Aufsätze

Neue Chancen der Diversifikation

Die Steuerung von Investitionsrisiken über Diversifikation ist ein zentraler Grundsatz der systematischen Kapitalanlage und ein bedeutender Baustein im Risikomanagement. Diese Erkenntnis ist nicht neu, muss aber vor dem Hintergrund der stetigen Weiterentwicklung der Kapitalmärkte immer wieder an die Realität angepasst werden.

Zunahme der Konvergenz

Zwei Beobachtungen spielen hierbei eine besondere Rolle. Erstens: Im Rahmen der zunehmenden Globalisierung kann weltweit ein Anstieg der Korrelationen zwischen verschiedenen Aktienmärkten, aber auch zwischen den unterschiedlichen Rentenmärkten festgestellt werden. Während beispielsweise noch vor 20 Jahren deutsche Aktien in der Regel wenig mit der Entwicklung amerikanischer Titel korrelierten, führte die beschleunigte Globalisierung in den neunziger Jahren zu einem verstärkten Gleichlauf der Kursentwicklungen. Eine Zunahme der Konvergenz war in der Folgezeit auch im globalen Maßstab zu beobachten. Unter anderem die Kursrückschläge an nahezu allen internationalen Börsenplätzen infolge der Korrektur am chinesischen Aktienmarkt im Frühjahr dieses Jahres machen dies deutlich.

Zweitens: Mit der Entstehung der sogenannten Alternative Assets haben sich in den vergangenen Jahren neue, innovative Assetklassen und Anlagestrategien herausgebildet, die in der Regel wenig mit traditionellen Investments korrelieren. Hedgefonds, Private Equity, Rohstoffe oder REITs bieten somit neue Möglichkeiten der systematischen Streuung, die beim Aufbruch zu neuen Diversifikationsufern genutzt werden können.

Welche Diversifikationseffekte ergeben sich unter Berücksichtigung alternativer Assetklassen und den daraus resultierenden neuen Finanzprodukten? Um diese Frage beantworten zu können, bedarf es zunächst eines Blicks auf die grundsätzliche Wirkungsweise der Diversifikation aus der Sicht von Harry M. Markowitz. Für den Nobelpreisträger und Begründer der modernen Portfoliotheorie steht nicht die isolierte Betrachtung von Einzelassets, sondern vielmehr das Zusammenspiel der Einzelassets im Portfolioverbund im Vordergrund.

Vor diesem Hintergrund beschreibt der Diversifikationseffekt die gesicherte Erkenntnis, dass die Volatilität des Gesamtportfolios stets kleiner ist als die gewichtete Summe der Einzelvolatilitäten beziehungsweise gleich, und das bei verbesserten Renditeerwartungen.

Das Beispiel eines aus Aktien und Renten bestehenden Mischfonds macht diesen Zusammenhang deutlich. Die im Markowitz-Modell benötigten Parameter werden hierbei aufgrund von historischen Daten ermittelt. Als Proxy für die Assetklasse Aktien dient der MSCI Europe Performanceindex, für das Rentensegment wird der Rex-P verwendet. Der Diversifikationseffekt in diesem Zwei-Assetklassen-Modell zeigt sich bei Betrachtung des entsprechenden Risi-ko-Rendite-Diagramms (Abbildung 1).

Bessere Risiko-Rendite-Struktur durch Diversifikation

Hier wird erkennbar, dass Aktien langfristig die bessere Rendite, aber auch das höhere Risiko in sich bergen. Wird dem Rentenportfolio nun sukzessive ein Aktienanteil beigemischt, ergibt sich eine optimierte Effizienzlinie, die das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite widerspiegelt. Die Krümmung der Effizienzlinie macht den Diversifikationseffekt aus. So korrespondiert das aus 25 Prozent Aktien und 75 Prozent Renten bestehende Portfolio mit einer Risiko-Rendite-Kombination von 4,2 zu 7,6 Prozent. Würde man einen linearen Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite unterstellen, ergäbe sich eine Volatilität von 6,13 Prozent. Das Risiko beträgt aber nur 4,2 Prozent. Insofern kann der Diversifikationseffekt als eine Risikoreduktion von 1,9 Prozent quantifiziert werden.

