Aufsätze

Islamic Banking - Wege für deutsche Banken

Die stürmische Entwicklung des islamischen Finanzwesens wird von einigen als neuer globaler Megatrend aufgefasst. Es gibt mittlerweile über 300 islamische Banken in mehr als 75 Ländern der Erde.1) 250 Investmentfonds werden nach den Regeln der sharî'a gemanagt.2) Die sharî'a-konformen Assets under Management sollen 2005 um die 700 Milliarden US-Dollar betragen haben. Der islamische Finanzsektor schickt sich an, ein nennenswerter Teil des internationalen Finanzmarktes zu werden beziehungsweise seine bevorzugte Stellung in einigen islamischen Ländern weiter auszubauen. Insbesondere mit Blick auf die gewaltigen Finanzströme in der islamisch geprägten Region des Vorderen Orients durch die exorbitante Erhöhung des Öl- und Gaspreises muss von einer wachsenden Bedeutung des Islamic Banking ausgegangen werden.

In Übereinstimmung mit dem islamischen Recht

Sharî'a-konforme Produkte werden nicht nur von Muslimen nachgefragt. In Malaysia beispielsweise mit einem vergleichsweise entwickelten islamischen Bankensektor sind unter den Kunden islamischer Banken auch zahlreiche Nicht-Muslime. Sharî'akonforme Anleihen (sukûk) werden im Durchschnitt von 50 Prozent Nicht-Muslimen gekauft und spielen im internationalen Finanzgeschäft eine nicht zu unterschätzende Rolle. Jüngst hat das Bundesland Sachsen-Anhalt eine sukûk-Anleihe begeben und befindet sich damit innerhalb einer Gruppe von ähnlichen Anleihen, vor allem aus dem Vorderen Orient.3)

In Deutschland wächst die Zahl muslimischer Einwohner schneller als die der angestammten Bevölkerung. Banken überlegen, wie sie diesen Kundenkreis besser bedienen können. Dabei bietet sich an, zielgerichtet Angebote zu unterbreiten, die die Einhaltung der Regeln des islamischen Finanzwesens garantieren und damit ein hohes Maß an Akzeptanz finden. Der folgende Beitrag zeigt die Grundzüge dieses im Allgemeinen als "islamisches Finanzwesen" (Islamic Banking) bezeichneten Systems auf.

Es ist nicht leicht, den Begriff islamisches Finanzwesen zu definieren. Im weiteren Sinne werden darunter alle Finanzdienstleistungen verstanden, die in Übereinstimmung mit den Geboten und Verboten der sharî'a, das heißt dem islamischen Recht, erbracht werden.4) Als primäre Rechtsquellen der sharî'a werden Koran und Sunna (Überliefungen des Propheten) anerkannt. Weitere Rechtsquellen betreffen vor allem Methoden der Rechtsfindung, so Konsens (der islamischen Gemeinde) und (von großer praktischer Bedeutung) Analogieschluss mit seinen unterschiedlichen Ausformungen und Varianten. Dieses System wurde bis ins 10. Jahrhundert nach Christus von den Rechts- und Religionsgelehrten ("ulamâ"; "Scholars") entwickelt und bildet bis heute die Grundlage rechtsschöpferischer Tätigkeit im Islam.5) Die Rechts- und Religionsgelehrten beanspruchen eine Bewertung der Handlungen und Unterlassungen auf ihre Übereinstimmung mit dem islamischen Recht.

Islamische Rechtsschulen

Schon seit dem 8. Jahrhundert. haben sich - bedingt durch unterschiedliche regionale und subjektive Einflussfaktoren - sogenannte sunnitische Rechtsschulen herausgebildet, die ihrerseits Normen und Prinzipien der sharî'a in einer spezifischen Interpretation darstellen. Grundsätzlich respektieren sich diese Rechtsschulen gegenseitig, erkennen die Unterschiede zwischen ihnen als legitim an, da sie sich nicht auf die göttlichen Normen selbst, sondern auf Ableitungen daraus beziehen. Dies wird mit dem Terminus fiqh (islamische Jurisprudenz) beschrieben. Neben den sunnitischen Rechtsschulen existieren andere Interpretationen, so die 12er schiitische, die - abgesehen von dogmatischen Besonderheiten - mit einer solchen Rechtsschule durchaus verglichen werden kann. Die heutige Verbreitung der Schulen lässt Korrelationen mit Staaten und Dynastien erkennen6) (Tabelle).

