglich in den Beträgen, mit denen die Leasing-Verpflichtungen und das Nutzungsrecht bilanziert werden, nieder. Damit entfällt die Notwendigkeit, in Operate und Finance Lease zu unterscheiden, graduell unterschiedliche Leasing-Verhältnisse führen zu graduell unterschiedlichen Buchwerten auf der Aktiv- und Passivseite.

So überzeugend der RoU-Ansatz zunächst erscheint, selbst bei diesem einfachen Lea-sing-Verhältnis, das in der Realität eher untypisch ist, ergeben sich bereits erste Abgrenzungsprobleme:

- Wenn Nutzungsrechte als aktivierungspflichtige Vermögenswerte angesehen werden, müssen dann nicht auch andere Nutzungsüberlassungen, zum Beispiel im Rahmen von Arbeits- oder Serviceverträgen künftig bilanziert werden? Worin liegt ökonomisch gesehen der Unterschied zwischen dem Kauf einer Lizenz, die für eine begrenzte Zeit gültig ist und der Anmietung einer solchen Lizenz? Nach dem RoU-Ansatz würde bei einem Kauf der Lizenz das Eigentum, bei einer Miete das Nutzungsrecht bilanziert werden.

- Gegen den RoU-Ansatz kann man einwenden, dass damit schwebende Geschäfte, die von beiden Seiten noch nicht erfüllt sind (executory contracts), bilanziert werden. Der Leasing-Geber erfüllt seine Verpflichtung zur Nutzungsüberlassung kontinuierlich über die Laufzeit des Lea-sing-Vertrages, der Leasing-Nehmer ist nur insoweit zur Zahlung verpflichtet, wie der Leasing-Geber seiner Verpflichtung nachgekommen ist.

Bilanzierung von Optionen in Leasing-Verhältnissen

Dass der RoU-Ansatz an seine Grenzen stößt, zeigt sich, wenn man komplexere Vertragsstrukturen betrachtet. Leasing-Verträge enthalten häufig Optionskomponenten in Form einer Kauf- oder Mietverlängerungsoption. Andienungsrechte des Leasing-Gebers und Restwertgarantien können als Verkaufsoptionen angesehen werden, wobei der Leasing-Nehmer der Stillhalter ist. Optionsrechte können grundsätzlich auf zwei Arten bilanziert werden: Entweder wird die Option getrennt von dem Nutzungsrecht ausgewiesen und bewertet (Components Approach), oder aber bei der Bewertung des Nutzungsrechts und der Verpflichtungen wird bereits antizipiert, ob die Option wahrscheinlich ausgeübt wird (Single RoU-Asset).

Der Vorteil eines Komponentenansatzes, den der Deutsche Standardisierungsrat befürwortet, liegt darin, dass sauber zwischen dem Nutzungsrecht und dem Optionsrecht auf Weiternutzung (Mietverlängerungsoption) beziehungsweise Eigentumserwerb (Kaufoption) unterschieden wird. Dies entspricht dem unterschiedlichen Charakter beider Vertragskomponenten und erhöht den Informationsgehalt der Bilanz. Problematisch ist allerdings die Bewertung: Das Optionsrecht ist nicht selbstständig handelbar, da es nur in Verbindung mit dem Leasing-Verhältnis über die Grundmietzeit ausübbar ist. Daher gibt es weder Marktpreise für Kaufoptionen auf Leasing-Objekte noch für Mietverlängerungsoptionen, auch die aus der Finanzmarkttheorie bekannten Bewertungsmodelle für Optionen versagen, da wesentliche Parameter, die in diese Modelle eingehen, nicht beobachtbar sind. Für die Erstbewertung mag es Fälle geben, bei denen man aus einem Vergleich der Konditionen eines Leasing-Vertrages mit Kaufoption und den Konditionen eines bis auf das Optionsrecht identischen Lea-sing-Vertrages auf den Wert des Optionsrechts schließen kann. Der Wert des Optionsrechts müsste sich in dem höheren Barwert der Leasing-Raten des Vertrages mit Kaufoption niederschlagen. Häufig wird es aber eine solche Vergleichsmöglichkeit nicht geben, zudem versagt diese Methode in jedem Fall bei der Folgebewertung, da Leasing-Verträge nicht gehandelt werden.

Die vom IASB favorisierte zweite Alternative erscheint zunächst praktikabler, sie bleibt aber ebenfalls unbefriedigend. Die Einschätzung der Ausübungswahrscheinlichkeit eröffnet enorme Ermessensspielräume, zudem wird es wieder eine Trennlinie geben, von der abhängt, ob das Optionsrecht ganz oder überhaupt nicht bilanziert wird. Damit wird es im RoU-Approach ebenso Grenzwerte geben wie bei der aktuellen Leasing-Bilanzierung. Zudem verstößt die Passivierung von Leasing-Zahlungen in optionalen Mietverlängerungsperioden gegen das eigene Rahmenkonzept des IASB: Verpflichtungen, die vermieden werden können - beispielsweise durch das Nicht-Ausüben einer Option - sind demnach nicht bilanzwirksam. Hierbei geht es nicht nur um Konsistenz in den Bilanzierungsprinzipien, auch für den Bilanzleser ist es wichtig zu erkennen, welche Verpflichtungen für den Leasing-Nehmer verbindlich feststehen, und welche er reduzieren kann. Das IASB verkennt, dass Optionen dazu dienen, die Objektrisiken zwischen Leasing-Geber und Leasing-Nehmer aufzuteilen. Genau das sollte aber aus dem Jahresabschluss erkennbar sein.

