Aufsätze

Spezialbankprinzip: Kraft durch Beschränkung

Die Finanzkrise hat die Finanzwirtschaft weltweit in erhebliche Turbulenzen gebracht. Aber es gibt auch Zweige der Finanzbranche, die davon nicht betroffen waren. In Deutschland sind das die Bausparkassen. Sie mussten durch die Finanzkrise keine Kreditausfälle hinnehmen, sie hatten daraus keine Werte zu berichtigen oder abzuschreiben, und sie mussten dafür keinerlei Rückstellungen bilden. Sie hielten weder "toxische" Papiere in ihren Portfolios noch mussten sie Zinsänderungen vornehmen oder Zuteilungen aussetzen. Das klassische Bauspargeschäft brachte sie nicht in Liquiditätsschwierigkeiten, und sie waren mit keiner Vertrauenskrise konfrontiert. Kein Bausparer hat durch die Finanzkrise auch nur einen Cent verloren, die Zuteilung von Bauspardarlehen erfolgt wie in den Jahren zuvor bei Erreichen der tariflichen Mindestvoraussetzungen. Kurzum: Das Bausparen und die Bausparkassen haben sich in der Finanzkrise als Stabilitätsanker des deutschen Finanzmarktes erwiesen. Wenn es darum geht, Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen, muss die Frage beantwortet werden, warum die Bausparkassen weder - wie viele Banken - Akteure oder Beteiligte waren, noch - wie die Versicherer - von den Auswirkungen mittelbar Betroffene.

Spezielle organisatorische und institutionelle Vorkehrungen

Die Antwort auf die Frage nach den Ursachen für diese Ausnahmestellung führt zum Kern des Bausparens, das in Deutschland Spezialkreditinstituten vorbehalten und durch das Bausparkassengesetz reglementiert ist. Und das aus gutem Grund: Denn das Bausparen ist keine Finanzdienstleistung wie jede andere. Es handelt sich um ein Zwecksparsystem, das laut Kreditwesengesetz ansonsten nicht zulässig ist. Der Gesetzgeber hat es allein für das Sparen für wohnungswirtschaftliche Zwecke erlaubt.

Durch spezielle organisatorische und institutionelle Vorkehrungen wie beispielsweise den Fonds zur bauspartechnischen Absicherung muss insbesondere die dauerhafte Erfüllbarkeit der Verträge, also die Einlösung der aufgebauten Anwartschaften und Optionen, beherrscht und sichergestellt werden. Dies stellt das Kernrisiko jedes Zwecksparens dar. Dieses bausparspezifische Sicherungssystem muss permanent weiterentwickelt und beispielsweise an die Anforderungen angepasst werden, die sich aus dem derzeitigen - lang anhaltenden - Niedrigzinsniveau ergeben. Außerdem muss die absolute Sicherheit der Einlagen gewährleistet sein.

Das Bausparkassengesetz weist deshalb das Bausparen Spezialkreditinstituten zu, deren Aufgabe es ist, die mit dem Zwecksparen verbundenen Risiken zu beobachten und zu steuern. Dabei handelt es sich um die Beherrschung komplexer Systeme, deren Determinanten nicht nur von aktuellen Marktgegebenheiten beeinflusst werden, sondern die teilweise weit in der Zukunft liegen. Nicht zu Unrecht verlangt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen der präventiven Tarifkontrolle von den Bausparkassen Berechnungen und Ergebnisaussagen über einen Zeitraum von 20 Jahren.

Einzigartige Sicherheitsarchitektur des Bausparens

Die Garantie der langfristigen Festzins- und Optionszusagen kann nur in Bausparkollektiven erfolgen. Diese entwickeln sich dynamisch. Das Kollektivsystem verlangt die kontinuierliche Gewinnung neuer Sparer zur Sicherung des systemnotwendigen Liquiditätsflusses. Deshalb hat das Neugeschäft im Bausparkassenmanagement Priorität. Das unterscheidet Bausparkassen von Banken. Würde Bausparen als Geschäftsfeld einer Universalbank betrieben, gerieten zwangsläufig auch andere Produkte in den Vertriebsfokus. Die Sicherstellung eines kontinuierlichen Bauspar-Neugeschäfts wäre gefährdet.

Doch nicht nur beim Neugeschäft verlangt Bausparen nach einem Spezialinstitut. Die Beschränkung auf das Bauspargeschäft verhindert, dass Bausparkollektive Risiken ausgesetzt werden, wie sie in anderen Geschäftsfeldern von Banken auftreten können. Bausparmittel können nicht für andere, kurzfristig attraktiver erscheinende Geschäftsfelder herangezogen werden. Der geschlossene Kreislauf aus Sparen und Darlehen stellt den Kern der Sicherheitsarchitektur des Bausparens dar und macht es aus Kundensicht "autark" gegenüber den Volatilitäten des Kapitalmarktes.

