Aufsätze

Regulatorische Änderungen zum Handelsbuch: Anforderungen an interne Marktrisikomodellierung steigen

Mit dem Anfang Mai dieses Jahres veröffentlichten Konsultationspapier "Fundamental review of the trading book" hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht eine umfassende Überarbeitung der Handelsbuchregelungen vorgelegt.1) Damit soll bisherigen Schwächen des Designs im Allgemeinen sowie der Risikomessung im Speziellen begegnet werden. Als übergeordnete Ziele der Überarbeitung ist zum einen die Schaffung eines holistischeren Ansatzes zur Kategorisierung und Unterlegung von Marktrisiken zu nennen. Methodik sowie Anforderungen für den Standardansatz und die interne Marktrisikomodellierung sollen dabei harmonisiert werden. Zudem soll eine objektivierte Abgrenzung zwischen Handels- und Anlagebuch erfolgen, um regulatorische Arbitrage einzuschränken. Schließlich verfolgt die Überarbeitung das Ziel, Schwächen in der bisherigen Risikomessung sowie der Erfassung von Liquiditäts- und Kontrahenten risiken zu beseitigen. Das Papier ergänzt damit die als erste Reaktion auf die globale Finanzkrise im Rahmen von Basel 2.5 beziehungsweise CRD III eingeführten Veränderungen zum Handelsbuch.2)

Zur Erreichung der genannten Ziele enthält das Konsultationspapier eine Reihe weitreichender Änderungen der bisherigen Handelsbuchregelungen, die eine deutliche Erhöhung der Komplexität des Standardansatzes wie auch der internen Marktrisikomodellierung zur Folge hätten. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die vom Baseler Ausschuss vorgeschlagenen wesentlichen Änderungen in Bezug auf die interne Modellierung. Bei Bewertung der Vorschläge ist zu berücksichtigen, dass diese als Diskus sionsgrundlage gedacht sind und in vielen Bereichen noch zu konkretisieren sind. Kommentare der Marktteilnehmer zum vorliegenden Konsultationspapier werden bis zum 7. September 2012 erwartet. Nach anschließender Überarbeitung durch den Ausschuss sollen detaillierte Vorschläge veröffentlicht und einer Auswirkungsstudie unterzogen werden, wobei für die weiteren Schritte nach der Konsultationsphase noch kein konkreter Zeitplan genannt worden ist.

Abnahme und Validierung interner Marktrisikomodelle

Der Baseler Ausschuss plant, die Zulassung interner Marktrisikomodelle durch die Aufsichten grundsätzlich zu verändern: Neben einer Modellabnahme nach qualitativen und quantitativen Kriterien auf Ebene des gesamten Handelsbuchs soll in einem zweiten Schritt eine quantitative Modellüberprüfung auf Ebene einzelner Handelstische erfolgen (siehe Abbildung 1). Damit soll es möglich sein, sowohl die Verwendung des internen Risikomodells insgesamt wie auch selektiv die interne Modellierung für einzelne Handelstische zu untersagen. Das Institut wäre für die nicht zugelassenen Handelstische zur Anwendung des Standardansatzes gezwungen. Konstituierend für das interne Marktrisikomodell ist damit die organisatorische Abbildung der Handelstische eines Instituts, die auf Basis objektiver Kriterien abzugrenzen und zu dokumentieren sind. Der Ausschuss nennt dabei Indikatoren für die aufsichtsrechtliche Zusammenfassung unterschiedlicher Handelsaktivitäten zu einem Handelstisch.

Die Performance des internen Modells auf Ebene der Handelstische soll durch zwei separate Prüfungen nachgewiesen werden. Zum einen sollen vom Ausschuss noch zu detaillierende Backtesting-Analysen durchgeführt werden. In Ergänzung zur bisherigen Vorgehensweise wird dabei unter anderem erwägt, neben der Anzahl auch das Ausmaß der Ausreißer zu berücksichtigen. Zum anderen nennt der Ausschuss die Durchführung von P&L-Attributionsanalysen (Profit and Loss), basierend auf der Differenz zwischen theoretischer (gemäß modellierten Risikofaktoren) und realisierter P&L. Der Vergleich soll zeigen, ob das interne Risikomodell die wesentlichen Treiber der tatsächlichen P&L abbildet. Die genannten Überprüfungen sollen nach erstmaliger Abnahme regelmäßig durch die Aufsichten erfolgen, wobei die Genehmigung der internen Modellierung auf Ebene einzelner Handelstische wie des gesamten Handelsbuchs widerrufen werden kann.

