Aufsätze

Pfandbrief und MBS: Schluss mit den Vorurteilen!

Neben den allgemeinen Refinanzierungsinstrumenten können Kreditinstitute auf zwei spezifische Kapitalmarktprodukte zur Refinanzierung von Hypothekardarlehen zurückgreifen: Hypothekenpfandbriefe und Mortgage Backed Securities (MBS). Dabei wird das Verhältnis dieser beiden Schuldverschreibungen allgemein von den zwei folgenden Einschätzungen geprägt: Der Pfandbrief ist out und Mortgage Backed Securities sind in. Der Erfolg des einen Produkts schließt den des anderen aus. Handelt es sich dabei eher um Vorurteile oder profunde Erkenntnisse?

Pfandbrief out, Mortgage Backed Securities in?

Wenn diese Meinung vorherrscht, mag dies daraus resultieren, dass man den Pfandbrief in Deutschland nunmehr seit 237 Jahren kennt, während Mortgage Backed Securities in Europa erst vor zirka zehn Jahren an Popularität gewannen. Beim unbedarften Beobachter kann daraus schnell der Eindruck entstehen, dass das eine Produkt verstaubt und altmodisch, das andere modern und innovativ sei.

Hinzukommt, dass Deutschland, die Heimat des Pfandbriefs, nicht gerade für seine Finanzinnovationen bekannt ist, während das Gegenteil für die USA gilt, wo MBS erfunden wurden. Könnte es sein, dass wir uns in Deutschland schlechter machen als wir sind?

Ein kurzer Blick auf die nationale und die internationale Entwicklung bestätigt genau dies. Zum einen wurde der Pfandbrief stets an die anspruchsvollen Bedürfnisse der Investoren angepasst. Zum anderen hat der Pfandbrief seit der Erfindung des Jumbos einen wahren Boom an Nachahmerprodukten ausgelöst. So wurden seit Mitte der neunziger Jahre in über 20 Ländern pfandbriefähnliche Produkte (Covered Bonds) eingeführt oder bestehende Produkte reaktiviert. Darunter sind auch einige Länder, in denen MBS bereits eine bedeutende Rolle gespielt haben wie zum Beispiel Spanien und das Vereinigte Königreich. Zuletzt hat die Pfandbriefwelle sogar das Ursprungsland der MBS erreicht, indem Washington Mutual den ersten Covered Bond amerikanischer Provenienz mit beachtlichem Erfolg platzierte.

Andererseits haben MBS in traditionellen Covered-Bond-Ländern Fuß gefasst. So werden in Deutschland bereits seit Jahren MBS begeben, bisher allerdings meist synthetischer Natur. Es zeigt sich also, dass weder das eine noch das andere Instrument als in oder out bezeichnet werden kann. Folgerichtig verfolgt der deutsche Gesetzgeber mit dem Refinanzierungsgesetz und der dazugehörigen Refinanzierungsregisterverordnung das Ziel, sowohl MBS als auch Pfandbriefe zu fördern.

Unvereinbar?

Schließt der Erfolg des einen Produkts den Erfolg des anderen Produkts aus? Es entstand in der Vergangenheit zuweilen der Eindruck, als würden sich Pfandbrief-Jünger und MBS-Prediger unvereinbar gegenüberstehen. Die vorgenannten Fakten belegen das Gegenteil und dafür gibt es auch gute Gründe sowohl aus Sicht der Emittenten als auch aus Sicht der Investoren.

Die Emittentensicht: Für die Frage, wie ein Kreditinstitut die von ihr ausgereichten Immobilienfinanzierungen optimal refinanziert, sind eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen, deren Behandlung im Detail den Umfang dieses Artikels sprengen würde. Grundsätzlich geht es zum einen um Fragen der reinen Refinanzierungskosten für die spezifischen Aktiva, die es zu refinanzieren gilt, also den Einstandspreis für ein bestimmtes Produkt und die Transaktionskosten. Zum anderen ist die Wahl der Refinanzierung entscheidend vom Risikomanagement geprägt, also einerseits der Frage, welche Risiken die Bank auf ihren Büchern behält und andererseits, welche Risiken mit der Wahl eines bestimmten Refinanzierungsinstruments verbunden sind.

