Aufsätze

Investmentfonds als Instrument der Eigenkapitalbeschaffung?

In der Rechtsform einer Genossenschaft tätige Unternehmen waren von den gefallenen Kursen an den Kapitalmärkten insofern gar nicht betroffen, als bei der Genossenschaft eine Beteiligung in Höhe des Geschäftsguthabens zum Nominalwert eingegangen und auch zu diesem direkt von der Genossenschaft zurückgezahlt wird. Allerdings gibt es einige Unternehmen, die genossenschaftlich geprägt sind,1) als wichtiger Bestandteil zu einer genossenschaftlichen Gruppe (Verbund) gehören, aber nicht in der genossenschaftlichen Rechtsform tätig sind, sondern vor allem in der Aktiengesellschaft - und deren Aktien an einer Börse notieren. Um diese Unternehmen zu identifizieren ist eine europäische Perspektive erforderlich.

Mitgliederbeteiligung über einen Investmentfonds

Es stellt sich die Frage, ob mit der Zeit der Einfluss des genossenschaftlichen Eigentümerkreises bei diesen börsennotierten Unternehmen verloren gehen kann, wenn die genossenschaftlichen Muttergesellschaften sich so weit von ihren Anteilen trennen (müssen), dass eine Anteilsmehrheit oder zumindest maßgebliche Minderheitsbeteiligung im Fremdbesitz entsteht.

Sollte dies eintreten, wäre mit Rücksicht auf den weiteren Erhalt genossenschaftlicher Zugehörigkeit zu überlegen, ob und wie eine Lösung gestaltet werden könnte, die den Eigentümerkreis wieder genossenschaftsverträglich stabilisiert. Wenn dies nicht aus der Kraft der Muttergesellschaften gelingt, dann wäre in einem zweiten Schritt an die Eigenkapitalgeber der Muttergesellschaften zu denken - die Mitglieder.

Sie könnten beispielsweise über einen Investmentfonds einer genossenschaftlichen Kapitalanlagegesellschaft Anteile erwerben, dessen Mittel in verschiedene Wertpapiere genossenschaftlicher Unternehmen in Europa fließen (Abbildung 1).2) Aus Sicht der Anleger sollte es sich um ein hinsichtlich möglicher Chancen und Risiken ausgewogenes Instrument handeln, weshalb neben den Aktien auch weitere Wertpapiere einbezogen werden sollten.

Eine Beteiligung durch einen Investmentfonds hätte gegenüber einer Direktbeteiligung der Mitglieder an börsennotierten genossenschaftlichen Unternehmen den Vorteil, dass ein größerer Eigentümer seine Stimmrechte gebündelt ausübt und ihm damit mehr Gewicht zukommt. Welche Wertpapiere für einen solchen Fonds in Frage kommen und wie ein solcher Fonds gestaltet werden könnte soll in diesem Beitrag untersucht werden.

Öffnung für ein anonymes Publikum

Mit der Börsennotiz öffnet sich ein zum Beispiel in seiner Satzung und Tätigkeit weiterhin genossenschaftlich geprägtes Unternehmen einem anonymen Publikum. Je nach Umfang der frei handelbaren Aktien wäre sogar die Mehrheitsübernahme durch einen genossenschaftsfremden Dritten möglich. Eine Auswahl in Bezug auf börsennotierte Aktien genossenschaftlicher Unternehmen und damit potenzielle Beteiligungsunternehmen für den zu bildenden Investmentfonds, stellen für ausgewählte Länder in Europa die folgenden Unternehmen dar:

1. Die deutsche Baywa AG, München, ist im Groß- und Einzelhandel sowie mit Dienstleistungen in den Segmenten Agrar, Bau und Energie tätig; seit dem Gründungsjahr 1923 sind die Aktien an der Börse notiert.3) Eine Beziehung zu den genossenschaftlichen Gründern hat sich in § 2 der Satzung erhalten: "Zweck des Unternehmens ist: a) den bayerischen Genossenschaften und sonstigen genossenschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationen sowie der Bevölkerung und den Kommunen vornehmlich im ländlichen Raum als Warenbezugs-, Warenabsatz- und Dienstleistungsunternehmen zu dienen".4) Der größte Teil der Aktien (96,3 Prozent) ist als vinkulierte Namensaktien ausgestaltet, den übrigen Teil bilden Namensaktien. Insgesamt liegen 40,48 Prozent der Stimmrechte bei sonstigen Aktionären (Free Float), größte Einzelaktionäre sind die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG (34,43 Prozent), Raiffeisen Agrar Invest GmbH (14,78 Prozent) und die RWA Deutschland GmbH (10,31 Prozent). Insgesamt hat das Unternehmen etwa 15 000 Aktionäre.5)

