Aufsätze

Die neuen Richtlinien zur Kapital- und Liquiditätsadäquanz

Das Baseler Komitee zur Bankenaufsicht (im Folgenden Komitee) ist bestrebt, die gegenwärtig geltenen Kapital- und Liquiditätsstandards zügig um die in der Krise gewonnenen Erfahrungen zu erweitern. Dabei stehen drei Veröffentlichungen im Mittelpunkt: die Neuregelungen zum Marktpreisrisiko, zur Kapitaladäquanz und zur Liquiditätsadäquanz.1)Die Neuregelungen für das Marktpreisrisiko sind finalisiert und wurden bereits in mehreren Beiträgen vorgestellt.2) Dieser Beitrag konzentriert sich deshalb auf die beiden Veröffentlichungen zur Kapital- und Liquiditätsadäquanz. Im Gegensatz zum Marktpreisrisiko ist die Diskussion um die neuen Kapital- und Liquiditätsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen: veröffentlicht im Dezember 2009 zur Kommentierung und begleitet durch eine quantiative Auswirkungsstudie, ist die finale Version für Ende dieses Jahres angekündigt. Das Inkrafttreten ist gegenwärtig für den 1. Januar 2013 vorgesehen, und damit zwei Jahre später als die Marktpreisregelungen.

Zwischenstand im Juli 2010 veröffentlicht

Als Reaktion auf die Kommentare und Auswirkungsstudie veröffentlichte das Komitee im Juli einen aktualisierten Zwischenstand, welcher - erwartungsgemäß - alle Maßnahmen bestätigte, aber bei Kalibrierung und Zeitplänen Zugeständnisse machte. Unter Berücksichtigung dieses Zwischenstandes werden in diesem Beitrag die Eckpfeiler der Neuregelungen vorgestellt. Auch wenn es noch kein offizieller Sprachgebrauch ist, wird statt des Wortes "Neuregelungen" der Terminus "Basel III" benutzt in Abgrenzung zu den bestehenden Regelungen, welche mit "Basel II" bezeichnet werden.

In einem ersten Schritt werden die Maßnahmen überblicksartig in den Kontext der Bank gesetzt und im Anschluss daran im Detail vorgestellt. In Abbildung 1 wird die Bank aus drei verschiedenen Perspektiven heraus betrachtet: aus der Kapitalperspektive, der buchhalterischen Perspektive und der Liquiditätsperspektive.

In der Kapitalperspektive werden die Gewinn- und Verlustrisiken (GuV-Risiken im Folgenden) mit dem verfügbaren Kapital verglichen. Die aufsichtsrechtliche Messung für Adress-, Marktpreis- und operationelle Risiken erfolgt in der Säule I. Unter Basel III wurde nunmehr die Messung der Adress- und Marktpreisrisiken überarbeitet. Diskutiert werden hier die Änderungen zu den Adressrisiken im Abschnitt Adressenausfallrisiko. Die Änderungen zum Marktpreisrisiko wurden - wie eingangs erwähnt - bereits in anderen Beiträgen behandelt. Auf der Kapitalseite wurde einerseits die Zusammensetzung von Tier 1 und Tier 2 neu definiert (Abschnitt Kapitaldefinition). Andererseits wird nun ein Kapitalpuffer jenseits des Mindestkapitals gefordert, welcher die Zunahme von Risiken und Verlusten in Krisenzeiten abfedern soll (Abschnitt Kapitalpuffer). Die buchhalterische Perspektive ist die gewöhnliche Bilanz. Für Zeiten, in denen Risikomodelle versagen, schreiben die Aufsichtsbehörden nunmehr einen Leverage Ratio vor, der auf Bilanzdaten und damit explizit nicht auf (Risiko-)Modellannahmen beruht (Abschnitt Leverage Ratio). In der Liquiditätsperspektive stehen Liquiditätsreserve und -bedarf (dispositive Liquidität) sowie die Fristigkeit (strukturelle Liquidität) im Vordergrund. Basel III wird nunmehr zwei Modelle enthalten, welche untere Schranken für die Liquiditätsreserve beziehungsweise für die langfristigen Mittel herleiten (Abschnitt Liquiditätsrisiko).

