Aufsätze

Die neue EU-Verordnung über Ratingagenturen

Im Zuge der Ursachenforschung für den Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise ist das vor und während der Krise zu beobachtende (Fehl-)Verhalten der Ratingagenturen zunehmend in den Fokus öffentlicher und politischer Aufmerksamkeit gerückt. Anknüpfend an die identifizierten Problemfelder hat die EU am 16. September 2009 eine Verordnung zur Regulierung der Ratingagenturen (EU-VO) verabschiedet, die durch Entwurf des Ausführungsgesetzes vom 13. Januar 2010 in nationales, deutsches Recht umgesetzt werden soll.

Die Ratingagenturen vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise

"The story of the credit rating agencies is a story of colossal failure. The credit rating agencies occupy a special place in our financial market. Millions of investors rely on them for independent, objective assessments. The rating agencies broke this bond of trust, and federal regulators ignored the warning signs and did nothing to protect the public."1)

Diese Bewertung der Ratingagenturen, die einer Anhörung des US-Repräsentantenhauses aus dem Herbst 2008 entstammt, verdeutlicht die veränderte Sicht auf die Rolle der Ratingbranche.

Seit 2002 haben die Ratingagenturen im Zuge des Subprime-Booms eine Phase herausragend positiver Geschäftsentwicklung erfahren. So stieg allein der Umsatz der drei großen Ratingagenturen zwischen 2002 und 2007 von drei Milliarden US-Dollar auf rund sechs Milliarden US-Dollar an.2) Die Bewertung von mit Subprime-Krediten unterlegten Finanzinstrumenten stellte dabei zunehmend einen wesentlichen und zugleich äußerst profitablen Teil ihrer Geschäftstätigkeit dar.3) Im Rahmen von Verbriefungsprozessen4) spielten die Ratingagenturen eine ganz zentrale Rolle.5) Ohne eine positive Bewertung der hierbei von Special Purpose Entities (SPEs) ausgegebenen strukturierten Fremdkapitaltitel war die Refinanzierung des Erwerbs der Forderungen von den Banken durch die SPEs nicht möglich. Positive Bewertungen, insbesondere Investment-Grade-Ratings, waren somit das zentrale Vehikel zur Transformation von risikobehafteten Subprime-Krediten in marktfähige Finanzinstrumente. Ohne die Bereitschaft der Ratingagenturen, diese Konstrukte (positiv) zu bewerten, wäre der Verbriefungsprozess nicht möglich gewesen.

Bekannte Problemfelder

Erste Bedenken hinsichtlich des Zustandes des US-amerikanischen Immobilienmarktes hatten die Ratingagenturen bereits Anfang 2006, die Agenturen reagierten jedoch erst Mitte 2007 mit einer massiven Herabstufung ihrer Bewertungen. Diese späte und zugleich derart massive Reaktion führte zu gravierender Kritik an dem Geschäftsgebaren der Ratingagenturen, da es hierdurch zu einem erheblichen Vertrauensverlust in ihre Bewertungen und somit zu einer nachhaltigen Verunsicherung der Marktteilnehmer kam.6)

Hinsichtlich der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise ist im Hinblick auf die Rolle der Ratingagenturen zu prüfen, welche Gründe für das (Fehl-)Verhalten der Ratingagenturen ursächlich sind. Hierbei lassen sich folgende Hauptgründe benennen:

Skeptisch beäugt wird seit Ausbruch der Finanzmarktkrise insbesondere das den Ratingagenturen zugrunde liegende Geschäftsmodell. Während bis 1970 die Veröffentlichung von Ratings auf Basis eines Investor-Pays-Modell erfolgte, bei dem die Investoren eine Gebühr für den Zugang zu den Ratings bezahlten, entschieden sich die Agenturen ab 1970 auf das Issuer-Pays-Modell überzugehen. Das Issuer-Pays-Modell ist allerdings stark in die Kritik geraten, werden doch die Ratingagenturen von den Unternehmen bezahlt, die sie zu bewerten haben, woraus Interessenkonflikten resultieren können.7)

Kritisch ist zudem die Tatsache zu sehen, dass neben dem Ratingprozess von den Ratingagenturen auch Beratungsleistungen erbracht werden, die zum Ziel haben, Strukturen zu schaffen, welche eine günstige Bewertung nach sich ziehen. So kann sich die Situation ergeben, dass Ratingagenturen Strukturen bewerten, an deren Entwicklung sie beratend den Emittenten zur Seite gestanden haben. Die Vermutung liegt somit nahe, dass die mit dem Emittenten gemeinsam ausgearbeiteten Produkte sehr wohlwollend und günstig bewertet werden, was ebenfalls die Gefahr von Interessenkonflikten in sich birgt.8)