Bei erfolgter Zulassung eines Handelstischs zur internen Risikomodellierung sind die zu modellierenden Risikofaktoren festzulegen. Die Risikokapitalbestimmung mit internem Risikomodell soll dabei ausschließlich für solche Risikofaktoren erlaubt sein, die bestimmten Anforderungen wie ausrei-chende und zeitnahe Verfügbarkeit historischer Daten genügen. Für nicht modellierbare Risikofaktoren sind separate Aufschläge auf Basis von Stressszenarien zu berücksichtigen, die zur Kapitalanforderung gemäß modellierbarer Risikofaktoren addiert werden.

Mit der vorgeschlagenen Modellabnahme und -validierung auf Ebene der Handelstische würden sich durch die erhöhte Granularität die Komplexität und der Aufwand gegenüber der derzeitigen Vorgehensweise auf Ebene des gesamten Handelsbuchs erheblich erhöhen. Da sich Fehler auf der Ebene einer Teilmenge des Handelsbuchs nun nicht mehr im gesamten Handelsbuch ausgleichen, müssten höhere Anforderungen an die Modellierung auf Handelstischebene gestellt werden respektive eine konservativere Vorgehensweise zur Erfüllung der Backtesting-Anforderungen gewählt werden. Ceteris paribus ist daher mit einer Erhöhung der Kapitalunterlegung zu rechnen. Zudem wird die Organisationsstruktur der Handelstische künftig das Risikokapital beeinflussen.

Expected Shortfall statt Value-at-Risk

Neue Wege schlägt der Ausschuss in der Risikomessung ein: So ist vorgesehen, den bisher als Industriestandard verwendeten Value-at-Risk (VaR) durch den Expected Shortfall (ES) zu ersetzen. Der Ausschuss folgt damit der in der Literatur seit Jahren vertretenen Ansicht, dass der Expected Shortfall dem Value-at-Risk als Risikomaß methodisch überlegen ist.

Verbal lässt sich der Expected Shortfall umschreiben als der erwartete Verlust für den Fall, dass der Value-at-Risk überschritten wird. Formal gilt für den Expected Shortfall ESAlpha (L) der Verlustverteilung L einer Position oder eines Portfolios zum Konfidenzniveau (1- Alpha):

ESAlpha (L) = E[L|L > VaRAlpha],

wobei VaRAlpha den Value-at-Risk zum Konfidenziveau (1- Alpha) angibt. Bezeichne F die (stetige) Verteilungsfunktion des Verlusts L erhält man für den Expected Shortfall:

Formel

Der Expected Shortfall gibt den wahrscheinlichkeitsgewichteten Durchschnitt aller Verluste an, die den Valueat-Risk übertreffen. Während der Valueat-Risk lediglich auf den Verlust abstellt, der mit einer Wahrscheinlichkeit Alpha nicht überschritten wird, gibt der Expected Shortfall den erwarteten Verlust für jene Fälle einer Überschreitung wieder. Anders ausgedrückt, betrachtet der Valueat-Risk den kleinsten Verlust innerhalb der 100Alpha-Prozent schlech testen Szenarien, während der Expected Shortfall auf Verluste jenseits des Konfidenzniveaus abstellt und den erwarteten Verlust innerhalb der 100Alpha-Prozent schlechtesten Fälle angibt.

Durch einfache Umformung der Expected Shortfall Definition ergibt sich die Zerlegung
ESAlpha (L) = VaRAlpha + E[L - VaRAlpha |L > VaRAlpha].

Der Expected Shortfall setzt sich somit als Summe von Value-at-Risk und mittlerer Verlusthöhe jenseits des Konfidenzniveaus zusammen. Damit ist der Expected Shortfall ceteris paribus stets größer als der Value-at-Risk (siehe Abbildung 2).

