Aufsätze

Regulatorische Aufarbeitung der Subprime-Krise

Zunächst ist zu konstatieren, dass sich die Finanzmarktkrise nicht nur auf das Thema Subprime-Kredite reduzieren lässt. Vielmehr ging der Krise insgesamt ein längere Phase großzügiger und risikofreudiger Kreditvergabe in vielen Bereichen voraus: gewerbliche und private Immobilien- sowie Konsumentenkredite, Private Equity und Leveraged-Loan-Finanzierungen. Diese Kreditgewährungen wurden von einer umfänglichen Nutzung zum Teil neuer Risikotransferinstrumente und -techniken begleitet. Die Ausreichung, Bündelung und Verbriefung von Krediten (originate and distribute) wurde zu einem attraktiven Geschäftsmodell, da auch die üblichen Refinanzierungs- und Eigenkapitalrestriktionen der Banken vermieden werden konnten.

Regulatorische Arbitrage

Regulatorische Arbitrage erfolgte zudem dadurch, dass insbesondere die Investmentbanken Kreditpositionen, die zur Verbriefung anstanden, dem Handelsbuch zugeordnet haben. Damit konnte in erheblichem Umfang regulatorisches Kapital eingespart werden. Unzweifelhaft hat die Handelbarkeit von Krediten dazu beigetragen, die Kreditverfügbarkeit für die Volkswirtschaft zu erhöhen und die Märkte zu verbreitern. Andererseits sind durch die Krise erhebliche Defizite und Risiken im Verbriefungsprozess offengelegt worden.

Es liegen diverse Ausarbeitungen vor, die die Ursachen der Finanzkrise detailliert analysiert haben. Daher sollen hier nur einige wenige Aspekte1) aufgeführt werden:

- hohe Liquidität und extrem niedriges Zinsniveau auf den globalen Finanzmärkten,

- keine adäquate Bepreisung des Kreditrisikos,

- gestiegene Komplexität der Finanzinstrumente

- Vervielfachung der Kreditrisiken,

- Ansteckungskette: Rückgang Marktliquidität - hoher Leverage über die Inanspruchnahme außerbilanzieller Vehikel kein ausreichender Schutz bei der Nutzung von Kreditrisikominderungstechniken,

- fehlerhafte Incentive-Systeme für die Vergütungen,

- mangelnde Effektivität der Absicherung im Risikotransferprozess,

- asymmetrische Informationsverteilung zwischen Sicherungsnehmer und -geber,

- ineffiziente Risikoallokation durch Möglichkeit zur Regulierungsarbitrage.

Die nachfolgenden Ausführungen sollen dazu beitragen, die im Zusammenhang mit den Subprime-Krediten und ABS-Produkten verbundenen wesentlichen regulatorischen Implikationen zu erläutern. Für den Wirtschaftsprüfer nahe liegende, wichtige Fragen wie die sachgerechte Bewertung in volatilen Märkten sowie Konsolidierung werden an dieser Stelle ausgeklammert.

Systematische Ursachenforschung

Originator - fehlende Transparenz und Moral Hazard: Im ersten Halbjahr 2007 wurden in den USA steigende Kreditausfälle von Hypothekenanbietern, die sich auf Kunden mit niedrigerer Bonität (Subprime-Hypotheken) konzentrierten, bekannt. Analysten warnten gleichzeitig vor Ansteckungen auf verbriefte Hypotheken und komplexe Finanzinstrumente wie die Collateralized Debt Obligations (CDO). In den USA hatte man, unterstützt durch ein sehr niedriges Zinsniveau, sehr lange auf immer weiter steigende Preise auf den Immobilienmärkten vertraut. Die Kreditvergabe beruhte auf der Erwartung, dass selbst bei Ausfall des Kunden der Wert der Immobilie den ausstehenden Kreditbetrag übersteigen würde.