Fehleinschätzungen der Ratingagenturen sind im Markt für strukturierte Produkte besonders gravierend, da diese extrem komplex und undurchschaubar sind und die Originatoren gegenüber den Investoren hinsichtlich der inhärenten Risiken der Produkte ganz wesentliche Informationsvorteile besitzen. Die Investoren sind somit in hohem Maße abhängig von den Einschätzungen der Ratingagenturen. Zudem waren die den Bewertungsmodellen zugrunde liegenden Annahmen häufig fehlerhaft oder basierten auf einem nicht angemessenen Datenbestand.9)

Die EU nahm die Kritik an den Ratingagenturen im Zuge der Finanzmarktkrise zum Anlass, die nachfolgend erläuterte EU-VO auf den Weg zu bringen.

EU-Verordnung über Ratingagenturen

Die bisherige Überwachung von Ratingagenturen in der EU bestand aus einer Kombination von freiwilliger Selbstregulierung entsprechend den Regelungen des IOSCO-Kodex10) und einem Anerkennungsverfahren im Rahmen der Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive). Das europäische Recht sah jedoch bisher keine umfassenden Regelungen zur Kontrolle von Ratingagenturen vor.

Im Zuge der sogenannten Ecofin-Roadmap11)(Oktober 2007) stellt nun die EU als erste Region weltweit Ratingagenturen unter staatliche Aufsicht. Der Vorlage des Entwurfs12) einer "Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen" vom 12. November 200813) durch die Europäische Kommission folgte am 16. November 2009 der Beschluss des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments über die Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 1060/ 200914) über Ratingagenturen. Die EU-VO trat am 7. Dezember 200915) in allen EU-Mitgliedstaaten in Kraft. Die Frage nach einer Selbstregulierung von Ratingagenturen als tragbare Alternative scheint damit zumindest für die EU als beantwortet.16)

Die EU-VO hat zum Ziel, die Integrität, Transparenz, Verantwortung, gute Unternehmensführung und Verlässlichkeit von Ratingtätigkeiten zu steigern, um somit zu einem reibungslos funktionierenden Binnenmarkt beizutragen sowie ein hohes Maß an Verbraucher- und Anlegerschutz sicherzustellen. Im Fokus stehen dabei insbesondere die Förderung der Unabhängigkeit der Ratingagenturen und die Vermeidung von Interessenkonflikten. Zentrale Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Ziels stellen die Einführung einer Registrierungspflicht für Ratingagenturen zu deren besseren Kontrolle, das Verbot für die zusätzliche Beratung eines bewerteten Unternehmens sowie ein internes Rotationssystem für Mitarbeiter der Agenturen dar. Des Weiteren wird der Umgang mit Ratings, die von nicht-europäischen Agenturen vorgenommen werden, sowie die Einführung umfangreicher Offenlegungserfordernisse geregelt.

Eine Ratingagentur hat demnach eine EU-Registrierung zu beantragen, um als externe Ratingagentur (External Credit Assessment Institution (ECAI)) im Sinne der Eigenkapitalrichtlinie17) anerkannt zu werden.18) Das Registrierungsverfahren wird durch den Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden CESR (The Committee of European Securities Regulators) koordiniert. Im Zuge der Koordinationsaufgabe benachrichtigt CESR die national zuständigen Behörden, die dann letztlich die Überwachung der Ratingagenturen in deren jeweiligem Herkunftsmitgliedstaat übernehmen. Diese nationalen Behörden entscheiden dabei über die Vergabe der EU-Registrierung.

EU-Registrierung

Für regulatorische Zwecke dürfen Ratings nur von solchen Ratingagenturen verwendet werden, die ihren Sitz in der Gemeinschaft haben und gemäß der EU-VO eine EU-Registrierung besitzen. In Drittländern abgegebene Ratings dürfen von in der EU ansässigen und gemäß der EU-VO registrierten Agenturen nur dann übernommen werden, wenn die diesen Ratings zugrunde liegenden Ratingtätigkeiten dabei bestimmten Anforderungen entsprechen.

