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Qualität und Bewertung als Bestimmungsfaktoren langfristiger Aktienerträge

Als sich die Weltwirtschaft in den vergangenen zwei Jahren erholte, entwickelten sich spekulative Aktien meist besser als Qualitätstitel. Einige Investoren bezweifelten daraufhin, dass sich Qualität auf Dauer auszahlt. Am Beispiel der USA lässt sich zeigen, dass diese Entwicklung aber eine Ausnahme ist und sich Qualität langfristig durchsetzt. Ein noch wichtigerer Faktor für die Aktienkursentwicklung ist allerdings die Bewertung.

Vergleichende Investmentstudie

Um die Zusammenhänge zwischen Qualität, Bewertung und Performance zu analysieren, betrachtete MFS Investment Management Quartalsdaten für die 1 000 nach Marktkapitalisierung größten US-Unternehmen der Jahre 1975 bis 2010.1) Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse auch für internationale Anlagen gelten, wurde für die Jahre 1989 bis 2010 ein vergleichbares Universum aus nicht-amerikanischen Large Caps untersucht.

Qualität und Bewertung lassen sich an unterschiedlichen Kriterien festmachen. Für diese Studie wurden die Dreijahresdurchschnitte von drei Qualitätsmaßen - der Eigenkapitalrentabilität, ihrer Volatilität und der Anlagedeckungsgrad (assets to equity) - standardisiert und zu einer einzigen Kennziffer zusammengefasst (sogenannter "Z-score"). Die Bewertung wurde anhand der gleitenden Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) gemessen. Die 20 Prozent der Unternehmen mit den höchsten Qualitätskennziffern eines Quartals werden als "Qualitätsunternehmen" bezeichnet, die 40 Prozent der Unternehmen mit den niedrigsten KGVs als "günstig bewertete Unternehmen".2) Nach den Ergebnissen hätten Anleger durch Investitionen ausschließlich in Qualitätsunternehmen von Januar 1975 bis Dezember 2010 einen kumulierten Mehrertrag von 11,5 Prozentpunkten (etwa 35 Basispunkte per annum) gegenüber dem Gesamtuniversum erzielt.

Stetiger Mehrertrag durch Qualität und günstige Bewertung

Noch wesentlich höher wäre der Mehrertrag allerdings ausgefallen, wenn man statt auf Qualität auf günstige Bewertungen gesetzt hätte: Die Aktien mit den niedrigsten KGVs erzielten einen kumulierten Mehrertrag von fast 360 Prozentpunkten (etwa 490 Basispunkte per annum, Abbildung 1). Den mit Abstand größten Mehrertrag verbuchten Titel, die beides waren: von hoher Qualität und günstig bewertet. Ihr kumulierter Mehrertrag betrug fast 560 Prozentpunkte (Abbildung 1) - das sind 610 Basispunkte per annum.

Beeindruckend sind auch die gleitenden Fünfjahresmehrerträge günstig bewerteter Qualitätstitel: In 94 Prozent der Fünfjahreszeiträume ließen sie den Gesamtmarkt hinter sich. Betrachtet man gleitende Zehnjahreserträge, steigt die Quote sogar auf 97 Prozent. Dabei fällt auf, dass die Mehrerträge in schwachen Marktphasen deutlich höher waren als in guten. Vermutlich liegt dies an den niedrigeren Risiken solcher Titel. Qualitätsunternehmen sind in der Regel weniger hoch verschuldet und erzielen stetigere, höhere Gewinne - und sie sind günstiger bewertet.

Bedeutung des Sektors

Kommt es auf den Sektor an? In den Sektoren Finanzen, Versorger und Kommunikation waren günstig bewertete Qualitätsaktien seltener anzutreffen. Ein Grund könnten die in diesen drei Branchen oft hohen Fremdkapitalquoten sein, die aufgrund der Qualitätskriterien zu einer Abwertung führten. Hinzu kommt, dass viele Versorger und Kommunikationsunternehmen eher ertragsschwach sind. Keinen signifikanten Zusammenhang gab es hingegen zwischen Marktkapitalisierung und Qualität beziehungsweise Bewertung.