Die wenig risikosensitive und zudem stark standardisierte Kreditvergabepraxis der Hypothekenanbieter ging einher mit einer weitgehend unregulierten Geschäftstätigkeit der Kreditvermittler. Die Begrenzung der Kreditvergabe mittels der Unterlegung der Risiken aus Krediten bei Banken mit regulatorischem Eigenkapital wurde über die Weiterverbriefung der Kreditforderungen vermieden. Die in den USA bereits seit Anfang der neunziger Jahre übliche Verbriefung von Finanzierungen brachte den Kreditinstituten aber noch weitere Vorteile: Zum einen war eine kostengünstigere Refinanzierung am Kapitalmarkt möglich, da die illiquiden Buchkredite in handelsfähige Wertpapiere umgewandelt wurden. Zum anderen wurden Risiken auf viele Parteien verteilt.

Die Verbriefungsinstrumente und die damit verbundenen Transferprozesse machen es erforderlich, bei einer Vielzahl von Prozessbeteiligten entsprechende Qualitätsstandards zu verlangen. Genau das aber ist in der Vergangenheit vernachlässigt worden. Für den Originator war wohl die Kreditnehmerbonität im boomenden Immobilienmarkt sekundär; das Risiko wollte er nicht tragen, sondern gleich verbriefen. In der Folge hatte er auch kaum Interesse daran, die Zahlungsmoral auch nach Kreditvergabe ausreichend zu überwachen. Er vertraute ja auf die Werthaltigkeit der Immobilie. Damit ist in dem Transferprozess eine typische Ausgestaltung von Marktversagen, nämlich Moral Hazard, eingetreten. Das bedeutet letztlich, dass gegen ein Risiko abgesicherte Parteien/Originatoren einen Informationsvorteil haben und tendenziell mehr Risiken übernehmen beziehungsweise weniger Anreize zur sorgfältigen Kreditvergabe haben.

Hohe Nachfrage nach Anlagen mit hohem Rating

Investor - fehlende EK-Unterlegung: Für die Investoren boten sich diverse Anreize an, in den Verbriefungsmarkt zu investieren. Anzumerken sind hier einerseits die bei den meisten Kapitalsammenstellen vorhandenen strengen Anlagerichtlinien. Viele Pensionsfonds oder Versicherungen dürfen zum Beispiel nur Anlagen in AAA oder AA geratete Wertpapiere tätigen. Basel II nimmt - anders als bei klassischen Kundenforderungen - selbst im Internen Rating Ansatz (IRB) bei Verbriefungspositionen Bezug auf das externe Rating. Damit gab es schon im Vorfeld der eigentlichen Umsetzung einen Anreiz, in besonders hoch geratete Positionen zu investieren, um Eigenkapital einzusparen.

Es war in erheblichem Umfang Liquidität auf den Märkten, die renditeträchtig angelegt werden wollte, wobei das niedrige Zinsniveau die sicheren Staatsanleihen relativ unattraktiv machte. Daher war die Nachfrage nach Anlagen mit hohem Rating und deutlichem Renditeaufschlag gerade bei regulierten Unternehmen sehr hoch. Für die weniger gut gerateten Tranchen fand man andere Käufer im unregulierten Markt (etwa Hedgefonds). Für regulierte Banken war es zudem attraktiv, sogenannte Verbriefungs-Liquiditätsfazilitäten zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe an Zweckgesellschaften zu gewähren. Bei diesem Geschäftsmodell wurden in eigens dafür gegründeten Zweckgesellschaften renditeträchtige langfristige Vermögenswerte (ABS/CDO) kurzfristig durch die Ausgabe von Geldmarktpapieren (Asset Backed Commercial Papers - ABCP) refinanziert und dadurch Arbitrageergebnisse generiert.

