Gespräch des Tages

Rechnungslegung - Moxter hatte Recht!

Prof. Dr. Jürgen Singer, Universität Leipzig, schreibt der Redaktion: "Am 2. Dezember 1999 wurde dem Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Adolf Moxter die Ehrendoktorwürde der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig verliehen. In seinem Vortrag , Rechnungslegungskonzeptionen im Widerstreit' wies er auf die Gefahrenpotenziale der , modernen' Konzeptionen US-Gaap und IAS (heute IFRS) hin und warnte vor deren Schwächen (in: Rechnungslegungskonzeptionen im Widerstreit - Beiträge zu den Wirtschaftswissenschaften Leipzig 2000, Seite 61 ff). Seiner damals geäußerten Meinung zufolge erfüllt nur das HGB die , grundverschiedenen Schutzfunktionen': Die internationalen beziehungsweise US-amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätze hingegen , drängen Objektivierungsprinzipien bei der Gewinnermittlung sehr stark zurück, was für die Konkretisierung von Gewinnansprüchen eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge hätte'. Die Kodifizierung durch das HGB, die jahrzehntelange höchstrichterliche Rechtsprechung schuf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, so Adolf Moxter und wies explizit auf die Vorteile des HGB durch die Kodifizierung hin, im Gegensatz zu den obskuren Veränderungen von US-Gaap und IAS durch Gremien (beispielsweise IASB und FASB).

In der derzeitigen Kreditkrise offenbaren sich die besorgniserweckenden Schwachpunkte von US-Gaap und IFRS. Diese wesensimmanenten konzeptionellen Schwächen verstärken sogar noch die fatalen Wirkungen der Subprime-Kredite. Selbst US- Unternehmen beklagen inzwischen die desaströsen Auswirkungen des früher euphorisch gepriesenen Fair-Value-Ansatzes: Die Bewertung Mark-to-Market erzwingt hohe Wertberichtigungen von derzeit nicht handelbaren Anleihen, selbst wenn bei den in diesen Anleihen verbrieften Krediten und Leasingforderungen noch kaum nennenswerte Zahlungsrückstände zu konstatieren sind. Der Markt richtet eben nicht alles, manchmal richtet er viel Unheil an. Das hat sogar Josef Ackermann gelernt!

Leider irrt sich der Markt immer wieder mit den jetzt gravierenden Folgen. Die generösen Liquiditätszuweisungen durch die Zentralnotenbanken entschärfen nicht die Kreditklemme, da gleichzeitig unnötige und nicht gerechtfertigte Wertberichtigungen die Eigenkapitalbasis der Finanzinstitute erodieren. Auf die Marktwertbilanzierung zurückzuführende Zwangsverkäufe von Wertpapieren erzeugen echte Verluste, erhöhen damit den Druck auf diese Wertpapiere und verstärken die Krise. Für immer mehr Anlageklassen werden derzeit keine Marktpreise mehr gebildet. Dem HGB und den GoB wurde von den US-Gaap- und IAS-Fanatikern vorgeworfen, den Gewinnausweis durch bewusste Bildung stiller Reserven zu verfälschen. Die exzessiven Wertberichtigungen durch IFRS und US-Gaap bilden derzeit ebenfalls hohe stille Reserven, was den Protagonisten von US-Gaap und IFRS leider nicht aufgefallen ist. Deren Denkfehler bezahlt letztlich der Steuerzahler mit Geldentwertung, wenn Zentralnotenbanken mit ihrer Liquiditätshilfe die Basis für Inflation schaffen, und mit seinen Steuern. Beruhigt sich der Markt, dann werden diese Reserven wieder aufgelöst. Unter periodengerechter Gewinnermittlung sollte man sich etwas anderes vorstellen!

Die angelsächsischen Rechnungslegungen US-Gaap und IFRS beweisen bei illiquiden Finanzmärkten ihre Unzulänglichkeit. Jetzt, in der angespannten Finanzkrise, werden fieberhaft Auswege gesucht, die in der Umgehung des Fair Value und der Mark-to-Market-Bewertung illiquider Wertpapiere liegen. Rasche Auswege aus der Falle lassen sich angesichts der langen Abstimmungs- und Entscheidungswege der , Standardsetter' nicht erwarten.

Ein kleiner Hinweis: Versicherungen erwarben in der Vergangenheit gerne Namenspfandbriefe, da diese Papiere nicht börsennotiert waren und Vorteile gegenüber Inhaberpapieren aufwiesen. Stieg das Zinsniveau, dann sank der Börsenkurs der Inhaberpapiere, gleichzeitig erhöhte sich das Wertberichtigungserfordernis. Ein oft gewählter Ausweg: Umbuchung in das Anlagevermögen oder Präferierung von Namenspfandbriefen von vornherein. Der beste Ausweg aus der Krise kann nur darin liegen, ähnlich vorzugehen: Entscheidend für die Wertberichtigung etwa von ABS, CDO's, MBS sollten die Werthaltigkeit der verbrieften Kredite sein, nicht aber die Kursbildung auf dem verrückt spielenden Markt. Auch die Varianten Mark-to-Model und Mark-to-Matrix sind derzeit keine Alternativen, da die mathematischen Modelle nicht verlässlich genug sind und es für die modernen Wertpapiere zu wenig historische Daten oder Vergleichswerte gibt.

Die von Moxter frühzeitig erkannten Schwächen sind von der jetzigen Kreditkrise eindeutig offenbart worden. Die modernen Rechnungslegungsgrundsätze sind eine Gefahr durch die Globalisierung und entwickelten sich zum systemischen Risiko. Das internationale Finanzsystem leidet unter der Wertberichtigungsknute."

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