Aufsätze

Mitgliederzweckgeschäfte: kein gesetzlich verordneter Ballast, sondern einzigartiger Unternehmenszweck

In der gegenwärtigen Finanzmarktkrise erfährt die besondere Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft wettbewerbspolitisch eine Renaissance. Zahlreiche Einlagen fließen von einstigen Preisführern, wie Direkt- und Großbanken, zu den privaten Genossenschaftsbanken und den öf-fentlich-rechtlichen Sparkassen, die von den Menschen offenbar als "sicher" wahrgenommen werden. Vor allem die Genos enschaftsbanken scheinen qua Geschäftsmodell den übrigen, jedoch kapitalgesellschaftsrechtlich organisierten, Privatbanken in puncto Vertrauen und Glaubwürdigkeit prima facie überlegen zu sein.

Mitgliedschaft neu begreifen

Auch in diesem Zusammenhang wird öffentlich gerne betont, dass die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland bereits 16 Millionen Mitglieder, sprich Eigentümer haben, die zugleich deren Kunden sind. Unerwähnt bleibt, dass sich ihr Anteil mit durchschnittlich rund einem Drittel der Gesamtkunden sehr gering ausnimmt. Insgesamt überwiegt bei Genossenschaftsbanken seit Jahren und mit der 1973 vorgenommenen Aufhebung des absoluten Verbots der Kreditgewährung an Nichtmitglieder (§ 8 Abs. 2 GenG a. F.) in rasant steigendem Maße das "konditionengleiche Nichtmitgliederzweckgeschäft".

Das gehört rechtsformgerecht geändert. Aber auch vor dem Hintergrund kostenloser Girokonten, der (notgedrungenen) Neuentdeckung des Privatkunden durch die übrigen Privatbanken, eines aggressiven (Preis-)Wettbewerbs, des sich ausweitenden staatlichen Einflusses, sich wandelnder Kundenbedürfnisse sowie rechtlicher und steuerlicher Vorgaben müssen Genossenschaftsbanken die freiheitliche Mitgliedschaft in einer eG dringend neu begreifen und bankgeschäftspolitisch in den Mittelpunkt ihres Handelns rücken. Mit der Mitgliedschaft in einer Genossenschaftsbank müssen rechtlich wie strategisch greifbare förderwirtschaftliche Vorteile verbunden sein. Hierzu sind eine klare Bankgeschäftsstrategie und bedarfsorientierte Mitgliedermaßnahmen unumgänglich.

Die in § 1 Abs. 1 GenG gesetzlich verordnete Mitgliederselbstförderung ist seit jeher das (einzig fassbare) Alleinstellungsmerkmal der als eG verfassten Genossenschaftsbanken in Deutschland. Gleichwohl und den Mitbewerbern zuträglich hat die daraus folgende und gesellschaftsrechtlich einzigartige Identität von Mitglied und Bankkunde bankgeschäftspolitisch kaum noch Bedeutung. Im Mittelpunkt stehen häufig genossenschaftszweckferne Ziele wie "Kundenneugewinnung", "regionale Marktausschöpfung", schlicht "wirtschaftliche Förderung der Mitglieder" oder "Förderung einer zukunftsfähigen Region".

Auch "Kundennähe", "sachkundige Beratung und Freundlichkeit", sich an dem Bankunternehmen freiwillig beteiligen zu können, Teilhabe- und Stimmrechte zu besitzen, Aufsichtsratsmitglied werden zu können oder am Gewinn beteiligt zu sein (so immer noch unter www.bvr.de), sind keineswegs genossenschaftseigen, sondern unternehmerisch beziehungsweise gesellschaftsrechtlich selbstverständlich.