Die Anerkennung von Ratings für Unternehmen mit Sitz in Drittländern oder für in Drittländern ausgegebene Finanzinstrumente, die in Drittländern von einer dort ansässigen Ratingagentur abgegeben wurden, können hingegen auch ohne die Erfüllung vorgenannter Anforderungen für bestimmte regulatorische Zwecke verwendet werden. Dazu haben sie jedoch wiederum spezifische Bedingungen zu erfüllen. Insbesondere wird gefordert, dass die Ratingagentur im entsprechenden Drittland eine Zulassung besitzt oder registriert ist und der dortigen Aufsicht unterliegt. Die Kommission muss dabei den Regelungs- und Kontrollrahmen des betreffenden Drittlandes als gleichwertig mit den Bestimmungen der EU-VO betrachten. Zudem muss die betreffende Ratingagentur gemäß der EU-VO zertifiziert worden sein.

Transparenzbericht

Was die verstärkten Offenlegungserfordernisse anbelangt, so haben Ratingagenturen die Öffentlichkeit zukünftig verstärkt über bestimmte Sachverhalte zu unterrichten. Dazu zählen unter anderem aktuelle und potenzielle Interessenkonflikte sowie die Strategie der Agentur in Bezug auf die Veröffentlichung von Ratings und anderen damit verbundenen Publikationen. Des Weiteren sind die Methoden und Erläuterungen von bei den Ratingtätigkeiten angewandten Modellen und grundlegenden Ratingannahmen wie mathematische Annahmen und Korrelationsannahmen sowie diesbezüglich wesentliche Änderungen offenzulegen. Hinzukommen gegebenenfalls grundlegende Änderung ihrer Systeme, Ressourcen oder Verfahren sowie ihr Verhaltenskodex. Ratingagenturen haben zudem alle sechs Monate über die historischen Ausfallquoten ihrer Ratingkategorien samt der diesbezüglichen Veränderungen sowie in einem jährlichen Abstand über die Beziehungen zu bedeutenden Kunden zu berichten. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die relevanten Informationen von ausreichend guter Qualität sind und aus zuverlässigen Quellen stammen.

Des Weiteren sind Ratingagenturen zur jährlichen Veröffentlichung eines Transparenzberichts angehalten. Der Inhalt dieses Berichts erstreckt sich dabei unter anderem auf eine Darstellung der Rechtsstruktur und der Besitzverhältnisse der Ratingagentur, eine Beschreibung des internen Kontrollmechanismus zur Sicherstellung der Qualität der Ratingtätigkeit sowie der bereits oben angesprochenen Rotationspolitik für Geschäftsführung und Analysten der Agentur.

Ebenfalls wird geregelt, dass Ratingagenturen für ein bewertetes Unternehmen oder einen verbundenen Dritten keine Beratungsleistungen mehr erbringen dürfen. Folglich leistet die EU-VO einen gewichtigen Beitrag, den Interessenkonflikt aus der Parallelität von Rating- und Beratungsleistung zu entschärfen. Zudem müssen von den Ratingagenturen für strukturierte Finanzinstrumente künftig gesonderte und klar gekennzeichnete Ratingkategorien angeben.

Kritik wurde an der EU-VO bisher insofern laut, als dass sie das zentrale Problem - die Anbieter eines Finanzprodukts zahlen selbst die Bewertung dieses Finanzprodukts (Issuer-Pays-Modell) - nicht löse. Entsprechend bleibe das bisherige Geschäftsmodell der Ratingagenturen im Kern weitgehend unverändert bestehen. Nach wie vor wäre das so, "als ob Schüler dem Lehrer Geld für ihre Benotung geben, und das bei freier Lehrerwahl."19)

An diesen Kritikpunkt knüpft sodann die bereits seit einiger Zeit im Raum stehende Forderung nach der Einrichtung einer öffentlichen Ratingagentur auf Ebene der EU20) an. Dabei könnte das obligatorische Einholen eines Ratings von dieser neu zu schaffenden Agentur einen Vergleichsmaßstab zu den Bewertungen der privatwirtschaftlichen Ratingagenturen schaf en, um zuvorderst den am Markt vorherrschende Vertrauensverlust einzudämmen.21)

