Aufsätze

ÖPP in der Infrastrukturfinanzierung: Ausbau erforderlich

Die Klage ist überall zu hören: Die öffentliche Hand wird nicht in der Lage sein, auf Dauer das umfangreiche Netz an Infrastruktur für Verkehr mit den herkömmlichen Haushaltsmitteln zu finanzieren. So klingt es in diesen Monaten aus vielen Verkehrsministerien. Wenn am 19. Dezember 2012 die von den Verkehrsministern von Bund und Ländern eingesetzte Kommission "Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung" wie geplant ihren Bericht vorlegt, wird die Debatte auch wieder um den möglichen Beitrag der Privatwirtschaft zur Finanzierung in Form von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) gehen. Denn die Investitionskraft der öffentlichen Hände ist erlahmt, und die verfassungsrechtliche Schuldenbremse auf Ebene der Bundes- und Länderhaushalte lässt kaum mehr einen Spielraum.

Schwierige Finanzierung von großvolumigen Projekten

Zugleich verzeichnen Banken Beschränkungen in der Finanzierung von großvolumigen Projekten. Die Vermeidung von Klumpenrisiken und die Vorgaben aus der Risikosteuerung begrenzen die Finanzierung aus der Bankbilanz. Darüber hinaus bedeuten die verschärften Richtlinien unter Basel III, dass langfristige Finanzierungen, welche regelmäßig bei Infrastrukturprojekten anzutreffen sind, von kommerziellen Banken nicht mehr oder nur zu deutlich erhöhten Kosten bereitgestellt werden können. Zunehmend setzen Banken ihre Funktion bei Infrastrukturvorhaben daher als Vermittler ein zwischen der Projektgesellschaft einerseits und den institutionellen Investoren andererseits. Anstelle der Bilanzbereitstellung steht nun das Lösungsangebot für Investoren mit unterschiedlichen Risiko-Rendite-Interessen im Vordergrund. Dieser Funktionswechsel schont das Eigenkapital der Bank und erhöht das Profil als Strukturierungsexperte für finanzielle Aufgabenstellungen bei Infrastrukturvorhaben.

Der Bund hat aus dem Verkehrsbereich allein mit Lkw-Maut, Luftverkehrsabgabe und Bahndividende in den letzten Jahren zusätzlich bis zu sechs Milliarden Euro jährlich eingenommen. Es gibt somit bereits ein hohes Maß an Mitteln aus Nutzerfinanzierung, die allerdings nicht unmittelbar in Verkehrsprojekte fließen. Denn trotz dieser enormen Mehreinnahmen sieht der Bundeshaushalt keine Erhöhung der Investitionsquote im Verkehrsetat vor. Der Bund investiert noch nicht einmal neun Prozent des Bundeshaushalts in die Verkehrsinfrastruktur, die nach Meinung von Verkehrsexperten zusehends verfällt. Bei der Verkehrsinfrastruktur besteht derzeit nach Ansicht von Verkehrsexperten eine "Deckungslücke" in Höhe von sieben Milliarden Euro. Drei Milliarden Euro sind für kommunale Straßen und den Öffentlichen Personennahverkehr nötig, zwei Milliarden Euro für die Schiene, 1,5 Milliarden Euro für die Bundes- und Landesstraßen sowie eine halbe Milliarde Euro für die Wasserwege.

Das geht aus dem Zwischenbericht der Kommission "Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung" hervor. Den Fachleuten der Kommission zufolge hat der Geldmangel von Bund und Ländern bereits Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Auswirkungen der Unterfinanzierung hätten etwa durch Beschränkungen von Geschwindigkeiten und Tonnagen bereits zu Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit für die Wirtschaft sowie zu Umweltbelastungen geführt, heißt es.

Ein "Weiter so" sei nicht mehr verantwortbar. Die Kommission schlägt zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur eine Pkw-Maut in den Städten, eine Lkw-Maut auf allen Straßen und die Einführung einer "Infrastrukturabgabe" vor. Für ein solches System seien derzeit aber noch enorme technische Anforderungen nötig, für eine Ausweitung der Lkw-Maut seien die Erhebungskosten sehr hoch.

Die Rolle des privaten Sektors

Der private Sektor hat bisher nur eine geringe Rolle bei der Finanzierung von Verkehrsprojekten gespielt. In den zehn Jahren seit 2002 hat es gerade einmal 15 ÖPP-Verkehrsprojekte im Umfang von 2,4 Milliarden Euro gegeben. Dabei zeigte sich in den ersten Projekten die Vorteile von ÖPP-Projekten gegenüber der konventionellen Realisierung: ÖPP-Projekte werden früher fertiggestellt, und dies zu geringeren Kosten für die öffentliche Hand. In diesem Umfeld werden auch Erwartungen an die Förderbanken und privaten Banken geknüpft. Infrastrukturfinanzierung war bisher vornehmlich ein Thema für die staatlichen Förderbanken. Die Förderbanken der Länder haben sich ebenfalls den Verkehrsinfrastrukturprojekten in Form von ÖPP-Vorhaben verschrieben. So haben die Förderinstitute aus Brandenburg, Schleswig-Holstein, NRW, Thüringen und Hessen im vorigen Jahr ein Rahmendarlehen von 400 Millionen Euro für derartige Vorhaben bereitgestellt.

