Aufsätze

Was macht einen guten Wirtschaftsprüfer aus?

Wirtschaftsprüfer sind Träger öffentlichen Vertrauens und Dienstleister ihrer Mandanten. Ihre Kerntätigkeit ist die Abschlussprüfung. Die Frage "Was macht einen guten Wirtschaftsprüfer aus?" meint damit eigentlich "Was macht einen guten Abschlussprüfer aus?". Diese Frage kann aus verschiedenen Perspektiven beantwortet werden, hier soll sie aus Sicht des Aufsichts- und Verwaltungsrats beleuchtet werden. Der Prüfer ist für den Aufsichtsrat oder den Verwaltungsrat ein wichtiger Gesprächspartner. Er unterstützt ihn und auch den Prüfungsausschuss bei der Überwachung und Beratung des Vorstands. Ziel ist, dass die Abschlussprüfung im Interesse aller Bilanzadressaten zu einer wahrhaften und transparenten Rechnungslegung beitragen soll. Maßstab für den Abschlussprüfer sind der Zweck und die maßgeblichen Normen der Rechnungslegung, höchste fachliche Qualität, persönliche Integrität und Unabhängigkeit sowie ein vernünftiges Augenmaß.

Seit 27 Jahren Abschlussprüfer

Wenn Hans Wagener nun Ende Juni 2010 aus dem aktiven Berufsleben ausscheidet, geht ein Wirtschaftsprüfer von der Bühne, der die Bankenbranche mehr als ein Vierteljahrhundert intensiv begleitet hat. Wagener ist im Jahr 1983 zum Wirtschaftsprüfer bestellt worden. Es war das Jahr der Schieflage des Bankhauses Schröder, Münchmeyer, Hengst (SMH). Das Bankhaus hatte Kredite in Höhe von rund 900 Millionen DM an den Baumaschinenhändler Horst-Dieter Esch beziehungsweise seine Firma IBH-Holding vergeben. Dies entsprach dem elffachen der Großkreditobergrenze und dem achtfachen des haftenden Eigenkapitals. Möglich wurde dies durch eine bewusste Ausnutzung von Spielräumen im Kreditwesengesetz, die eine Kreditgewährung über Tochterunternehmen ohne zusätzliches Eigenkapital erlaubte und von Tochterunternehmen vergebene Kredite im Großkreditregime nicht berücksichtigte.

Wegen dieser Möglichkeit zur Mehrfachausnutzung des Eigenkapitals (Kreditpyramiden) hatten seinerzeit auch andere Banken wenig Eigenkapital im Verhältnis zu den auf Konzernebene bestehenden Ausfallrisiken. Der Gesetzgeber reagierte 1984 mit der 3. KWG-Novelle mit deutlichen Verschärfungen. So wurde unter anderem die Großkreditobergrenze abgesenkt und die Vorschriften zur Kapitalausstattung und zur Kreditstreuung auf die Institutsgruppe ausgedehnt.

Die Ironie der Dinge kommt darin zum Vorschein, dass die großen Fragen, die zu Beginn der beruflichen Laufbahn von Hans Wagener relevant waren, auch zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem aktiven Dienst kontrovers diskutiert werden, nämlich die Frage nach einer angemessenen Abdeckung von Risiken durch haftendes Eigenkapital und Fragen der Regulierung beziehungsweise (Re-)Regulierung.

Das gesamte Unternehmen im Blick haben

Regulierung als Reaktion auf Schieflagen kann die Gefahr der Überregulierung bergen und das Fundament für Ausweichstrategien schaffen. Dies führt dazu, dass der Abschlussprüfer sich nicht beschränken kann auf die Sicherstellung verlässlicher Abschlussinformationen im Sinne einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung und die Einhaltung von regulatorischen Anforderungen wie sie in der Kreditwirtschaft gelten. Er muss sich auch mit der Geschäftstätigkeit, den handelnden Personen sowie dem wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld befassen.

Dazu hält er Kontakt zu den gesetzlichen Vertretern und den leitenden Angestellten des geprüften Unternehmens und macht sich vor Ort ein Bild von den Personen, der Kultur und der Denkweise, die das Unternehmen prägen, beispielsweise das Kontrollumfeld und die Compliance-Kultur. Seine Erkenntnisse verprobt er mit Informationen und Einschätzungen anderer sachkundiger Personen, die mit dem geprüften Unternehmen und seinen Entscheidern in Geschäftsbeziehungen standen oder stehen, Kontakte pflegen oder Leistungen erbringen.

