Aufsätze

Private Bargeldver- und -entsorgung im Umbruch

Die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V. (BDGW) wurde 1989 gegründet und ist der einzige Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband dieser Industrie. Als solcher vertritt sie die Interessen von 44 ordentlichen sowie 33 außerordentlichen Mitgliedsunternehmen unter anderem gegenüber deutschen Bundes- und Länderministerien, Behörden, der Deutschen Bundesbank, sonstigen Verbänden insbesondere dem Handelsverband Deutschland (HDE), dem Zentralen Kreditausschuss (ZKA) sowie auch gegenüber den europäischen Behörden und Gremien. Branchenweit sind in den vornehmlich mittelständisch geprägten Unternehmen zirka 10000 Mitarbeiter beschäftigt. Davon sind zwei Drittel im Bereich Geld- und Werttransport sowie ein Drittel in der Geldbearbeitung tätig. Der Branchenumsatz lag 2010 bei 500 Millionen Euro.

Keine Datenschutzprobleme

Die Bedeutung der Branche für einen funktionierenden Bargeldkreislauf wird insbesondere auch durch die Bundesbank-Bargeldstudie 2009 ersichtlich. Aus der Studie geht hervor, dass Bargeld nach wie vor das wichtigste Zahlungsmittel in Deutschland ist. Zirka 80 Prozent aller Transaktionen werden bar abgewickelt. Dabei beträgt das Volumen 60 Prozent. Obwohl dieser Anteil in den nächsten Jahren leicht sinken soll, wird es in Deutschland im europäischen Vergleich keine gravierenden Änderungen geben.

Bargeld ist für den Handel das billigste Zahlungsmittel. Die Kosten für Kartenzahlungen liegen nach Berechnungen des EHI Retail Institute bei 0,3 Prozent vom Umsatz. Dieselbe Quelle weist Kosten für Bargeldhandling zwischen 0,08 bis 0,2 Prozent aus. Dabei sind Schäden aus dem Kreditkartenbetrug nicht enthalten.

Diese sollen sich nach Angaben von Vertretern der Europäischen Kommission und anderer professioneller Bargeldakteure, wie dem europäischen Handelsverband Eurocommerce, europaweit auf jährlich zirka eine Milliarde Euro belaufen. Und, bei Bargeld gibt es keine Datenschutzprobleme, wie diese beim Skandal um das Kar-ten-Abwicklungsunternehmen Easypay erneut deutlich wurden.

Elementare Änderungen in der Geldbearbeitung

Die Geld- und Wertdienstleister in Deutschland müssen 2011 viele und elementare Änderungen umsetzen. Bereits der Start ins neue Geschäftsjahr führte bei der Bargeldver- und -entsorgung zu Herausforderungen. Durch die Einführung des sortenreinen Normcontainers der Deutschen Bundesbank zum 1. Januar wurde ein erster Schritt zur Umsetzung nationaler Vorgaben getan.

Hinzu kommen Entwicklungen seitens der Europäischen Zentralbank und die weitere Umsetzung der Strategie der Deutschen Bundesbank, sich auf den Spitzenausgleich bei der Bargeldver- und -entsorgung zu konzentrieren. Ferner wird sich die Bundesbank bis 2015 aufgrund weiterer Filialschließungen auf bundesweit 35 Filialen in der Fläche beschränken.

Diese Veränderungen eröffnen privaten Bargeldakteuren - vor allem den BDGW-Mitgliedsunternehmen - künftig eine aktivere Rolle im Bargeldkreislauf einzunehmen. Die Umsetzung der European Payment Service Directive in nationales Recht als Zahlungsdienstaufsichtsgesetz (ZAG), Cash Recycling sowie die Regelungen für grenzüberschreitende Geldtransporte stellen die Geld- und Wertdienstleister dabei vor bislang nicht gekannte Aufgabenstellungen.