Nach Auffassung des Islamic Financial Services Board (IFSB) - ein Zusammenschluss mehrerer Aufsichtsbehörden über den Finanzsektor der jeweiligen Länder, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Grundsätze und Standards für islamisches Finanzgeschäft zu formulieren, welche religiös-ethische und bank- beziehungsweise regulierungstechnische Aspekte vereinen - sind drei Sektoren innerhalb des Islamic Banking zu unterscheiden7) (Abbildung 1): Islamic Banking, Islamic Capital Markets und Islamic Insurance (Takâful).

Diese Gliederung orientiert sich an der im "westlichen" System bekannten Untergliederung des Finanzwesens in Einlage- und Kreditwesen, Kapitalmarkt und Versicherungen oder Commercial Banking, Investmentbanking und Insurance.

Man spricht allerdings nicht vom "westlichen" Finanzsystem als Gegenstück zum islamischen, sondern vom "konventionellen" Finanzsystem. Der Begriff erscheint nicht glücklich, hat sich aber durchgesetzt. Das Begriffspaar beleuchtet die Dynamik des islamischen Finanzwesens, das sich als etwas Weiterführendes verstanden wissen will. Konsequent gibt sich eine malaysische Bank auch den Slogan "RHB Islamic Bank - A better Bank".

Es sollte nicht unbeachtet bleiben, dass eine bedeutende Triebkraft der Entwicklung des islamischen Finanzwesens auch die Tatsache ist, dass islamische und westliche Länder auf gleicher Augenhöhe miteinander sprechen können. Der seit der Renaissance alles wirtschaftliche Leben auf dieser Erde dominierende Westen steht erst in der zweiten Reihe. Bei Islamic Finance gehen Idee und Dynamik von den Muslimen aus. Die Verbindung von monetären und ethischen Aspekten hebt die islamische Welt beziehungsweise das Islamic Banking zudem auf eine sehr hohe Stufe gesellschaftlicher Wertigkeit. Dies ist die gesellschaftspolitische Dimension von Islamic Finance.

Der Aufbau eines islamischen Produktportfolios

Weiter unten wird gezeigt, dass islamisches Finanzwesen einen ganzheitlichen Ansatz erfordert. Der erste Schritt für viele Banken ist es aber, ohne größere sonstige Änderungen sharî'a-konforme Produkte anzubieten. Banken, welche überlegen, ein islamisches Produktportfolio aufzubauen, müssen drei Gruppen von Restriktionen beachten: erstens die Bedarfe muslimischer Kunden, zweitens Anforderungen der sharî'a an Finanzprodukte und drittens banktechnische und juristische Anforderungen (Abbildung 2).

Die Bedarfe muslimischer Kunden sind bisher am wenigsten systematisch erforscht worden. Vorhandene empirische Studien zeigen, dass zwischen individuellen und gruppenbezogenen Aspekten zu unterscheiden ist.8) Der Grad an sharî'a-Konformität der Produkte spielt eine wichtige, aber keine ausschließlich dominierende Rolle.9) Es gibt Erfahrungen aus Indonesien, die belegen, dass muslimische Kunden die sicherere und näher gelegene Bank (auch wenn diese nicht sharî'a-konform arbeitet) vorziehen.

Was eine Finanzdienstleistung in den Augen der Rechts- und Religionsgelehrten sharî'a-konform macht, ist nirgendwo abschließend nachlesbar. Das Problem liegt darin, dass nicht nur das Zinsverbot an sich eine Rolle spielt, sondern weitere handelsrechtliche Aspekte. So fordern viele Gelehrte von Finanzverträgen unter anderem die Einhaltung folgender Grundsätze10):

- Verbot eines festen, sicheren Geldzinses.

- Gebot der Risikopartizipation aller Beteiligten.11)

- Wesentliche Komponenten der Verträge dürfen nicht vom Zufall abhängen.

- Geschäfte, bei denen sich alle Vertragskomponenten in der Zukunft materialisieren, sind ungültig (Anmerkung: erlaubt ist aber "deferred payment" und "deferred delivery"). Kein Vertrag darf sich auf Gegenstände richten, die verwerflichen Zwecken dienen (etwa Schweinefleisch, Glücksspiel, Alkohol) und damit verboten (harâm) sind sowie

- keine Investition in stark fremdfinanzierte Unternehmen.