Passivierung von Leasing-Raten

Schließlich ist die Passivierung von Leasing-Raten, die sich auf die Verlängerungsperiode beziehen (beziehungsweise die Passivierung des Ausübungspreises), nicht mit der Definition einer Liability im Sinne des Frameworks vereinbar. Damit eine Liability im Sinne des Frameworks vorliegt, müssen im Wesentlichen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss 1. eine gegenwärtige Verpflichtung bestehen, die 2. auf einem Ereignis in der Vergangenheit beruht und 3. mit einem Nutzenabfluss verbunden ist. Offensichtlich sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, denn eine Verpflichtung aus dem Optionsrecht entsteht erst, wenn der Leasing-Nehmer dieses ausübt. Im Gegensatz zu den Leasing-Raten aus der Grundmietzeit kann der Leasing-Nehmer den Nutzenabfluss, der aus der Zahlung der Leasing-Raten in der Verlängerungsperiode entsteht (beziehungsweise aus der Zahlung des Kaufpreises), vermeiden, indem er das Optionsrecht nicht ausübt.

Auch im Hinblick auf den Informationsgehalt der Bilanzierung ist es nicht sinnvoll, Zahlungen, zu deren Leistung der Leasing-Nehmer verpflichtet ist, mit Zahlungen, deren Anfall er vermeiden kann, gemeinsam auszuweisen. Den Bilanzadressaten interessiert nicht so sehr der Barwert der möglichen Zahlungen, ihn interessiert viel mehr, in welcher Höhe Zahlungen verpflichtend geleistet werden müssen und inwieweit ein Unternehmen in der Lage ist, auf Veränderungen der Geschäftslage flexibel zu reagieren, indem Auszahlungen abgebaut werden können.

Die vom IASB favorisierte Lösung für die Bilanzierung von Optionen ist von der Vorstellung geprägt, dass Optionen dazu genutzt werden können, Leasing-Verhältnisse weitgehend bilanzunwirksam zu gestalten, indem Leasing-Verträge abgeschlossen werden, die eine kurze Grundmietzeit und lang laufende Optionsperioden aufweisen. Dabei wird übersehen, dass Optionsrechte erhebliche Auswirkungen auf die Risikoverteilung zwischen Leasing-Geber und Leasing-Nehmer haben. Wenn kurze Grundmietzeiten und lang laufende Optionsperioden, gegebenenfalls zusammengesetzt aus mehreren hintereinandergeschalteten Perioden, vereinbart werden, dann trägt der Leasing-Geber einen erheblichen Anteil des Investitionsrisikos, während der Leasing-Nehmer von diesem Risiko weitgehend befreit wird. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Risikoverteilung alleine aus bilanzpolitischen Motiven in Kauf genommen wird, obwohl sie eigentlich nicht gewollt ist.

Weiterentwicklung des Risk-Reward-Ansatzes

Im Hinblick auf die Informationsbedürfnisse der Bilanzadressaten ist zu fordern, dass die Bilanzierung von Leasing-Verhältnissen die Risikoverteilung zwischen Leasing-Geber und Leasing-Nehmer widerspiegeln sollte, und zwar sowohl beim Leasing-Nehmer als auch beim Leasing-Geber. Dies führt zurück zu dem Risk-Reward-Approach, der sich an der Verteilung der Investitionsrisiken orientiert. Vergleicht man den Risk-Reward-Approach nicht mit unrealisierbaren Idealvorstellungen, sondern mit einem konkreten Alternativmodell wie dem RoU-Ansatz, so schneidet der Risk-Reward-Approach gar nicht mehr so schlecht ab, denn der RoU-Ansatz beseitigt letztlich keine Schwächen, er verlagert sie nur auf andere Sachverhalte. Damit stellt sich die Frage, ob nicht statt einer Neukonzeption der Risk-Reward-Ansatz weiterentwickelt werden soll. Der Vorteil liegt darin, dass man auf ein eingespieltes Bilanzierungsmodell zurückgreifen kann. Bei einer Umstellung auf den RoU-Ansatz dagegen müssten Lösungen für zahlreiche Detailfragen wieder neu erarbeitet werden.

Eine Weiterentwicklung des Risk-Reward-Ansatzes sollte darauf abzielen, den Anhang anzureichern. Denkbar sind Angaben zu Höhe und zeitlicher Erstreckung von Leasing-Verpflichtungen, zu Restwertgarantien und anderen Verpflichtungen aus Leasing-Verhältnissen, gegebenenfalls auch zu Optionsrechten. Daneben sollte der Anhang Auskunft geben, inwieweit Leasing-Raten index-, performance- oder nutzungsabhängig sind. Informationen über Höhe und Charakter von Verpflichtungen sind aufschlussreicher als Bilanzwerte, in denen diese Informationen zu einer Größe verdichtet sind. Dies gilt vor allem, wenn diese Verdichtung mit erheblichen Ermessensspielräumen verbunden ist und zudem noch eine nicht zu rechtfertigende Komplexität mit sich bringt.

Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels , Direktor, Seminar für ABWL und Bankbetriebslehre, Universität zu Köln, Köln, geschäftsführender Direktor, Institut für Bankwirtschaft und Bankrecht, Forschungsinstitut für Leasing
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