Aufsätze

Manager: Bankenkrise und strafbare Untreue (§ 266 StGB)

In der Fachzeitschrift "ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht"1) haben sich zwei fachkundige Autoren2) im Kontext zu der Banken- und Finanzkrise zu der strafrechtlichen Haftung der Bankvorstände wegen Untreue gemäß § 266 StGB detailliert geäußert. Der Text ist juristisch klar fundiert; die Ergebnisse sind für die Führungsetagen der Kreditinstitute so interessant, dass ein "Kurzreferat" darüber zweckdienlich erscheint,

Schwierige Einzelfallprüfung

Im Voraus das Fazit der Autoren: Sie sind der Meinung, dass "sichere Prognosen über die Strafbarkeit der Bankvorstände wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit der Finanzkrise nur schwer zu treffen (seien)". Ihr Verhalten könne im Rückblick als hemmungslose Spekulation erscheinen, doch werde im Einzelfall genau zu prüfen sein, ob tatsächlich eine gravierende Pflichtverletzung vorgelegen und der "Täter" vorsätzlich gehandelt habe. Gerade dieser Vorsatz werde nur äußerst schwer nachgewiesen werden können.

Der Aufsatz behandelt zunächst die Ursachen der Krise und listet ihren "technischen" Ablauf auf; all das wird hier als im Wesentlichen bekannt vorausgesetzt und deshalb ausgelassen. Es folgt ein Überblick über die gesetzestechnisch wenig glücklich formulierte Untreue des § 266 StGB, die im objektiven Tatbestand drei Merkmale voraussetzt: Die "Vermögensbetreuungspflicht" des Täters, seine "Pflichtverletzung" in Form der Missbrauchs- oder der Treuebruchs-Untreue und den auf der Pflichtverletzung beruhenden "Vermögensnachteil" des Treugebers. Die Rechtsprechung gehe einhellig von der "Vermögensbetreuungspflicht" von Vorstandsmitgliedern einer AG gegenüber ihrer Gesellschaft aus. Deren Verletzung reiche für den "Treuebruchstatbestand" aus.

Gravierende Verletzung der Sorgfaltspflichten?

Das juristische Problem bestehe in der Regel darin, dass § 266 StGB nicht erkennen lasse, welche Pflichten der Täter in concreto verletzen müsse, um sich strafbar zu machen. Dafür sei auf außerstrafrechtliche Normen zurückzugreifen, insbesondere auf die "Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters". Deren Verletzung müsse aber nach überwiegender Rechtsprechung "gravierend" sein. Das folge daraus, dass jede unternehmerische Entscheidung mit Unsicherheiten behaftet sei und sich post festum als falsch erweisen könne. Insofern werde nur ein eindeutig unvertretbares Handeln von § 266 StGB erfasst.

Außerdem: Die Pflichtverletzung müsse sich als signifikante Ausübung der inneren Machtstellung des Täters darstellen, und die verletzte Pflicht müsse gerade dem Schutz des betreuten Vermögens dienen. Nicht jede kausale Herbeiführung einer Vermögensschädigung beruhe jedoch auf der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht. Das bedeute, dass allein der Eintritt von Milliardenverlusten per se noch keine Pflichtverletzung begründe.

Unternehmerisches Handeln sei ohne Risiko nicht denkbar, sodass auch nicht jede riskante Entscheidung pflichtwidrig im Sinne § 266 StGB sein könne. Gerade auch die Banktätigkeit sei mit hohen Risiken (zum Beispiel Kredit-, Marktpreis- oder Liquiditätsrisiken) verbunden: Damit stelle sich die Frage nach der Grenze zwischen gesundem Gewinnstreben und unverantwortlicher Gefahr schaffender Spekulation. Dafür würden sich sowohl gesellschaftsals auch bankrechtliche Vorschriften zur Risikobegrenzung finden, die sich aus der Rechtsform der Banken als AG und aus ihrer Geschäftstätigkeit als Kreditinstitut ergeben.