Betrachtet man nun die Renditeebene, so zeigt sich, dass das Mischportfolio eine erwartete Rendite von 7,6 Prozent aufweist. Bei einem linearen Zusammenhang würde man nur auf eine Rendite von 6,67 Prozent kommen. Bei dieser Betrachtung ergibt sich der Diversifikationseffekt als eine Renditeerhöhung um 0,98 Prozent. Insgesamt resultiert aus der Risikostreuung auf zwei Assetklassen also ein erkennbar verbesserter Risiko-Rendite-Mix.

Lücke zwischen Theorie und Praxis

Interessant ist es nun zu beobachten, wie sich die Effizienzlinie des Portfolios verändert, wenn diesem neben Renten und Aktien drei weitere Assetklassen hinzugefügt werden. Abbildung 2 zeigt die Effizienzlinie mit fünf Assetklassen im direkten Vergleich zur Effizienzlinie des Zwei-Asset-klassen-Modells. Bei gleicher Renditevorgabe von 7,6 Prozent ergibt sich im Fünf-Klassen-Modell eine Volatilität von lediglich 2,9 Prozent. Dies entspricht einer Risikoreduktion um 1,3 Prozentpunkte. Auch dieses, durch vermehrte Diversifizierung optimierte Portfolio (56,5 Prozent Renten, 3,6 Prozent Aktien, 13,4 Prozent Immobilien, 22 Prozent Hedgefonds und 4,5 Prozent Rohstoffe) verbessert also deutlich den Risiko-Rendite-Mix der Kapitalanlage.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die dargestellten Ergebnisse vor allem illustrativen Charakter haben. Sie beruhen auf historischen Renditeverläufen, die ein Startpunkt für eine strategische Asset Allokation sein können, die aber insbesondere für künftige kurzfristige Anlagehorizonte nicht zutreffen müssen. Denn genauso wie Korrelationsstrukturen gewissen Schwankungen unterworfen sind, erweisen sich auch die Renditeverläufe der verschiedenen Assetklassen keineswegs als zeitstabil. Für das grundsätzliche Risiko-Rendite-Verständnis und die daraus resultierende langfristige Aufteilung der Kapitalanlage bilden die Erkenntnisse aber einen stabilen Handlungsrahmen für den Investor.

In der aktuellen Praxis der Kapitalanlage ist die Diversifizierung über neue Assetklassen gegenwärtig allerdings noch kein Selbstläufer. So finden hierzulande zum Beispiel Hedgefonds oder Private-Equity-Fonds nur sehr zögerlich Eingang in die Portfolios institutioneller Investoren.

In einer von der European Business School (ebs) gemeinsam mit der Union Investment 2006 vorgelegten Studie konnte festgestellt werden, dass deutsche Investoren zwischen vier und fünf Prozent ihrer Anlagen in Alternative Anlagen investieren, während diese Quote bei vergleichbaren ausländischen Investoren bei etwa 15 Prozent liegt. Auch in anderen wissenschaftlichen Allokations-Studien werden optimale Anteile von Alternative Investments ermittelt, die weitaus höher sind als die tatsächlich zu beobachtenden Anlagequoten. Worin liegen die Gründe für diese Zurückhaltung?

Die Ursachen für die moderaten Investitionsquoten in Alternative Assets sind vielschichtig. Zunächst einmal betreten Investoren, die sich mit alternativen Investments befassen, häufig genug Neuland. Damit sind nicht nur Fragen des Wissens und der grundsätzlichen Kenntnis über die Wirkungsweise neuer Produkte und Strategien verbunden. Einher geht dieser Schritt darüber hinaus nicht selten auch mit Vorbehalten gegenüber Investmentansätzen, die bisher noch nicht zum Standardrepertoire in der Kapitalanlage zählen.

Vorbehalte gegenüber neuen Investmentansätzen

Dies gilt in besonderem Maße mit Blick auf Hedgefonds. Vielen Investoren gelten diese, in der breiten Öffentlichkeit problematisierten Strategien noch immer als zu riskant und wenig transparent. Erst langsam gelangt der Markt hier zu einer differenzierteren Betrachtung.