Bedenklich klein und überaltert

Dass die geschäftspolitische Konzentration auf die inzwischen über 16 Millionen Mitglieder für die zirka 1 230 Genossenschaftsbanken förderwirtschaftlich Erfolg versprechend ist, hat die Beratungsgesellschaft zeb/rolfes.schierenbeck.associates im Rahmen einer repräsentativen VR-Mitgliederstudie mit rund einer halben Million Datensätzen aus unterschiedlich großen Genossenschaftsbanken aktuell nachgewiesen. Danach sind Mitglieder loyaler und auch vermögender als Nichtmitglieder. Trotz der weiterhin hohen Preissensitivität kann mit ihnen aufgrund einer höheren Potenzialausschöpfung gemessen an der Produktnutzungsquote ein deutlich höherer Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden. Bereits insoweit ist der in der Studie aufgezeigte Mitgliederanteil von durchschnittlich nur einem Drittel der Gesamtkunden bedenklich klein und zudem im Vergleich zu den Nichtmitgliedern überaltert.

Offenbar überwiegt in Volks- und Raiffeisenbanken - im Gegensatz zu den nicht untersuchten Sparda-Banken - das "konditionengleiche Nichtmitgliederzweckgeschäft". Dabei bestehen nach Maßgabe der zeb/Benchmarks sowohl bei Bestands- als auch Neumitgliedern erhebliche Steigerungsmöglichkeiten von über 20 bis 30 Prozent des Deckungsbeitrags. Angesichts des gegenwärtig stattfindenden Kapitalzuwachses stellt sich auch so die Mitgliedschaft als eine gute Möglichkeit dar, Gelder wie Kunden zu binden und langfristig erfolgreich zu wirtschaften.

Bedarfsorientierte Mitgliederzweckgeschäfte

Außerdem gelten für alle als eG organisierten Banken größen- und geschäftsbezirkunabhängig unumstößliche rechtsformspezifische Vorgaben, die jedoch weithin aus dem Blickfeld und Bewusstsein sowie Sprachgebrauch ihrer Vertreter und des Managements geraten.

Anders als Personenhandels- und Kapitalgesellschaften, die mit beliebigen Marktteilnehmern ihr Wirtschaftsergebnis erzielen dürfen, müssen eingetragene Genossenschaften wie die Volks- und Raiffeisenbanken nach § 1 Abs. 1 GenG gegenüber ihren Mitgliedern einen in der Satzung (beispielsweise auf den Betrieb von Bankgeschäften, § 1 Abs. 1 KWG) konkretisierten Förderzweck verfolgen und erfüllen.

Das Einzigartige an einer Genossenschaftsbank ist also nicht etwa die Mitgliederförderung als solche - danach streben alle gesellschaftsrechtlichen Vereinigungen -, sondern vielmehr die Art und Weise, wie sie "den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange" fördert. Sie muss und darf dies ausschließlich mittels eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs, dessen Kunden die Genossenschaftsmitglieder zugleich sind (Mitgliederselbstförderung).

Die Mitglieder helfen sich durch den gemeinschaftsdienlichen Abschluss von Förderzweckgeschäften (zum Beispiel Bankgeschäften im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 KWG) wechselseitig selbst (Selbstförderungskreislauf) und stärken so wiederum die selbsthelfende Förderkraft ihres eigenen Unternehmens. Genossenschaftliche Förderunternehmen betreiben keine Zins-, sondern eine Bedarfsdeckungs- beziehungsweise Existenzsicherungswirtschaft. Folgerichtig stehen Überschüsse aus Förderzweckgeschäften regelmäßig den Mitgliedern unmittelbar zu und sind an diese (nach § 22 KStG unter Umständen steuergünstig! ) auszukehren; letztlich sind sie unterjährig auch zu deren Lasten erwirtschaftet worden. So gesehen ist den Mitgliedern ihre eG Hilfe zur Selbsthilfe.1)

Leitungsaufgabe des Vorstands

Die Mitglieder und deren in der Satzung selbst definierten Förderbelange daher in den Mittelpunkt des (bank-)geschäftlichen Unternehmens und Handelns zu stellen, ist originär Aufgabe des Vorstands. Er hat die Genossenschaftsbank seit der Gesetzesnovellierung 1973 zwar eigenverantwortlich (§ 27 Abs. 1 S. 1 GenG), aber im Unterschied zum Vorstand einer AG mit der "Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft" (§ 34 Abs. 1 S. 1 GenG), das heißt haftungsbewehrt förderzweckgerecht und mitgliederbelangebezogen zu leiten.2)

