Aufsätze

Sektorrotation mit ETFs - vom Konjunkturverlauf profitieren

Panta rhei - Alles fließt: Dieses Zitat charakterisiert nicht nur natürlich-biologische, sondern auch ökonomische Zyklen trefflich. Auf der mikroökonomischen Ebene gehen mit der Entwicklung neuer Produkte und der Erschließung neuer Märkte immer ein Bedeutungsverlust und Preisverfall etablierter Waren und Dienstleistungen einher. Eine Entsprechung findet sich auf der makroökonomischen Ebene:

Die mehr oder weniger regelmäßigen Schwankungen volks wirtschaftlicher Bestimmungsgrößen wie Produktion, Beschäftigung, Zins- und Preisniveau geben Auskunft über die Entwicklung der Konjunktur eines Wirtschaftsraumes. Bekannteste und wichtigste Kennzahl ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es spiegelt den Gesamtwert aller Güter, also der im Inland innerhalb eines bestimmten Zeitraums umgesetzten Waren und Dienstleistungen, wider. Die Aussagefähigkeit des BIP erschöpft sich aber nicht in der Messung eines absoluten Status quo. Sie liegt vielmehr in der relativen Interpretation und Generierung von Wirtschaftsprognosen aus der Veränderungs rate zwischen zwei oder mehr Erhebungsstichtagen.

Quantitative und qualitative Faktoren

Wenngleich solch quantitative Faktoren schon eine recht deutliche Sprache sprechen, komplettiert erst die Aufnahme auch qualitativer Kriterien einen vollständigen Prognoseapparat. So führt etwa das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V., bekannt als Ifo-Institut, monatliche Umfragen bei Unternehmen in Fragebogenform durch.

Dabei nehmen rund 7 000 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes sowie des Groß- und Einzelhandels zur aktuellen und erwarteten Unternehmenssituation sowie zur Nachfrage- und Beschäftigungslage Stellung, wobei lediglich zwischen positiver, neutraler und negativer Einschätzung zu wählen ist. Das Resultat der Auswertung wird als weicher Frühindikator unter dem Namen Ifo-Geschäftsklimaindex veröffentlicht. Ins besondere die Politik stützt sich bei Anträgen und Beschlüssen über wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf Milderung der Folgen konjunktureller Schwankungen abzielen, auf die Prognosen unabhängiger Institute und Notenbanken.

Herausforderungen für Unternehmen in jeder Konjunkturphase

Ein Konjunkturzyklus ist bekanntlich in vier Phasen aufteilbar: Aufschwung, Hochkonjunktur, Abschwung sowie Rezession oder gar Depression. In der Aufschwungphase - synonym als expansive Phase bezeichnet - steigen mit den Auftragsbeständen der Unternehmen auch deren Produktion und Kapazitätsauslastung, während die Arbeitslosigkeit tendenziell sinkt. Optimistische Wirtschaftsprognosen und zunehmendes Volkseinkommen befeuern vor dem Hintergrund noch moderater Inflationsraten und niedrig empfundener Zinssätze sowohl Investitionen als auch privaten Konsum; das Bruttoinlandsprodukt steigt.

Die Phase des Aufschwungs leitet über in die Boomphase respektive Hochkonjunktur. Sie ist gekennzeichnet von Tendenzen einer Nachfrageüberhitzung. Da die Produktionskapazitäten nunmehr voll ausgelastet sind, herrscht - theoretisch - Vollbeschäftigung. In der Folge steigen die Löhne an, was inflationäre Tendenzen schürt. Zusammen mit einer übermäßigen Kreditnachfrage führt dies zu steigenden Geld- und Kapitalmarktsätzen. Erste, allzu optimistisch gerechnete Investitionsprojekte rentieren vor dem erhöhten Zinsniveau nicht mehr und bereiten denjenigen Unternehmen Probleme, die sich nicht durch Innovationen oder Marktführerschaft behaupten können. In kaum noch wachsenden beziehungsweise stagnierenden Teilmärkten scheiden vor allem kleine und unproduktive Anbieter aus. Derartige Konsolidierungsprozesse gehen einher mit Konzentrationsprozessen, in denen Übernahmen und Großfusionen einen Trend zur Oligopolisierung auslösen.

