Bilanzierung

Neue Bilanzierungsansätze von Leasingverhältnissen unter IFRS: Unsicherheiten behoben?

Die Leasingbilanzierung nach IFRS wurde oft kritisiert. Leasingverhältnisse könnten so der Einwand - so gestalten werden, dass sie nicht in der Bilanz des Leasingnehmers erscheinen. Ursächlichhierfür ist die bisherige Unterscheidung zwischen Finance- und Operating-Leasing-Verhältnissen. Danach hat der Leasingnehmer das Leasingobjekt nur zu bilanzieren, wenn er die Mehrheit der Chancen und Risiken hat, was Gestaltungsspielräume eröffnet. Um die Effekte einer solchen Off-Balance-Bilanzierung beim Leasingnehmer im Rahmen der Bilanzanalyse zu erfassen, berücksichtigen Analysten die künftigen Verpflichtungen aus Operating-Leasing-Verhältnissen häufig auf Basis pauschalierter Ansätze (Multiplikatormethode), was zu überhöhten Ansätzen führen kann.

Neuer Exposure Draft veröffentlicht

Um Leasingverhältnisse transparenter zu bilanzieren, schlagen die internationalen Standardsetter IASB und FASB in einem gemeinsamen Projekt vor, Leasingverträge künftig unabhängig von deren Ausgestaltung nach dem Right-of-use-Modell zu bilanzieren. Der entsprechende Exposure Draft (ED) datiert vom 17. August 2010.

Grundlegende Annahme ist, dass beim Leasingnehmer mit Abschluss eines Leasingvertrages bilanzierungspflichtige Vermögenswerte und Verpflichtungen im Sinn des IFRS-Frameworks entstehen. Der Leasingnehmer erwirbt danach ein Recht auf Nutzung des Leasingobjektes. Gleichzeitig hat er jedoch eine Verpflichtung zur Zahlung von Leasingraten an den Leasinggeber. Die Leasingraten sind danach in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen. Der Zinsanteil wird als Zinsaufwand ausgewiesen, was wegen des rückläufigen Zinsaufwands zu einem progressiven Ertragsverlauf führt.

Stand zunächst die Leasingnehmerbilanzierung im Fokus, so haben IASB und FASB entschieden, nun auch die Leasinggeberbilanzierung neu zu regeln. Der ED sieht für die Bilanzierung auf Seiten des Leasinggebers zwei Modelle (Hybrid-Modell) vor: Beim Derecognition Approach (Ausbuchungsansatz) aktiviert der Leasinggeber einen Vermögenswert für sein Recht auf Erhalt der zukünftigen Leasingraten in Höhe deren Barwertes. Gleichzeitig bucht er den Anteil am Buchwert des Leasingobjektes aus, der zur Nutzung überlassen wird. Den verbleibenden Anteil klassifiziert er als Restvermögenswert (Residual Asset). Beim Performance Obligation Approach (Ansatz der Erfüllungspflichten) hingegen wird davon ausgegangen, dass dem Leasingnehmer ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, gleichzeitig jedoch keine (vollständige) Abgabe der Kontrollrechte am Objekt erfolgt. Daher ist nach diesem Modell das Objekt weiter beim Leasinggeber zu bilanzieren. Gleichzeitig bilanziert der Leasinggeber eine Forderung gegenüber dem Leasingnehmer sowie eine Nutzungsüberlassungsverpflichtung, beide in Höhe der barwertigen Leasingraten. Der ED sieht vor, dass der Performance Obligation Approach zur Anwendung kommt, wenn bedeutende Risiken und Chancen aus dem Leasingobjekt beim Leasinggeber verbleiben. Damit wird bei der Abgrenzung der beiden Modelle konzeptionell auf das in der Vergangenheit wegen seiner potenziellen Gestaltungsmöglichkeiten kritisierte Risks- and Rewards-Modell zurückgegriffen.