Ein Genossenschaftsvorstand steht im Dienste der Mitglieder und ihrer jeweiligen Förderbelange. Unternehmensziel einer Genossenschaft ist nicht die Maximierung eigenen Gewinns aus Zweckgeschäften mit beliebigen Dritten, sondern den allgemeinen Marktpreis für ihre Mitglieder im inneren Markt zu unter- oder zu überbieten.3)

Hierauf haben zum Schutze der Mitglieder der selbstorganschaftlich besetzte Aufsichtsrat und - im Rahmen der rechtsformeigenen Förderwirtschaftlichkeits- und Gesamtgeschäftsführungsprüfung aus § 53 Abs. 1 S. 1 GenG - der jeweils zuständige Prüfungsverband streng zu achten sowie im Zuge der Prüfungsverfolgung (§§ 57 ff. GenG) an den mitgliederbesetzten Aufsichtsrat/die Mitglieder schriftlich, und wenn nötig auch mündlich, zu berichten. Dass dies nur unzureichend geschieht, liegt gewiss auch an der nach wie vor fehlenden Pflicht zur Aufstellung und Prüfung eines gesonderten Förderberichts.4)

Ungleichbehandlung von Nichtmitgliedern

Zugleich folgt hieraus die nur beschränkte Zulässigkeit des Nichtmitgliederzweckgeschäfts. Als Förderwirtschaftsverein ist die eG in besonderem Maße mitgliedernützig angelegt. Zwar kann die Satzung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 GenG "die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf [Dritte] zulassen". Die Zweckgeschäfte dürfen jedoch stets nur im Einzelfall vorübergehend und in ihrer Gesamtheit ergänzend zu dem nach § 1 Abs. 1 GenG originären Mitgliederzweckgeschäft betrieben werden (sogenanntes Nebenzweckprivileg; zum Beispiel zur Werbung neuer Mitglieder oder zur mitgliederfördernden Ausnutzung von sporadisch freien Kapazitäten).

Auch der gemeinschaftliche Bankgeschäftsbetrieb von Genossenschaftsbanken lässt sich daher nur sehr begrenzt auf Dritte ausdehnen. Hauptzweck muss fortwährend der Fördergeschäftsverkehr mit den eigenen Mitgliedern bleiben. Anderenfalls droht die jeder eG wesensimmanente Einheit von Mitglieder- und Kundenbeziehung zu zerfallen und die besondere Vereinigungsform der eG durch zweckfreie allgemeine Tätigkeiten missbraucht zu werden.

Es besteht gesellschaftsrechtlich schlicht kein Bedürfnis, auch solchen Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb über den Kreis der Gesellschafter hinaus regelmäßig jedermann zur Verfügung stellen wollen, die Annahme (den Verbleib) in der besonderen Vereinigungsform der eG zu ermöglichen (zu gestatten).

Beitritt möglich

Aber selbst innerhalb der Grenzen von § 8 Abs. 1 Nr. 5 GenG fordern § 1 Abs. 1 GenG (i. V. m. §§ 27 Abs. 1, 34 Abs. 1 S. 1 GenG) und der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz eine differenzierte Behandlung von Mitgliederkunden und Nurkunden durch den Vorstand; zumal es den zahlreichen Nurkunden regelmäßig offen steht, der Genossenschaftsbank und dem von ihren Mitgliedern gebildeten Binnenmarkt beizutreten.