Widerspruch zu westlichen Rechtsvorstellungen

Für Nicht-Muslime, die im kulturellen Umfeld eines westlichen Rechtssystems sozialisiert sind, stellt die Verknüpfung von religiösen und handelsrechtlichen Aspekten gemäß sharî'a nicht selten ein Verständnisproblem dar. Die Rolle der Rechts- und Religionsgelehrten in der Authentifizierung des Rechts widerspricht westlichen Rechtsvorstellungen. In der Überlagerung von nationalem Recht mit islamischen Rechtsnormen und -auffassungen erscheint das System als weniger stringent und verlässlich im Vergleich zum westlichen Modell. Stereotypen und Vorurteile tun ein Übriges, um ein traditionelles Orient-Bild zu erzeugen, welches auf Irrationalität und Subjektivität beruht.

Gängige Vertragstypen

Tatsächlich ist schwer zu entscheiden, ob in einem konkreten Fall die gewählte Vertragskonstruktion wirklich die Anerkennung der Gelehrten findet. Daher neigen Marktteilnehmer dazu, ihre Absichten derart zu verwirklichen, dass sie sich der Vertragstypen mit langer Tradition bedienen, die den Segen der "ulamâ" bereits erhalten haben. Die derzeit meist verwendeten Vertragstypen sind bereits Jahrhunderte alt und in zahlreichen Rechtshandbüchern mehr oder weniger konkret beschrieben.12)

- Murâbaha: Spezieller Assetkauf-/ -verkaufsvertrag

- Mudâraba: Gesellschaft eines Kapitalgebers mit einem Projektmanager

- Mushâraka: Gesellschaft mehrerer Kapitalgeber, Joint Venture

- Ijâra: Miete, Leasing

- Istisnâ': Werklieferungsvertrag

- Salam: Vertrag mit aufgeschobener Lieferung

- Wakâla Stellvertretung, Beauftragung

- Qard hasan: Zinsloser Geldkredit zur Notlagenbeseitigung.

Die genannten Kontrakte haben eine lange Historie und sind daher in ihren Grundzügen als sharî'a-konform anerkannt. Einige von ihnen beziehen sich ganz direkt auf Finanzierungen. Andere haben abweichende Hintergründe, lassen sich aber auch für Finanzierungszwecke nutzen.13) Die Übersichten zeigen, wie man die Kontrakte nutzen kann, um Finanzierungen darzustellen.

Ganzheitliche Geschäftspolitik

Nicht unbeachtet sollte bleiben, dass Muslime von ihren Banken einen ganzheitlichen Ansatz erwarten. Eine Bank, die vereinzelte Angebote sharî'a-konformer Produkte in einem ansonsten nicht ethisch orientierten Umfeld macht, bekommt Glaubwürdigkeitsprobleme. Der pakistanische islamische Rechtsgelehrte M. T. Usmani fordert: "Islamic banks should develop their own culture."

Die Hintergründe gehen gut aus folgendem Zitat hervor:

"Obviously, Islam is not restricted to the banking transactions. It is a set of rules and principles governing the whole human life. Therefore, for being 'Islamic' it is not sufficient to design the transactions on Islamic principles. It is also necessary that the outlook of the institution and its staff reflects the Islamic identity quite distinguished from the conventional institution. This requires a major change in the general attitude of the institution and its management. Islamic obligations of worship as well as the ethical norms must be prominent in the whole atmosphere of an institution which claims to be Islamic. This is an area in which some Islamic institutions in the Middle East have made progress. However, it should be a distinguishing feature of all the Islamic banks and financial institutions throughout the world. The guidance of Shariah Boards should be sought in this area also". 16)

Banken, die ihre muslimischen Kunden besser betreuen wollen, sollten also einen ganzheitlichen Ansatz betreiben, derart, dass die (muslimischen) Nutzer das Gefühl haben können, Kunde einer insgesamt ethisch arbeitenden Institution zu sein. Dass dies keine unüberwindbare Hürde sein muss, zeigen die Tendenzen bei westlichen Banken zu einer Hinwendung zu verantwortungsvollerem und ethischem Handeln. Hier sei unter anderem die im Februar 2008 in Frankfurt am Main stattfindende Tagung "Responsible Finance" erwähnt. Weiter gilt, dass die viele Wertvorstellungen des Islam und der christlichen Tradition nicht grundsätzlich voneinander abweichen.