Die diesen Programmen gewährten Fazilitäten unterstützten das Rating der CPs. Diese Linien wurden im Grundsatz I und auch nach Basel I wie einfache Kreditlinien behandelt. Bei einer Ursprungslaufzeit von bis zu einem Jahr war für diese Linien daher kein aufsichtsrechtliches Eigenkapital vorzuhalten. Der alte Eigenkapitalstandard verlangte keine adäquate Risikoabbildung und eröffnete dadurch erhebliche Arbitragemöglichkeiten für die Marktteilnehmer.

Liquiditätslinien bei Basel II: Seit der voll umfänglichen Einführung von Basel II/SolvV ab Januar 2008 in Deutschland sind für Verbriefungs-Liquiditätsfazilitäten erstmals umfassende spezifische Regelungen zu beachten.2) Anrechnungserleichterungen beziehungsweise -befreiungen sind seither nur auf "qualifizierte" Fazilitäten oder wenige Sonderfälle beschränkt. Grundsätzlich betragen die Umrechnungsfaktoren jetzt 20 bis 100 Prozent. Die Eigenkapitalanforderungen nach Basel II werden damit für diese Geschäftsmodelle deutlich risikogerechter. Aufsichtsrechtlich entschärft die risikogerechte Unterlegungspflicht der gewährten Liquiditätslinien/Credit Enhancements auch die Frage der Konsolidierungspflicht von diesen Arbitrage-Zweckgesellschaften.3) Mit Unterlegung der Linie bei der jeweiligen Bank wird zumindest in dieser Höhe dem Kreditrisiko der Vermögenswerte in den Zweckgesellschaften Rechnung getragen. Zudem ist auf das Zusammenwirken von Mindestkapitalanforderungen (Säule 1), bankaufsichtlichem Überprüfungsprozess (Säule 2) und Offenlegungsanforderungen (Säule 3) hinzuweisen.

Reaktionen auf die Finanzmarktkrise

Zu den erforderlichen Schritten zur künftigen Verhinderung gleichartiger Krisen des Finanzsystems und Eindämmung der Folgen der inzwischen ein Jahr andauernden Krise haben sich zahlreiche Stimmen geäußert. Allen voran internationale Aufsichtsgremien,4) die Europäische Kommission5) aber auch die Finanzinstitute selbst6) haben Vorschläge für Änderungen der aufsichtsrechtlichen Vorgaben oder für die Schaffung neuer Verhaltensgrundsätze erarbeitet. Alle Beteiligten sind sich zwar im Kern einig, dass Basel II besseren Schutz vor den Auswirkungen der Finanzmarktkrise geboten hätte; gleichwohl identifizieren die Aufseher auch im neuen Regelwerk noch Anpassungsbedarf. In Anbetracht der Fülle der zur Finanzmarktkrise erschienenen Literatur beschränkt sich dieser Artikel im Wesentlichen auf die Vorschläge der Europäischen Kommission und des Financial Stability Forum (FSF) und ordnet diese den drei Baseler Säulen (Mindestkapitalanforderungen, aufsichtliches Überprüfungsverfahren und Marktdisziplin) zu.

Säule I - Mindestkapitalanforderungen:

Wie bereits ausgeführt, stehen Verbriefungen von Häuserdarlehen in den USA an bonitätsschwache Schuldner (Subprime) im Zentrum der Kritik. Kernpunkte der Reformvorschläge sind daher Änderungen im Bereich der aufsichtsrechtlichen Vorgaben für Verbriefungen sowie des Risiko- und Liquiditätsmanagements der Banken.