Kontrolle gut - Wissen hilfreich - Vertrauen wünschenswert

Mit Blick auf eine "aktivere Rolle im Bargeldkreislauf privater Geld- und Wertdienstleister" ist die Diskussion von bemerkenswerten Verhaltensweisen unterschiedlicher Bargeldakteure geprägt. Dabei widerstreitet unberechtigterweise fehlendes Vertrauen in die Geld- und Wertdienstleistungsbranche mit der Einsicht in die Leistungsfähigkeit und der Notwendigkeit einer "friedlichen Koexistenz". Die generelle Bereitschaft zu gemeinsamer konzeptioneller Arbeit bleibt dabei leider auf der Strecke. Wasch mich, aber mach mich nicht nass, könnte man dem einen oder anderen Diskussionsteilnehmer unterstellen.

Ein Blick auf die Fakten zeigt die Bedeutung privater Geld- und Wertdienstleister im deutschen Bargeldkreislauf und ihre volkswirtschaftliche Dimension. Nahezu täglich sorgen bundesweit 2 500 gepanzerte Spezialgeldtransportfahrzeuge mit dem Transport von rund drei Milliarden Euro für eine reibungslose Bargeldver- und -entsorgung. Das transportierte Geld wird in den Cash-Centern der Dienstleister bearbeitet sowie auf Echtheit geprüft. Dabei ist die logistische Leistungsfähigkeit voll anerkannt. Vertrauensbildend kommt hinzu, dass deutsche private Geld- und Wertdienstleistungen zu den sichersten in Europa zählen. Ferner leisten sie schon heute mit über 60 Prozent Anhaltquote einen wesentlichen Beitrag bei der Falschgelderkennung im nationalen Bargeldkreislauf. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2009 bekräftigt die Sicherheit der Spezialgeldtransporte (Abbildungen 1 und 2). Bei täglich 2 500 Fahrzeugen auf deutschen Straßen und jährlich geschätzten 20 Millionen Transportvorgängen kam es 2009 zu lediglich zwei Angriffen. Damit unterschreitet die PKS das Vorjahresergebnis um 50 Prozent, setzt ihren Trend fort und erreicht den niedrigsten Stand in Deutschland seit Aufzeichnungsbeginn. Im europäischen Vergleich sind Geld- und Wertdienstleistungen in Deutschland damit europaweit die sichersten. In Großbritannien kam es im selben Zeitraum zu über 1 000 Angriffen und in Frankreich zu knapp 80. Die gemeinsamen Anstrengungen der BDGW und ihrer Mitglieder, der Berufsgenossenschaften, der Sachversicherer und Kundenverbände können daher sowohl als vertrauensbildend als auch enorm erfolgreich bewertet werden.

Konsequenzen aus einem einzigartigen Schadenfall

Auch aus diesen Gründen steht die Leistungsfähigkeit der Branche nicht zur Disposition und Vertrauen könnte begründet sein. Hinzu kommen Ereignisse von besonderer volkswirtschaftlicher Tragweite, wie die Euro-Einführung 2001 und der höchst flexible Einsatz deutscher Geld- und Wertdienstleister bei der Bargeldversorgung aller Bargeldakteure - insbesondere der Kreditinstitute, Sparkassen und Banken auf dem Hochpunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Die gezeigten Leistungen unterstreichen einmal mehr die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Branche sowie ihre Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft.

Kontrollierte man daher häufiger die Realitäten und setzte Schadensereignisse in Relation zum Leistungsumfang sowie zur Aufklärungsquote und den Ersatzleistungen, könnte man mit ungerechtfertigten, aber "liebgewordenen" Vorurteilen aufräumen beziehungsweise brechen. So oder ähnlich könnte ein Zwischenfazit an dieser Stelle lauten. Doch kann dem kritischen Betrachter der Branche ein solch einfaches Fazit natürlich nicht reichen.

Vor dem Hintergrund eines in der deutschen Nachkriegszeit außergewöhnlichen und einzigartigen Schadenfalls mit enormer krimineller Energie hat sich die Branche über ihren Verband mit dem BDGW-Sicherheitsstandard zur Selbstregulierung verpflichtet - externe oder gar gesetzgeberische Impulse waren dafür nicht notwendig.

