Aufsätze

Reserven nach § 340f HGB - quo vadis?

Basel III stellt neue Kriterien für die Anerkennung von Finanzinstrumenten als haftendes Eigenkapital eines Kreditinstituts auf. Dabei wird eine Unterscheidung in Kapital vorgenommen, das für Verluste im laufenden Geschäftsbetrieb (hartes beziehungsweise weiches Kernkapital als "Going-Concern"-Kapital) und das für Verluste im Insolvenzfall haftet (Ergänzungskapital als "Gone-Concern"-Kapital).1) Insgesamt werden 14 Kriterien für die Anerkennung als hartes Kernkapital, 14 Kriterien für weiches Kernkapital und neun Kriterien für Ergänzungskapital aufgestellt.2) Daneben bestehen zusätzliche Offenlegungsanforderungen für die Anerkennung als haftendes Eigenkapital.3)

Besonderheiten bei deutschen Banken und Sparkassen

Bei der Überprüfung, welche Auswirkungen Basel III auf die deutschen Kreditinstitute hat,4) sind auch die Besonderheiten bei deutschen Banken und Sparkassen zu berücksichtigen. So sind die stillen Einlagen bei Sparkassen oder die Genossenschaftsguthaben beziehungsweise der Haftsummenzuschlag bei Kreditgenossenschaften zu nennen.

In diesem Beitrag soll es um die Vorsorgereserven nach § 340f HGB gehen, die bislang als Ergänzungskapital anerkannt waren (§ 10 Abs. 2b Nr. 1 KWG). Im Baseler Papier spielen sie keine Rolle, da der Baseler Ausschuss für international tätige Banken schreibt, die nach IFRS bilanzieren, welche stille Reserven im Sinne von §[340]f HGB nicht kennen.

Nach deutschem Recht dürfen für die besonderen Risiken des Bankgeschäfts stille Reserven in stiller Form gebildet werden (§ [340]f HGB).5) Im Bedarfsfall sind diese Reserven auch wieder still auflösbar.

Die besonderen Risiken des Bankgeschäfts, die eine Reservebildung nötig machen, liegen darin, dass Verluste geballt auftreten können, zum Beispiel in wirtschaftlichen Abschwüngen oder bei Börsencrashs. Die Mittel, um diese Verluste abzudecken, werden aber unter Umständen in mehreren Jahren angesammelt. So enthält der Kreditzins eine Marge für Adressrisiken, die künftige Verluste abdecken soll. Allerdings ist es nach deutscher Rechnungslegung üblich, die Zinsen aus Krediten voll zu vereinnahmen.

Hohe Ergebnisvolatilität

Es erfolgt keine Splittung der Zinserträge in Marktzins und Risikomarge für Adressrisiken; Letztere wird nicht durch eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften neutralisiert. Hieraus entsteht allerdings eine hohe Ergebnisvolatilität. Dem Zinsüberschuss, der die Kreditrisikomarge enthält, steht bei guter Konjunkturlage lediglich ein niedriges Bewertungsergebnis im Kreditgeschäft gegenüber, während bei schlechter Konjunkturlage dieses Bewertungsergebnis deutlich ansteigt. Mit Wohlmannstetter kann man deshalb sagen: "Was der Bilanzleser auf verschiedene Rechnungslegungsperioden verteilt vorgesetzt bekommt, sind einerseits Erträge, die nicht risikoadjustiert sind, andererseits Risikokosten, die nicht ertragsadjustiert sind".6)

Die wünschenswerte Höhe der Reserven nach § 340f HGB für die besonderen Risiken des Kreditgeschäfts würde demnach den Betrag umfassen, der im Kreditbestand bislang als Credit Spread vereinnahmt wurde, aber noch nicht zum Ausgleich von Verlusten verwendet werden musste.7) Damit dienen die Reserven nicht der Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzfall einer Bank, sondern dem Ausgleich geballt auftretender Verluste im Going-Concern-Fall.