- Höhere Eigenkapitalunterlegung für bestimmte strukturierte Produkte und Liquiditätslinien: Die Erfahrungen aus der Krise haben gezeigt, dass bestimmte strukturierte Produkte ein höheres Risiko beinhalteten als andere. Beispielsweise waren sogenannte Collateralised Debt Obligations (CDOs) wesentlich anfälliger für ein Systemrisiko als einfache ABS-Verbriefungen. Bei CDOs handelt es sich häufig um eine Zweitverbriefung, also die Verbriefung verschiedener Verbriefungspositionen und deren erneute Tranchierung. Das in diesen Produkten liegende höhere Risiko hängt mit der komplexen Struktur zusammen, die in der Abbildung 1 erläutert wird:

Höheres Ausfallrisiko mit erneuter Strukturierung

Das AAA-Rating von CDOs wird in der Regel dadurch erreicht, dass die Senior Tranche zusätzlich durch eine weitere Kreditverbesserung (zum Beispiel Excess Spread, aber auch in Form einer Monoliner-Kreditversicherung) besichert ist. Mit der erneuten Strukturierung ist ein höheres Ausfallrisiko verbunden, das auch die oberste Tranche treffen kann. Diverse CDOs sind zudem exakt auf den Risikoappetit des Investors zugeschnitten worden (bespoke CDOs). Dabei kann schon ein einziges Kreditereignis häufig zu einem Totalverlust der nachgeordneten Tranchen führen. Die sehr guten Ratings spiegelten aber das höhere Risiko nicht wider. Hinzu kam, dass die Finanzinstitute häufig nicht beurteilen konnten, welche Risiken den in dem Portfolio enthaltenen ABS zugrunde lagen.

Die aufsichtsrechtlich erforderliche Kapitalunterlegung einer Investorposition in einen CDO und in ein gewöhnliches ABS ist bisher gleich und bemessen sich auch im IRB-Ansatz üblicherweise nach dem externen Rating. Nach den Vorschlägen des FSF soll dem unterschiedlichen Risikopotenzial zukünftig dadurch Rechnung getragen werden, dass für komplexe strukturierte Produkte wie CDOs höhere Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen sind.7)

Originate-to-distribute-Modell: Weitere vorgeschlagene aufsichtsrechtliche Neuerungen betreffen das bereits angesprochene originate-to-distribute-Modell. Dieses Verfahren begünstigt tendenzielle eine laxe Kreditvergabepraxis. Um dem zukünftig entgegenzuwirken, hat die Europäische Kommission ursprünglich geplant, dass Originatoren einer Verbriefungstransaktion mindestens 15 Prozent der risikogewichteten Aktiva der verbrieften Forderungen einbehalten müssen.8)9)

Dieser Vorschlag ist jüngst aufgrund der vom Markt geäußerten Kritik dahingehend abgeändert worden, dass nun Investoren nur noch in solche Verbriefungsprodukte investieren dürfen sollen, bei denen sich der Originator und Vertreiber verpflichtet haben, fortlaufend mit mindestens zehn Prozent an dem verbrieften Portfolio beteiligt zu sein.10) Ob diese Regelung in dieser Form beschlossen werden wird, ist noch offen. Darüber hinaus sehen die Aufseher vor, die erforderliche Eigenkapitalunterlegung für Liquiditätslinien, die schon nach Basel II strenger ist als vorher, erneut anzupassen.11)

Zuordnung zum Handelsbuch stärker hinterfragen

Risiken im Handelsbuch: Insbesondere Investmentbanken haben die strukturierten Produkte häufig dem Handelsbuch zugeordnet. Bei Positionen im Handelsbuch sind die damit verbundenen Marktrisiken (allgemeine und spezifische Zins- und Aktienrisiken) mit Eigenkapital zu unterlegen. Anders als das Anlagebuch lässt das Handelsbuch die Bildung von Nettopositionen zu, wodurch die regulatorischen Kapitalanforderungen deutlich reduziert werden können. Zwar war nach Basel I gefordert, das spezifische Risiko einschließlich der darin zu erfassenden Ausfall- und Eventrisiken in den internen Modellen vollständig abzubilden. Die Risiken aus strukturierten Produkten wurden in den bestehenden VaR-Modellen vor dem Hintergrund mangelnder Liquidität der Papiere und der damit verbundenen nicht ausreichenden Versorgung mit Marktdaten oftmals aber nicht zufriedenstellend berücksichtigt. Zukünftig soll diesen Risiken stärker Rechnung getragen und die Zuordnung wesentlicher Bestände zum Handelsbuch generell hinterfragt werden.12)