Die Vorteile des Pfandbriefs: Der Pfandbrief erlaubt es Pfandbriefbanken, aufgrund gesetzlich fixierter und durch die Bankaufsicht überwachter Qualitätsanforderungen besonders günstige Einstandssätze am Kapitalmarkt zu erzielen. Mit ihm haben auch Emittenten ohne Bonitätsbestnote Zugang zum AAA-Markt. Der Pfandbrief erweist sich aufgrund seiner besonderen Bonität auch in Zeiten der Unsicherheit und Risikoaversion am Kapitalmarkt als zuverlässige, stabile und günstige Refinanzierungsquelle. Dabei bewirkt der hohe Standardisierungsgrad der Abläufe bei der Indeckungnahme von Darlehen und der Pfandbriefemission außerdem sehr niedrige Transaktionskosten.

Der Pfandbrief bietet viele Variationsmöglichkeiten. Neben unterschiedlichen Laufzeiten können Pfandbriefe als traditionelle und strukturierte Papiere, als liquide Emissionen im Jumboformat oder kleinvolumige Emissionen an den Markt gebracht werden. Die Ausstattung als Namenspapiere ist für institutionelle Anleger als "buy-and-hold"-Instrument ebenso interessant wie Jumbo-Pfandbriefe, die die Verfolgung von "relative-value"-Strategien ermöglichen. Die Emissionsmöglichkeit auch in langen Laufzeiten erlaubt es den Emittenten, ihre langfristigen Hypothekendarlehen ohne das Eingehen beträchtlicher Marktrisiken zu refinanzieren.

Geeignetes Instrument zur Ertragssteuerung

Die Vorteile von MBS: MBS sind Schuldverschreibungen von Nichtbanken, die in aller Regel auf Basis eines feststehenden Pools von Forderungen emittiert werden. Da im Falle der MBS die Hypothekenforderungen aus dem Vermögen eines Kreditinstituts auf das MBS-Emissionsvehikel übertragen werden, entfallen die Eigenkapitalunterlegungspflicht und damit verbunden die Eigenkapitalkosten. Die Veräußerung von Risikoaktiva an eine Zweckgesellschaft ermöglicht somit die Steuerung und Optimierung der Bankbilanz im Hinblick auf die Eigenkapitalkennziffern. Dies ist einer der wesentlichen Anreize für Kreditinstitute, ihre Kreditforderungen über MBS zu verbriefen. Über den Verkauf der Forderungen an das Emissionsvehikel erzielt die veräußernde Bank einen Einmalertrag und über die Verwaltung der Kredite, soweit diese nicht von einem dritten Dienstleister erbracht wird, einen laufenden Ertrag. MBS sind daher ein geeignetes Instrument zur Ertragssteuerung.

Da der Deckungspool einer MBS begrenzt und somit statisch ist, bedarf es zur Abdeckung vorhandener Risiken einer Vielzahl von eingebauten Sicherungsmechanismen, um die Zins- und Kapitalzahlungen an die Investoren sicherzustellen. Darüber hinaus werden die MBS in unterschiedlichen Tranchen emittiert, die mit unterschiedlichen Ausfallrisiken behaftet sind. Damit wird erreicht, dass bei Ausfall von Forderungen zunächst die Investoren verminderte Zahlungen erhalten, die die riskanteren Tranchen einer MBS erworben haben. Die wirtschaftliche und rechtliche Strukturierung von MBS ist zwar kostspielig. Sie erlaubt es aber im Gegensatz zum Pfandbrief, auch Darlehen mit hohen Beleihungsausläufen oder mit für die Deckung ungeeigneten grundpfandrechtlichen Sicherheiten in den Forderungspool aufzunehmen. Somit können über die Zusammenstellung der veräußerten Forderungen aktiv die Risiken der Bank gesteuert werden.