Banktechnische und juristische Aspekte

Um Bankprodukte erfolgreich absetzen zu können, müssen Banken bestimmte banktechnische Restriktionen beachten. Produkte müssen zu akzeptablen Kosten erstellt werden können. Risiken müssen steuerbar sein. Die Anforderungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. rechtliche Aspekte, 2. Gerichtsstand, 3. steuerliche Konsequenzen, 4. Buchführung und Bilanzierung, 5. regulatorische Aspekte und 6. Risikomanagement.

Zu 1) Finanzkontrakte müssen rechtlich eindeutig und durchsetzbar sein. Der Gerichtsstand sollte in Deutschland liegen. Bei internationalen Verträgen wird häufig England gewählt.

Zu 2) Die steuerlichen Konsequenzen der jeweils gewählten (islamischen) Vertragskonstruktion dürfen die Produkte nicht über Gebühr verteuern. Problematisch ist, dass bei einer Reihe der oben genannten Grundkonstruktionen die Finanzierung in eine Gütertransaktion "verpackt" wird. Dies kann unter Umständen Mehrwertsteuer auslösen. Bei Immobilienkrediten kann mehrfach Grunderwerbsteuer anfallen. Im internationalen Kontext sind Quellensteuern, Kapitalgewinnsteuern und Steuern von laufenden Erträgen zu beachten.

Zu 3) Auch aus Buchführungssicht kann die "Verpackung" der eigentlich intendierten Finanztransaktion in eine Gütertransaktion zu ungünstigen Konsequenzen führen. Hedgeaccounting kann unmöglich sein. Netting ist meist nicht möglich, sodass alle Komponenten brutto verbucht werden müssen. Es müssen unter Umständen Realgüter aktiviert werden, was das langfristige

Sachanlagevermögen erhöht. Termingeschäfte dürfen unter Umständen nicht Off-Balance gebucht werden, sondern müssen in die Bilanz genommen werden.

Zu 4) Schließlich ist an regulatorische Aspekte zu denken. Insbesondere die Verpackung der gewünschten Finanztransaktion in Verträge, die üblicherweise für ganz andere Zwecke verwendet werden, führt zu Problemen. Ein wichtiger Aspekt ist die Eigenkapitalbindung. Für Realgüter ist sie zum Beispiel meist höher als für Finanzaktiva, sodass hier ein Nachteil vorliegen kann.

Zu 5) Letztlich müssen unter Beachtung all der genannten Restriktionen der gewünschte Zahlungsstrom hergestellt und dessen Risiken gesteuert werden. Eine Reihe der oben genannten Vertragskonstruktionen beinhaltet nun aber die Übernahme bisher im Finanzsektor unüblicher Risiken. Oft werden Banken kurz- oder längerfristig Eigentümer von Realaktiva. Die Steuerung der damit verbundenen Risiken erfordert Risikosteuerungssysteme, die bisher nicht vorhanden sind.

Viele Banken versuchen, die Verträge so abzufassen, dass sie die Übernahme unüblicher Risiken (aus traditioneller Sicht) ausschließen. Das Finden von Konstruktionen, welche diese Bedingung erfüllen, gleichzeitig als sharî'a-konform gelten, gilt als "State of the Art" des Islamic Finance - aus Sicht westlicher Banken. Mit Hilfe der bekannten Technik der Duplizierung kann nahezu jeder gewünschte Zahlungsstrom aus sharî'a-konformen Grundprodukten hergestellt werden.

Islamic Finance und Financial Engineering

Dem modernen Finanzverständnis des Financial Engineering zufolge kann man sich eine Finanzdienstleistung vorstellen als ein Bündel eines oder mehrerer Basiskomponenten. Diesem Gedankengang folgend ist das islamische Finanzwesen die Kunst, aus sharî'a-konformen Vertragskonstrukten jeden vom Kunden gewünschten Zahlungsstrom zusammenzustellen. Das gelingt aber nur, indem die eigentliche Intention der islamischen Verträge unterlaufen wird.