Der Abschlussprüfer setzt sich mit der Strategie, dem Geschäftsmodell, dem Marktumfeld, den Risiken und den Chancen auseinander und hat dabei die für den Unternehmenserfolg maßgeblichen Einflussfaktoren im Blick. Ebenso die Risiken, die den Erfolg der Strategie möglicherweise beeinträchtigen können. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Auswirkungen von rechtlichen Vereinbarungen, den kritischen Umgang mit Bescheinigungen und Urteilen Dritter (zum Beispiel Ratingagenturen). Neben einem analytischen Herangehen spielen auch Menschenkenntnis und Bauchgefühl eine große Rolle, etwa wenn trotz einer überzeugenden Papierform Störungsgefühle verbleiben, denen es gezielt nachzugehen gilt.

Geschäftsmodell und Risikolage im Fokus

In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass Geschäftsmodelle, die jahrelang zu guten Gewinnen geführt haben, in kurzer Zeit nicht mehr funktionierten, weil die grundlegenden Annahmen nicht mehr zutrafen. Es ist also entscheidend, dass der Aufsichtsrat sich intensiv mit dem Geschäftsmodell, seinen maßgeblichen Annahmen und Szenarien beschäftigt. Dabei ist kritisch zu hinterfragen, ob das Geschäftsmodell auf Dauer tragfähig ist, woher die Ergebnisbeiträge kommen und welche Risiken in Kauf genommen werden. Es liegt im ureigensten Interesse des Unternehmens, wenn der Abschlussprüfer den Aufsichtsrat dabei unterstützt und als Diskussionspartner zur Verfügung steht. Ziel ist es nicht, dass der Abschlussprüfer die Strategie des Vorstands "abnimmt" oder die Richtung vorgibt. Die strategische Ausrichtung wird vom Vorstand entwickelt und nach Abstimmung mit dem Aufsichtsrat umgesetzt.

Der Abschlussprüfer kann aber als wichtiger Gesprächspartner des Aufsichtsrats fungieren. Die kritische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bankgeschäftsmodell führt zur Betrachtung von Risikopotenzial und Risikotragfähigkeit. Der Aufsichtsrat kann den Vorstand nur kontrollieren, wenn er ein Gefühl für die Risiken und deren Bewertung hat. Der Abschlussprüfer kann dazu beitragen, beim Aufsichtsorgan ein Bewusstsein zu schaffen für die latenten Risiken. In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die Wirkungszusammenhänge zwischen einzelnen Risikoarten in den Instituten vielfach unterschätzt worden sind.

Persönliche Eigenschaften des Abschlussprüfers

Ein guter Abschlussprüfer verfügt nicht nur über ein exzellentes fachliches Wissen, sondern auch über hohe Professionalität und persönliche Integrität. Die Professionalität zeigt sich in unabhängigem, unbefangenem, unparteilichem, gewissenhaftem, eigenverantwortlichem Verhalten gepaart mit Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden. Nur ein unabhängiger Prüfer ist ein guter Wirtschaftsprüfer. Unabhängigkeit ist also eine Berufspflicht von Wirtschaftsprüfern und bedeutet Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. Sie umfasst die fachliche Urteilsfähigkeit, die Urteilsfreiheit sowie die sachgerechte Urteilsbildung.

Letztlich stellt sie jedoch eine persönliche Eigenschaft dar und meint innere geistige Freiheit, Unbeeinflussbarkeit des Denkens und Handelns durch Interessenkonflikte oder andere sachfremde Überlegungen. Ein Wirtschaftsprüfer muss bereit sein, ohne Rücksicht auf einen eventuell drohenden Verlust des Mandats, in den entscheidenden Punkten seinen Standpunkt unmissverständlich klar zu machen. Dazu gehört ein gutes Maß Zivilcourage und Angstfreiheit vor unangenehmen Fragen und Auseinandersetzungen. Hinzu kommt eine klare Form der Kommunikation - sowohl schriftlich als auch mündlich.

Beitrag zu einer guten Unternehmensführung

Eine gute Unternehmensführung setzt eine offene Diskussion zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie in Vorstand und Aufsichtsrat voraus. Ein von Aufsichtsrat und Vorstand akzeptierter und anerkannter Wirtschaftsprüfer kann dies befördern. Er unterstützt damit die Professionalität der Aufsichtsorgane und deren Arbeit und leistet einen Beitrag zu guter Unternehmensführung. Der Abschlussprüfer ist nicht der bessere Unternehmer und auch nicht der bessere Aufseher. Seine Stärke liegt darin, dass er nicht Partei ist, Sachverhalte von außen und damit mit dem notwendigen Abstand betrachten kann und von seinen Erfahrungen und Kontakten mit anderen Marktteilnehmern profitiert. Auf dieser Grundlage können tragfähige Beziehungen zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer wachsen, die sowohl dem geprüften Unternehmen und seinen Mitarbeitern als auch Staat und Gesellschaft zugutekommen.

Hans Wagener hat all die Eigenschaften, die für einen exzellenten Wirtschaftsprüfer erforderlich sind, in außergewöhnlichem Maße in sich vereinigt. Durch sein Wirken hat er Maßstäbe gesetzt, die weit in die Zukunft reichen.

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