Exkurs - externe Ratings: Die Ratingagenturen werden von der Öffentlichkeit für die Finanzmarktkrise mitverantwortlich gemacht. Die den Ratings zugrunde liegenden Daten sollen unzureichend gewesen sein, die Ratings sollen das in den bewerteten Produkten liegende Risiko nicht deutlich hervorgehoben haben, und sie seien erst stark verzögert angepasst worden. Das sind die in der Presse genannten Vorwürfe. Nun wird vor allem eine Offenlegung der dem Ratingprozess zugrunde liegenden Methodologien und anderer Informationen sowie eine stärkere Fokussierung auf alle mit dem Produkt enthaltenen Risiken diskutiert.

Die verstärkte Offenlegung der dem Rating zugrunde liegenden Informationen soll dazu dienen, dass sich die Investoren zukünftig ein besseres Bild über das mit der Investition verbundene Risiko machen können. Darüber hinaus überlegt die EU, die bisher unbeaufsichtigte Branche einer Beaufsichtigung zu unterstellen, was aber auch eine drohende Mithaftung der öffentlichen Hand bei Kreditausfällen nach sich ziehen könnte.13)14) Eine größere Transparenz und eine weniger starke Abhängigkeit der Anlagestrategien und der regulatorischen Behandlung von den jeweiligen externen Ratings scheinen aus heutiger Sicht die geeigneteren Maßnahmen zu sein.15)

Schwächen im Risikomanagement

Säule II - Aufsichtliches Überprüfungsverfahren: Einer der Hauptkritikpunkte von Studien zu der Finanzmarktkrise betreffen die Schwächen im Risikomanagement. Andererseits ist der Aufsicht zuzustimmen, dass niemand eine Marktkorrektur in dem jetzt beobachteten Ausmaß und in dieser Breite vorhergesehen hat.16) Da es sich bei den nun, also auf Basis der Erkenntnisse aus der Krise, geforderten Verbesserungen des Risikomanagements um strukturelle Fragen handelt, sind die Vorschläge eher allgemeiner Natur, die fast schon selbstverständlich erscheinen (Abbildung 2). Hier gilt es für die Institute, diese Grundsätze auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen und vor allem "zu leben".17) Als verbesserungswürdig werden unter anderem folgende Bereiche gesehen:

- gruppenweites Risikomanagement, insbesondere auch bezüglich des Konzentrationsrisikos18),

- vermehrte Durchführung und Verbesserung der Stresstests (durch Verwendung unterschiedlicher Modelle, das heißt qualitative und quantitative, an historischen Daten und zukunftsorientierte Modelle)19),

- adäquates Risikomanagement von Off-Balance-Sheet-Aktivitäten,

- Verbesserung des Risikomanagements im Bereich Verbriefungen,

- Verbesserung des Managements von Ansprüchen/Verpflichtungen gegenüber sogenannten Leveraged Counterparts,

- Verbesserung der Infrastruktur für OTC Derivatives,

- Koppelung der Vergütungsregelungen der Mitarbeiter an den langfristigen und firmenweiten Erfolg, anstelle von kurzfristigen und bereichsbezogenen Anreizen.20)

Alle bisher gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die Finanzmärkte immer weiter entwickeln und neue, innovative Produkte hervorbringen (zum Beispiel Cat- und Killerbonds, Waren- und Wetterderivate - auch in Fonds oder Zertifikate verpackt). Investoren müssen in der Lage sein, die mit diesen Produkten verbundenen Risiken sachgerecht überwachen und steuern zu können. Mit der Säule II von Basel II verfügen die Aufseher schon über das entsprechende Instrumentarium, mit dem sie die Risikomanagementpraktiken der Banken überwachen und Verstöße entsprechend sanktionieren können (Abbildung 2).