Die Duplizierung von Zahlungsströmen aus sharî'a-konformen Grundkomponenten sei an einem Beispiel gezeigt. Zunächst wird ein sharî'a-konformer Optionsvertrag aus üblichen im Islam erlaubten Kaufverträgen entwickelt: Ein Vertragspartner (der intendierte Optionsberechtigte) kauft ein Gut (zum Beispiel eine Aktie) mit dem Recht des Vertragsrücktritts für eine begrenzte Zeit (der Optionslaufzeit) und leistet eine Anzahlung (in Höhe der Optionsprämie). Steigt der Wert des Gutes, wird er nicht vom Kaufvertrag zurücktreten, sondern den Restbetrag leisten. Sinkt der Wert des Gutes, wird er vom Vertrag zurücktreten. Die Zahlungsstromwirkungen entsprechen exakt denen einer üblichen Option. Aus derartigen Optionen lassen sich nun weitere gewünschte Produkte duplizieren. Aus einer Aktie, einem Short-Call und einem Long-Put lässt sich ein Portfolio konstruieren, das sich exakt und sicher mit Libor verzinst. Durch Weglassen des Short-Call erhält man ein Garantiezertifikat.

Im Westen wird diese Möglichkeit, das Zinsverbot durch Duplizierung zu umgehen, belächelt. Der westlichen Finanztheorie zufolge ist ein Finanzkontrakt dann mit einem anderen identisch, wenn der Zahlungsstrom identisch ist, unabhängig davon, über welche Rechtskonstruktion die Zahlungsströme erzeugt wurden. Auf dieser Gedankengrundlage fragt sich, was an der einen Lösung "religiöser" sein soll als an der anderen.

Westliche Kritik an Islamic Finance

Wenn sich zum Beispiel zwei Parteien einig sind, ein Depositum mit Libor-Verzinsung zu wollen, warum wählen sie dann die aufwändigere Variante über ein komplexes Portfolio von Optionen und nicht die einfache über einen Depositenvertrag? Der islamische Weg wird als logisch inkonsistent angesehen, weil er mit mehr Aufwand zum gleichen Ergebnis gelangt. Manche erkennen in solchen Fällen eine Rückständigkeit des Islam. Derartige Schlussfolgerung enthalten jedoch voreilige Elemente. Einige nehmen das echte Bedürfnis vieler Muslime, zu einer besseren Welt beizutragen, nicht wahr und nicht ernst. Die Interpretation des Koran unterliegt einem permanenten Wandel, dem vielfache gesellschaftliche Diskussionen zugrunde liegen.

Viele der Produkte, die von westlichen Banken entwickelt und von "freundlichen" Sharî'aboards zunächst akzeptiert wurden, durchlaufen gesellschaftliche Diskussionsprozesse. Spätere Verbote sind grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Dies dürfte ganz besonders für die in den letzten Jahren neu entwickelten Produkte gelten. Andererseits kann eine erneuerte Interpretation der islamischen Rechtsquellen auch zu Resultaten führen, die vorhandene Hemmnisse und Defizite des Islamic Finance zu überwinden helfen. Der derzeitige "Zwischenzustand" wird ganz deutlich aus dem folgenden Zitat eines anerkannten islamischen Religionsgelehrten (Abbildung 3):

"According to the Islamic principles, business transactions can never be separated from the moral objectives of the society. ... A very few Islamic banks and financial institutions have paid attention to this aspect. Unlike the conventional financial institutions who strive for nothing but making enormous profits, the Islamic banks should have taken the fulfillment of the needs of the society as one of their major objectives and should have given preference to the products which may help the common people to raise their standard of living. They should have invented new schemes for house-financing, vehiclefinancing and rehabilitation-financing for the small traders. This area still awaits attention of the Islamic banks." Islamic Finance ist eine Summe von Regeln, die über reine Finanzbeziehungen weit hinausgehen. Banken, die in diesem Bereich tätig sein wollen, müssen religiösethische Aspekte, Kundenbedarfe und banktechnische Aspekte in Übereinstimmung bringen. Islamic Finance auf das Problem der Duplizierung von Zahlungsströmen mittels sharî'a-konformer Basiskomponenten zu reduzieren, greift zu kurz. Es ist absehbar, dass islamische Bankprodukte mittel- und langfristig auf weitere europäische und nordamerikanische Märkte vordringen. Die Gründung der Islamic Bank of Britain17) oder die Aktivitäten der schweizerischen UBS in Bahrain mögen als Indizien für neue Orientierungen im Bankgeschäft stehen. Es scheint auch in Deutschland unumgänglich, dafür die geeigneten rechtlichen und finanztechnischen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Fußnoten

1) Vgl. Bälz, K., Islamic Finance: Finanziert mit Gottes Hilfe. In: Zenith Business 3/2005, S. 38.