Beide Ansätze führen im Sinne des neuen Right-of-use-Modells beim Leasinggeber zum Ausweis der Forderungen aus der Nutzungsüberlassung. Bei Bestimmung des zu aktivierenden Barwertes der Forderungen beim Leasingeber ergeben sich allerdings ebenso wie bei der Ermittlung der Verbindlichkeit des Leasingnehmers - erhebliche Ermessenspielräume. Danach sind neben den Leasingzahlungen auch die Beträge als bester Schätzwert (Best Estimate) zu berücksichtigen, die während der Leasingdauer vertraglich anfallen, allerdings noch nicht hinreichend konkretisiert sind. Dazu gehören etwa die wahrscheinliche Höhe bedingter Leasingraten oder voraussichtlich erwartete Zahlungen aus Restwertgarantien. Aber auch Leasingraten aufgrund von Vertragsverlängerungsoptionen sind zu erfassen. Hierbei ist von der längst möglichen Vertragslaufzeit auszugehen, die wahrscheinlich ("more likely than not") anzunehmen sein wird. Sofern sich während der Vertragslaufzeit wesentliche Änderungen in der Einschätzung ergeben, sind die Bilanzansätze in der Folgebewertung anzupassen. Insgesamt dürften dies zu einer Zunahme der bilanzierten Vermögenswerte und Verpflichtungen führen.

Änderungen im Anwendungsbereich

Aufgrund der im ED geänderten Leasingdefinition, die unter anderem nicht mehr auf eine bestimmte, vertraglich festgelegte Laufzeit abstellt und sich noch deutlicher vom Verkauf abzugrenzen versucht, werden sich Änderungen im Anwendungsbereich des neuen Standards ergeben. So fallen etwa Mietkaufverträge, bei denen das rechtliche Eigentum an den Mietkaufobjekten auf den Mietkäufer übergeht, nicht mehr unter den Leasingstandard. Weiterhin werden Leasingverträge über immaterielle Vermögenswerte (etwa Software) nun ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausgenommen, was konzeptionell diskussionswürdig ist. Immaterielle Vermögenswerte werden nach den Vorschriften des IAS 38 behandelt, obwohl es sich in der Regel auch um Nutzungsrechte handelt.

Neben den in der Praxis schwierigen Abgrenzungsfragen bei der Leasingbilanzierung, die auch durch die neuen Regelungsvorschläge nicht umfassend gelöst wurden, haben diese auch Implikationen sowohl für die Analyse der Abschlüsse als auch für die Geschäftsprozesse der betroffenen Unternehmen. Beides gilt es im Umstellungsprozess sowie bei der Würdigung von Leasingverhältnissen zu analysieren:

Durch die Zunahme der Vermögenswerte werden sich zum Beispiel die Kennzahlen zur Umschlagshäufigkeit des Gesamtkapitals (Umsatzerlöse/Gesamtkapital) und die Gesamtkapitalrendite verringern. Bei den Ertragskennzahlen können sich hingegen positive Auswirkungen beim Leasingnehmer ergeben, da die Leasingaufwendungen zukünftig in aufwandswirksame Zins- und erfolgsneutrale Tilgungsanteile zerlegt werden und der erhöhte Zinsaufwand sich tendenziell positiv auf den Ebit/Ebitda auswirkt. Gleichzeitig kommt es damit aber zu einem degressiven Zinsaufwand, wodurch stark wachsende Unternehmen, die ihre Expansion über Leasing finanzieren, in den Anfangsjahren ein geringeres Jahresergebnis aufweisen als bisher. Die Abbildungen geben einen Überblick über wesentliche Auswirkungen auf ausgewählter Bilanz- und Ergebniskennzahlen.

Die Bilanzanalyse wird zukünftig auch geänderte Ertragsverläufe beim Leasinggeber würdigen müssen. Die bislang ausschließlich im Herstellerleasing bilanzierte Marge aus dem Objektabgang zu Beginn des Leasingverhältnisses wird beim Leasinggeber im Rahmen des Derecognition-Ansatzes bei sämtlichen Verträgen zu berücksichtigen sein. Ansonsten führt der Derecognition-Ansatz während der Vertragslaufzeit, wie beim bisherigen Finance Leasing, zu einem degressiven Ertragsverlauf. Auch beim Per-formance-Obligation-Ansatz wird der Ertragsverlauf während der Vertragslaufzeit degressiv ausfallen. Zu einem progressiven Ertragsverlauf, wie er bisher unter einem klassischen Operating-Leasing üblich war, wird es damit nicht mehr kommen.