Ausführungsgesetz zur EU-Verordnung über Ratingagenturen

Das Bundeskabinett hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der EU-VO zur Regulierung von Ratingagenturen der EU in nationales Recht mit dem Beschluss des Ausführungsgesetzes vom 13. Januar 2010 auf den Weg gebracht.22) Ziel dieses Gesetzes - wie auch der EU-VO - ist es, Interessenkonflikte künftig zu verhindern und die Qualität der Ratings zu verbessern.23) Zentrales Element der EU-VO ist die Registrierung sowie laufende Beaufsichtigung der Ratingagenturen. Diese Aufgaben obliegen (zunächst) den nationalen Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedstaaten, sodass Deutschland diesbezüglich die zuständigen Behörden zu bestimmen und Regelungen zu Aufsichtskompetenzen und Verwaltungsverfahren zu treffen hat. Mit dem Ausführungsgesetz werden diese Modalitäten der Anwendung der EU-VO in Deutschland geregelt. So wird durch das Gesetz ein neuer Abschnitt im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) eingefügt, der die Aufsicht der Ratingagenturen in das Wertpapierhandelsrecht eingliedert. Hierdurch sollen nach der Gesetzesbegründung "mögliche, im Einzelnen unter Umständen noch nicht erkennbare Regelungslücken der EU-Ratingverordnung durch den Rückgriff auf allgemeine Vorschriften und Prinzipien des WpHG geschlossen werden". Zentrale Norm des WpHG stellt hierbei § 17 WpHG-E dar, der entsprechend mit dem Titel "Überwachung von Ratingagenturen" überschrieben ist.

Jährliche Prüfung und Bußgeldkatalog

Mit der Aufsicht über die Ratingagenturen wird nach § 17 Abs. 1 S. 1 WpHG-E die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als die in Deutschland zuständige Behörde betraut. Ab 2011 sollen ihre Befugnisse auf eine neu zu schaffende Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) übertragen werden. Ab 7. Juni 2010 sollen neue Ratingagenturen ihre Registrierungsanträge bei der BaFin stellen können. Vor diesem Stichtag bereits bestehende Ratingagenturen können ihre Registrierung noch bis 7. September 2010 beantragen.

Die BaFin ist nach § 17 Abs. 2 WpHG-E verpflichtet, alle zur effektiven Durchsetzung der Vorschriften der EU-VO erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, ist hierbei jedoch an das verfassungsmäßige Gebot der Verhältnismäßigkeit gebunden. Nach § 17 Abs. 4 WpHG-E hat die BaFin das Recht zur jederzeitigen Prüfung der Ratingagenturen, ohne dass hierfür ein konkreter Anlass gegeben sein muss. Der Gesetzesbegründung nach müssen "überraschende Stichproben" möglich sein, um die Aufsicht der Einhaltung der Vorschriften durch die Agenturen effektiv umsetzen zu können. Von einer solch spontanen Prüfung können die Agenturen selbst, die mit ihnen verbundenen Unternehmen sowie die zur Durchführung von Ratingtätigkeiten eingeschalteten Personen oder Unternehmen betroffen sein. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Gesetz explizit die gerateten Unternehmen von dieser Prüfung ausschließt. Neben der Möglichkeit einer überraschenden Prüfung durch die BaFin sind die Ratingagenturen nach § 17 Abs. 5 WpHG-E verpflichtet, sich einer jährlichen Prüfung ihrer Ratingtätigkeit durch einen Wirtschaftsprüfer zu unterziehen. Bei größeren Unternehmen kann die Regelprüfung nur durch den Einsatz eines externen Wirtschaftsprüfers erfolgen, wobei der Prüfer über "hinreichende Sachkunde" verfügen muss, um die sehr spezielle und komplexe Materie der EU-VO angemessen beurteilen zu können. Insofern bemächtigt das Gesetz die BaFin, einen Prüfer aus einem Kreis nach ihren Erkenntnissen qualifizierter Prüfer zu beauftragen. Das WpHG sieht insofern ein Zusammenwirken von regelmäßiger Prüfung und spontaner Stichprobe ohne konkreten Anlass vor, wodurch eine umfassende Beaufsichtigung der Agenturen ermöglicht werden soll.