2. In Finnland ist die im März 2008 in Pohjola Bank plc, Helsinki, umbenannte OKO Bank die wichtigste Tochtergesellschaft der OP-Pohjola Group Central Cooperative und arbeitet vor allem als Geschäftsbank im Corporate- und Investmentbanking und übernimmt das Zahlungsstrommanagement in der OP-Pohjola-Gruppe. Die OP-Pohjola-Gruppe mit ihren Mitgliedsbanken hält die Stimmrechtsmehrheit, nicht aber die Kapitalmehrheit an der Pohjola Bank. Dies ist auf zwei mit unterschiedlichem Stimmrecht ausgestattete Aktiengattungen zurückzuführen.

3. Die Banques Populaires (französische Volksbanken) hatten über eine Tochtergesellschaft, die Natexis Banque Populaire, Paris, den Zugang zur Börse gefunden. Möglich wurde dies durch die Übernahme der im Großkundengeschäft tätigen, börsennotierten Banque Natexis im März 1998. Diese Gesellschaft, die derzeit erhebliche Finanzprobleme hat, ist im November 2006 mit der im Investmentgeschäft tätigen Tochtergesellschaft der Caisses d'Epargne (Sparkassen-Gruppe), Ixis, zur Natixis zusammengeschlossen worden. Die beiden Eigentümergruppen, Banques Populaires und Caisses d'Epargne, halten je 34,9 Prozent der Stimmrechte, an der Börse frei handelbar sind 30,2 Prozent, wovon allerdings 1,8 Prozent bei der DZ Bank und 1,6 Prozent bei der italienischen Intesa San Paolo liegen.6)

Weitere Beispiele aus Frankreich, Italien und Österreich

Das Spitzeninstitut der ländlichen Kreditgenossenschaften, der Crédit Agricole S. A., Paris, hat 2001 einen Börsengang vorgenommen. Dabei sind die Aktien der Zentrale, der Caisse National de Crédit Agricole, direkt an der Börse eingeführt worden. Der Eigentümerkreis setzt sich aus der Holding der Regionalbanken, SAS Rue La Boétie, auf die 54,8 Prozent entfallen, aus den Beschäftigten (beziehungsweise deren Fonds) mit 4,4 Prozent, eigenen Aktien (0,6 Prozent) sowie aus institutionellen Anlegern (31,6 Prozent) und Privataktionären (8,6 Prozent) zusammen.7)

4. Die Möglichkeit, die Eigenkapitalbasis durch eine Börsennotierung überregional zu verbreitern, steht in Italien auch Genossenschaften offen. Sie können seit 1992 nicht nur übertragbare Aktien zur Genossenschaftsbeteiligung ausgeben, sondern die Genossenschaftsanteile können auch aktienähnlich ausgestattet sein, sodass aktienrechtliche Vorschriften gelten. Die Anteile (Azioni) einiger Banche Popolari (Volksbanken) in der Rechtsform einer Genossenschaft werden an der Mailänder Börse ebenso gehandelt wie die Aktien einer als Aktiengesellschaft tätigen Banca Popolare, der Banca Popolare di Spoleto S.p. A.8)

5. In Österreich bestehen mit den Raiffeisenbanken und Volksbanken zwei eigenständige kreditgenossenschaftliche Organisationen. Innerhalb der Raiffeisengruppe sind im April 2005 die Aktien der Raiffeisen International Bank-Holding AG, Wien, der Beteiligungsholding für das Osteuropageschäft, an der Wiener Börse eingeführt worden. Der Streubesitz beträgt derzeit 31,5 Prozent.9)