Lösungsmöglichkeit bereits im HGB angelegt

Nach der Erörterung, warum diese Reserven sinnvoll beziehungsweise nötig sind, stellt sich die Frage, ob diese Reserven auch still sein sollen.8) Dies wird mit dem besonderen Vertrauen der Anleger begründet, das geschützt werden soll. Stark schwankende Gewinne, die das Vertrauen der Anleger negativ beeinflussen, sollen vermieden werden. Allerdings wird eingewendet, dass kein Vertrauen geschaffen werden kann, wenn der Bilanzleser nicht weiß, ob und wenn ja wie viele Reserven vorhanden sind beziehungsweise ob und wenn ja in welcher Höhe das Jahresergebnis durch Veränderung der stillen Reserven beeinflusst wurde. Weiterhin wird argumentiert, dass die stillen Reserven keine Bank-, sondern eine Managerschutzfunktion haben.9)

In dem Spannungsfeld zwischen Marktdisziplin durch Offenlegung und der stillen Bildung beziehungsweise Auflösung stiller Reserven existiert eine Lösungsmöglichkeit, die bereits jetzt im HGB angelegt ist: Die Differenzierung zwischen kapitalmarktorientierten und nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen. "Kapitalmarktorientierung" nach § 264d HGB bedeutet in vereinfachender Form, dass Wertpapiere (Fremd- oder Eigenkapitaltitel) an einer Börse gehandelt werden.10) Dieser Differenzierung liegt zugrunde, dass die Informationsbedürfnisse der Jahresabschlussempfänger unterschiedlich sind:11)Die Informationen aus Jahresabschlüssen spielen bei Anlegern kapitalmarktorientierter Kreditinstitute - besonders wenn es sich um Aktionäre handelt - eine ganz andere Rolle. Hier wird die Anlageentscheidung auf den globalen und anonymen Kapitalmärkten - zum Teil mit kurzfristigem Anlagehorizont - maßgeblich auf Basis von Jahresabschlussinformationen getroffen.

Umgang mit den Reserven

Ziel dieser Analyse ist es, die künftige Entwicklung zu beurteilen, sodass hier stille Reserven die Ergebnisse verfälschen können. Im Gegensatz hierzu spielen die Informationen aus Jahresabschlüssen bei Kapitalanlegern von nicht kapitalmarktorientierten Kreditinstituten keine beziehungsweise nur eine untergeordnete Rolle für die Anlageentscheidung. Die Kapitalanleger sind durch Sicherungsmechanismen wie Einlagen- beziehungsweise Institutssicherung oder das im HGB dominierende Vorsichtsprinzip abgesichert.

Dabei ist die Bildung stiller Reserven bei den sehr niedrigen Eigenkapitalquoten der Kreditinstitute eine besondere Ausprägung des Vorsichtsprinzips.12) Die Personenkreise, für die Angaben über die Höhe der stillen Reserven wichtig sind - zum Beispiel der Einlagensicherungsfonds beziehungsweise die Sicherungseinrichtung oder die Bankenaufsicht - erhalten diese Informationen beispielsweise über die Prüfungsberichte des Abschlussprüfers. Im Ergebnis können stille Reserven zumindest bei nicht kapitalmarktorientierten Kreditinstituten mit der nicht vorhandenen Informationsnotwendigkeit für die Jahresabschlussadressaten gerechtfertigt werden.

Da die Reserven nach § 340f HGB zur Abdeckung laufender Verluste und nicht zur Verlustabdeckung im Insolvenzfall dienen sollen, wären sie nach ihrem Sinn nicht nur Ergänzungskapital wie bislang, sondern unter dem Regime von Basel III sogar als Kernkapital zu betrachten. Allerdings steht künftig ihrer Anerkennung als haftendes Eigenkapital - sowohl in Form des Kern- als auch in Form des Ergänzungskapitals - das Kriterium der Offenlegung gegenüber: Solange die Reserven nicht im Jahresabschluss oder einem anderen Informationsmedium der Bank offengelegt wurden, ist keine Anerkennung als haftendes Eigenkapital möglich. Dabei reicht eine Anhangangabe für die Anerkennung als hartes Kernkapital nicht aus, stattdessen müssen die Reserven in der Bilanz offen ausgewiesen werden.13)

