Aufsätze

Maßnahmen zur Steuerung der Liquidity Coverage Ratio

Das Liquiditätsmanagement hat sich zuletzt bei vielen Instituten als nicht zufriedenstellend erwiesen. Der Baseler Ausschuss hat daher im Dezember 2010 ein neues globales Rahmenwerk (Basel III) zur Stärkung des Finanzsektors veröffentlicht. Auf EU-Ebene wurden die neuen Anforderungen im Rahmen der CRD IV aufgegriffen. Einen wichtigen Bestandteil der Neuregulierung bilden die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) und die Mindestliquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR).

Unter Zeitdruck

Die neuen Anforderungen stellen für viele Institute eine große He rausforderung dar, da es sich um eine deutliche Verschärfung zu der bisherigen Liquiditätskennziffer handelt. Beim folgenden Überblick über einige Maßnahmen zur Steuerung insbesondere der LCR ist auch zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Implementierung und Einbindung in das bestehende Liquiditätsmanagement zeitlicher Druck herrscht, da die LCR bereits ab dem 1. Januar 2013 im Rahmen der Beobachtungsphase zu melden ist. Die verpflichtende Einhaltung erfolgt ab dem 1. Januar 2015.

Die LCR als Mindestliquiditätsquote soll angeben, ob im Stressfall der Liquiditätspuffer ausreichend ist. Als Zeithorizont für den Stressfall werden 30 Tage angesetzt. Zur Ermittlung der Kennzahl wird der Liquiditätspuffer, bestehend aus hochwertigen liquiden Vermögenswerten, ins Verhältnis zu den Nettoabflüssen der nächsten 30 Tage gesetzt. Dieses Verhältnis muss mindestens 1,0 betragen. Um die LCR zu optimieren, kann der Liquiditätspuffer sowohl quantitativ als auch qualitativ verbessert, oder es können die Netto abflüsse reduziert werden. Die LCR muss auf Instituts- als auch auf Gruppenebene gemeldet und eingehalten werden. Seitens der Aufsicht ist unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Waiver-Regelung - also Einhaltung nur auf Gruppenebene - vorgesehen. Weiterhin kann die relevante Gruppe für die Liquiditätskennzahlen vom übrigen aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis abweichen.

Aufbau des Liquiditätspuffers

Der Liquiditätspuffer setzt sich aus Level-1- und Level-2-Aktiva zusammen. Während Erstere voll angerechnet werden können, ist bei Letzteren ein Abschlag von mindestens 15 Prozent auf den Marktwert vorzunehmen. Die Level-1-Aktiva bestehen nur aus Barmitteln, Zentralbankreserven und Anleihen von Staaten, Zentralbanken und sonstigen öffentlichen Stellen, die ein KSA-Risikogewicht von null Prozent haben. Als Level-2-Aktiva anerkannt sind Anleihen von Staaten, Zentralbanken und sonstigen öffentlichen Stellen mit einem KSA-Gewicht von 20 Prozent sowie Pfandbriefe und Unternehmensanleihen außerhalb des Finanzsektors. Diese Wertpapiere müssen ein Mindest rating von AA- besitzen. Alle übrigen Wertpapiere, und damit auch Anleihen von Banken, dürfen nicht berücksichtigt werden. Des Weiteren sind die Level-2-Aktiva auf 40 Prozent des Liquiditätspuffers beschränkt.

Als eine Maßnahme zur Optimierung der LCR bietet sich ein Umschichten der Vermögenswerte an: Werden nicht berücksichtigungsfähige Aktiva veräußert und im gleichen Volumen Level-1-Aktiva erworben, ergibt sich der größte Effekt. Liegt der Anteil der Level-1-Aktiva am Liquiditätspuffer vor der Umschichtung unter 60 Prozent, kann damit die LCR sogar überproportional gesteigert werden. Da die LCR erst ab 1. Januar 2015 verpflichtend wird, bieten sich für diese Maßnahme alle bis 31. Dezember 2014 fälligen Vermögenswerte an. Im Beispiel 1 wird die Umschichtung des Liquiditätspuffers gezeigt.