Unternehmerischer Spielraum

Die Autoren verweisen insoweit auf die §§ 76 Abs.1, 93 Abs.1 Sätze 1 und 2 AktG und die "Business Judgement Rule", die eine Beweisregel aufstelle und einen unternehmerischen Spielraum gewähre, innerhalb dessen risikobehaftete Entscheidungen ohne Regressansprüche getroffen werden könnten. Ein objektiv pflichtgemäßes Verhalten werde nach dieser "Rule" nur dann unwiderleglich vermutet (und schließe somit einen Pflichtenverstoß i. S. § 266 StGB aus), wenn die Vorstände auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft gehandelt hätten. Nur aufgrund umfassender Informationen könne eine Abwägung aller Chancen und Risiken in vollem Umfang erfolgen. Dabei sei speziell zu fragen, ob eine ausreichende Evaluation von Tatsachen stattfinde, wenn die Entscheidungen lediglich auf die Bewertung von Ratingagenturen gestützt würden.

Business Judgement Rule

Die Autoren meinen aufgrund sorgfältiger Überlegungen, dass einer Ratingagentur zwar nicht blind vertraut werden dürfe, dass aber grundsätzlich die Möglichkeit bestehen müsse, auf ihr Urteil zurückzugreifen, solange keine Hinweise darauf vorlägen, dass die Agentur ihrer Vertrauensstellung nicht gerecht werde. Das gelte umso mehr angesichts derart unübersichtlich strukturierter Produkte, bei denen man sich auf die (vermeintlichen) Experten habe verlassen müssen.

Ergebnis also: Wenn die Vorstände einer anerkannten Ratingagentur vertraut haben, handelten sie aufgrund umfassender Informationen, sodass die Business Judgement Rule greife. Demzufolge sei zu vermuten, dass die Vorstände auch nicht im Sinne des § 266 StGB pflichtwidrig gehandelt hätten. Allerdings finde der unternehmerische Handlungsspielraum seine Grenze in der Pflicht der Vorstände, für den Bestand und die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens zu sorgen. Sie dürften daher nur solche Risiken eingehen, die ihre Bank wirtschaftlich tragen könne.

Die Autoren befassen sich dann ausführlich mit den Umständen, unter denen der Vorstand den Unternehmensbestand und dessen dauerhafte Rentabilität gefährdet. Im AktG sei das nicht geregelt, könne aber durch die Normen des KWG (§§ 10 Abs.1, 11 Abs. 1, 12, 13 KWG, ) und der Solvabilitäts- und Liquiditäts-Verordnung konkretisiert werden. Im Rahmen einiger kursorischer Bemerkungen sprechen die Autoren beispielhaft die Nichtanwendbarkeit des KWG an, wenn die verbrieften Produkte durch ausländische Zweckgesellschaften der Banken erworben wurden.

KWG als Maßstab

Gleichwohl sei das KWG für die Mutterbank als Maßstab für die Grenzen des erlaubten Risikos heranzuziehen. Sie hätte aufgrund ihrer Liquiditätszusage an die Zweckgesellschaften Eigenkapitalrückstellungen zur Begrenzung des Risikos bilden müssen. Seien die Vorgaben des KWG dazu mit Hilfe der Zweckgesellschaften bewusst umgangen worden, lägen jedenfalls Anhaltspunkte für das Überschreiten des erlaubten Risikos und damit der Pflichtverletzung in Bezug auf Bestand und Rentabilität des Unternehmens vor.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung würden aber nur solche Pflichtverletzungen den Untreuetatbestand erfüllen, die unvertretbar seien und von den inhaltlichen Vorgaben des KWG daher "gravierend" abweichen. Das setze im Regelfall voraus, dass die Grenzen des KWG massiv überschritten wurden. Beispielhaft, wenn sich im konkreten Fall eine Vielzahl von Risiken ausgewirkt hätten, etwa die Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung und die Liquiditätssicherung durch Gründung der Zweckgesellschaften bewusst unterlaufen und daneben die Regelungen für das Risikomanagement nicht beachtet würden.