Adressenausfallrisiko

Die regulatorische Messung des Adressenausfallrisikos wurde überarbeitet, weil die bestehenden Modelle Verluste unterschätzt beziehungsweise Verlustursachen noch gar nicht berücksichtigt haben.

Wird unter Basel II der Schwerpunkt auf die Messung des Adressenausfallrisikos im Bankbuch gelegt (zum Beispiel bei den internen Ratingansätzen), liegt er bei den Neuregelungen auf dem Handelsbuch. Nur zwei Regelungen betreffen beide Bücher: der Korrelationsmultiplikator für die Forderungsklasse "Banken" und die Neuregelungen für externe Ratings. Diese werden zuerst vorgestellt.

Im Zuge der (systemischen) Finanzkrise zeigte sich, dass die Korrelation zwischen großen Finanzinstituten um 25 Prozent größer ist als bisher angenommen. Folglich wird die Korrelation im IRB-Ansatz für Banken mit Bilanzsummen von mindestens 100 Milliarden US-Dollar um 25 Prozent erhöht:

Formel

Weil die Korrelation nicht linear in die Berechnung der Kapitalunterlegung eingeht, muss bei 25 Prozent mehr Korrelation für kleine Ausfallwahrscheinlichkeiten (PDs) bis zu 35 Prozent mehr Kapital unterlegt werden. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 2 dargestellt. Deutlich ist zu sehen, dass generell zwischen 22 Prozent und 35Prozent mehr Kapital für Interbankenforderungen (AAA bis BB-) unterlegt werden müssen, wobei gilt: je besser das Rating, desto höher die zusätzliche Unterlegung.3)

Die höhere Kapitalunterlegung dürfte zu einer weiteren Umschichtung von unbesicherten in besicherte Interbankforderungen führen.

Ausbau der internen Ratingabteilungen

Die Bedeutung von externen Bonitätsbeurteilungen (Ratings) in der regulatorischen Kreditrisikomessung möchte das Komitee weiter zurückdrängen, da sich Finanzinstitute zu sehr auf externe Bonitätsbeurteilungen verlassen haben, die Vergütungsstrukturen von Ratingagenturen zu unverhältnismäßig positiven Bonitätsbeurteilungen führen können und diskrete Ratingklassen im Vergleich zu kontinuierlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten diskontinuierliche "Klippeneffekte" implizieren.

Dem Komitee ist jedoch auch bewusst, dass externe Bonitätsbeurteilungen in naher Zukunft nur schwer aus den Risikomodellen heraus zu denken sind: Für Basel II-Modelle gemäß Standardansatz hieße dies eine Rückführung auf Basel I konforme Modelle. Bei Verbriefungen hält das Komitee interne Modelle nur für begrenzt zuverlässig, weil Daten zur Bestimmung wichtiger Parameter (zum Beispiel Assetkorrelationen) fehlen beziehungsweise lückenhaft sind. Vielmehr revidiert das Komitee, wie Ratings von gerateten Tranchen auf nicht-geratete Tranchen des gleichen Emittenten übertragen werden können (inferred ratings). Darüber hinaus müssen Banken, die den Standardansatz im Kreditrisiko verwenden, immer auch eine eigenständige Bonitätsbeurteilung vornehmen. Dabei gilt, dass die konservativere Einschätzung für die Kapitalunterlegung maßgeblich ist. Schließlich wurde der aufsichtsrechtliche Formelsatz für Verbriefungspositionen überarbeitet und die zusätzlichen Anforderungen für Ratingagenturen aus dem IOSCO-Code eingearbeitet.4) Diese Maßnahmen werden sowohl methodisch als auch personell zu einem Ausbau der internen Ratingabteilungen führen.

Blick auf das Handelsbuch

Nachdem die buchunabhängigen Neuregelungen für das Adressenausfallrisiko besprochen sind, beziehen sich die nachfolgenden Maßnahmen nur auf das Handelsbuch. Hier besteht das Adressenausfallrisiko vor allem bei Derivaten sowie bei Refinanzierungs- und Wertpapierfinanzierungstätigkeiten. Im Handelsbuchkontext wird das Adressenausfallrisiko auch als Kontrahentenrisiko bezeichnet.