Bei überwiegend und andauernd nur der Genossenschaftsbank selbst und nicht eigens ihren Mitgliedern dienenden Fördergeschäften mit Drittkunden ist die Bank nach § 54a GenG aus dem Prüfungsverband auszuschließen5) und damit unter Umständen aufzulösen (siehe § 54a Abs. 2 S. 1 GenG). Darüber, dass der zuständige Selbstprüfungsverband in solchen Fällen eines dauerhaften Gesetzesverstoßes (§ 1 Abs. 1 GenG) auch tatsächlich entsprechend verfährt, wachen idealtypisch die Landeswirtschaftsministerien des jeweiligen Sitzbundeslandes (§§ 64, 64a GenG). Ferner besteht die Möglichkeit der Auflösung der eG aus § 81 GenG.

Wirtschaftlicher Sinn und gesetzliches Leitbild

(Einziger) Wirtschaftlicher Sinn und gesetzliches Leitbild jeder eG ist, dass sie ihren Mitgliedern am inneren Markt andere - und zwar möglichst bessere - Konditionen als der äußere Markt bietet.6) Auf Konditionenungleichheit haben Genossenschaftsmitglieder einen gesellschaftsrechtlichen Anspruch. Dem besonderen Gesellschaftszweck der eG zufolge sind Nichtmitglieder gar nicht förderfähig. Überschüsse aus ergänzenden Drittgeschäften sind lediglich Mittel zum Zweck. Sie dienen dem genossenschaftlichen Unternehmen dazu, die Mitglieder noch nachhaltiger fördern zu können, müssen dem Mitgliederzweckgeschäft also eindeutig untergeordnet sein und dürfen dem (Bank-)Geschäftsbetrieb nicht das wirtschaftliche "Gepräge" geben.

An einer begrifflichen Abgrenzung mangelt es aber bis heute. Dabei wurde dies bereits 1962(! ) beklagt (siehe § 6 GenG RefE 1962). Jedenfalls genügt es rechtlich nicht, wenn die eG ihre Mitglieder nutzerunabhängig lediglich durch die Verteilung von Gewinnen fördert und eine in der Hauptsache aus Zweckgeschäften mit beliebigen Dritten erzielte Kapitalrendite ausschüttet. Hierin wurde bereits in der Begründung zum ersten Genossenschaftsgesetz von 1889 eine der Ursachen gesehen, "welche dahin geführt haben, daß manche Kreditvereine des Charakters genossenschaftlicher Institute verlustig gegangen und zu Banketablissements geworden sind, ... Dazu tritt der sehr beachtenswerthe Umstand, daß es für die Sicherheit der Kreditgenossenschaften von erheblicher Bedeutung ist, die Kreditnehmer durch ihre Mitgliedschaft an dem Gedeihen der Genossenschaft selbst unmittelbar zu interessiren."

Genossenschaften sind Bedarfsdeckungswirtschaften. Hieran vermögen auch schwierige Marktbedingungen nicht zu rütteln. Konditionengleiches Nichtmitgliederzweckgeschäft kann und darf jede Bank, konditionendifferenziertes Mitgliederzweckgeschäft müssen nur Genossenschaftsbanken betreiben. Ziel- und Strategiediskussionen erübrigen sich insoweit. § 1 Abs. 1 GenG legt allen deutschen Genossenschaftsbanken ihre Geschäftsstrategie gesetzlich verordnet und kostenlos in den Schoß. Genossenschaftsbanken sind Mitglieder(selbstförderungs)banken! Das ist nicht etwa eine geschäftspolitische Last, sondern eine einzigartige wettbewerbliche Gelegenheit: Besser in der Nische mit einer tragfähigen Strategie glaubhaft erfolgreich, als in der Egalität des auf Dauer aussichtslosen und sich überlebenden Preiswettbewerbs zwangsläufig zu verschwinden.

Leider aber vermag nicht einmal der BVR als bundesweit tätiger Interessenverband das Alleinstellungsmerkmal seiner 1 230 Mitgliedsbanken zu vermitteln. Insbesondere dessen starke Betonung der Beteiligung am Reingewinn, der durchschnittlichen Dividende von 5,3 Prozent und die Bezeichnung der Geschäftsguthaben als "sichere Geldanlage" und "renditestarke Investition" (so immer noch unter www. bvr.de "Werden Sie Mitglied! ") zielen genossenschaftsrechtlich und geschäftspolitisch in die völlig falsche Richtung.