Ein Dilemma vieler Bankvorstände

Die Autoren erwähnen in diesem Zusammenhang aber auch, dass sich viele Bankvorstände in dem Dilemma befunden hätten, sich bei Abschluss riskanter Wertpapiergeschäfte zur Erzielung einer hohen Eigenkapitalrendite dem Vorwurf der Untreue und bei Untätigkeit dem Vorwurf unterlassenen Vermögensmehrung auszusetzen (was ebenfalls strafbare Untreue begründen könnte ! ).

Der "Vermögensnachteil" als weiteres Tatbestandsmerkmal des § 266 StGB stelle sich in der Verringerung des Vermögens des Treugebers nach einer pflichtwidrigen Handlung dar, wenn sie nicht durch Zuflüsse jeglicher Art vollständig, gleichzeitig und unmittelbar kompensiert werde. Für die Begründung eines Schadens reiche der Eintritt einer konkreten Gefährdung des Vermögens des Treugebers aus, die anzunehmen sei, wenn eine wirtschaftliche Betrachtung ein auf dem Vermögen ruhendes Gefährdungspotenzial dessen Wert mindere. Angesichts der in zahlreichen Fällen realisierten Milliardenverlusten sei nach Ansicht der Autoren der Eintritt von Vermögensnachteilen unproblematisch zu bejahen.

Subjektiv verlange § 266 StGB eine vorsätzliche Handlung des Täters, wobei die schwächste Form, der Eventualvorsatz, für eine Strafbarkeit ausreiche. Das bedeute, dass der Täter neben der intellektuellen ("für möglich halten" der objektivern Tatbestandsmerkmale) eine voluntative (den Erfolg billigende) Komponente aufweisen müsse. Diese werde im Einzelfall nur schwer nachweisbar sein.

Strafrechtliche Konsequenzen?

Es sei in der Regel zweifelhaft, ob der Vorsatz (in Form der Billigung) den Eintritt eines Vermögensnachteils umfasse, wenn die Beteiligten eine derartige Vermögensminderung nicht konkret für möglich gehalten hätten, weil sie die Minderwertigkeit der Wertpapiere aufgrund des AAA-Ratings nicht erkannt hätten. Nicht auszuschließen sei aber, dass bereits mit Gründung der Zweckgesellschaften eine schadensgleiche Vermögensgefährdung angenommen werden könne, auf die sich der Vorsatz der Beteiligten bezogen habe.

Die Autoren analysieren diese Situation mit dem Ergebnis, dass auch insoweit ein Gefährdungsschaden nicht per se oder grundsätzlich anzunehmen sei, sodass es auch auf die zwischen zwei Strafsenaten des BGH umstrittene Frage, wann der Eventualvorsatz beim Gefährdungsschaden vorliege, nicht ankomme.

Die Zukunft wird zeigen, ob die Finanzkrise neben der gewaltigen materiellen Kapitalvernichtung bei den Banken und etwaigen zivilrechtlichen Ansprüche gegen Vorstände auch noch zu strafrechtlichen Konsequenzen für sie führt. Wie Pressemeldungen zu entnehmen ist, laufen bereits eine Reihe staatsanwaltlicher Ermittlungsverfahren. Zu einer Anklage scheint es aber bisher nur in dem - allerdíngs über den Untreue-Tatbestand hinausreichenden - Sonderfall der IKB gekommen zu sein.

Der Aufsatz von Brüning und Samson rechtfertigt die Annahme, dass den betroffenen Vorständen nur in gravierenden Fällen von Pflichtverletzung auch strafrechtliche Konsequenzen drohen. Die weitere Entwicklung bleibt indessen abzuwarten.

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
Noch keine Bewertungen vorhanden


X