Die Neuregelungen zum Kontrahentenrisiko fasst Abbildung 3 zusammen.

Das Kontrahentenrisiko hat drei Dimensionen: erstens das Risiko, dass der Kontrahent ausfällt, zweitens das Risiko, dass das Kontrahentenrating herabgestuft wird und drittens Validierungsaspekte. Die Positionen können in zentral und bilateral abgewickelte (nachfolgend "OTC" für Over-the-Counter) Positionen eingeteilt werden.

Kapitalmaßnahmen

Die Regulatoren setzen starke Anreize, um zukünftig möglichst viele Derivateverträge über eine zentrale Institution abzuwickeln. Bei zentraler Abwicklung liegt die Kapitalunterlegung bei nahezu Null (ein bis drei Prozent). Die ursprünglich komplette Freistellung von Kapitalunterlegung aus der Konsultationsversion wurde im Juli zurückgenommen, damit nicht der falsche Eindruck der Risikolosigkeit entsteht. Das Bestreben, die OTC-Geschäfte in zentral erfüllte Geschäfte umzuwandeln, betrifft alle Derivate, das heißt insbesondere CDS und Zinsswaps. Die zwangsläufige Standardisierung der Verträge (bei CDS im Kupon und Laufzeit bereits erfolgt) dürften vor allem Nichtbanken kritisch sehen, weil diese auf maßgeschneiderte Derivate für ihr Zins- und Währungsmanagement angewiesen sind. Zukünftig hätten sie die Wahl zwischen dem sehr teuren, aber maßgeschneiderten Derivat und dem preiswerten standardisierten Derivat mit verbleibenden Basisrisiken.

Für OTC-Derivate sind weiterhin alle drei Aspekte des Kontrahentenrisikos relevant. Abbildung 3 unterteilt die Maßnahmen bei OTC-Derivaten in Kapital- und prozessuale Maßnahmen. Hier wird nun näher auf die Kapitalmaßnahmen eingegangen.

Die Kapitalunterlegung für Kontrahentenrisiken unter Basel II ergibt sich als:
Formel

Dabei ist K das auf eine Geldeinheit normierte Risikovolumen, EEPE die "effektiv erwartete Forderungshöhe" bei Ausfall und alpha ein Faktor, der berücksichtigt, dass Forderungen tendenziell dann ausfallen, wenn sie mit einem hohen Betrag in Anspruch genommen wurden (Wrong-way Risiko).

Der Basel-II-Ansatz wird unter Basel III an drei Stellen erweitert:

Formel

Erstens werden die Korrelationen bei Interbankenkontrahenten (und das ist eine Vielzahl der OTC-Derivate) wie eingangs besprochen um 25 Prozent erhöht, zweitens wird für die Ausfallhöhe der größere von zwei Ausfallbeträgen genommen und drittens wird eine ganz neue Kapitalunterlegung für potenzielle Bonitätsherabstufungen von Kontrahenten eingeführt.

Mit der Annahme eines Stressszenarios für die Ausfallhöhe möchte das Komitee das Wrong-way Risiko besser abbilden. Ein möglicher Grund, dass dafür nicht der alpha-Faktor verwendet wird, könnte sein, dass die Mehrzahl der Institute zwar EEPE, aber nicht alpha intern schätzen. Eine pauschale Erhöhung des regulatorischen alpha-Faktors würde strukturelle Besonderheiten von Portfolios nicht berücksichtigen können. Methodisch ändert sich an der Berechnung des EEPE nichts. Der EEPE (das heißt Volatilitäten und Korrelationen) muss lediglich zweimal kalibriert werden: einmal auf die letzten drei Jahre (= EEPEheutige Daten) und einmal auf die drei Jahre, welche auch das Jahr für den gestressten VaR für das Marktrisiko enthalten (= EEPEStressperiode). Die Forderung, den gestressten VaR und den gestressten EEPE im gleichen Zeitfenster zu messen, ist ein weiterer Schritt in Richtung einer integrierten Messung von Kontrahenten- und Marktpreisrisiken. Von den beiden EEPEs wird schließlich der größere Wert genommen.