In gesättigten Märkten wird der Scheitelpunkt zum Abschwung hin überschritten. Während das Bruttoinlandsprodukt in der Boomphase nur noch mit sinkenden Raten wächst, stagniert es im Abschwung und sinkt während der späteren Rezession in mehreren konsekutiven Perioden. Angesichts überfüllter Lager, sinkender Auftragseingänge und rückläufigen Investitionen müssen Produktionsanlagen stillgelegt werden. Noch können personelle Überkapazitäten über Kurzarbeit und Überstundenabbau ausgesteuert werden, doch macht sich vor dem Hintergrund fallender Löhne und sinkender Börsenkurse Pessimismus bezüglich der wirtschaftlichen Zukunft breit. In einem Umfeld sinkender Teuerungsraten fällt prinzipiell auch das Zinsniveau, wenngleich der Bestand an Problemkrediten in den Bankbilanzen zu steigen droht.

Im Übergleiten in eine Rezession, die - je nach Definition - durch mindestens zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum gekennzeichnet ist, grassiert Arbeitslosigkeit als Folge von Kapazitätsabbau und Rationalisierungsmaßnahmen. Insbesondere Großkonzerne desinvestieren. Dabei wird Anlagevermögen liquidiert und in kurzfristig verfügbaren Vermögensgegenständen gehortet. Da risikoadäquat gepreiste Darlehen zunehmend teurer werden, versorgen die Notenbanken die Geldmärkte mit günstigen kurzfristigen Krediten, um einerseits Investitionen anzureizen und andererseits eine durch Vertrauensdefizite ausgelöste Kreditklemme zu verhindern. Staaten oder supranationale Entitäten schnüren Konjunkturpakete mit Überbrückungscharakter, um den Zusammenbruch von Schlüsselindustrien und Massenarbeitslosigkeit abzuwehren. Sofern eine Volkswirtschaft über ungewöhnlich lange Zeit im Zustand der Rezession verharrt und sich kein Aufschwung, sondern im Gegenteil eine Verstärkung der Abwärtsspirale abzeichnet, droht eine Depression. Während der Ökonom Joseph Schumpeter in den 1930er Jahren eine Rezessionsphase als unbedingt zur kapitalistischen Zyklik gehörend bezeichnete, unterscheidet er eine Depression als eine abnorme Vernichtung von Vermögensgegenständen. In der Folge geraten ganze Volkswirtschaften in derartige Notlagen, die das Eingreifen des Staates beziehungsweise einer Staatengemeinschaft als unvermeidbar erscheinen lassen.

Aktienmärkte als Gradmesser für Konjunkturphasen

Aktienmärkte tendieren dazu, konjunkturelle Bewegungen vorwegzunehmen und den wirtschaftlichen Zyklen gewissermaßen vorauszulaufen. Innerhalb eines Konjunkturzyklus profitieren einzelne Branchen in verschiedenen Phasen - das heißt jede Phase kennt Gewinner und Verlierer. Die statistische Methode der Korrelationsanalyse gibt zunächst Aufschluss darüber, inwieweit bestimmte Sektoren konjunkturellen Wandel nachvollziehen, und ermöglicht deren Differenzierung nach drei Sensitivitäten in zyklisch, defensiv und neutral. In einem zweiten Schritt wird die Dynamik der Branchenentwicklung mit der des Gesamtmarktes verglichen und mit der Kennzahl Beta benannt. Ein Beta größer als Eins bezeichnet bekanntlich Aktien, welche die Bewegungen des Marktes - positive wie negative - übertreiben, ein Beta kleiner als Eins dagegen deutet auf Werte, deren Ausschläge unterhalb des Marktdurchschnitts liegen. Betaneutrale Werte bewegen sich im Gleichschritt mit dem Gesamtmarkt. Zyklik und Beta müssen sich nicht zwangsläufig entsprechen.