2) Vgl. Solé, J. , Introducing Islamic Banks into Conventional Banking Systems, IMF Working Paper, WP/07/175, S. 3, verfügbar unter http://www.imf. org/external/pubs/ft/wp/2007/wp07175.pdf (zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008).

3) Vgl. Aufstellung des Liquidity Management Centre B. S. C., verfügbar unter http://www.lmcbahrain.com/global-table.asp (zuletzt abgerufen: 16. Januar 2008), Erläuterungen bei Shinde, S., Geld anlegen mit Allah, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008 unter http://www.handelsblatt.com/news/Vorsorge-Anlage/Anleihen/_pv/_p/200728/_t/ft/_b/1134206/default.aspx/geld-anlegen-mit-allah.html.

4) Vgl. die Erläuterungen zum Begriff des Islamic Finance bei Hardy, N., Sharî'a Compliance: Understanding the Contributions of Sharî'a Boards. In: Beiträge zum islamischen Recht V, Frankfurt u.a. 2006, S. 199 bis 200.

5) Ausführlich dazu Vikor, Kn. S., Between God and the Sultan. A History of Islamic Law. London 2005.

6) Dazu: Heine, P., Spielhaus, R., Das Verbreitungsgebiet der islamischen Religion: Zahlen und Informationen zur Situation in der Gegenwart. In: Der Islam in der Gegenwart, 5., neubearbeitete Auflage, München 2005, S. 128 bis 162.

7) Im Internet unter http://www.ifsb.org/ (zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008).

8) Hayen, D./Sauer, M. u.a.: Migranten und Finanzdienstleistungen. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Berlin, 2006, verfügbar unter http://www.eversjung.de/Download/Migranten _und_FDL_BMVEL_2005.pdf, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008.

9) Ebenda, S. 152.

10) Vgl. Usmani, M. T., Islamic Finance. verfügbar unter: http://www.darululoomkhi.edu.pk/fiqh/islamicfinance/islamicfinance.html (zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008). Siehe auch die Internetseite zu Usmani, verfügbar unter http://www.albalagh. net/taqi.shtml (zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008). Der besagte prominente islamische Rechtsgelehrte war auch an der Einführung islamischer Strafrechtsnormen Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Pakistan beteiligt.

11)"Islam has a clear cut principle for the financier. According to Islamic principles, a financier must determine whether he is advancing a loan to assist the debtor on humanitarian grounds or he desires to share his profits. If he wants to assist the debtor, he should resist from claiming any excess on the principal of his loan, because his aim is to assist him. However, if he wants to have a share in the profits of his debtor, it is necessary that he should also share him in his losses.", Usmani, M. T., Islamic Finance: Musharakah, verfügbar unter http://www. darululoomkhi.edu.pk/fiqh/islamicfinance/musharakah.html, (zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008).

12) Zur Geschichte und zu den Theorien einzelner Gelehrter vgl. El-Ashker, A., Wilson, R., Islamic Economics. A Short History. Leiden 2006.

13) Zu den Besonderheiten und rechtlichen Konstruktionen dieser Finanzierungsformen und Verträge vgl. u. a. Nienhaus, V., Islamische Ökonomik in der Praxis: Zinslose Finanzwirtschaft. In: Der Islam in der Gegenwart, a.a. O., S. 163 bis 198 (mit zahlreichen Verweisen), Imran, H., Das islamische Wirtschaftsrecht. Normen und Prinzipien eines unbekannten Wirtschaftssystems. Bremen 2006, Dalkusu, I. N., Grundlagen des zinslosen Wirtschaftens. St Gallen 1999, Bälz, K., Islamic Banking. In: Projekt und Projektfinanzierung. Handbuch der Vertragsgestaltung und Risikoabsicherung bei deutschen und internationalen Projekten, München 2001, S. 241 bis 250, Warde I., Islamic Finance in the Global Economy. Edinburgh 2000.

14) Gassner, M., Wackerbeck, Ph., Islamic Finance. Is-lam-gerechte Finanzanlagen und Finanzierungen. Wien 2007, S. 13.

15) Ebenda, S. 69.

16) Siehe Fn. 10.

17) Informationen unter der URL http://www. islamic-bank.com/islamicbanklive/GuestHome/1/Home/1/Home.jsp (zuletzt abgerufen am 16. Januar 2008).

Prof. Dr. Friedrich Thießen , Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Technische Universität Chemnitz
Noch keine Bewertungen vorhanden


X