Eigenkapitalähnliche Instrumente und Fremdkapitalinstrumente

Weiterhin kämen für den Fonds Emissionen von genossenschaftlichen Kreditinstituten - innerhalb und außerhalb der genossenschaftlichen Rechtsform - infrage, die im Rahmen der Bankenaufsicht als Eigenkapital, zumeist Ergänzungskapital, anerkannt sind. Hierzu zählen in Deutschland vor allem Genussscheinemissionen, aber auch nachrangige Anleihen. In Österreich gibt es für Banken die Besonderheit des Partizipationskapitals, das zum Kernkapital rechnet, wenn keine Dividendennachzahlungsverpflichtung besteht (§ 23 Abs. 3 Ziff. 8 Bankwesengesetz) und eine Substanzbeteiligung verbrieft. Zuweilen wird von den Emittenten eine Börsennotiz für diese Wertpapiere beantragt. Als reines Fremdkapital sind Anleihen wie zum Beispiel Inhaberschuldverschreibungen anzusehen, für die auch zuweilen eine Börsennotiz angestrebt worden ist. Emittenten sind auch hier vorrangig Kreditinstitute.

Mit den zuvor genannten Beteiligungsinstrumenten, die Eigenkapital- oder Fremdkapitalcharakter besitzen, wäre das infrage kommende "Anlageuniversum" eines gemischten Investmentfonds abgesteckt (Abbildung 2).

Beteiligungsumfang: Schutz vor Übernahme

Der Fonds kann gebündelt die auf die gehaltenen Aktien entfallenden Stimmrechte ausüben. Unter anderem hinsichtlich des Umfangs der Stimmrechte aus der Beteiligung an einem Unternehmen sind dem Fonds (Sondervermögen) jedoch gesetzlich Grenzen gesetzt. Es gelten einschlägige nationale Gesetze, zum Beispiel in Deutschland das Investmentgesetz (InvG) oder in Österreich das Bundesgesetz über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG). Darin sind Beteiligungshöchstgrenzen vorgesehen.

In Deutschland darf eine Kapitalanlagegesellschaft für alle von ihr verwalteten Sondervermögen Aktien desselben Ausstellers nur insoweit erwerben, als die Stimmrechte, die der Kapitalanlagegesellschaft aus Aktien desselben Ausstellers zustehen, zehn Prozent der gesamten Stimmrechte aus Aktien desselben Ausstellers nicht übersteigen (§ 64 Abs. 2 InvG). Diese Größenordnung kann man immerhin als ein stabilisierendes Element in der Zusammensetzung des Eigentümerkreises einstufen.

Es ist sicherzustellen, dass es sich auch tatsächlich um Unternehmen handelt, die (noch) als genossenschaftlicher Teil eines Verbundes angesehen werden können und die noch nicht ihre genossenschaftliche Ausrichtung abgelegt haben. Innerhalb der Werte ist möglicherweise zu gewichten: Welche Beteiligungen sollen ein stärkeres Gewicht erhalten, welche stellen nur eine Ergänzung für den Fonds dar? In diesem Bereich setzt die Tätigkeit eines spezialisierten Aktienresearch an, das in der Regel bei der Kapitalanlagegesellschaft liegt, die den Investmentfonds als Sondervermögen verwaltet. Das Fondsmanagement bewegt sich in dem Spannungsfeld zwischen einer genossenschaftspolitischen Anlageentscheidung und einer am Erfolg der Anleger orientierten.

Beteiligungsbereitschaft: Erfolgreiche Platzierung

Der Fonds muss über ausreichende Mittel verfügen, um sich möglichst weitgehend an den genossenschaftlichen Unternehmen beteiligen zu können. Hierzu ist es erforderlich, dass die Anteile erfolgreich beim Publikum platziert und von ihm gehalten werden. Gerade (Publikums-)Investmentfonds standen 2008 unter dem Druck, vermehrt Anteile zurückkaufen zu müssen.10) Ein zur Stabilisierung des Eigentümerkreises eingesetzter Fonds kann seiner Aufgabe nur nachkommen, wenn sein Anlegerkreis auch möglichst stabil bleibt.