Mit der Messung des Verlustrisikos aus Kontrahentenherabstufungen wird ein bis dato regulatorisch unberücksichtigter Teilaspekt des Adressenausfallrisikos unterlegungspflichtig. Unter Basel II wurde nur das extreme Ereignis des Ausfalls berücksichtigt. Die Finanzkrise hat jedoch deutlich gezeigt, dass wesentliche Verluste bereits durch Wertberichtigungen und Bonitätsherabstufungen von Vertragspartnern entstanden, ohne dass diese ausgefallen sind. Die möglichen "mark-to-market"-Verluste aus diesen Bonitätsherabstufungen soll ein "CVA"5) genannter Ansatz messen und in eine Kapitalunterlegung (cc = capital charge) umrechnen.

Bond-Äquivalenz-Methode

Zur Berechnung des Aufschlags für das CVA-Risiko empfiehlt das Komitee die Bond-Äquivalenz-Methode. Bei der Bond-Äquivalenz-Methode wird die (derivative) Forderungshöhe gegenüber jedem Handelspartner in eine (hypothetische) Nullcouponanleihe umgerechnet, dessen Nominal der Forderungshöhe (Kreditäquivalenzbetrages) und dessen Fälligkeit der längsten Kontraktlaufzeit mit dem Handelspartner entspricht. Der Spread der Anleihe ist gegeben durch den CDS-Spread für den Vertragspartner beziehungsweise einen geeigneten Schätzer (zum Beispiel sektorspezifischer CDS-Index). Zum Hedging des so entstandenen Portfolios werden regulatorisch nur "single-name" CDS auf den betreffenden Vertragspartner oder äquivalente Derivate berücksichtigt. Der CVA-Aufschlag entspricht dem Marktrisikos des hypothetischen Bond-Portfolios, gemessen mit dem Standardansatz oder dem internen VaR-Modell. Die MtM-Risiken infolge von Herabstufungen von Vertragsparteien werden damit konsequenterweise durch die Marktrisikomethoden gemessen.

Nach der Beschreibung der Neuerungen im Adressenausfallrisiko wird jetzt auf die Seite der Risikodeckungsmasse, das heißt des Kapitals gewechselt.

Kapitaldefinition

Den Überlegungen zur engeren Auslegung des Kapitalbegriffs ging die Beobachtung voraus, dass es unter den bestehenden Ba-sel-II-Richtlinien möglich ist, eine hohe Kernkapital-Quote auszuweisen, ohne entsprechend hohes haftendes Eigenkapitals vorzuhalten. Die Finanzkrise hat jedoch gezeigt, dass sich Kreditverluste und Abschreibungen wesentlich aus Gewinnrücklagen (thesaurierten Gewinnen) zusammensetzen; somit aus dem haftenden Eigenkapital. Darüber hinaus sind weder die Kapitaldefinition noch die Offenlegungspflichten über verschiedene Länder hinweg harmonisiert, sodass die Qualität der Eigenmittel verschiedener Institutionen nur schwer vergleichbar ist. Um hier entgegenzuwirken, beschließt das Komitee eine Stärkung des regulatorischen Eigenkapitals: Hauptsächlicher Bestandteil des Kernkapitals seien nunmehr Stammaktien6) und Gewinnrücklagen.

Insgesamt ist die Definition von Kern- und Ergänzungskapital7) nun nicht mehr instrumentbasiert, sondern fußt auf einfachen, klaren Kriterien, die von den Instrumenten zu erfüllen sind. So müssen die übrigen Instrumente des Kernkapitals nachrangig sein, über uneingeschränkte nicht-kumulative Anleihezinsen oder Dividenden verfügen und weder einen Fälligkeitstermin noch einen Anreiz zur Tilgung besitzen. Hybride Instrumente mit Tilgungsanreiz werden stufenweise abgebaut. Ergänzungskapital muss die Bedingungen erfüllen, nachrangig zu Kreditorenpositionen und Verbindlichkeiten gegenüber Kunden zu sein sowie über eine Fälligkeit von mindestens fünf Jahren verfügen. Drittrangmittel werden abgeschafft.