Ein wesentlicher Inhalt des Ausführungsgesetzes zur EU-VO ist die Einführung eines Bußgeldkatalogs in § 39 Abs. 2b WpHG-E. Ziel des Kataloges ist es nach Maßgabe des Art. 36 EU-VO wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen bei Verstößen gegen die Vorgaben einzuführen. Demnach liegt ein ordnungswidriges Handeln vor, wenn vorsätzlich oder leichtfertig einer der in § 39 Abs. 2b WpHG-E normierten 42 Katalogtatbestände verwirklicht wird. Der Bußgeldrahmen bei Verstößen gegen die EU-VO ist in zwei Stufen untergliedert. So sieht der Katalog in vier besonders schwerwiegenden Fällen ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro vor. Solche Fälle liegen vor, wenn eine Ratingagentur

- ein Rating abgibt, obwohl ein Interessenkonflikt vorliegt (§ 39 Abs. 2b Nr. 11 WpHG-E);

- gegenüber demselben bewerteten Unternehmen oder einem verbundenen Dritten sowohl Beratungs- als auch Ratingleistung erbringt (§ 39 Abs. 2b Nr. 12 WpHG-E);

- bei einer Veränderung der Methoden, Modelle oder grundlegenden Annahmen, die Auswirkungen auf Ratings hat, kein neues Rating erstellt (§ 39 Abs. 2b Nr. 35 WpHG-E) oder

- trotz des Fehlens verlässlicher Daten nicht auf die Abgabe eines Ratings verzichtet oder ein vorhandenes Rating nicht zurückzieht (§ 39 Abs. 2b Nr. 38 WpHG-E).

Bei den übrigen Katalogtatbeständen liegt der Bußgeldrahmen von bis zu 200 000 Euro deutlich niedriger. Da die Mehrzahl der Tatbestände diesen deutlich niedrigeren Bußgeldrahmen vorsehen, besteht die Gefahr, dass für größere Unternehmen diese Sanktionen keine ausreichend angemessene und abschreckende Wirkung ausstrahlen. Diese Problematik wurde vom Gesetzgeber aufgegriffen, sodass gegenüber größeren Unternehmen auch bei minder schweren Verstößen und im Rahmen von Organisationsverschulden der Ausgangsrahmen des Bußgeldes nicht unter 200 000 Euro liegen sollte.

Eine Übergangsregelung

Das Ausführungsgesetz gibt einen Rahmen für die Umsetzung der EU-VO in nationales Recht vor. Zentral ist hierbei neben dem nationalen Aufsichtskonzept die Regelung der Bußgeldtatbestände. Zu beachten ist jedoch, dass die Neuregelungen des Ausführungsgesetzes wohl nur von kurzer Dauer sein werden, da bereits ab dem 1. Januar 2011 die Überwachung der Ratingagenturen auf eine neu zu schaffende europäische Institution übergehen wird. Hierbei stellt die noch zu schaffende Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA das zentrale Aufsichtsorgan dar. Insofern werden insbesondere die Regelungen des nationalen Aufsichtskonzepts mit dem Übergang der Überwachungskompetenz auf die ESMA außer Kraft gesetzt. Dennoch war es aufgrund der in der EU-VO vorgesehenen Registrierung der Ratingagenturen ab 7. Juni 2010 bei den nationalen Aufsichtsbehörden zwingend notwendig, die zuständige nationale Behörde zu benennen und die Durchführung der Überwachungsfunktion zu regeln. Zudem erscheint es wahrscheinlich, dass sich eine Vielzahl der im Rahmen des Ausführungsgesetzes festgeschriebenen Regelungen so oder in ähnlicher Weise in einem künftigen europäischen Aufsichtssystem wiederfinden könnte.

Fußnoten

1) Henry A. Waxman, Mitglied des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten und Vorsitzender des Aufsichts- und Regierungsreformausschusses im US-Abgeordnetenhaus; Anhörung am 22. Oktober 2008 "Credit Rating Agencies and the Financial Crisis", www.oversight.house.gov/.

2) Vgl. http://oversight.house.gov/documents/ 20081022112135.pdf.

3) Vgl. Rotemberg, Subprime Meltdown: American Housing and Global Financial Turmoil, 2008, S. 6.

4) Vgl. Burghof/Henke, in: Burghof et al., Kreditderivate - Handbuch für die Bank- und Anlagepraxis, 2005, Seite 34 f.

5) Vgl. Claussen, DB 2009 S. 1003.

6) Vgl. The President´s Working Group on Financial Markets, Policy Statement on Financial Market Developments, 2008, S. 2.

7) Vgl. Strunz-Happe, BFuP 2005 S. 232 f.

8) Vgl. Buiter, Lessons from the 2007 Financial Crisis, Center for Economic Policy Research (CEPR) Discussion Paper No. 6596, 12/2007, S. 5 f.

9) Vgl. Rudolph, zfbf 2008 Seite 737.