Beispiel 1 - Umschichtung des Liquiditätspuffers: Das Kreditinstitut hat Wertpapiere von jeweils 5 Milliarden Euro an Level-1-Aktiva, Level-2-Aktiva und an sonstigen Wertpapieren. Der Liquiditätspuffer beträgt dann 5 Mrd. * 100% + Min. (2/3 * 5 Mrd. * 100%, 5 Mrd. * 85%) = 8,33 Mrd. Durch Umschichten von 1 Milliarde Euro an sonstigen Wertpapieren in Level-1-Aktiva erhöht sich nicht nur dessen Bestand, sondern auch der anrechenbare Bestand an Level-2-Aktiva. Der neue Liquiditätspuffer beträgt 6 Mrd. * 100% + Min. (2/3 * 6 Mrd. * 100%, 5 Mrd. * 85%) = 10 Mrd. und ist somit 1,67 Milliarden Euro höher als vor der Maßnahme.

Eine Vergrößerung des Liquiditätspuffers ist grundsätzlich auch ohne die Erhöhung der Kundeneinlagen oder die zusätzliche Emission von unbesicherten Bankschuldverschreibungen möglich. Stattdessen wird bei der Kreditvergabe darauf geachtet, dass diese notenbankfähig sind. Diese Wirtschaftskredite werden bei der Zentralbank als Sicherheit für Refinanzierungsgeschäfte hinterlegt. Mit der so erhaltenen Liquidität werden anschließend Level-1-Aktiva erworben. Eine zusätzliche Refinanzierung ist dann nur in Höhe des Haircuts der Wirtschaftskredite notwendig. Auch deckungsstockfähige Kredite, die als Sicherheit für selbst emittierte Pfandbriefe dienen, können in gleicher Weise genutzt werden, da auch eigene Pfandbriefe als Sicherheit akzeptiert werden. Pfandbriefe haben zudem den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu unbesicherten Bankanleihen ab einem Mindestrating von AA- dem Liquiditätspuffer zugerechnet werden und somit eine stabile Nachfrage haben dürften.

Auch Wertpapiere, die mittels Pensionsgeschäften in den Bestand der Bank kommen, dürfen bei der Berechnung des Liquiditätspuffers berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich bei Pensionsgeschäften nicht nur der Bestand an Barmitteln erhöht und der Wertpapierbestand reduziert, sondern auch gegebenenfalls ein Zahlungsmittelabfluss zum Ende des Repos berücksichtigt wird. Bei Reverse Repos reduziert sich zwar der Bestand an Barmitteln, und der Bestand an Wertpapieren steigt, es wird aber auch ein Zahlungsmittelzufluss angenommen. Daher haben Pensionsgeschäfte mit einer Laufzeit von unter 30 Tagen in der Regel nur einen minimalen Effekt auf die LCR. Beispiel 2 zeigt die Behandlung von Repos in der Praxis.

Beispiel 2 - Behandlung von Repos in der Praxis: Das Kreditinstitut schließt ein Repo über 1 Milliarde Euro mit Level-2-Aktiva mit einer Laufzeit von unter 30 Tagen ab. Dadurch erhöht sich der Bestand an Barmitteln, das heißt, auch der Bestand an Level-1-Aktiva erhöht sich um 1 Milliarde Euro. Die Level-2-Aktiva reduzieren sich um 1 Milliarde Euro. Der mit dem Faktor von 85 Prozent gewichtete Bestand an Level-2-Aktiva verändert sich um 850 Millionen Euro; der Liquiditätspuffer erhöht sich netto um 150 Millionen Euro. Da bei Repos mit Level-2-Aktiva eine Abfluss quote von 15 Prozent vorgegeben ist, erhöht sich der Zahlungsmittelabfluss ebenfalls um 150 Millionen Euro. Sowohl der Zähler als auch der Nenner der Kennziffer ändern sich demnach jeweils um 150 Millionen Euro. Bei einem Ursprungswert der LCR von unter 100 Prozent verbessert sich die Kennziffer marginal, bei einem Ur sprungswert von über 100 Prozent verschlechtert sich die Kennziffer marginal.

Eine Umgehung des geforderten Mindestanteils von 60 Prozent bezüglich der Level-1-Aktiva am Gesamtbestand an erstklassigen liquiden Aktiva ist mit kurzfristigen Pensionsgeschäften ebenfalls nicht möglich. Bei der Kalkulation müssen diese Geschäfte fiktiv zurück gerechnet werden. Mit dieser Regelung will die Aufsicht Arbitragemöglichkeiten verhindern.

Eine Sonderstellung haben Pensionsgeschäfte mit sonstigen Wertpapieren mit öffentlichen Stellen des Sitzlandes des Institutes, da der Mittelabfluss nur mit 25 Prozent angesetzt wird. Diese Ausnahme resultiert aus der Annahme, dass die öffentlichen Stellen in Krisensituationen den Instituten nicht die besicherten Finanzierungen entziehen werden (Beispiel 3).