Eignung als Bankgeschäftsstrategie in der Praxis

Sämtlichen Mitgliedermaßnahmen liegen zwei zentrale Zielrichtungen zugrunde. Verschiedenartige (Förder-)Maßnahmen sollen die Mitglieder zunächst über das originäre Leistungsaustauschverhältnis hinaus an ihre eigene Genossenschaftsbank binden (emotionale Sicht). Dabei sollen vor allem deren Begeisterung, Vertrauen und Verbundenheit für die Bank und Marke geweckt werden. Hierzu tragen auch Entscheidungstransparenz und tatsächliche gelebte Mitgliederteilhabe sowie funktionierende interne (internetgestützte) Kommunikationsabläufe und Versammlungen maßgeblich bei.

So kann die Bank von ihren Mitgliederkunden in zweierlei Hinsicht profitieren: aktive Mitverwaltung und gesteigerter Fördergeschäftsverkehr. Schließlich muss sich die so gesteigerte emotionale Bindung der Mitglieder in einem messbaren finanziellen Deckungsbeitrag pro Mitglied für die Genossenschaftsbanken niederschlagen (rationale Sicht). Mitglieder sollten daher einen Großteil ihrer Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrer (eigenen) Bank tätigen (Hauptbankverbindung). Der sogenannte "Share-of-member" sollte damit außer traditioneller Kennzahlen, wie Cost Income Ratio oder Eigenkapitalrentabilität, zu einem zentralen Steuerungsziel einer Genossenschaftsbank erklärt werden.

Einen hohen Erfüllungsgrad haben die meisten Mitgliedermaßnahmen allerdings noch nicht erreicht. Gleichwohl gibt es bei einigen Genossenschaftsbanken erste Erfolg versprechende Ansätze. So bietet zum Beispiel die Volksbank in Wiesloch ihren Mitgliedern Rabatte und Mehrwerte bei verschiedenen regionalen Verbundpartnern mit Hilfe eines Couponing an. Die Akzeptanz ist sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den regionalen Partnern und vor allem bei der zentralen Zielgruppe, "den Mitgliedern", enorm.

Durch die Zusammenführung von Privatmit Firmenmitgliederkunden konnte hier in Anlehnung an den gesetzlich verordneten Förderzweck eine sich wechselseitig verstärkende Förderplattform geschaffen werden. In diesem "Drei-Gewinner-Modell" profitiert danach vor allem auch die Genossenschaftsbank. In Zukunft gilt es über die vorhandene Emotionalität hinaus insbesondere die rationalen Mitglieder- und somit Bankinteressen, zum Beispiel durch Rabatte oder Boni auf Bankprodukte, zu stärken.

Im Gegensatz dazu bietet die VR-Bank Kitzingen ein bislang technisch sehr anspruchsvolles Bonusprogramm an. Das Programm "plus bonus" berücksichtigt unterjährig außer bankgeschäftlichen Produkten auch die Verhaltensweisen der Mitglieder, zum Beispiel Empfehlungen oder Dauer der Mitgliedschaft. Im Gegensatz zu den klassischen Bonusprogrammen, wie etwa S-Points bei Sparkassen, können die gesammelten Punkte nur in "Finanzprämien" eingelöst werden.

Ein Mustermitglied kann so bei einer Intensivierung des Fördergeschäftsverkehrs und einer geringeren Geschäftsguthabendividende von zirka 2,5 Prozent per annum seinen variablen (Beitrags-)Anteil in Anlehnung an das Prinzip der genossenschaftlichen Rückvergütung auf bis zu acht oder neun Prozent per annum steigern.7) Sicherlich kann auch das , ,Kitzinger Modell" noch verfeinert werden, etwa durch die Verzahnung mit regionalen und überregionalen Mehrwerten für Mitglieder oder einer innovativen Kartenstrategie, um gerade die emotionale Bindung zu erhöhen.