Klumpen-/Konzentrationsrisiken

Einige Institute sollen - so die Erkenntnisse aus der Krise - weder das eigene Kreditrisiko, bezogen auf Subprime und ähnliche Referenzaktiva, noch das sich aus den umfangreichen Verpflichtungen (freiwillig oder vertraglich zugesagt) gegenüber Zweckgesellschaften (SPV) ergebende Konzentrationsrisiko ausreichend überwacht haben. In diesem Zusammenhang plant die EU-Kommission die Vorgaben für Großkreditvorschriften erheblich zu verändern. Insbesondere soll die Definition der Kreditnehmereinheit (Connected Clients) dahingehend erweitert werden, dass eine Kreditnehmereinheit auch dadurch entstehen kann, dass mehrere Parteien von derselben Refinanzierungsquelle abhängig sind.21)

Dieser Vorschlag ist insoweit als kritisch anzusehen, als dass hier nicht das Adressrisiko der Aktivseite (Kreditnehmer beziehungsweise Kreditnehmereinheit) die Basis für die Messung des Klumpenrisikos ist, sondern vielmehr die gemeinsame Refinanzierungsquelle. Eine Betrachtung der Passivseite entspricht aber nicht dem Sinn und Zweck der Großkreditvorschriften, sondern ist vielmehr ein Konsolidierungs- oder Liquiditätsthema.

Liquiditätsmanagement

Bis zu Beginn der Krise im Sommer letzten Jahres gab es Liquidität im Überfluss. Für das Management von Liquiditätsrisiken hatte der Basler Ausschuss zwar bereits im Jahr 2000 Grundsätze erlassen; die EU hatte diese aber nicht übernommen. Vielmehr obliegt es bisher jedem nationalen Aufseher, entsprechende Regularien auf Länderebene in Kraft zu setzen. In Deutschland finden die Liquiditätsvorgaben grundsätzlich nur auf Einzelebene Anwendung. Lediglich für Institutsgruppen, die den sogenannten Waiver ausüben, kann auch Anwendung auf Gruppenebene erfolgen.

Zahlreiche Institute mussten während der Krise Liquiditätsengpässe meistern. Daher wird diesem Bereich ebenso wie dem Thema Verbriefungen (siehe dazu oben) im Zuge der Aufarbeitung der Krise besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ein häufig genannter Kritikpunkt ist hier, dass die Institute nicht erkannt haben, dass sie zur Vermeidung von Reputationsschäden nicht konsolidierte Zweckgesellschaften freiwillig mit Liquidität versorgen mussten.22) Dementsprechend wurden dafür auch keine Liquiditätsreserven vorgehalten. Zudem fielen bestimmte Refinanzierungsquellen vollständig aus (etwa Commmercial Paper). Zwischenzeitlich haben sowohl der Basler Ausschuss als auch der CEBS Vorschläge für ein angemessenes Liquiditätsrisikomanagement gemacht. 23)

Hervorzuheben sind an dieser Stelle die Einführung einer gruppenweiten Liquiditätsrisikostrategie, die Durchführung von Stresstests, die Vorhaltung eines angemessenen Liquiditätspolsters und die Veröffentlichung qualitativer und quantitativer Informationen zu den Liquiditätsrisiken und dem -management.

Säule III - Marktdisziplin: Auch das Thema Offenlegung ist im Basler Rahmenwerk mit der Säule III bereits adressiert worden. Diese ergänzt insoweit die Vorschriften zu den Eigenkapitalanforderungen in der Säule I und zum aufsichtlichen Überwachungsprozess in der Säule II. Die Institute müssen danach qualitative und quantitative Informationen über die Eigenkapitalausstattung und die eingegangenen Risiken veröffentlichen. Mit der höheren Transparenz und der damit im Zusammenhang stehenden Marktdisziplin verbinden die Aufseher die Erwartung, dass die Banken weniger krisenanfällig und damit die Finanzmärkte insgesamt stabiler werden.