Beispiel 3 - Ausnahme bei Repos mit sonstigen Wertpapieren: Das Kreditinstitut hat einen Wertpapierbestand von 8 Milliarden Euro Level-1-Aktiva und jeweils 2 Milliarden Euro Level-2-Aktiva und sonstige Wertpapiere. Ein Nettomittelabfluss von 10 Milliarden Euro bedeutet eine LCR Kennziffer von (8 Mrd. * 100% + 2 Mrd. * 85%) / 10 Mrd. = 97%. Ein Repo mit der Zentralbank über 1 Milliarde Euro mit sonstigen Wertpapieren erhöht den Bestand an Barmitteln um 1 Milliarde Euro. Gleichzeitig erhöht sich der Mittelabfluss um 250 Millionen Euro. Die Kennziffer verändert sich demnach zu (9 Mrd. * 100% + 2 Mrd. + 85%) / (10 Mrd. + 0,25 Mrd.) = 104%.

Für eine Verbesserung der LCR können auch Pensionsgeschäfte mit einer Laufzeit von über einem Monat genutzt werden. Diese Maßnahme wirkt jedoch nur temporär, da die Kennziffer solange positiv beeinflusst wird, wie die verbleibende Restlaufzeit größer als 30 Tage ist.

Einlagen als Steuerungsinstrument

Bei der Steuerung der LCR sollten auch die Einlagen betrachtet werden. Für diese sind mit einer Restlaufzeit von unter einem Monat bestimmte Abflussquoten vorgegeben. Dabei wird bei den Einlagen zwischen Privatkunden beziehungsweise Kleinunternehmen mit einer Abflussquote von fünf bis zehn Prozent, bestimmten öffentlichen Stellen und Großunternehmen mit einer Quote von 75 Prozent sowie anderen Kunden (zum Beispiel Finanzinstituten) mit einer Quote von 100 Prozent differenziert. Als eine strategische Maßnahme zur Optimierung kann der Anteil der Einlagen von privilegierten Kunden (zum Beispiel Privatkunden) erhöht werden. Zur Generierung von privilegierten Einlagen bieten sich nach Kundengruppen differenzierte Konditionen an. Dies führt natürlich auch zu einer Belastung der Ertragsseite. Hier ist eine Kosten-Nutzen-Analyse notwendig.

Als weitere Maßnahme zur Optimierung der LCR sollte auch die Restlaufzeit der Einlagen analysiert werden. Bei einer Restlaufzeit von über einem Monat wird kein Mittelabfluss angesetzt. Daher sollten die Einlagen von Kunden längere Laufzeiten aufweisen. Sofern die Restlaufzeit unter einen Monat rutscht, wird allerdings ein Mittelabfluss angesetzt. Zur Vermeidung dieses Effektes könnten Einlageprodukte entsprechend strukturiert werden. Hierzu bieten sich unter anderem Kündigungsfristen von knapp über einem Monat an.

Für Zentralinstitute eines aufsichtsrechtlich anerkannten institutionellen Netzwerkes besteht zudem die Möglichkeit einer taktischen Steuerung durch Überkreuz-Einlagen mit ihren verbun denen Instituten. Das bedeutet, das Zentralinstitut und das verbundangehörige Institut legen beim jeweils anderen eine Einlage mit einer Fälligkeit oder Kündigungsfrist von unter einem Monat an. Beim Zentralinstitut wird diese Einlage nur mit einer Abflussquote von 25 Prozent angesetzt. Gleichzeitig wird die Forderung des Zentralinstituts mit einer Zuflussquote von 100 Prozent gewertet. Somit ergibt sich für das Zentralinstitut ein Nettomittelzufluss von 75 Prozent. Für das verbundene Institut erhöht sich dagegen der Nettomittelabfluss um 100 Prozent, da für die Forderung des verbundenen Institutes eine Zuflussquote von null Prozent angesetzt wird. Dennoch kann eine solche Konstruktion bei entsprechender Zinsgestaltung für beide Seiten vorteilhaft sein, da die stark kreditorientierten Zentralinstitute vermutlich Schwierigkeiten haben werden, die LCR zu erfüllen, während den verbundenen Instituten viele Einlagen von Privatkunden zur Verfügung stehen und eine attraktive Verzinsung im Vordergrund steht.

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