Die Neuregelungen dürften ferner verstärkt zu Auslaufgewinnen führen, die sich aus einer positiven Vermarktung des Objektes am Ende der Laufzeit ergeben. Ursache ist der nicht garantierte Restwert, der zukünftig grundsätzlich erst am Ende eines Leasingvertrages und nicht wie bisher über die Vertragslaufzeit ertragswirksam wird. Vor diesem Hintergrund könnte die Bedeutung einer sogenannten Substanzwertrechnung, wie sie vom Bundesverband Deutscher Lea-sing-Unternehmen e. V. (BDL)*) entwickelt worden ist, auch unter IFRS an Bedeutung zunehmen. Die Substanzwertrechnung bildet das zukünftige Wertschöpfungs- und Risikodeckungspotenzial einer Leasinggesellschaft in Form eines Barwertüberschusses ab. Sie ist damit eine wichtige Ergänzung bei der Analyse eines Abschlusses einer Leasinggesellschaft.

Mehraufwand absehbar

Die praktische Umsetzung des Right-of-use-Ansatzes wird Leasingnehmer, insbesondere wenn sie bislang vor allem Opera-ting-Leasing-Verträge abgeschlossen haben, vor neue Aufgaben stellen. Durch zusätzliche Anforderungen etwa zur Ermittlung des Objektwertverlaufs oder der verschiedenen Schätzwerte sowie die laufende Überprüfung dieser Parameter einschließlich der gegebenenfalls erforderlichen Bewertungsanpassungen bei signifikanter Veränderung kann es zu einem Mehraufwand kommen. Dies gilt vor allem für die erstmalige Umstellung auf die neuen Regelungen und für Leasingportfolien, die umfangreich sind, wie zum Beispiel in Teilen der Baubranche oder in einigen Industriebereichen. Auch Kontenpläne sind daraufhin zu untersuchen, ob sie die neuen Bilanzierungsregelungen ausreichend differenziert abbilden können. So wird es aufgrund der nun beim Leasingnehmer im Detail erforderlichen Objektbilanzierung (Lease by Lease) verstärkt notwendig sein, Teilzugänge, variable Mietströme und Vertragsänderungen zu erfassen. Daneben werden auch die Angaben im Anhang zum Jahresabschluss im Umfang deutlich zunehmen. Die Leasingbranche wird in vielen Fällen aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen die relevanten Informationen für die Bilanzierung zur Verfügung stellen und bei der Umstellung helfen können. So kann sie unter anderem Leasingnehmer bei der Schätzung potenzieller Zahlungen aus Restwertgarantien aufgrund ihrer besonderen Objekt- und Marktexpertise unterstützen oder auch aktuelle Informationen zu Objektwertverläufen bereitstellen.

Der endgültige Standard wird zwar erst für das zweite Quartal 2011 und seine verpflichtende Anwendung nicht vor 2012 erwartet. Dennoch sollten Leasingnehmer und -geber aufgrund der Komplexität sehr zeitnah mit den Umsetzungsvorbereitungen beginnen, zumal nach derzeitigem Diskussionstand eine retrospektive Anwendung geplant ist. Es besteht kein "Grandfathering", das heißt, es ist kein Bestandsschutz für bestehende Leasingverhältnisse vorgesehen. Leasingnehmer und-geber sollten daher beim Eingehen langfristiger Leasingverhältnisse die potenziellen Auswirkungen prüfen und bestehende Leasingverhältnisse und deren Gestaltung analysieren.

Kommentare zum ED können noch bis zum 15. Dezember 2010 an den IASB, den FASB gerichtet werden.

*) Vgl. Bundesverband Deutscher-Leasing Unternehmen e. V. , Substanzwertrechnung - Leasing-Bilanzierung nach HGB und IFRS, Berlin 2010; Hellen, H.-H.; Substanzwert-Rechnung - Instrument zur Analyse und Steuerung von Leasing-Gesellschaften in FLF 3/2005, 50 Jg., S. 114ff. sowie Nemet M./Ulrich P. O., Substanzwertrechnung - Bedeutung und Möglichkeiten der Weiterentwicklung in Nemet M. (Hrsg.) Risikomanagement für Leasinggesellschaften, München 2010, S. 461ff.

Marijan Nemet , Partner/Wirtschaftsprüfer im Bereich Financial Services bei Deloitte GmbH
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