Seit einigen Jahren haben sich aber auch spezialisierte private Banken in der Finanzierung von Verkehrsprojekten einen Namen gemacht. Ein Beispiel dafür ist die Via Solutions Südwest GmbH, die für den Bau und Betrieb eines Autobahn-Abschnitts (A5 zwischen Malsch und Offenburg in Baden-Württemberg) über ein Bankenkonsortium mit privaten Banken eine Kreditfazilität über 456 Millionen Euro erhielt. Die Via Solutions Südwest GmbH & Co. KG betreibt das Teilstück der A5 für 30 Jahre. Hier haben neben der EIB folgende kommerzielle Banken ein Konsortium gebildet: BBVA, KBC, NIBC und Santander.

Beispiel Autobahnerweiterung

Von den sieben bisher abgeschlossenen Autobahn-ÖPP-Projekten ist das größte die in diesem Jahr abgeschlossene Erweiterung der A 1 zwischen Hamburg und Bremen von vier auf sechs Spuren. Der Konzessionsnehmer und Betreiber, die A 1 mobil GmbH Co KG, kann auf der 73 Kilometer langen Strecke nur Geld verdienen, wenn viele Lastwagen dort unterwegs sind und Maut zahlen. Der Konzessionsnehmer (Projektgesellschaft A 1 mobil) finanziert die Investitionskosten von 650 Millionen Euro für den Ausbau der Strecke, aber auch alle Kosten für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten sowie den Autobahnbetriebsdienst.

Zur Refinanzierung ihrer Kosten erhält die Projektgesellschaft A1 mobil während der 30-jährigen Vertragslaufzeit monatlich einen Teil der auf der Konzessionsstrecke anfallenden Lkw-Maut. Diese sogenannte Streckenmaut für schwere Lkw (über 12t) wurde 2005 für alle deutschen Autobahnen eingeführt. Die Einnahme der Mautgebühren erfolgt durch die Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik als Konzessionsgeber behält monatlich einen vertraglich vereinbarten festen Teilbetrag der Mauteinnahmen. Nur der verbleibende variable Teilbetrag wird an A 1 mobil (dem Konzessionsnehmer) weitergeleitet.

Entwicklungen in anderen Ländern

In anderen europäischen Ländern sind ÖPP-Finanzierungsmodelle schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten im Einsatz. Allerdings ist auch hier die Bedeutung der ÖPP-Projekte noch überschaubar. Bis vor fünf Jahren machten ÖPP-Projekte in Europa nur vier Prozent aller Investitionen des öffentlichen Sektors aus. Insbesondere die EU-Kommission, die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) haben sich die Förderung von ÖPP-Projekten auf die Fahne geschrieben. So wurde mit ihren Programmen der Bau der Harilaos-Trikoupis-Brücke, der Verbindung über den Golf von Korinth, die längste Schrägseilbrücke der Welt, als ÖPP realisiert. Die Konzession für die Brücke, die den Peloponnes mit dem griechischen Festland verbindet, wurde 1996 dem französischgriechischen Konsortium Gefyra S. A. über 42 Jahre für Planung, Bau, Nutzung und Wartung der Harilaos-Trikoupis-Brücke übertragen. Die EU gewährte einen EFRE-Zuschuss und ein EIB-Darlehen, um dieses Bauvorhaben zu verwirklichen.

Die Europäische Investitionsbank, das Instrument der EU für langfristige Darlehen, hat seit Ende der achtziger Jahre fast 30 Milliarden Euro an Darlehen für ÖPP zur Verfügung gestellt. Die EIB ist auch der größte Geldgeber für die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V-Netze). Sie dürfte schätzungsweise 14 Prozent der gesamten TEN-V-Investitionen zwischen 2007 und 2013 übernommen haben.

Im Rahmen der gegenwärtigen TEN-Finanzierungsverordnung sind zudem Finanzinstrumente für TEN-V-Vorhaben eingeführt, die alle dem Ziel dienen, die Beteiligung des Privatsektors zu erhöhen. Der Wert der finanziellen Unterstützung von ÖPP-Vorhaben durch die EU geht häufig über die einfache Bereitstellung von Kapital hinaus. Das politische Engagement der EU bewirkt, dass Finanzinstitute das Risikoprofil eines Projekts positiver beurteilen, wodurch eine Finanzierung zu günstigeren Bedingungen erleichtert wird.