Erfolgsfaktoren für die Umsetzung der Mitgliederstrategie

Die Mitgliedschaft als zentrales Element des genossenschaftlichen Geschäftsmodells setzt sich aus einer übergeordneten, an der Kardinalnorm des § 1 Abs. 1 GenG ausgerichteten Strategie, unterschiedlichen Instrumenten und Maßnahmen sowie zentralen Umsetzungserfolgsfaktoren zusammen. Für die Umsetzung von Mitgliedermaßnahmen gibt es sieben Erfolgsfaktoren:

Strategie und Ziele: Ein Instrumenteneinsatz ohne strategischen Überbau ist Stückwerk. Die Selbstförderung der finanzgeschäftlichen Mitgliederbelange muss auf allen Ebenen zum strategischen Mittelpunkt der Genossenschaftsbanken werden - Vorstände haben auch diesbezüglich Vorbildfunktion und sollten klare Ziele vorgeben. Eingefahrene Leitbilder, Geschäftsstrategien und Eckwertplanungen sind entsprechend umzuschreiben.8) Instrumenten-Mix: Instrumente und Konzepte des Mitgliedermanagements sind den Entscheidungsträgern zuweilen nicht bekannt - individuelle, mitgliederbelangeorientierte Ideen und pfiffige Kombinationen von Rückvergütungen, Rabatten, Boni, Mehrwerten, Veranstaltungen und Mitgestaltungsmöglichkeiten sind erforderlich.

Marketing und Vertrieb: Die Ausarbeitung von neuen Vertriebskonzepten explizit für Mitgliederkunden ist entscheidender Erfolgsfaktor einer Genossenschaftsbank. Nur so können die im Zuge der Finanzkrise hinzugewonnenen Einlagen gehalten werden. Zunächst müssen die Mitarbeiter für die strikte Orientierung ihrer Bank am Mitgliederbedarf gewonnen werden. Mitgliedermaßnahmen müssen jedoch in erster Linie den Mitgliederkunden gefallen, das heißt sie emotional ansprechen. Mitgliedernutzen und -bedarfe wie Preisersparnisse, soziale Kontakte und Prestige werden nachfolgend im Vordergrund stehen. Für ein erfolgreiches Mitgliederzweckgeschäft sind Werbebudgets gezielt umzuwidmen - weg vom "Gießkannen-Marketing" hin zum dialogorientierten Mitgliedermarketing.

Organisation: Die Verantwortung für das mitgliederbelangeorientierte Bankgeschäft gilt es innerhalb der Genossenschaftsbanken organisatorisch zu verankern. Dabei kann auf Verbundsynergien und externe Dienstleister zurückgegriffen werden oder, wie durch die acht Genossenschaftsbanken in der Region Bonn/Rhein-Sieg, einzelinstitutsübergreifend Mitgliedermaßnahmen gemeinschaftlich vermarktet werden. Dies kommt vor allem für kleinere und mittelgroße Genossenschaftsbanken in Betracht. Weiterhin sind in Genossenschaftsbanken außer Compliance- oder Gleichstellungsbeauftragten auch Mitgliedermanager zu bestimmen.

Controlling: Alle Mitgliedermaßnahmen sollten auf ihre Wirtschaftlichkeit hin, das heißt Kosten und Erträge, vor, während und nach der Einführung kontrolliert werden (zum Beispiel Anzahl der Neumitglieder, Entwicklung des Deckungsbeitrags oder der Produktnutzungsquote). Das ist vor allem auch im Interesse der Förderfähigkeit der Bank und kommt damit ihren Mitgliedern zugute. Mitgliederorientierte Steuerungskennzahlen, wie etwa den "Share-of-member", sind in den Geschäftsplanungen und Controllingsystemen zu verankern.

Technik: Für zahlreiche Mitgliedermaßnahmen, zum Beispiel Rückvergütungs- oder Bonussysteme, ist die technische Anbindung an die genossenschaftlichen Rechenzentren ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Hindernisse im Steuerrecht?