Unterschiedliche Stärken

Da somit MBS und Pfandbriefe unterschiedliche Stärken aufweisen, werden Kreditinstitute beide Instrumente gezielt einsetzen, um daraus die jeweiligen Vorteile zu erzielen und damit ihre nachhaltige Rentabilität zu steigern.

Die Investorensicht: Pfandbriefe stehen ebenso wie MBS hoch in der Gunst institutioneller Investoren. Als besicherte Bankschuldverschreibungen hat der Pfandbrief ein sehr konservatives Risikoprofil. Der vorgegebene gesetzliche Rahmen erleichtert den Investoren die Analyse und den Vergleich verschiedener Pfandbriefemissionen. Die Pfandbriefbanken sind kraft des Pfandbriefgesetzes (PfandBG) zur Einhaltung einer besonderen Kreditqualität verpflichtet, deren Einhaltung durch die Bankenaufsicht geprüft wird, und trachten als Daueremittenten am Rentenmarkt danach, die Pfandbriefrefinanzierung dauerhaft kostengünstig zu gestalten. Die dynamische Natur der Pfandbriefdeckungsmassen erfordert aus Investorensicht jedoch die periodische Analyse der Deckungsmassen, um Veränderungen des Risikoprofils zu erkennen. Im Insolvenzfall stellen die im Pfand-BG niedergelegten Normen sicher, dass Pfandbriefgläubiger bis zur Endfälligkeit der Pfandbriefe alle Zinszahlungen und die Tilgung zeitgerecht erhalten.

Präferenzen je nach Risikoorientierung und Renditezielen

Da das PfandBG die Indeckungnahme von Hypothekenforderungen aus einer Vielzahl von Ländern erlaubt und immer mehr Pfandbriefbanken von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, können Investoren durch den Kauf von Hypothekenpfandbriefen ein zunehmend internationales Immobilienexposure erwerben.

Im Gegensatz zum Pfandbrief sind MBS keine Bankschuldverschreibungen und unterliegen damit nicht der Bankenaufsicht. Die fehlende gesetzliche Grundlage bewirkt eine Vielzahl von Strukturen, die den Markt weniger homogen machen als den Pfandbriefmarkt. Die unterschiedlich gerateten Tranchen von MBS ermöglichen sowohl Investments in bonitätsmäßig starke als auch in weniger bonitätsstarke Tranchen mit den entsprechenden Renditeauswirkungen.

Investoren erwerben mit MBS ein definiertes Immobilienexposure, dessen Bonitätsanalyse mangels Standardisierung umfangreicher als beim Pfandbrief ist. Dieser zusätzliche Aufwand muss sich in der Rendite niederschlagen. Allerdings können Investoren über den Kauf von MBS gezielter ihre Risiken und Erträge streuen als über Pfandbriefe.

Somit kann auch aus Sicht eines Investors nicht generell eine Präferenz für das eine oder andere Produkt festgestellt werden. Die Entscheidung hängt vielmehr von der Risikoorientierung und den Renditezielen des jeweiligen Investors ab.

Individuelle Stärken charakteristisch

In den letzten Jahren ist in einigen Punkten eine Annäherung zwischen Pfandbriefen und MBS zu beobachten. So haben die Ratingagenturen in den vergangenen Jahren die Bewertung der Pfandbriefdeckungsmassen in den Vordergrund ihrer Analysen gestellt und wenden dabei verstärkt Methoden aus der MBS-Welt an. Daraus den Schluss zu ziehen, dass Pfandbriefe und MBS auf Dauer gesehen verschmelzen würden, wäre jedoch fehlerhaft. Es ist vielmehr so, dass sich MBS und Pfandbriefe aus Emittenten- und Investorensicht ergänzen und dort zum Zuge kommen, wo sie den größeren Vorteil versprechen. Bei genauerer Betrachtung treffen somit die eingangs aufgeworfenen Behauptungen nicht zu.

Gerade die spezifischen Stärken der Produkte sprechen dagegen, die Annäherung der Produkte zu weit zu treiben. Denn dies hieße, ihre Vorteile einzuebnen und - aus Sicht des Pfandbriefs - die am Markt erworbene Reputation und Marktstellung zu riskieren.

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