10) Der Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies (Verhaltenskodex) der IOSCO (International Organization of Securities Commissions) besteht bereits seit 2004. Im Rahmen einer freiwilligen Selbstkontrolle transformieren dabei die Ratingagenturen die Regeln des IOSCO-Code-of-Conduct nach ihren individuellen Anforderungen in einen eigenen Corporate Code-of-Conduct und veröffentlichen diesen anschließend mit dem Hinweis auf eventuelle Abweichungen von den IOSCO-Regelungen (comply or explain). Im Zuge der Finanzmarktkrise ab Ende 2007 hat die IOSCO den Verhaltenskodex im Mai 2008 in einer überarbeiteten Version veröffentlicht. Ziel der Neufassung war es, insbesondere auf Interessenskonflikte sowie die unzureichende Transparenz im Rahmen der Bewertung strukturierter Finanzprodukte zu reagieren.

11)Die Ecofin-Roadmap wurde von den Finanzministern der EU beschlossen und setzt sich aus den beiden Berichten "Developing EU Financial Stability Arrangements" und "Financial Markets Situation-Key Issues and Follow-up Actions" zusammen, die ein in 2008 abgearbeitetes Maßnahmenprogramm darstellen, das der Umsetzung von Konsequenzen in Folge der Finanzmarktkrise dienen sollte (abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/).

12) Dem Entwurf der EU-Verordnung durch die Kommission war am 20. Juni sowie am 16. Oktober 2008 die Forderung eines an die Kommission gerichteten Legislativvorschlags seitens des Europäischen Rates zur Stärkung der Vorschriften für Ratingagenturen und deren Überwachung innerhalb der EU vorangegangen.

13) Siehe hierzu auch das Press Release IP/08/1684 der Europäischen Kommission (abrufbar unter: http://europa.eu/).

14) Die Verordnung über Ratingagenturen (EG) Nr. 1060/2009 ist abrufbar unter: http://eur-lex.europa. eu/).

15) Die Verordnung trat somit gemäß Artikel 41 der Verordnung am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (17. November 2009) in Kraft.

16) Die EU-Verordnung lehnt sich jedoch inhaltlich an die Offenlegungserfordernisse des IOSCO-Kodex an. Mithin wurde somit einer Forderung des Financial Stability Forum (FSF) entsprochen, wonach der IOSCO-Kodex als Blaupause für derart regionale beziehungsweise einzelstaatliche Regelungen dienen soll, um internationale Konvergenz bei der Regulierung von Ratingagenturen zu gewährleisten.

17) Bestehend aus den Richtlinien 2006/48/EC (Anerkennung von ECAIs: Anhang VI, Teil 2) und 2006/49/EC.

18) Laut Paragraph 44 der Begründung zur neuen EU Verordnung sollte die Verordnung das bewährte Verfahren zur Anerkennung externer Ratingagenturen (ECAI) gemäß der Richtlinie 2006/48/EG (Eigenkapitalrichtlinie) nicht ersetzen. Die in der Gemeinschaft bereits anerkannten ECAIs sollten vielmehr eine Registrierung gemäß dieser Verordnung beantragen.

19) Vgl. hierzu unter anderem das Interview mit Sven Giegold (MdEP) unter www.euractiv.de vom 19. Oktober 2009 - Giegold zur EU-Krisenpolitik: "Großmäulige Rhetorik".

20) Nach Auffassung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) könnten die bereits bestehenden Ratingabteilungen der nationalen Zentralbanken unter dem Dach der EZB die Basis einer öffentlichen Agentur sein, die zudem nicht gewinnorientiert arbeiten würde.

21) Vgl. hierzu unter anderem das Interview mit Dorothea Schäfer, Expertin des DIW, unter www.euractiv.de vom 25. November 2009 "Plädoyer für eine öffentliche EU-Ratingagentur"; Financial Times Deutschland Online, "Neue Chance für EU-Ratingagentur" unter www.ftd.de vom 25. Oktober 2009.

22) Ausführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung).

23) Da es sich bei der EU-VO um eine Verordnung (regulation) und keine Richtlinie (directive) der EU handelt, ist sie in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Sie muss von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Das hier dargestellte Ausführungsgesetz regelt insofern nur die Sachverhalte, die die EU-VO den EU-Mitgliedstaaten explizit zur gesetzlichen Disposition stellt.

Prof. Dr. Stephan Schöning , Professor für ABWL/Finance, SRH Hochschule Heidelberg
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