Eine ähnliche Diskussion um die Offenlegung der Reserven nach § 340f HGB wurde in letzter Zeit bezüglich der Säule 3 aus Basel II geführt. § 324 Abs. 2 SolvV legt als Konkretisierung von § 26a KWG fest, dass die Summe aus Ergänzungskapital und Drittrangmitteln im sogenannten Solvabilitätsbericht angegeben werden muss. Fraglich ist aber, ob dies auch für den Fall gelten darf, dass keine weiteren Bestandteile des Ergänzungskapitals und keine Drittrangmittel bestehen, beziehungsweise, dass die weiteren Bestandteile des Ergänzungskapitals leicht aus der Bilanz ersichtlich sind.

Gerade bei mittelständischen Kreditinstituten ist dies häufig der Fall, sodass die Höhe der Reserven nach § [340]f HGB und im Zeitablauf auch deren Entwicklung ermittelbar sind. Die Bundesbank hat in diesen Fällen die Offenlegung des Ergänzungskapitals verlangt,14) auch wenn damit die originäre Zielsetzung des § [340]f HGB konterkariert wird. Das Argument, dass die SolvV als Rechtsverordnung die höherwertige gesetzliche Regelung des § [340]f HGB nicht abändern kann, wurde von der Deutschen Bundesbank nicht geteilt. Eine Differenzierung nach Notwendigkeit der Informationen für die Adressaten des Solvabilitätsberichts ist ebenfalls nichtvorgesehen.

Für den deutschen Rechtsraum stellt sich nunmehr die Frage, wie mit den Reserven nach § 340f HGB beim haftenden Eigenkapital umgegangen wird. Falls Basel III unverändert in die CRD IV übernommen wird, gibt es nur zwei Alternativen: Entweder die Reserven werden weiter still gehalten, können dann aber nicht mehr zum haftenden Eigenkapital gezählt werden. Dies wird für viele Banken nicht darstellbar sein, wenn den verschärften Kapitalanforderungen Genüge getan werden soll. Oder man legt die Höhe der Reserven offen, entweder durch Angaben im Jahresabschluss oder Solvabilitätsbericht beziehungsweise durch Auflösung und Einstellung in offene Reserven nach § 340g HGB beziehungsweise Rücklagen. Dies würde den Zweck der Reserven konterkarieren.

Kapitalmarkt- oder nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen?

Im laufenden Gesetzgebungsprozess in Brüssel wird die Beschränkung der Geltung des gesamten Regelwerks von Basel III auf international tätige Unternehmen kaum durchsetzbar sein. Die Diskussion um eine verträgliche Offenlegung im Zusammenhang mit den Reserven nach § 340f HGB, welche die Zwecke der stillen Vorsorge nicht konterkariert, ist erst angelaufen, wobei konkrete Ergebnisse noch nicht absehbar sind.15) Für diese Diskussion sei folgender Vorschlag gemacht, der auf den Argumenten für die oben dargestellte Differenzierung zwischen kapitalmarktorientierten und nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen basiert und den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen beider Gruppen von Jahresabschlussadressaten Genüge tut.

An kapitalmarktorientierte Kreditinstitute sind andere Anforderungen als an nicht kapitalmarktorientierte zu stellen. Deshalb erfolgt im Einklang mit der Rechnungslegung nach IFRS, die für diese Kreditinstitute maßgeblich sind, eine Reservebildung nur in offener Form. Für nicht kapitalmarktorientierte Kreditinstitute ist eine explizite Offenlegung nicht nötig, sodass die Schutznorm des § 340f HGB greift. Die bislang bereits notwendige Offenlegung der Summe des Ergänzungskapitals im Solvabilitätsbericht ist für die Öffentlichkeit ausreichend.