Am häufigsten fanden sich unter den Qualitätsaktien die Unternehmen Genuine Parts, Coca-Cola, W.W. Grainger, Medtronic, Merck, Johnson & Johnson sowie Wal Mart - also in aller Regel Firmen, die auch nach Maßstäben des eigenen Investmentprozesses als qualitativ hochwertig eingeschätzt würden.

Die Studie zeigt zudem, dass Qualitätsunternehmen dies in der Regel auch bleiben. Selbst in sehr konjunktursensitiven oder aus anderen Gründen problematischen Branchen brechen die Gewinne in der Regel nicht so schnell ein, wie viele Marktbeobachter glauben. Dies bestätigen auch die Investmenterfahrungen von MFS Investment Management, wonach es viele international führende Unternehmen gibt, die seit Jahren kontinuierlich überdurchschnittliche Erträge erzielen. Im Durchschnitt verließ fast die Hälfte der Unternehmen aus dem obersten Qualitätsfünftel (Quintil) dies innerhalb von drei Jahren nicht; durchschnittlich zwei Drittel der Unternehmen aus dem obersten Quintil zählten drei Jahre später noch zu den besten 40 Prozent (Abbildung 2).

Das Gegenteil gilt aber auch: Nur wenigen Unternehmen gelang es, ihre Qualität signifikant zu verbessern. Optimistische Anleger, die eine Wende zum Besseren erwarten, werden deshalb oft enttäuscht. Über der Hälfte der Unternehmen aus dem untersten Fünftel gelang es nicht, sich innerhalb von drei Jahren zu den besten 60 Prozent hochzuarbeiten.

Nachhaltige Ergebnisse mit bewährten Qualitätsaktien

Erfolgreiche Unternehmen bleiben erfolgreich. Daher zahlt es sich aus, sie zu identifizieren und in sie zu investieren, wenn ihr Kurs günstig ist. Es lohnt sich hingegen nicht, nach den wenigen Turnaround-Storys Ausschau zu halten, bei denen ein drittklassiges Unternehmen plötzlich erstklassig wird. Den wenigen erfolgreichen Firmen stehen weitaus mehr gegenüber, die scheitern.

In der Studie wurde aus einem Universum von 1 000 amerikanischen Aktien und einem Zeitraum von über 35 Jahren gezeigt, dass "hohe Qualität bei günstigen Bewertungen" nachhaltig ist: Mit Qualitätsunternehmen verdienen Anleger in der Regel mehr als mit dem Gesamtmarkt. Allerdings sollte man nicht nur auf die Qualität, sondern auch auf die Bewertung achten - denn sie ist ein noch wichtigerer Faktor für die langfristige Performance. Am sinnvollsten ist es daher, auf beides gleichzeitig zu setzen.

Die überdurchschnittliche Wertentwicklung vieler eher spekulativer Aktien in den vergangenen beiden Jahren dürfte hingegen den besonderen Umständen geschuldet sein. Als sich mit dem Ende der Finanzmarktkrise auch die Liquiditätssituation wieder verbesserte, profitierten davon vor allem finanzschwache Unternehmen. Aktien, die zuvor besonders stark eingebrochen waren, holten jetzt wieder auf. Es spricht also viel dafür, dass sich an der langfristigen Überlegenheit günstig bewerteter Qualitätsaktien nichts ändert. Je mehr sich die Weltwirtschaft normalisiert, desto mehr gelten auch wieder diese Zusammenhänge.

Fußnoten:

1) Die Entscheidung für die USA fiel vor allem aufgrund der im Vergleich zu Europa besseren Datenqualität und der längeren Datenhistorie. Für ein ergänzend untersuchtes Universum nicht-amerikanischer Aktien (mit Daten ab 1989) waren die Ergebnisse aber ähnlich.

2) Bei einer Beschränkung auf 20 Prozent, wie bei einem Deep-Value-Ansatz, wäre für einige Analysen die Datenbasis nicht mehr ausreichend groß gewesen.

Lars Detlefs , Senior Managing Director, Head of Institutional Sales – EMEA , MFS Investment Management, Frankfurt am Main
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