Die Restriktion, dass das Ergänzungskapital das Kernkapital nicht überschreiten darf, wird nicht aufrechterhalten. Es ist hier zu beachten, dass die Neuregelungen bezüglich der Kapitalqualität unabhängig von den bisherigen Regelungen zu sehen sind: Es kann also im Allgemeinen keine Aussage getroffen werden, dass Bestandteile des bisherigen Kernkapitals zukünftig mindestens noch zum Ergänzungskapital zu zählen sind. Weiter wurden Offenlegungsrichtlinien überarbeitet, um durch genauere Beschreibung des Kapitals und der regulatorischen Instrumente die Transparenz zwischen den Instituten zu steigern. Die Mindestquoten für hartes Kernkapital, Kernkapital und Gesamtkapital werden für Ende des Jahres erwartet.

Kapitalpuffer

Zukünftig müssen Banken Kapital oberhalb des Mindestkapitals vorhalten (Kapitalpuffer). Im Unterschied zum Unterschreiten des Mindestkapitals, bei welchem das Institut die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit verliert (regulatorische Insolvenz), sind die Maßnahmen beim Unterschreiten der Puffergrenze weniger drastisch: dem Institut wird lediglich eine Mindestthesaurierung (oder Ausschüttungsbeschränkung) von Erträgen auferlegt. Die Höhe der Mindestthesaurierung steigt mit der Unterschreitung der Puffergrenze. Um bei einer unerwarteten Risikoausweitung nicht sofort unter die Mindestkapitalgrenze zu fallen, halten Banken bisher einen freiwilligen Puffer vor. Dass der Puffer nunmehr verpflichtend eingeführt wird, begründet das Komitee damit, dass Dividenden und Bonifikationen während der Finanzkrise zu spät eingestellt beziehungsweise nach der Krise zu früh wieder aufgenommen wurden. Das vorgeschlagene Pufferkonzept erzwingt eine Auffüllung des Puffers in "ertragreichen" Jahren und erlaubt den Abbau in "Verlustjahren". Den Mechanismus zum Pufferaufbau fasst schematisch zusammen.

Auf der linken Seite von Abbildung 4 ist dargestellt, dass sich der Puffer oberhalb des Mindestkapitals befindet. Die Zielhöhe des Puffers soll mit einem Prozentsatz X an die Höhe des Mindestkapitals gekoppelt werden. Die Intention ist, den Kapitalpuffer (das heißt das X) so zu kalibrieren, dass ein Institut einem schwerwiegenden Abschwung standhalten kann, ohne dass die Kapitalbasis unter die regulatorische Grenze fällt. Da der Kapitalpuffer dem Fortführungsprinzip genügen muss, sollte er sinnfälligerweise aus Kernkapital bestehen.

Aufgefüllt werden kann der Puffer nur in Jahren, die mit einem Gewinn enden. Für die Auffüllung wird am Ende des Geschäftsjahres festgestellt, um wie viel die aktuelle Kapitalbasis (abzüglich des Mindestkapitals) den Puffer unterschreitet (= Pufferfehlbetrag, oberer Teil von Abbildung 4.9) Der Fehlbetrag bestimmt, wie viel Prozent der Erträge zur Pufferaufstockung verwendet werden müssen und wie viel Prozent der Erträge frei verwendet werden können (unterer Teil von Abbildung 4). Je höher der Fehlbetrag ist, umso höher der Prozentsatz an einbehaltenen Erträgen. Wenn der Puffer fast vollständig aufgebraucht wurde (Fehlbetrag = 75 Prozent), müssen 100 Prozent der Erträge einbehalten werden. Die finale Kalibrierung des Kapitalpuffers ist für Ende des Jahres angekündigt, das heißt alle verwendeten Prozentsätze sind rein illustrativ. Um wie viel der Puffer wächst, wird relativ durch den Mechanismus bestimmt und absolut durch die Höhe der Erträge in dem betreffenden Jahr.