Gegenüber dem Value-at-Risk ist der Expected Shortfall grundsätzlich als besseres Maß für das "Tail-Risiko" anzusehen, da auch Punkte der Verlustverteilung jenseits des Quantils und damit das Ausmaß extremer Verluste berücksichtigt werden. Aus methodischer Perspektive ist diese Kapitalunterlegung der bisherigen regulatorischen Vorgehensweise vorzuziehen, den berechneten Value-at-Risk mit einem pauschalen Faktor (derzeit mindestens Faktor 3, wobei Zuschläge in Abhängigkeit von der Performance des institutsspezifischen internen Modells erfolgen) zu multiplizieren.

Den methodischen Vorzügen - insbesondere bezüglich der Berücksichtigung des Tail-Risikos - stehen allerdings mitunter erhebliche Probleme bei der Kalibrierung und Überprüfung des Expected-Shortfall-Modells gegenüber. So erfordert die Berücksichtigung extremer Verluste jenseits des Konfidenzniveaus die Modellierung extrem seltener Ereignisse, womit gegenüber dem Value-at-Risk höhere Anforderungen an die Modellierung beziehungsweise die Verfügbarkeit entsprechender historischer Daten gestellt werden. Gleichzeitig werden das Backtesting und die Überprüfung der Modelle durch die Aufsichtsbehörden erschwert. Im Konsultationspapier wird daher diskutiert, ein Konfidenzniveau von unter 99 Prozent zu wählen, um den genannten Problemen der Modellkalibrierung und -überprüfung zu begegnen.

Wie sich die neue Form der Risikomessung in der Praxis auf die Kapitalunterlegung auswirken wird, ist zum aktuellen Stand noch nicht abzusehen. Auch wenn der Expected Shortfall wie gezeigt ceteris paribus stets größer ist als der Valueat-Risk, bleibt abzuwarten, wie eventuelle Multiplikatoren kalibriert werden beziehungsweise auf welche Höhe das Konfidenzniveau festgelegt wird. Die Kapitalanforderungen sollen erst im Rahmen der quantitativen Auswirkungsstudien kalibriert werden.

Modellkalibrierung auf Basis von Stressperioden

Die Kalibrierung der Modelle soll zukünftig generell anhand von Daten einer signifikanten Stressperiode erfolgen. Damit würde die mit Basel 2.5 gewählte Vorgehensweise ersetzt, den auf Basis der vergangenen "gewöhnlichen" Marktphase berechneten Value-at-Risk additiv mit einem zusätzlich zu berechnenden Stress-Valueat-Risk zu ergänzen. Dies ist aus theoretischer Sicht insofern zu befürworten, als die derzeitige Vorgehensweise zu einer Doppelerfassung von Risiken führen kann.

Der Ausschuss hat dabei erkannt, dass die Stresskalibrierung erhebliche Herausforderungen an die Identifikation der Stressperiode stellt. Die praktische Umsetzung, - unter Berücksichtigung aller Risikofaktoren - innerhalb eines längeren Zeitraums eine entsprechende Stressperiode zu finden, die den Expected Shortfall maximiert, ist mit erheblichem Rechenaufwand verbunden und erfordert mitunter signifikante Approximationen (etwa wenn Risikofaktoren des aktuellen Portfolios historisch nicht zu beobachten waren). Der Ausschuss schlägt daher eine Stresskalibrierung auf Basis einer reduzierten Anzahl von Risikofaktoren vor und präsentiert dazu zwei Methoden.

Mittels der direkten Methode würden die Institute den Expected Shortfall zum Konfidenzniveau (1- Alpha) für die nächsten f Handelstage bedingt der Ausprägungen aller Risikofaktoren der Stressperiode bestimmen:

ESAlpha, [to+f, to +1]| x [t*, t*-g+1]; 1, ..., n,

wobei x [t*, t*-g+ 1]; 1, ..., n eine (g x n)-Matrix aller n Risikofaktoren während der Stressperiode von g Handelstagen bis zum Tag t* ist. Während die Bestimmung des Expected Shortfall für die aktuelle Periode auf Basis aller n Risikofaktoren erfolgt, ist die Suche nach der historischen Stressperiode, die den Expected Shortfall maximiert, auf Basis einer Teilmenge von m wesentlichen Risikofaktoren (m < n) zulässig. Kriterien für die Auswahl der Teilmenge an Risikofaktoren werden allerdings nicht genannt.