Recht und Steuern: Dem genossenschaftsrechtlichen Identitätsprinzip des § 1 Abs. 1 GenG wird insbesondere auch steuerlich durch die genossenschaftliche Rückvergütung (§ 22 KStG) - als besondere, steuerlich abzugsfähige Verteilung von aus Mitgliederzweckgeschäften erwirtschafteten Beträgen - Rechnung getragen. Obgleich auch die eG als wirtschaftlicher Sonderverein auf Gewinnerzielung angelegt ist (siehe etwa §§ 48 Abs. 1 S. 2, 19 GenG), betreibt deren Förderunternehmen keine Zins-, sondern eine Bedarfsdeckungsbeziehungsweise Existenzsicherungswirtschaft. Jede eG ist daher gesellschaftsrechtlich auf das Kostendeckungsprinzip festgelegt. Der ursprüngliche und aus Gründen kaufmännischer Vorsicht von den Verwaltungsorganen gewählte Kostenansatz der eG für ihre unterjährigen Leistungen gegenüber ihren Mitgliedern erweist sich dann mit Rücksicht auf das vorherrschende Selbstkostenprinzip im Nachhinein als zu hoch.

Die auf diese besondere (Wirtschafts-)Weise entstandenen Überschüsse aus Mitgliederförderzweckgeschäften sind aber nicht als Gewinne im kapitalistischen Sinne, sondern als Ersparnisse anzusehen. Folgerichtig stehen die wirtschaftlichen Vorteile soweit diese nicht zwingend als Rücklagen für den Erhalt der Förderfähigkeit im Unternehmen benötigt werden (nur insoweit ist die Erzielung "genossenschaftseigener Gewinne" angestrebt) - den Mitgliedern unmittelbar zu und sind an diese auszukehren. Dabei handelt es sich um eine für die eG nach § 22 KStG steuergünstige Leistung und nicht um eine verdeckte Gewinnausschüttung. Grundlegend hierzu hat sich der BFH geäußert:

- Urteil vom 1. Februar1966 (I R 275/62), BStBl. III, S. 321: "Zwischen der Genossenschaft und einer Kapitalgesellschaft bestehen erhebliche Unterschiede, die sich auch steuerlich auswirken müssen; zum Beispiel insbesondere genossenschaftliche Rückvergütung; der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft ist nicht auf die Erzielung von Gewinn, sondern auf die Vermittlung von Ersparnissen für die Mitglieder, die gleichzeitig Kunden sind, gerichtet."

- Urteil vom 20. Januar 1993 (I R 55/92), BStBl. II, Seite 376: "die besondere Aufgabenstellung der Genossenschaft, wie sie sich aus § 1 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz (GenG) ergibt, [ist] zu berücksichtigen."

Hieran gilt es entschieden anzuknüpfen. Soweit das Bundesfinanzministerium in der "gelebten Mitgliederselbstförderung" offenbar einen nicht unterstützenswürdigen "Wettbewerbsvorteil" erblickt, konterkariert es den eigens genossenschaftsrechtlichen Förderzweck. Die unterschiedliche Behandlung von Mitgliedern und Nichtmitgliedern im Förderzweckgeschäftsverkehr ist nach § 1 Abs. 1 GenG zwingend und rechtsformeigen. Der (im Sinne von § 34 GenG) ordentlich handelnde Vorstand ist hierzu verpflichtet (siehe oben). Freilich können Mitgliederprogramme, wie zum Beispiel das VR-Mitglieder-Bonus (schon dessen Bezeichnung als "Bonus" ist steuerrechtlich nicht glücklich), lediglich dann im Sinne von § 22 KStG steuergünstig wirken, wenn die rückgewährten Überschüsse einen Bezug zum gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb der eG aufweisen.