Wie viel Diversifikation kann sich der Investor leisten? So lautet eine weitere Kernfrage, deren Beantwortung durch die Anleger, die Verbreitung alternativer Investments gegenwärtig hemmt. Mit dieser Frage sind im Wesentlichen zwei Problemkreise verknüpft. Zum einen die ökonomische Seite: So erfordert die Implementierung neuer, komplexer Investmentstrategien einen erhöhten Managementaufwand in der Portfoliosteuerung sowie im Controlling, der sich unter anderem auf der IT-Seite, aber auch in einem allgemein erhöhten Ressourcenbedarf niederschlägt. Angesichts eines mitunter nur sehr geringen Investitionsgrades in die neuen Anlageformen scheuen manche Anleger den damit verbundenen Mehraufwand.

So erscheint zum Beispiel vor allem kleineren und mittelgroßen Investoren, die gegenwärtig nur mit kleinen Volumina in alternative Investments investiert sein dürfen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis häufig als ökonomisch nicht effizient. Zum anderen hängt die Frage nach dem Ausmaß an Diversifikation maßgeblich vom

Umfang der Restriktionen ab, denen sich ein Investor gegenüber sieht. Ob und in welcher Höhe sich die für die Kapitalanlage Verantwortlichen die Aufnahme neuer, innovativer Strategien leisten können, richtet sich dabei nach externen und internen Vorgaben.

Während das aufsichtsrechtliche Umfeld in der jüngsten Vergangenheit schon zunehmend neue Spielräume eröffnet hat, tun sich manche Investoren hier noch schwer. Nicht selten präferieren Anlagegremien unbeirrt scheinbar sichere Assetklassen und behindern damit den Einsatz moderner Investmentinstrumente.

Umfang der Restriktionen auch im eigenen Haus überprüfen

Mittlerweile ist bei institutionellen Investoren jedoch ein Prozess des Umdenkens in Gang gekommen. Viele Anleger spüren, dass sie sich in Zeiten rapide zunehmender Finanzinnovationen und sich wandelnder Finanzmärkte neuen Wegen öffnen müssen. Auch vor diesem Hintergrund bleibt es Aufgabe der Asset-Management-Industrie, das Verständnis der Investoren für alternative Investments zu unterstützen und ihnen einen ökonomisch sinnvollen Zugang zu einem erweiterten Spektrum an Assetklassen zu ermöglichen.

Insbesondere durch gezielte Unterstützung bei der Due Dilligence sowie beim komplexen und je nach Anlageform sehr individuellen Risikocontrolling von Alternative Assets können Asset Manager den Anlegern den Weg in die neuen Anlageklassen erheblich erleichtern. Denn gerade hier ist ein hoher Aufwand erforderlich, der bei einigen Investoren nur mit unverhältnismäßig hohen Anstrengungen in finanzieller und personeller Hinsicht bewältigt werden kann. Eine verstärkte Übertragung der Risikocontrolling-Aufgaben an den Asset Manager könnte hier ein wesentliches Stück weiterhelfen.

Diversifikation ist deutlich mehr als nur ein aktuelles Modethema. Die Optimierung der Risiko-Rendite-Struktur eines Portfolios durch die Aufteilung des Vermögens auf unterschiedliche Assetklassen, Branchen und Anlagestile zählt vielmehr zu den fundamentalen Gesetzmäßigkeiten der Portfoliotheorie. Alternativen Investments kommt in diesem Zusammenhang eine zunehmend wichtigere Rolle zu.

Die empirischen Ergebnisse der Wissenschaft zeigen eindrucksvoll, dass durch die Beimischung der neuen Assetklassen strategisch überlegene Portfolios konstruierbar sind, mit denen neue, dringend benötigte Diversifikationspotenziale ausgeschöpft werden können.

Flankiert durch verstärkte Research-Anstrengungen

Begleitet werden muss der Aufbruch zu neuen Diversifikationsufern allerdings durch verstärkte Research-Anstrengungen, deren Ziel es sein muss, werthaltige Prognosen über das Renditeverhalten der alternativen Assetklassen abzugeben. Solche Vorhersagen sind zwingend notwendig für eine systematische und professionelle Vermögensstrukturierung auf der Grundlage eines aktiven Managements. In diesem Prozess speist sich die überlegene Performance von Portfolios aus einer systematischen Diversifikation und unterschiedlichen aktiven Strategien, die von einem guten Strategie- und Risiko-Research begleitet werden.

Alexander Schindler , Mitglied des Vorstands , Union Investment
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