Damit wären die Reserven nach § 340 f HGB auch ohne Offenlegung haftendes Eigenkapital einer Bank. Die Einstufung als hartes Kernkapital scheitert allerdings an dem fehlenden expliziten Ausweis in der Bilanz.16) Trotz der oben dargestellten, klaren Einstufung als "Going-Concern-Kapital" erscheint es vertretbar, bei nicht kapitalmarktorientierten Kreditinstituten eine Einordnung als Ergänzungskapital zu akzeptieren, da nur eine eingeschränkte Offenlegung im Solvabilitätsbericht erfolgt.

Mit dieser Argumentation würde auf Basis einer sachgerechten Differenzierung nach Informationsinteressen statt einer undifferenzierten Harmonisierung den berechtigten Argumenten für eine stille Risikovorsorge Raum gegeben. Fußnoten

1)Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, Basel III: A global regulatory framework for more resilient banks and banking systems, Dezember 2010, erhältlich unter www.bis.org, Tz 49.

2)Vgl. Basel III (Fn. 1), Tz 53, 55 und 58. 3)Vgl. Basel III (Fn. 1), Tz 91.

4)Die Transformation in europäisches Recht erfolgt durch die sogennnten Capital Requirement Directive IV (CRD IV).

5)Vorgängerregelungen bestanden in § 26a KWG a. F. für Banken beziehungsweise § 253 Abs. 4 HGB für Banken als Nichtkapitalgesellschaften. Auch in Österreich besteht eine vergleichbare Vorschrift in §57 Abs. 1 BWG.

6) Wohlmannstetter, Refokussierung der Jahresabschlussprüfung von Banken, in zfbf Sonderheft 61/10, Seite 186.

Analoge Problemstellungen bei den Versicherungen werden durch Vorschriften zur Rückstellungsbildung gelöst (§§ 341f und 341h HGB: Deckungs- beziehungsweise Schwankungsrückstellungen).

7)Siehe auch die Diskussion um Änderungen der bilanziellen Berücksichtigung der Kreditrisikovorsorge: Wohlmannstetter/Eckert/Maifahrth/Wolfgarten, Rechnungslegung für Kreditrisiken in: WPg 2009, Seiten 531 bis 536.

8)Vgl. zu dieser Diskussion mit weiteren Nachweisen pro und contra stiller Reserven: Krumnow et al., Rechnungslegung der Kreditinstitute, 2. Auflage, Stuttgart 2004, Teil A Kapitel I Tz 22-23 sowie §[340]f HGB Tz 1 und 20.

9)Vgl. Krumnow et al. (Fn. 8), Teil A Kapitel I Tz 23.

10)Der Text des § 264d HGB lautet: "Eine Kapitalgesellschaft ist kapitalmarktorientiert, wenn sie einen organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes durch von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinn des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat."

11Vgl. Küting/Lam, Bilanzierungspraxis in Deutschland, in: DStR 2011, Seiten 992 bis 993.

12)Vgl. Krumnow et al. (Fn. 8), § 340f HGB Tz 22.

13)Basel III (Fn. 1), Tz. 53 Nr. 14: "It is clearly and separately disclosed on the bank's balance sheet."

14)Vgl. Deutsche Bundesbank, Die aufsichtliche Offenlegung nach Säule 3 im Basel II-Ansatz, in: Monatsbericht September 2010, Seiten 69 bis 81, insbesondere die auf Seite 78 enthaltenen Leitlinien zur Bewertung der Erfüllung der Offenlegungsanforderungen.

15)Allerdings steht zu befürchten, dass § 340 f-Reserven wenig Aussichten haben, als Kernkapital anerkannt zu werden. Vgl. "EU geht bei Basel III auf Deutschlands Banken zu", in: BöZ vom 21. Mai 2011, Seite 3.

16)Vgl. Basel III (Fn. 1), Tz 53 Nr. 14.

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