Mit der als Alternative diskutierten indirekten Methode erfolgt die Identifikation der Stressperiode ebenfalls auf Basis eines reduzierten Sets von m Risikofaktoren. Die Berechnung des Expected Shortfall für den gesamten Horizont von f Handelstagen erfolgt dagegen, indem der zunächst mit der Teilmenge an Risikofaktoren berechnete Expected Shortfall auf die Berücksichtigung aller Faktoren skaliert wird. Als Skalierungsfaktor wird das Verhältnis von Expected Shortfall für den nächsten Handelstag auf Basis aller n Risikofaktoren und Expected Shortfall für den nächsten Handelstag auf Basis der Teilmenge an m Risikofaktoren verwendet (siehe Formel A):

Damit wäre die Berechnung des Expected Shortfall für längere Haltedauern (relevant für unterschiedliche Liquidationshorizonte) lediglich auf Basis einer Teilmenge an Risikofaktoren notwendig.

Grundsätzlich würde die Verwendung eines gestressten Expected Shortfall zu deutlich stabileren Kapitalanforderungen für einzelne Position führen, da die Kalibrierung nicht an sich kontinuierlich ändernde Daten anzupassen wäre. Die Vorgehensweise hätte zudem Auswirkungen auf die Banksteuerung, denn die Risikokapitalunterlegung würde vom aktuellen tatsächlichen (wahrgenommenen) Risiko entkoppelt und stets auf ein Worst-Case-Szenario abstellen.

Berücksichtigung von Migrations- und Ausfallrisiken

Unter Basel 2.5 werden Migrations- und Ausfallrisiken im Handelsbuch separat im Incremental Risk Capital (IRC) berücksichtigt. Der Ausschuss erwägt, diese Risiken in das Expected-Shortfall-Marktrisikomodell zu integrieren und als weitere "gewöhnliche" Risikofaktoren zu behandeln. Damit wäre dem Ziel eines holistischeren Ansatzes der Risikomessung Rechnung getragen.

Der Ausschuss ist sich allerdings der methodischen Schwierigkeiten bewusst, da diese Risiken im Gegensatz zu den sonstigen Marktrisikofaktoren diskrete Ereignisse mit geringen Wahrscheinlichkeiten darstellen. Insofern wird parallel eine separate Berücksichtigung - konzeptionell analog zur derzeitigen IRC-Modellierung - verfolgt, wobei das berechnete Risikokapital dann unter Beachtung von Diversifikationseffekten zur Kapitalanforderung zu addieren wäre.

Bei Risikoaggregation Beschränkung von Diversifikationseffekten

Auch wenn die Modellabnahme wie gezeigt zukünftig auf Ebene der Handelstische geplant ist, soll die Risikokapitalbestimmung weiterhin auf Basis von Risikoklassen (Zinsrisiko, Wechselkursrisiko et cetera) erfolgen. Der Ausschuss schlägt zwei Möglichkeiten der Konversion der Handelstischrisiken in Risikoklassen vor:

- Die Risiken jedes Handelstisches werden in ihre Risikofaktorkomponenten zerlegt und anschließend auf die Risikoklassen gemappt.

- Es werden den Handelstischen primäre Risikofaktoren zugeordnet und das Risikokapital auf Basis der Handelstischgruppierungen berechnet.

Grundsätzlich soll die Risikoaggregation unter Berücksichtigung konservativer Diversifikationseffekte erfolgen, da sich Korrelationen in Stressphasen empirisch als instabil erwiesen haben. Hedging und Diversifikation sollen nur noch in solchen Fällen berücksichtigt werden können, in denen die risikomindernden Effekte in Stressperioden tatsächlich aufrechterhalten werden können.