Hinzu können EU-Garantien kommen wie das Kreditgarantieinstrument für TEN-V-Vorhaben (LGTT). Bei ÖPPs im Zusammenhang mit TEN-V-Vorhaben, bei denen der Privatsektor Risiken aufgrund möglicher Nachfrageschwankungen übernimmt, gibt es häufig das Problem der Beschaffung einer privaten Finanzierung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Die Kreditgarantie für TEN-V (LGTT) ist eine Bürgschaftsfazilität, die diese Risiken teilweise abdeckt, indem sie Einnahmenverluste, die sich aus einem niedriger als erwartet ausfallendem Verkehrswachstum in der Anlaufphase der Vorhaben ergeben, ausgleicht. Auf diese Weise werden die finanzielle Tragfähigkeit des Projekts und insgesamt seine Kreditwürdigkeit verbessert. Individuelle LGTT-Garantien werden durch die EIB bereitgestellt. Insgesamt soll die LGTT-Fazilität bis 2013 bis zu 35 TEN-V-Vorhaben unterstützen. Zu den geplanten Projekten gehören eine Hochgeschwindigkeitseisenbahnstrecke, ein Flughafen-Express und Autobahnkonzessionen.

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Finanzierung mit privaten Banken kommt aus den Niederlanden. Um den expandierenden Tiefseewasserhafen Rotterdam für die Hinterlandverkehre besser anzuschließen, wird auf einer Strecke von 37 Kilometern die Autobahn A 15 erweitert. Das ÖPP-Projekt mit einer Bauzeit von fünf Jahren und anschließender Betriebszeit von 20 Jahren wird, neben einem Eigenkapitalanteil von Bauunternehmen, von einem Konsortium aus der Förderbank EIB und den kommerziellen Banken ABN Amro, NIBC, Soc-Gen und Unicredit finanziert.

Politische Optionen für mehr privates Kapital

Die Bereitstellung von privatem Kapital für öffentliche Infrastrukturvorhaben ist eine sinnvolle Entwicklung. Dennoch ist erkennbar, dass auf dem Weg noch manche Hürde zu nehmen sein wird. Eine wesent liche Beschleunigung der ÖPP-Finanzierung könnte darin bestehen, dass die finanzierenden Banken mehr Möglichkeiten zur Weitergabe von Forderungen an institutionelle Investoren bekommen. Dafür sind auf Seiten der Politik die Regelungen für die Berechnung von Eigenkapitalanforderungen von Versicherern (Solvency II) so zu beordnen, dass Investitionen in öffentliche Verkehrsinfrastrukturprojekte keine unnötig hohe Eigenkapitalanrechnung erfahren. Denn institutionelle Investoren sind in hohem Maß interessiert an den nachhaltigen Renditen aus Verkehrsinfrastrukturprojekten. Die Investoren haben selbst eine langfristige Erlösperspektive und benötigen eine höhere Rendite aus den Anlagen als die rund vier Prozent, die beispielsweise Versicherer ihren Kunden momentan als Ausschüttung zahlen. Daher kann eine Übernahme von Forderungen aus Infrastrukturprojekten betriebswirtschaftlich für Versicherungen unter bestimmten Umständen Sinn machen. Die Risiken in der Bauzeit können weiterhin teilweise oder auch ganz von kommerziellen Banken getragen werden, jedoch würden die institutionellen Investoren nach Baufertigstellung die Banken ablösen.

Volkswirtschaftlich würde dies auf jeden Fall sinnvoll sein, indem es mehr privates Kapital als bisher für den Verkehrsausbau mobilisieren würde. Und für die Geschäftsbanken würde es Sinn machen, indem sie ihre Bilanzen schneller für neue Projekte öffnen könnten.

Geringere Risikokapitalanrechnung

Erforderlich sind dafür allerdings niedrigere Vorgaben für die Risikokapitalanrechnung für Infrastrukturprojekte. Noch ist nämlich nicht klar, in welchem Ausmaß derartige Projekte bei der Eigenkapitalanrechnung der Versicherer anzusetzen sind. In einer Studie der europaweiten Versicherungsaufsicht wurden Beteiligungen an Infrastrukturprojekten mit den gleichen Risikomaßstäben bewertet wie etwa Hedge Fonds und andere spekulative Finanzinstrumente. Aber Infrastrukturprojekte haben in der Regel geringere Risiken, denn die staatlichen Vergütungen für die Nutzung ergeben langfristige Zahlungen, die weitgehend unabhängig sind von konjunkturellen Schwankungen.

Der Bedarf an einer Lösung in dieser Richtung ist groß, alle Beteiligten würden gerne zueinander kommen. Indem die Assekuranz ihre benötigten stabilen Erträge aus den Krediten von Infrastrukturprojekten erzielen könnten, ließen sich Verkehrsinfrastruktur und Altersvorsorge sinnvoll miteinander verknüpfen. Für eine fortschrittliche Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur kann der Ausbau der Öffentlichen Privaten Partnerschaften eine zielführende Komponente darstellen.

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