BDGW-Sicherheitsstandard

Bezüglich des Umgangs mit Kundengeldern haben die Mitglieder der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V. (BDGW) seit 2007 den mittlerweile kundenseitig als Gütesiegel anerkannten BDGW-Sicherheitsstandard entwickelt und in ihrer Satzung verankert. Das Herzstück dabei sind die BDGW-Sicherheitsvorschriften. Sie berücksichtigen die Vorgaben des Gesetzgebers, der Versicherer und der Berufsgenossenschaften. Für den Geld- und Wertbereich haben sie Normcharakter und gelten auch als Standards in der DIN 77200. Ferner sind sie für die BDGW-Mitglieder und Subunternehmer verbindlich. Sie erstrecken sich auf alle Bereiche, die zum Betrieb und zur Durchführung der angebotenen Dienstleistungen gehören. Seit 2007 müssen alle BDGW-Mitgliedsunternehmen jährlich und ge-gebenenfalls standortübergreifend zwei Sicherheits-Checks durchlaufen.

Der Sicherheits-Check 1 befasst sich mit baulich-technischen und personellen Anforderungen sowie der ordnungsgemäßen Durchführung von Geld- und Werttransporten. Überprüfungsschwerpunkte fangen bereits bei der Einstellungsvoraussetzung für das Personal an. Außerdem müssen die Mitgliedsunternehmen sicherstellen, dass die Mitarbeiter mindestens zweimal jährlich an Schulungen teilnehmen - zu Themen wie allgemeine Sicherheit, Veränderung krimineller Praktiken, Notwehr, Nothilfe sowie theoretischer und praktischer Waffenunterricht. Der Sicher-heits-Check 2 erfasst die Ordnungsmäßigkeit aller buchhalterischen Abläufe. Dies schließt Revisionen des Unternehmens und Überprüfungen durch externe Wirtschaftsprüfer beziehungsweise Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder vereidigte Buchprüfer gemäß Paragrafen 319ff. HGB ein.

Geeignete Versicherung vorgeschrieben

Darüber hinaus sind die BDGW-Mitgliedsunternehmen verpflichtet, eine für ihre Prozessabläufe geeignete und ausreichende Versicherung vorzuhalten. Diese ist der BDGW jährlich mit einem entsprechenden Nachweis über das Bestehen einer aktuellen Versicherung für den Geld- und Wertdienst unter Angaben der Vertragslaufzeit des Versicherungsvertrages vorzulegen. Ferner wird der BDGW-Sicherheitsstandard kontinuierlich verbessert beziehungsweise verschärft. Letztmalig auf der BDGW-Jahresmitgliederversammlung im November 2010. Auch durch den Einsatz und die Nutzung neuer Medien haben sich für Dienstleister und Kunden neue Kontrollmöglichkeiten ergeben.

Dennoch kann nichts und niemand 100-prozentige Sicherheit garantieren; insbesondere dann nicht, wenn hohe kriminelle Energie bei Auftraggeber und Auftragnehmer vorherrschen. Exemplarisch für die Nachhaltigkeit des Vertrauensschadens in die Branche ist das hoch kriminelle und ruinöse Marktverhalten von Heros (2006) zu nennen. Obwohl das Unternehmen niemals Mitglied der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste war, strahlt das verbrecherische Treiben der Geschäftsführung und ihrer Mitwisser auf die vornehmlich mittelständischen Unternehmen der Branche.

Dabei wurden und werden zwei Dinge häufig außer Acht gelassen. Zum einen wird die Beteiligung seitens der Auftraggeber an den kriminellen Machenschaften in der Öffentlichkeit nicht adäquat widergespiegelt. Zum anderen wird gerne vergessen, dass es mittelständische Unternehmen waren, die verzugs- und vorbehaltlos Aufgaben und Aufträge von geschädigten Kunden übernommen haben; die sie nicht selten zuvor aus preistaktischen Erwägungen eben jenes Kunden an Heros verloren hatten. Die "Geiz ist Geil"-Mentalität war beziehungsweise ist bei ganzheitlicher Betrachtung der völlig falsche Ansatz. Und ob der Ruf nach mehr gesetzlicher Kontrolle zielführend ist, darf bezweifelt werden.

ZAG - gesetzliche Kontrolle?