Dazu soll die aggregierte Risikokapitalermittlung innerhalb der Risikoklassen weiterhin vollständig auf Basis der abgenommenen internen Marktrisikomodelle ohne Restriktionen bezüglich der Korrelationen erfolgen, wobei die Angemessenheit der Korrelationen - insbesondere für Stressphasen - nachgewiesen werden muss. Ausnahme stellt die Aggregation von Ausfall- und Migrationsrisiken dar, wo eine Restriktion der Diversifikationseffekte durch die Aufsicht erfolgen soll. Zur Risikokapitalaggregation über die Risikoklassen ist dagegen eine aufsichtsrechtliche Vorgabe der Korrelationen und damit eine Begrenzung der Diversifikationseffekte vorgesehen. Das intern modellierte Risikokapital IMCC der Risikoklassen Ci soll gemäß der Vorschrift in Formel B aggregiert werden, wobei L für Long-Positionen gleich 1 und für Short-Positionen gleich - 1 ist. Der Korrelationskoeffizient pij zwischen Risikoklasse Ci und Cj wird von der Aufsicht vorgegeben und soll auf Basis einer Stressperiode kalibriert werden. Das auf diese Weise aggregierte Risikokapital soll zudem mit dem institutsweit intern modellierten Risikokapital IMCC(C) auf Basis intern ermittelter Korrelationen verglichen werden. Durch diese Berücksichtigung sollen Situ ationen vermieden werden, für welche die regulatorische Risikoaggregation nicht kon servativ genug gewählt wurde. Abbildung 3 fasst die vorgeschlagene Vorgehensweise zur Risikoaggregation zusammen.

Berücksichtigung der Marktliquidität

Weitreichende Neuerungen bei der Risikokapitalbestimmung sehen die Vorschläge des Ausschusses im Zusammenhang mit Liquiditätsrisiken vor (siehe Abbildung 4). Hintergrund ist die Feststellung, dass besonders in Stressperioden Positionen nicht beziehungsweise nur mit erheblichen Marktwertabschlägen innerhalb der derzeit implizit vorgesehenen Haltedauer von zehn Handelstagen geschlossen beziehungsweise gehedgt werden können. Die vom Baseler Ausschuss geäußerten Vorschläge zur Berücksichtigung von Liquiditätsrisiken sind insgesamt noch wenig konkretisiert und im Rahmen unterschiedlicher Optionen formuliert.

Als erste Maßnahme ist die Einführung von fünf Liquiditätshorizonten in der Länge von zehn Tagen (entspricht der bisherigen Haltedauer), einem Monat, drei Monaten, sechs Monaten sowie zwölf Monaten geplant. Die Zuordnung zu den Horizonten soll auf Basis einzelner Instrumente erfolgen, womit anschließend ein Mapping der Liquidität der Instrumente auf die für die Risikomessung relevanten Risikofaktoren erforderlich ist. Als Kriterien zur Feststellung der Liquidität werden beobachtbare quantitative Marktgrößen wie Bid-Ask-Spreads, Handelsvolumina beziehungsweise ausstehende Volumina der Instrumente genannt. Flankierend ist eine aufsichtsrechtliche Definition von Liquiditätsuntergrenzen auf Ebene von Assetklassen geplant.

Die Berechnung des Expected Shortfall soll dann liquiditätsspezifisch für die unterschiedlichen Zeithorizonte erfolgen. Um die Liquiditätshorizonte adäquat zu berücksichtigen, hat der Ausschuss drei Optionen vorgelegt:

- Die Risikofaktoren werden jeweils entsprechend der Horizonte aus historischen Daten beziehungsweise Simulationen modelliert. Bei Verwendung historischer Schocks wird dieses Vorgehen allerdings bei langen Horizonten (und unter Verwendung nicht überlappender Beobachtungen) mangels entsprechender Zeitreihen praktisch kaum möglich sein.

- Die Veränderungen der Risikofaktoren auf Tagesbasis werden mittels Square-Rootof-Time-Regel auf den entsprechenden Horizont skaliert. Wesentlicher Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass durch die Skalierung der Ein-Tages-Schocks unrealistisch hohe Veränderungen für längere Horizonte auftreten können. Alternativ wird überlegt, die Skalierung mit einem geringeren Multiplikator auf Basis mehrtägiger Veränderungen der Risikofaktoren vorzunehmen - etwa mittels einheitlichem Multiplikator und Anpassung der zu skalierenden Größe an die gewünschte Haltedauer.

