Redaktionsgespräch

Nach der Krise - Die Renaissance der Börsen als regulierte Marktplätze

Die vom Kreditmarkt ausgehende aktuelle Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass der Kreditrisikotransfer die Stabilität des gesamten Finanzmarktsystems gefährdet. Ist dieses Ins trument denn wirklich so gefährlich?

Man muss zunächst festhalten, dass es sich bei aller dynamischen Entwicklung in den letzten Jahren immer noch um einen relativ jungen Markt handelt. Die Entwicklung neuer Märkte vollzieht sich meist in Wellen mit Auf- und Abschwüngen und die Gefahr von Fehlentwicklungen ist am Anfang hoch, da viele Informations- und Transformationsmechanismen noch nicht transparent und stabil sind. Nach dem tiefen Tal wird aber wieder eine Normalisierung - allerdings auf anderem Niveau - eintreten.

Bei aller aktuellen Kritik: Welches sind denn die Vorteile eines Kreditrisikotransfers?

Alle Ökonomen sind sich einig, dass Risikotransfer grundsätzlich positive Effekte hat; Aussagen hierzu finden sich bei Bundesbank, EZB und Wirtschaftsweisen. In einem System mit Hausbankbeziehungen wie in Deutschland ermöglicht der Risikotransfer der Hausbank neue Geschäftspotenziale ohne Risikokonzentrationen. Auf bestimmte Regionen oder Branchen ausgerichtete Banken können so ihre Risikokonzentration und die sogenannten Klumpenrisiken reduzieren. Das betrifft die überwiegende Zahl der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen.

Darüber hinaus kann ein Auslagern und Handeln von Risiken im Rahmen der Kreditportfoliosteuerung eine Erhöhung des tragbaren Ausfallrisikos zur Folge haben. Und schließlich führt ein Kreditrisikotransfer unbedingt zur Bildung von Preisen für Risiken, was die Effizienz der Allokation des Risikokapitals über alle Marktteilnehmer erhöht. Die aktuelle Krise hat allerdings gezeigt, dass die bisher entwickelten Transferprozesse nicht stabil sind. Es muss also gelingen, diesen Transfer so zu organisieren, dass die Stabilität des Finanzsystems nicht gefährdet wird und auch andere positive Effekte des Risikotransfers wirksam werden.

Können "regulierte Märkte" hierbei helfen?

Natürlich. So wie es regulierte Märkte und Börsen für Waren, Wertpapiere und Termingeschäfte gibt, so kann es auch eine Börse für Kredite geben. Die Vorteile für Verkäufer und Käufer lassen sich überzeugend darstellen und außerdem erfüllen die bisher für eine solche Börse schon formulierten Handelsbedingungen viele der Forderungen, die nun allerorten geäußert werden. Dies sind unter anderem der Selbstbehalt des Verkäufers, die deutlich reduzierte Komplexität des Transferweges und eine transparente Preisbildung. Eine solche Börse wäre die Antwort auf viele Fragen, die in der Krise aufgekommen sind!

Warum hat sich hierzulande ein solcher Marktplatz dann bisher noch nicht entwickelt?

Wie schon erwähnt, der Markt ist noch jung. Den Handel mit Marktpreisrisiken gibt es zwar schon seit geraumer Zeit, ein Markt für den Transfer von Kreditrisiken hatte dagegen zunächst viele Fragen der ökonomischen Bewertung und der institutionellen und regulatorischen Rahmenbedingungen zu überwinden.

Darüber hinaus hat die Marktmacht des anglo-amerikanischen Investmentbanking dazu geführt, dass der Transfer von Kreditrisiken durch diese Banken dominiert wurde. Diese Institute wollten die Geschäfte über ihre Gewinn-und-Verlust-Rechnungen abwickeln und damit an den regulierten Märkten vorbei. Daher liefen OTC-Transaktionen für synthetischen Risikotransfer mit Derivaten und Portfoliozusammenstellungen für Wertpapiertransaktionen fast ausschließlich über diese Häuser.

In Deutschland wurde der Markt durch die großen privaten Geschäftsbanken in Gang gesetzt, die gleichfalls von der amerikanischen Investmentbanken-Philosophie getragen waren. Daneben versuchten die Zentralinstitute der beiden Verbünde den schnell wachsenden Markt des Kreditrisikotransfers im jeweiligen Verbund analog über ihre Gewinn-und-Verlust-Rechnung abzuwickeln und sind daher gleichsam bis heute keine Förderer eines regulierten Marktplatzes.

Ein weiteres gewichtiges Hindernis ist die Geschäftsphilosophie des Bankenkreditgeschäfts in Kontinentaleuropa und speziell in Deutschland. Es herrscht das Buy-and-Hold-Paradigma vor, sodass bis heute eine heftige Diskussionen um die Verbindung von vertrauensvoller Hausbankbeziehung und notwendigen Kreditportfoliomanagement geführt wird.

Soweit zur Bankenseite - kann man noch einige konkrete Vorteile für den Bankkunden benennen?

Hier sind gerade für Deutschland die Vorteile für den Mittelstand anzusprechen.

Durch effizienten und transparenten Kreditrisikotransfer über einen geregelten Markt wird gerade Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken ein einfacher Weg gebotenen, ihre Konzentrationsrisiken in regionaler und kundenbezogener Sicht zu verringern. Für ihre mittelständischen Kunden erweitern sich so die Spielräume für weitere Kreditfinanzierungen. Das alles geschieht auf einem transparenten Marktplatz, was tendenziell zu günstigeren Preisen für den Nachfrager führt.

Was werden aus Ihrer Sicht die Konsequenzen aus der aktuellen Finanzmarktkrise sein?

Hier sind die vor allem Rückkehr zur qualitätsbasierten Kreditwürdigkeitsprüfung durch Banken bei Entstehung einer Kreditbeziehung sowie die Komplexitätsreduzierung bei den zum Kreditrisikotransfer eingesetzten Instrumenten und Produkten zu nennen. Von verschiedenen Seiten ist die Forderung zu hören, dass in Zukunft größere Anteile des Adressrisikotransfers aber auch andere Finanzinstrumente über regulierte Märkte und zu geringeren Teilen über OTC-Geschäfte abgewickelt werden sollen. Dafür müssen eigene Bewertungs- und Ratingverfahren der Marktteilnehmer weiterentwickelt werden und verstärkt zum Einsatz kommen, um die Abhängigkeit von externen Ratingaussagen zu verringern. Das wird aber auch zu dauerhaft stärker differenzierten Risikoprämien führen.

Welche Rolle spielt die zunehmende Regulierung?

Die Krise lehrt, dass die bisherigen vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen insbesondere für den Finanzsektor - einer tief greifenden Überarbeitung bedürfen. Dazu zählen die Sicherstellung von tatsächlich effektiven aufsichtsrechtlichen Regelungen, die Schaffung von regulierten Marktplätzen oder Börsen sowie die Standards zur Rechnungslegung. Es ist davon auszugehen, dass die vielerorts eingesetzten Expertenkommissionen in Börsen einen wesentlichen Baustein zur Schaffung einer stabilen Finanzmarktordnung sehen werden. Erste Schritte in diese Richtung sind schon von der amerikanischen Notenbank und der EU-Kommission zur Umleitung des OTC-Geschäftes auf Börsen eingeleitet worden.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X