Europaweite Vorgaben wirken sich aus und stellen Teile der Tätigkeiten der deutschen Geld- und Wertdienstleister unter eine Genehmigungspflicht. In diesem Zusammenhang ist die Umsetzung der European Payment Service Directive in nationales Recht zu sehen. Seit November 2009 gilt in Deutschland das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG). Dieses Gesetz stellt viele Tätigkeiten der BDGW-Mitgliedsunternehmen unter staatliche Aufsicht.

Insbesondere Unternehmen, die künftig Cash Recycling durchführen wollen, sind betroffen. Sie müssen eine Zulassung als Zahlungsinstitut durch das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nachweisen. Allerdings gestaltet sich die Bearbeitung vorliegender Anträge von Mitgliedsunternehmen durch die BaFin bisher sehr unbefriedigend. Drei Mitgliedsunternehmen haben eine ZAG-Zulassung beantragt. Die Erteilung der Genehmigungen nach diesem Gesetz werden aber wahrscheinlich aufgrund der hohen, schwer nachvollziehbaren und wirtschaftlich kaum darstellbaren Auflagen nicht kurzfristig zu erwarten sein. Doch eines steht fest, die Zeit läuft ab!

Die Bundesbank wird am 1. Mai 2011 alle Münzgeld- und Sammel-Treuhandkonten der Geld- und Wertdienstleister schließen. Es sei denn, die Unternehmen verfügen bis zu diesem Zeitpunkt über eine ZAG-Zulassung. Andernfalls bleiben nur Kooperationsmodelle mit Kreditinstituten, Sparkassen oder Banken für Geschäftsmodelle übrig. Da sich abzeichnet, dass die BaFin zurzeit keinen der vorliegenden Anträge auf ZAG-Zulassung für genehmigungsfähig hält, haben Geld- und Wertdienstleister bereits unterschiedlichste Kooperationsmodelle entwickelt. Glücklicherweise agieren Kreditinstitute, Sparkassen und Banken seit geraumer Zeit gemeinsam mit der Branche. Daher sind sowohl die Münzgeldversorgung - bis hin zu individuellen Stückelungen - als auch Cash Recycling künftig möglich und sichergestellt.

ZAG-Zulassung - Kooperationsmodelle

Die künftige Bargeldver- und -entsorgung wird demnach zunächst auf partnerschaftlichen Modellen nach Kreditwesengesetz (KWG) basieren. Die Geldströme der Kunden werden über Partnerbankkonten bei der Bundesbank geführt, während die Geld- und Wertdienstleister Transport sowie Geldbearbeitung im Kundenauftrag durchführen. In diesem Zusammenhang können sich auch neue Gesellschaftsformen zwischen Kreditinstituten, Banken oder Sparkassen mit Geld- und Wertdienstleistern entwickeln. Allen anderen Marktteilnehmern bleiben genehmigungsfreie Tätigkeiten und im Schwerpunkt der Transport von Geldern vorbehalten.

Grundsätzlich ermöglichen daher ZAG und andere Entwicklungen im Bereich der Bargeldver- und -entsorgung strukturelle Veränderungen der Logistikkette. Da sich Bargeld aber weiterhin großer Beliebtheit bei den Konsumenten erfreut, werden durch die geschilderten Entwicklungen Geld- und Wertdienstleister für den bundesdeutschen Bargeldkreislauf noch wichtiger. Daher wird sich die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste im Auftrag und Interesse ihrer Mitgliedsunternehmen weiterhin für bestmögliche Sicherheit in der Bargeldver- und -entsorgung sowie die Nachvollziehbarkeit der Geldströme intensiv bei und mit den Kundenverbänden und Behörden einsetzen.

Allerdings müssen sich die Kunden darauf einstellen, dass die qualitativ hochwertige Dienstleistung rund um die Bargeldver- und -entsorgung in Zukunft teurer wird. Dem kann allerdings durch gemeinsame Projekte von Marktbeteiligten zur Hebung von Effizienzpotenzialen entgegengewirkt werden. Man muss es nur tun.

Michael Mewes , Vorsitzender , Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. (BDGW), Berlin
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