Der vorgestellte Puffer wird "Conservation Buffer" genannt, weil er die Erhaltung des Mindestkapitals auch in Krisenzeiten absichern soll. Oberhalb des "Conservation Buffer" wird die Einführung eines zweiten Puffers, des "antizyklischen Kapitalpuffers", diskutiert.9) Im Gegensatz zum ersten, ist der zweite Puffer temporär: er tritt in Kraft, wenn ein exzessives Kreditwachstum in einer Volkswirtschaft droht. Exzessives Kreditwachstum ist als einer der verlässlichsten Frühwarnindikatoren für Bankenkrisen identifiziert worden. Ausgerufen wird der Puffer durch die nationalen Aufsichtsbehörden und gilt für alle Forderungen gegenüber Schuldnern der betroffenen Volkswirtschaft, unabhängig davon, wo das kreditgebende Institut seinen Sitz hat. Im Gegensatz zum ersten Puffer ist der antizyklische Puffer losgelöst von der Kapitalausstattung des Insituts. Durch die gleichzeitige Verteuerungen von Krediten der betroffenen Volkswirtschaft, wird das Kreditwachstum als Nebeneffekt gedämpft. Der antizyklische Kapitalpuffer befindet sich noch bis zum 10. September in der Konsultationsphase.

Leverage Ratio

Nach Ansicht des Komitees ist eine exzessive Fremdfinanzierung des Bankensektors einer der wesentlichen Treiber der Finanzkrise. Darüberhinaus führte die Rückführung der Fremdfinanzierung (Deleveraging) im Zuge der Krise zu weiterem Preisdruck auf die Aktiva. Daraus resultierende Verluste erodierten die Eigenkapitalbasis und führten in eine Kreditklemme. Um dieser Abwärtsspirale künftig entgegenzuwirken, soll der Leverage Ratio die Fremdfinanzierung begrenzen. Auf den ersten Blick wirkt ein Faktor, der auf bilanzielle statt auf risikogewichtete Größen abstellt, nicht zeitgemäß.

Vor diesem Hintergrund muss man die Verwendung des Leverage Ratios berücksichtigen: die Regulatoren sehen in ihm kein Instrument zur täglichen Steuerung. Er ist vielmehr eine Art "Instrument of Last Resort" für den Fall, dass risikobasierte Modelle versagen und keine verlässlichen Aussagen mehr machen. In solchen Krisenzeiten wollen Regulatoren auf ein modellfreies Maß zurückgreifen können. Unter solchen Umständen soll der Leverage Ratio dazu dienen, ein systemisches und damit destabilisierendes "deleveraging" zu verhindern. Geplant ist ein Kernkapital-Leverage Ratio, welches mindestens drei Prozent Kernkapital bezogen auf die Bilanzsumme plus dem Kreditäquivalent der außerbilanziellen Positionen fordert. Der Leverage Ratio wurde sehr kontrovers diskutiert, was sich auch in der späten Umsetzung (1. Januar 2018) widerspiegelt.

Liquiditätsrisiko

Wurde das Liquiditätsrisiko auf internationaler Ebene bisher nur prinzipienbasiert reguliert,10) werden Letztere nunmehr durch zwei regulatorische Kennziffern detailliert. Im Rahmen der kurzfristigen Steuerung müssen Banken den Liquiditätsdeckungsquotienten (LCR), im Rahmen der mittelfristigen Steuerung den Fristentransformationsquotienten (NSFR) einhalten. Blieben die Liquiditätsrisiken unter Basel II weitgehend unerwähnt, sind nunmehr Liquiditäts- und Kapitaladäquanz gleichberechtigt.