Folgerichtig führen Geschäftsvorgänge außerhalb des Unternehmensgegenstandes und Förderzwecks bei "Vorteilen" an Mitglieder regelmäßig zu einer steuerlich nachteiligen verdeckten Gewinnausschüttung (siehe unten BFH). Gleiches gilt für aus Nichtmitglieder(zweck)geschäften erzielte Gewinne, soweit diese etwa durch Exklusivleistungen an Mitglieder weitergegeben werden. Im Übrigen müssen Vorteile dem Gebot der gleichmäßigen Behandlung der Mitglieder genügen. Grundlegend für die weitere Diskussion ist ein Urteil des BFH:

- vom 9. März 1988 (I R 262/83), BStBl II 1988, Seite 592:

"Die im Jahre 1973 gewährte Finanzierungsbeihilfe ist nicht im Mitgliedergeschäft des Streitjahres erwirtschaftet worden. ... Zu Unrecht hat das FG die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung allein darauf gestützt, daß die Klägerin für die Milchgeldzahlungen auch Erträge verwendet hat, die außerhalb des Mitgliedergeschäfts angefallen sind ... Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469). Ist die Höhe des Entgelts als angemessen anzusehen, so ist die Zahlung betrieblich veranlaßt."

Nach alledem sind aus dem rechtsformeigenen Gedanken der Mitgliederselbstförderung steuerneutrale Exklusivleistungen für Genossenschaftsmitglieder möglich, deren konkrete Ausgestaltung und Umsetzung jedoch einer rechtlichen und steuerlichen Einzelfallprüfung und -begleitung bedürfen.

Licht nicht unter den Scheffel stellen

Schließlich bleibt die praktische Empfehlung, nicht auf den großen Wurf zu warten, sondern gerade auch die aktuelle Finanzmarktkrise als Chance zu begreifen und zunächst im Kleinen zu starten. Mitgliedermaßnahmen sind sukzessive an Mitglieder- und damit letztlich Genossenschaftsbankinteressen heranzuführen und langfristig zu einer ganzheitlichen Mitgliederstrategie programmatisch wie organisatorisch auszubauen.

Für Genossenschaftsbanken besteht die strategische Möglichkeit und rechtsförmliche Notwendigkeit, sich von den nicht genossenschaftlichen Wettbewerbern, vor allem den zwar ebenfalls regional ausgerichteten und filialgestützt tätigen, aber öffentlich-rechtlichen Sparkassen, konzeptionell und wirtschaftlich erfolgreich auch als Bankengruppe abzugrenzen. Dringend bedarf es hierzu einer Wiederbelebung des verloren gegangenen genossenschaftlichen Selbstverständnisses und -bewusstseins. Anderenfalls könnte der Werbeslogan "Wir machen den Weg frei ..." eine unverhoffte Bedeutung erlangen. Durch ein "weiter so" drohen Volks- und Raiffeisenbanken kontinuierlich an Besonderheit einzubüßen und als Rechts- und Organisationstyp absehbar überflüssig zu werden. Dem ist bankindividuell und auf allen organisatorischen Ebenen wahrhaftig entgegenzutreten. Der BVR hat mit dem "VR-Mitglieder-Bonus" einen ersten Schritt in die richtige Richtung unternommen.

Fußnoten

1) Eingehend Geschwandtner, Genossenschaftsrecht - Grundlagen Muster, NomosPraxis 2007, Seiten 21 ff.; 54 ff.

2) Siehe BT-Drucks. 7/97 v. 5. Februar 1973, Seiten 23 f.

3) So auch Beuthien, DStR 2007, 1847 (1851).

4) Hierzu Geschwandtner/Helios, Genossenschaftsrecht, 2006, Seite 64.

5) So Beuthien, Kommentar zum GenG, Aktualisierungsband, § 8 Rn. 6a.

6) So ausdrücklich auch Beuthien, DStR 2007, 1847 (1851).

7) Siehe VR-Bank Kitzingen, Geschäftsbericht 2007.

8) Ausführlicher Jacobs, bank und markt 10/08, Seiten 40 ff.

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