Ansatzpunkte für zusätzliche Offenlegungsanforderungen

Da die Mehrzahl der international tätigen Institute diese Anforderungen erst für das Geschäftsjahr 2008 Anfang 2009 erfüllen muss, fehlen zum derzeitigen Zeitpunkt Erfahrungen mit dieser Offenlegungspraxis. Gleichwohl haben die Aufseher schon einige Ansatzpunkte für zusätzliche Offenlegungsanforderungen identifiziert. Daher hat das FSF die Institute aufgefordert, bereits in ihren Halbjahresberichten 2008 Risiken deutlich offenzulegen und dafür Maßstäbe (Leading Practices) erarbeitet.24) Diese betreffen insbesondere die Bereiche

- Beziehungen zu Zweckgesellschaften,

- Investitionen in CDOs,

- Investitionen in Subprime-Produkte,

- bilanzielle und außerbilanzielle Verbindlichkeiten gegenüber "Leveraged Finance".

In Deutschland hat die BaFin die größten Banken aufgefordert, die Empfehlungen des FSF zur Offenlegung bereits in ihren Halbjahresberichten 2008 umzusetzen.25) Subprime-Kreditrisiken und die Besonderheiten der Verbriefung haben die Finanzmarktkrise sehr stark geprägt. Schnelligkeit und Intensität sowie das globale Ausmaß der Verteilung der Risiken hat viele überrascht. Zu dieser Verteilung haben insbesondere die komplexen strukturierten Produkte beigetragen, da die originären Kreditrisiken über diese Instrumente beliebig multipliziert werden können. Die bisher identifizierten Schwachpunkte bei der regulatorischen Behandlung der Verbriefungen und der strukturierten Produkte sollen unter anderem mit den oben diskutierten Vorschlägen behoben werden. Gleichwohl sehen diverse Analysen aber die gleichen Ursachen wie bei früheren Krisen: großzügige Kreditvergabepraxis in Verbindung mit vermeintlichen Wertsteigerungen im Immobiliensektor, sorglose Investments und Schwächen im Risikomanagement.26)

Für eine prinzipienbasierte Aufsicht

Die spannende Frage an der Stelle ist, in welcher Form die nächste Krise kommen wird und mit welchem Instrumentarium die Aufseher, Zentralnotenbanken, Politiker im Vorfeld reagieren können. Viele Marktexperten sind der Meinung, dass eine frühere Einführung der Basel-II-Regelungen das heutige Ausmaß der Krise verhindert hätte. Jetzt nach mehr Regulierung zu rufen, scheint genauso problematisch zu sein wie eine zu laxe Überwachung der Institute. Zu viele Einzelvorgaben laden geradezu zur Arbitrage ein. Das ist im Aufsichtsrecht nicht anders als in der Rechnungslegung oder im Steuerrecht.

Zu hohe Kosten der Kreditvergabe oder auch zu restriktive Stresstestvorgaben reduzieren die Kreditvergabe und wirken sich auf die Konjunktur aus. Insoweit spricht vieles für eine prinzipienbasierte Aufsicht mit entsprechenden Eingriffsmöglichkeiten der Aufseher. Unterstützung muss diese Art der Regulierung durch die Marktdisziplin erfahren, wobei auch dort mit Augenmaß vorzugehen ist. Ohne den notwendigen Sachverstand sind die Veröffentlichungspflichten etwa nach Basel II und IFRS 7 kaum mehr zu analysieren.

Fußnoten

1) Vgl. Counterparty Risk Management Policy Group III: Containing Systemic Risk: The Road to Reform, 6. August 2008, S. 3 ff.

2) Vgl. Neumann-Schönwetter, Tim; Fritsche, Tobias: Basel II: neue Eigenmittelanforderungen für Kreditlinien bei Verbriefungen, in: BaFin Journal 11/07, Seite 9.

3) Vgl. Counterparty Risk Management Policy Group III, a.a. O., S. 39 f.