- Der aggregierte Expected Shortfall für einen Tag wird mit einem gewichteten Liquiditätshorizont skaliert. Die Herausforderung bestände hier in der Ermittlung der Gewichte.

Als zweite Maßnahme soll zur Abdeckung potenzieller Sprünge in den Liquiditätsprämien zusätzliches Risikokapital in Form standardisierter Zuschläge hinterlegt werden. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass historische Verteilungen der Risikofaktoren - etwa bei neuen Instrumenten - Liquiditätsrisiken nicht ausreichend abbilden können. An die Berechnung entsprechender Zuschläge werden spezifische Kriterien gelegt, um eine Doppelzählung von Risiken zu vermeiden.

So nennt der Ausschuss eine im Verhältnis zu einer zu definierenden Benchmark deutlich geringere Volatilität sowie das Vorliegen von Instrumenten, die mit nicht beobachtbaren Faktoren bewertet werden. Darüber hinaus behält sich der Ausschuss vor, für konkrete Instrumente Zuschläge zu verlangen - etwa für neue Instrumente, deren Verhalten während einer Stressperiode noch nicht beobachtet werden konnte. Die Höhe des Zuschlags soll anhand von Stressperioden ähnlicher Instrumente kalibriert werden.

Schließlich erwägt der Ausschuss als dritte Maßnahme eine institutsindividuelle Verlängerung der Liquiditätshorizonte zur Abbildung "endogener Liquiditätsrisiken". Darunter werden Risiken verstanden, die aus einem großen beziehungsweise konzentrierten Exposure in Relation zum Marktvolumen entstehen, womit die Möglichkeit besteht, dass das Institut selbst durch Handel in der Position den Markt beeinflussen kann.

Die vorgeschlagenen Bestimmungen sind als weitreichend anzusehen und würden mit einem erheblichen Implementierungsaufwand - insbesondere auf Ebene der Stammdaten und Transaktionen - einhergehen, da jedem Instrument zukünftig ein Liquiditätshorizont zuzuordnen wäre. Die erforderliche Zuordnung wirft zudem Fragen nach der Objektivierbarkeit der Abgrenzungen auf. Auch die Vorschläge bezüglich zusätzlicher Kapitalanforderungen für Sprünge in Liquiditätsprämien sowie endogener Liquiditätsrisiken erhöhen die Komplexität. So wäre etwa nicht nur der Markt selber, sondern auch das Portfolio des Instituts im Vergleich zum Markt zu berücksichtigen. In jedem Fall würde die Liquidität der Instrumente für die Banksteuerung zukünftig eine deutlich größere Rolle spielen. Die Regelungen implizieren zudem ceteris paribus steigende Risikokapitalanforderungen - zum einen aufgrund der längeren Liquiditätshorizonte, zum anderen aufgrund der weiteren zusätzlich mit Kapital zu hinterlegenden Liquiditätsrisiken.

Parallele Anwendung des Standard ansatzes

Schließlich sehen die Vorschläge des Ausschusses vor, dass alle Institute, die interne Marktrisikomodelle verwenden, zusätzlich das sich auf Basis des Standardansatzes ergebende Risikokapital berechnen. Neben einer Reihe weiterer vom Ausschuss genannter Vorzüge soll damit ein Vergleich der intern ermittelten Kapitalanforderungen über Institute hinweg mit einer konsistenten Benchmark ermöglicht werden. Vor allem wäre auf diese Weise eine sofortige Rückfalloption für den Fall verfügbar, dass die interne Risikomodellierung als nicht (mehr) adäquat eingestuft wird. Die Aufsicht hätte damit eine glaubhafte Drohung, die Zulassung der internen Modelle zu widerrufen.

In jedem Fall ergibt sich aus dieser Maßnahme ein erheblicher zusätzlicher Aufwand. Institute, die sich für eine interne Modellierung entscheiden, hätten nicht nur höhere Belastungen aus deren Umsetzung (Modellvalidierung auf Ebene der Handelstische, Beachtung von Liquiditätshorizonten et cetera), sondern zusätzlich wäre eine vollständige zweite Kapitalunterlegung auf Basis des (ebenfalls an Komplexität zugenommenen) Standardansatzes zu berechnen.