Das LCR definiert eine Mindestliquiditätsreserve. Diese Reserve entspricht dem Liquiditätsbedarf der nächsten 30 Tage unter einem hypothetischen Stresszenario. Zur Reserve werden nur Wertpapiere gezählt, die hoch liquide und verfügbar sind. Die Eigenschaft "hoch liquide" erfüllen Wertpapiere, die auch in Zeiten angespannter Märkte in der Vergangenheit zuverlässig liquidierbar waren, weil sie zum Beispiel als "sichere Häfen" (Flight to Quality) angesehen wurden. Das sind vor allem Papiere öffentlicher Schuldner der G7. Es dürfen zwar auch Unternehmensanleihen und Pfandbriefe zur Reserve gezählt werden, aber nur mit einem empfindlichen Abschlag von 20 Prozent für AA und besser beziehungsweise 40 Prozent für A- bis AA-. Für die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs unterstellen die Regulatoren ein extrem konservatives Szenario: Insbesondere wird angenommen, dass die Bank bis zu drei Ratingstufen herabgestuft wird, was zu erhöhten Einlagenabflüssen und Sicherheitennachschüssen führt. Darüber hinaus wird angenommen, dass Derivate so stark an Wert verlieren, dass zusätzliche Sicherheitenzahlungen fällig werden. Zum Teil wird der Bedarf durch eingehende Zahlungen von Repo's und sicheren Krediten gedeckt. Der darüber hinausgehende Bedarf muss durch die Liquiditätsreserve aufgefangen werden.

Das NSFR ist die formalisierte "Goldene Bank"-Regel: je illiquider (und damit langfristiger) eine Anlage ist, desto langfristiger muss sie refinanziert werden. Für die Aktivseite und die außerbilanziellen Positionen geben die Regulatoren dezidiert vor, wieviel Prozent der Position mindestens mit langfristig verfügbaren Mitteln ("=stable funding") refinanziert werden muss. "Langfristig verfügbar" wird hier als "mindestens für ein Jahr verfügbar" definiert. Im Falle von Bargeldreserven sind das null Prozent. Im Falle von Unternehmensanleihen mit überjähriger Laufzeit und einem Rating von AA und besser sind es 20 Prozent. Für Kredite an Privatpersonen mit Laufzeit unter einem Jahr müssen 85 Prozent, für Laufzeiten über einem Jahr 65 Prozent langfristig refinanziert werden.

Dem daraus entstehenden Bedarf an langfristigen Mitteln werden die langfristig verfügbaren Mittel auf der Passivseite gegenübergestellt. Eigenkapital und Verbindlichkeiten mit überjährlicher vertraglicher Laufzeit liefern 100 Prozent langfristige Mittel. Die Einlagen von Privat- und kleinen Firmenkunden werden in stabile und weniger stabile Einlagen aufgeteilt.11) Bei den stabilen Einlagen wird von 90 Prozent langfristigen Mitteln (=Bodensatz), bei den weniger stabilen Einlagen von 80 Prozent ausgegangen. Bei institutionellen Einlagen von Nichtbanken wird unterstellt, dass 50 Prozent mindestens ein Jahr verfügbar sind. Bei allen anderen Einlagen wird davon ausgegangen, dass sie vor der Jahresfrist abgezogen werden. Dementsprechend wird ihr Beitrag zur langfristigen Refinanzierung mit Null angesetzt.

Die Vorgabe eines detaillierten regulatorischen Liquiditätsmodells hat grundsätzlich den Nachteil, dass regulatorische und interne Steuerung divergieren. Im Falle des LCR haben deutsche Banken damit Erfahrung, weil sie bis vor Kurzem ein dem LCR ähnlichen Quotienten berichten mussten (Grundsatz II). Eine kurzfristig orientierte Kennzahl wie das LCR greift auch nicht stark in das Geschäftsmodell der Bank ein, da sie "nur" die Höhe der Liquiditätsreserve steuert. Die strukturell angelegte Kennziffer NSFR dagegen schreibt praktisch die Fristenmodellierung für alle Bilanzpositionen für das erste Jahr vor und limitiert damit nichts Geringeres als die Fristentransformation. Die kontroverse Diskussion spiegelt sich auch hier in der späten Umsetzung (1. Januar 2018) wider.