4) Vgl. FSF (Financial Stability Forum): Report of the Financial Stability Forum on Enhancing Market and Institutional Resilience, 7. April 2008; SSG (Senior Supervisors Group): Observations on Risk Management Practices during the Recent Market Turbulence, 6. März 2008.

5) Vgl. EU-Kommission, Öffentliche Konsultationen zur Änderung der Kapitaladäquanzrichtlinie (Capital Requirements Directive = CRD, bestehend aus RL 4872006/EG und 49/2006/EG), abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/bank/regcapital/index_en.htm.

6) IIF (Institute of International Finance): Final Report of the IIF Committee on Market Best Practices: Principles of Conduct and Best Practice Recommendations - Financial Services Industry Response to the Market Turmoil of 2007-2008, Juli 2008, abrufbar unter: http.//www.iif.com/download.php?id= Osk8Cwl08yw=.

7) Vgl. FSF, a.a. O., S. 13 f. und S. 53.; SSG, a.a. O., S. 3 ff., S. 15 ff.

8) Vgl. SSG, a.a. O., S. 18.

9) Vgl. EU-Kommission, CRD Potential Changes, 16.04.2008, S. 32, geplante Ergänzung von Artikel 95 Nr. 2 der RL 2006/48/EG.

10) Vgl. EU-Kommission, CRD Potential Changes on Securitisation, 2. Juli 2008, S. 2 und S. 4, geplante Einfügung eines neuen Kapitel 7 und Artikel 122a in die RL 2006/48/EG.

11) FSF, a.a. O., S. 14 und S. 53. Siehe auch SSG, a.a. O., S. 2 ff.

12) Vgl. BIS (BCBS): Consultative Document - Guidelines for Computing Capital for Incremental Risk in the Trading Book, S. 1 ff.; FSF, a.a, O., S. 14 und S. 53.

13) Inderst, Roman; Krahnen, Jan Pieter: Rating-Agenturen: Regulierer im Dilemma, in: FAZ vom 12. August 2008.

14) Europäische Kommission, Working paper: "Proposal for a regulatory framework for CRAs" vom 31.7.2008, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/agencies/index_de.htm.

15) Wagener, Hans: "Eine häufig zelebrierte Betriebsamkeit oder überhastete Regulierung sind fehl am Platze", in: ZfgK 23/2007, Seite 1289.

16) Hildebrand, Lehren aus den Finanzmarktturbulenzen, August 2008.

17) Eine Gegenüberstellung des Aufbaus und der Risikomanagementgrundsätze der Institute, die die Krise relativ gut gemeistert haben und derjenigen, die stärker getroffen wurden, enthält der Report des SSG, a.a. O.

18) Vgl. FSF, a.a. O., S. 18 und S. 54; SSG, a.a. O., S. 3.

19) Vgl. FSF, a.a. O., S. 18 und S. 55; SSG, a.a. O., S. 16 ff.

20) Vgl. FSF, a.a. O., S. 20 und S. 55.

21) Vgl. EU-Kommission, Öffentliche Konsultationen zur Änderung der Kapitaladäquanzrichtlinie, s.o.

22) Vgl. SSG, a.a. O., S. 10 ff.

23) Vgl. BIS: Principles for Sound Liquidity Risk Management and Supervision - Draft for Consultation, June 2008, S. 3ff.; CEBS: Second Part of CEBS's technical advice to the European Commission on Liquidity Risk Management, 17. Juni 2008, S. 8 ff.

24) Vgl. FSF, a.a. O., S. 22 ff., S. 56, S. 63ff.

25) Vgl. BaFin (Hrsg.): BaFin unterstützt die Umsetzung der FSF-Empfehlungen zur Offenlegung, in: BaFin Journal 07/08, S. 4.

26) Vgl. The Economist (Hrsg.): Paradise Lost - A special report on international banking, 17. Mai 2008, S. 10.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X