Die Unternehmensgewinne zyklischer Werte sind sehr eng mit dem wirtschaftlichen Wachstum verknüpft. Außerdem schneiden die Aktien von Zyklikern prinzipiell während eines Aufschwungs besser und während eines Abschwungs schlechter ab als ein für den Gesamtmarkt repräsentativer Index - ihr Beta liegt oberhalb von Eins. Dies trifft insbesondere auf die Sektoren Grundstoffe, Industrie und zyklischer Konsum zu. Ein hohes Beta bei zugleich neutraler Zyklik ist dagegen der Informationstechnologie eigen.

Die Gewinne defensiver Werte erweisen sich wiederum als grundsätzlich unabhängig vom Wirtschaftswachstum. Daher hinken ihre Kurse in positivem konjunkturellem Umfeld zwar hinter dem Gesamtmarkt her, schlagen diesen jedoch in schlechten Zeiten. Defensive Sektoren mit einem Beta kleiner als Eins sind Gesundheit, Versorgung und Telekommunikation. Als zyklisch neutral gelten die Branchen Finanzdienstleistungen, Energie und klassischer Konsum. Einzig Letzterer verfügt jedoch auch über ein entsprechend marktneutrales Beta von Eins. Die Aktien von Finanzunternehmen - sowohl über die Provisionseinnahmen als auch die Kreditbestände konjunkturellen Risiken exponiert - reagieren heftiger als der Index, Energietitel weisen hingegen eine geringere Dynamik auf.

Sektorrotation und ETFs

Anleger, die etwa einen geografischen Investmentansatz verfolgen, werden grundsätzlich diejenigen Regionen beziehungsweise Länder übergewichten, deren Volkswirtschaften sich gerade insgesamt in einer Aufschwung- oder Boomphase befinden. Solche exorbitanten Wachstums aussichten erzeugten im vergangenen Jahrzehnt hohe Investitionen in China und anderen Emerging Markets. Ohne sich der Fundamentalanalyse unzähliger Einzelwerte verschreiben und partikulare Börsenvorschriften kennen zu müssen, bieten Index-ETFs (Exchange Traded Funds) nicht nur die Möglichkeit, durch eine repräsentative und marktbreite Streuung die Risiken von Einzelengagements zu diversifizieren, sondern auch Potenzial zur Einsparung von Transaktionskosten durch transparente Managementund Verwaltungsgebühren. Zumeist besteht die Auswahl zwischen ausschüttenden und thesaurierenden Versionen des gleichen ETF; oftmals sind neben dem Euro noch weitere Nominalwährungen verfügbar.

Die rechtliche Konstruktion eines ETF als Sondervermögen, das im Konkursfall vom sonstigen Vermögen der Fondsgesellschaft separiert wird, sowie die periodischen Testate durch externe Prüfer erschließen zusätzliche Sicherheit gegenüber anderen Anlageformen. Zum Aufbau einer gehebelten Investition, das heißt einer Anlage mit Leverage, muss keineswegs eine Kreditaufnahme erfolgen. Vielmehr stehen ETFs mit einem konstanten Hebel, der handelstäglich angepasst wird, zur Verfügung.

Analog zum Vorgehen beim geografischen Investmentansatz sollte die Betrachtung der Sektorrotation - aus der sich die Bevorzugung eben derjenigen Titel ergibt, deren Branchen gerade konjunkturell begünstigt sind - fester Bestandteil eines aktiven Portfoliomanagements sein. Als Grundregel darf angenommen werden: in Aufschwung- und Boomphasen in zyklische Werte investieren, in Zeiten von Abschwung und Rezession defensive Titel übergewichten. Neutrale Branchen werden zur Risiko- respektive Dynamiksteuerung zugemischt.