Im Praxistest Konsistenz zeigen

Die Neuregelungen bei der Kapitaladäquanz wurden thematisch in Adressenausfallrisiko, Kapitaldefinition, Kapitalpuffer und Verschuldungsquotienten eingeteilt. Beim Adressenausfallrisiko wird bei Forderungen gegenüber Banken die Korrelation erhöht und der Einfluss externer Ratings bei der regulatorischen Risikomessung reduziert. Speziell im Handelsbuch wird eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die das Adressenausfallrisiko von Derivaten reduzieren. Regulatoren setzen dabei starke Anreize, Derivate zukünftig zentral statt bilateral (OTC) abzuwickeln. Für zentral abgewickelte Derivate sinkt, für bilateral abgewickelte Derivate steigt die Kapitalunterlegung für das Adressenausfallrisiko. Letzteres wird erreicht, indem nunmehr gestresste Parameter zur Bestimmung der Ausfallhöhe zu verwenden sind und eine neue Kapitalunterlegung für die Abwertung von Kontrahenten eingeführt wird.

Neben diesen kapitalrelevanten Maßnahmen sind Banken angehalten, ihre Abwicklungsprozesse auf mögliche operationelle Lücken hin zu überprüfen. Auf der Seite der Risikodeckungsmasse, dem Kapital, wird Kernkapital enger und einheitlicher definiert. Im Wesentlichen zählen nur noch Stammaktien und Gewinnvorträge zum Kernkapital. Um die Einhaltung des Mindestkapitals auch in Krisenzeiten zu gewährleisten, müssen Banken oberhalb des Mindestkapitals einen Puffer vorhalten, welcher bei Unterschreitung die Gewinnausschüttung begrenzt. Der Leverage Ratio als Gegenentwurf zu den risikobasierten Modellen soll im Falle von Modellversagen zum kontrollierten "deleveraging" des Bankensektors verwendet werden.

Die Liquiditätsadäquanz postuliert regulatorische untere Schranken für die Liquiditätsreserve und für die langfristige Refinanzierung (= 1 Jahr).

Es ist davon auszugehen, dass jede einzelne Maßnahme auch in der finalen Version Ende 2010 enthalten sein wird. Offen dagegen ist noch die Kalibrierung der Kapitalpuffer, des Leverage Ratios und der Kapitalquoten. Kritisch zu hinterfragen bleibt, ob die Maßnahmen in sich konsistent sind. Diese Frage wird wahrscheinlich erst der Praxistest beantworten.

Fußnoten

1) 1. Marktpreisrisiko: "Revisions to the Basel II market risk framework - final version" (BCBS158), 07/2009; 2. Kapitaladäquanz: "Strengthening the resilience of the banking sector" (BCBS164), 12/2009; 3. Liquiditätsadäquanz: "International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring" (BCBS165), 12/2009.

2) Marian Pollmann und Stephan Schöning, Modifikation der 1. Säule von Basel II: Zusätzliche Anforderungen im Bereich der Marktrisiken, ZfgK, 3/ 2010, Seiten 131 bis 134. Frank Cerveny, Daniel Engelage, Christian Schmaltz, "Regulatorische Neubehandlung des Correlation Trading Portfolios", ZfgK, 12/2010, Seiten 622 bis 627.

3) Dabei ist nicht zu vergessen, dass für die absolute Unterlegung weiterhin gilt, dass die Höhe der Kapitalunterlegung für höhere Ratings kleiner ist als für niedrige Ratings.

4) IOSCO: Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden.

5) "Credit valuation adjustment".

6) "Common shares".

7) "Tier 2 capital" auf einer "gone concern"-Basis.

8) Bei Überschreitung ist das Institut völlig frei bei der Gewinnverwendung.

9) "Countercyclical capital buffer proposal" (BCBS172), 07/2010.

10) Siehe "Principles for Sound Liquidity Risk Management and Supervision", BCBS144, 09/2008.

11) "Weniger stabile" Einlagen sind im Vergleich zu "stabilen Einlagen" Einlagen, die nicht unter eine Einlagensicherung fallen, Einlagen mit sehr niedrigen Zinssätzen, Einlagen von "Zinsjägern" und Einlagen, die ohne große Mühen abgezogen werden können (zum Beispiel Interneteinlagen).

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