Daher sollten vor allem Kunden angesprochen werden, die Erfahrung mit Genossenschaften haben und positiv von deren Konzept überzeugt sind. Der Fonds bietet die Teilhabe an einem möglichen Wertzuwachs insbesondere von Aktien genossenschaftlicher Unternehmen. Als Interessenten ist an erster Stelle an Mitglieder von Genossenschaften zu denken, aber auch an Verbundunternehmen wie zum Beispiel die Versicherungsgesellschaften. Das Angebot eines Investmentfonds sollte von einer Verbundeinrichtung (Kapitalanlagegesellschaft) getragen werden und könnte über die Kreditgenossenschaften vertrieben werden.

Ob der Fonds überhaupt realisierbar ist hängt von dem Interesse einer Kapitalanlagegesellschaft ab, einen solchen Fonds aufzulegen. Die bestehenden Kapitalanlagegesellschaften in einem genossenschaftlichen Verbund im deutschsprachigen Raum lassen grundsätzlich überwiegend Interesse an der Idee erkennen. Aber insbesondere hinsichtlich der gesetzlichen Beteiligungsgrenzen, der genossenschaftlichen Substanz der Beteiligungsunternehmen und der derzeitigen Situation an den Kapitalmärkten sieht man aktuell keine Möglichkeit, den Vorschlag zu realisieren.11)

Das Interesse könnte möglicherweise bei einem größeren Anlegerkreis geweckt werden, wenn eine Lösung von mehreren Kapitalanlagegesellschaften gemeinsam gesucht wird. Zum Beispiel wäre die Platzierungskraft im europäischen Maßstab höher, und es würde sich auch aufgrund der europäischen Herkunft der Beteiligungsunternehmen anbieten, eine europäische Perspektive einzunehmen.

Fußnoten

1) Merkmale könnten sein: Mehrheitliches Eigentum liegt bei genossenschaftlichen (Verbund-)Unternehmen, es gilt der genossenschaftliche Förderzweck, das Unternehmen wurde in genossenschaftlicher Rechtsform gegründet und/oder es erbringt Leistungen für Genossenschaften und deren Mitglieder.

2) Vgl. auch Blisse, Holger (2009): Ein Investmentfonds aus Aktien und anderen Wertpapieren genossenschaftlicher Unternehmen? In: Die gewerbliche Genossenschaft, hrsg. vom Österreichischen Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch), Wien, H. 4, Seiten 30 bis 38.

3) Daten zur Gründung und Börsennotiz mitgeteilt von der Baywa AG am 23. März 2009.

4) Baywa (2008): Satzung der Baywa Aktiengesellschaft München, Fassung vom 27. Oktober 2008. O. O., Seite 3.

5) Vgl. im Internet: www.baywa.de (insbesondere: Investor Relations/Aktie/Aktionärsstruktur beziehungsweise Fragen und Antworten), abgefragt am 23. März 2009.

6) Vgl. Jacob, Pierre (2008): Natixis: Stronger - Leaner - Resilient, Präsentation, Merrill Lynch Conference, October 9, Folie 5 (im Internet: www.natixis. com/upload/docs/application/pdf/2008-10/slide-show_-_conference_ml_print.pdf, abgefragt am 28. März 2009).

7) Stand: 31. Dezember 2008, im Internet: www.cre-dit-agricole-sa.fr/rubrique.php3?id_rubrique=341, abgefragt am 28. März 2009.

8) Vgl. im Internet: www.borsaitaliana.it.

9) Vgl. im Internet: www.ri.co.at/index.php?id=18, abgefragt am 24. März 2009.

10) Vgl. Morschhäuser, Berthold; Hofmann, Alexander (2009): Fonds in der Krise (Leitartikel). In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 5/2009, Seiten 208 bis 209.

11)Mitgeteilt von Union Investment, Frankfurt am Main, am 30. Oktober 2008, Volksbank Invest Kapitalanlagegesellschaft, Wien, am 9. Januar 2009, Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft, Wien, am 12. Januar 2009.

Dr. Holger Blisse , Wirtschafts- und Sozialanalytiker, Wien
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