Ferner wird als Sicherheitsmaßnahme gegen Modellrisiken und Messfehler der internen Modellierung diskutiert, eine Kapitaluntergrenze einzuführen. Diese könnte entweder auf einem bestimmten Prozentsatz (< 100 Prozent) des gemäß Standardansatz ermittelten Risikokapitals basieren oder durch einen Aufschlag auf das nach dem internen Modell ermittelten Kapital festgesetzt werden.

Höhere Kapitalanforderungen wahrscheinlich

Die wesentlichen Änderungen hinsichtlich der Abbildungen von Marktrisiken im Handelsbuch auf Basis interner Modelle sowie die zugehörigen Aufgaben der Aufsicht sind in Abbildung 5 zusammengefasst. Gemäß den Vorschlägen des Ausschusses sind unter dem Handelsbuch zukünftig drei Ebenen wesentlich. Zunächst ist für die Prüfung und Abnahme des internen Marktrisikomodells die Ebene der Handelstische zu analysieren, die in Abbildung 5 in Form einer exemplarischen Organisationsstruktur eines größeren Instituts abgebildet ist. Da runter folgt die Ebene der Risikoklassen und diesen zugeordneten Risikofaktoren (RF). Für Ausfall- und Migrationsrisiken ist es dabei derzeit noch offen, ob diese als weitere Risikofaktoren in das Modell integriert werden oder weiterhin separat abzubilden sind. Von der Aufsicht als nicht modellierbar eingestufte Risikofaktoren sind durch separate Aufschläge auf Basis von Stressszenarien zu berücksichtigen. Schließlich wird in Zukunft gegenüber der bisherigen Vorgehensweise zur Marktrisikomodellierung eine weitere Ebene in Form des Liquiditätshorizonts der Instrumente zu beachten sein. Zusätzlich erfolgen auf dieser Ebene Kapitalzuschläge für eventuelle Sprünge in Liquiditätsprämien sowie für endogene Liquiditätsrisiken.

In Summe ist davon auszugehen, dass die Maßnahmen zu höheren Kapitalanforderungen führen werden. In diesem Zusammenhang sind besonders die neue Berücksichtigung von Liquiditätsrisiken sowie die durchgehend vorgesehenen Stresskalibrierungen zu nennen. Die Auswirkungen der Änderung des Risikomaßes zum Expected Shortfall werden maßgeblich von der Wahl des Konfidenzniveaus abhängen.

Insgesamt bleibt abzuwarten, welche Form die detaillierten Regelungen annehmen und welchen Weg der Ausschuss bezüglich der aufgezeigten Optionen einschlagen wird. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist allerdings erkennbar, dass die Umsetzung der neuen Anforderungen an die interne Marktrisikomodellierung mit erheblichem Aufwand verbunden sein wird, der weit über eine Modifizierung des bisherigen Systems hinausgeht. Dies gilt sowohl für die erstmalige Einführung als auch für den Betrieb des Modells. Als wesentliche Treiber der Komplexität sind momentan die Modellvalidierung auf Basis von Handelstischen sowie die Berücksichtigung der Liquiditätshorizonte zu nennen. Aber auch die Summe an sonstigen Änderungen - wie etwa die Modellierung von Extremszenarien für die Bestimmung des Expected Shortfall - wird den Aufwand für die Etablierung und den Betrieb interner Modelle signifikant erhöhen. Insofern wird sich in der Praxis zeigen müssen, wie der Business Case der internen Risikomodellierung gegenüber dem Standardansatz für die einzelnen Institute ausfällt. Dazu sei angemerkt, dass nach den aktuellen Vorschlägen auch die Anwendung des Standardansatzes erheblich komplexer werden soll, was besonders kleinere Institute vor erhebliche Herausforderungen stellen dürfte.

Fußnoten

1) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, "Fundamental review of the trading book - Consultative document", Basel, Mai 2012.

2) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, "Revisions to the Basel II market risk framework, updated as of 31 December 2010", Basel, Februar 2011.

Prof. Dr. Christian Tallau , Direktor , Institut für ­Kreditanalyse, Münster
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