Vorzüge von ETFs

Dieser aktive Ansatz kann durch den Einsatz von Sektor-ETFs mit den Vorteilen passiven Managements kombiniert werden. Sektor-ETFs sind sowohl mit globalem, regionalem sowie nationalem Anlageuniversum verfügbar. Auch Investoren, die mit einer Long-Short-Strategie auf die relative Überrendite eines Sektors gegenüber einem anderen Sektor setzen beziehungsweise im Rahmen einer Alpha-Strategie einen Sektor einem Gesamtmarkt gegenüberstellen möchten, werden im ETF-Segment fündig. Neben den bekannten ETFs, die eine Kauf- beziehungsweise Long-Position im zugrunde liegenden Index respektive Sektor halten, existieren ebenfalls Short-ETFs, mit denen Anleger von fallenden Kursen profitieren können. Damit sind auch komplexe Strategien, die lange Zeit ausschließlich institutionellen Anlegern mit hohen Anlagebeträgen vorbehalten waren, zu gleichen Konditionen für private Anleger und entsprechende Anlagevermögen investierbar. Die höchste Kunst der Sektorrotation ist zweifelsohne das Timing. Sektoren, die in Aufwärtsphasen besonders profitieren, leiden schneller und stärker, wenn es wieder abwärts geht. Risikoaverse Investoren schichten daher umso früher in Nicht-Zykliker um. In jedem Fall werden Anleger von einer aktiven Sektorrotation profitieren. In der Praxis bieten sich dem Investor unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten der Sektorrotation. Ein Direktinvestment in einzelne Werte eines begünstigten Sektors erscheint aus Diversifikationsgründen nur selten sinnvoll. Eine Umsetzung über ETFs liefert dagegen gewünschte Diversifikationseffekte, da sich im Regelfall in den relevanten Indizes die größten Unternehmen nach Marktkapitalisierung befinden. Zudem gibt es zahlreiche ETF-Produkte, die sich auf Sektoren beziehen, aber dennoch einzelne Branchen innerhalb eines Sektors ausgrenzen.

Denkbar ist auch, die Sektorrotation über Spezialfonds zu lösen. Um diese aufzulegen, bedarf es jedoch eines gewissen Anlagevolumens. Anleger, die das nicht aufbringen, könnten ihre Sektorrotation auch über Branchen-Publikumsfonds steuern. Aktive Fondsmanager suchen hierbei in aufwendigen Analyseverfahren die vielversprechendsten Werte eines Sektors. Allerdings sind die Aktienkörbe der aktiven Investmentfonds selten vollständig für den Investor transparent. Oftmals werden nur die zehn Top-Positionen aufgelistet. Im Gegensatz dazu gehören ETFs zu den transparentesten Investmentprodukten. Sowohl der zugrunde liegende Index als auch der tatsächliche Aktienkorb sind täglich und jederzeit für Investoren vollumfänglich einsehbar. Zudem liegen die Kosten für aktiv geführte Investmentfonds in der Regel deutlich über den Kosten der ETFs. Als passive Investments können sie auf aufwendige Auswahlverfahren verzichten und mit geringen Managementgebühren agieren.

Ein letzter Aspekt, warum die Sektorrotation über ETFs am effizientesten scheint, ist der starke Liquiditätsvorteil. Wie Aktien werden ETFs täglich an der Börse gehandelt und stellen damit ein schnelles Kaufen und Verkaufen sicher. In Zeiten stark volatiler Märkte kann das über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass es zahlreiche Möglichkeiten zur Umsetzung der Sektorrotation gibt. Doch nur ETFs vereinen so viele Vorteile auf sich. Sie sind transparent, kostengünstig im Kauf und Bestand, bieten eine hohe Diversifikation innerhalb eines Sektors an und sind extrem schnell handelbar. Eben weil sie diese Eigenschaften in einem Investmentvehikel bündeln, lässt sich die Sektorrotation über ETFs effizient, risikooptimiert und ohne hohe Research-Analysen durchführen.

Heike Fürpaß-Peter , Head of Lyxor Deutschland, Frankfurt am Main
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