Natürlich agieren auch Bausparkassen nicht völlig unabhängig vom Kapitalmarkt. Auch sie legen dort Geld an. Für diese Anlagen gelten jedoch strikte Sicherheitsvorschriften. Gleiches gilt für die Neben- und Hilfsgeschäfte, die Bausparkassen im Zusammenhang mit dem unmittelbaren Bauspargeschäft erlaubt sind. Für außerkollektive Baudarlehen schreibt das Bausparkassengesetz Kontingentierungen vor. Unbeschränkt möglich ist die Refinanzierung von Vor- und Zwischenkrediten, die unmittelbar mit dem Bauspargeschäft in Verbindung stehen.

Nachhaltiges System

Die kurzfristige Nutzung von Ertragschancen und Marktopportunitäten oder wechselnde Vertriebsschwerpunkte - wie bei Banken üblich - sind mit dem langfristigen, auf Stetigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichteten Charakter des Bausparens unvereinbar. Das Bausparkassengesetz erlaubt es den Instituten nicht, solche Chancen wahrzunehmen und schließt damit automatisch auch die Risiken aus.

Natürlich hat das Spezialbankprinzip auch eine Kehrseite. Das Bauspargeschäft ist verglichen mit anderen Bankgeschäften relativ ertragsarm. Für Ertragsoptimierungen besteht auf der Produktseite angesichts langfristig garantierter Spar- und Darlehenszinsen kaum Spielraum. Das Spezialbankprinzip schließt aus, durch andere Finanzprodukte höhere Gewinne zu generieren. Trotzdem können die den Bausparkollektiven innewohnenden Potenziale genutzt werden. Dazu bedarf es allerdings keiner Eingliederung des Bausparens in Bankstrukturen. Cross Selling zwischen Bausparkassen, Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften ist innerhalb eines Verbunds, eines Konzerns oder einer Finanzgruppe erfolgreich möglich. Die beteiligten Finanzinstitute profitieren dabei von der Stabilität und den Potenzialen der Bausparkollektive. Bausparer sind disziplinierte Sparer und erfolgreiche Anleger, die auch bei der Geldvermögensbildung im Durchschnitt vor Nicht-Bausparern liegen.

Das Spezialbankprinzip beim Bausparen ist nicht nur aus kollektivtechnischer und betriebswirtschaftlicher Sicht systemnotwendig, sondern auch aus Verbraucherschutzgründen. Indem das Bausparkassengesetz den Rechts- und Regulierungsrahmen für die Tätigkeit der Bausparkassen schafft, stellt es auch den Schutz der Verbraucher sicher. Die positiven Wirkungen haben sich in der Finanzkrise, die zugleich auch eine Vertrauenskrise ist, deutlich gezeigt. Die Bausparkassen waren nicht nur keine Anlagerisiken eingegangen, sie waren auch keinem Reputationsrisiko ausgesetzt.

Das Bausparen und die Bausparkassen in Deutschland genießen nicht erst seit der Finanzkrise das uneingeschränkte Vertrauen der Anleger, sondern seit Jahrzehnten. Und sie sind darauf angewiesen, dass das so bleibt. Um zu ermessen, welche Bedeutung Vertrauen für das Bausparen besitzt, genügt es sich vorzustellen, ein in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geratenes Finanzinstitut, wie beispielsweise die Hypo Real Estate, hätte auch Bausparen betrieben. Selbst wenn die Kollektivmittel durch entsprechende gesetzliche Vorschriften abgesichert gewesen wären, hätte das Vertrauen der Kunden erheblichen Schaden genommen. Negative Auswirkungen auf das Neugeschäft wären die Folge gewesen, mit entsprechenden Auswirkungen auf das Bausparkollektiv und auf das Bausparsystem insgesamt.

Spezialbankprinzip in Finanzkrise bewährt

Die deutschen Bausparkassen hatten und haben also in der Finanzkrise deshalb eine Ausnahmestellung, weil sie die Fehler der Banken gar nicht machen durften. Das Bausparkassengesetz begründet mit dem Spezialbankprinzip ein sich selbst regulierendes System zum Schutz der Verbraucher, der Finanzinstitute und des Marktes. Ein Blick auf ausländische Immobilienmärkte zeigt: Die deutsche Kultur des Vorsparens und der Eigenkapitalbildung hat gegenüber verschuldungsorientierten Systemen große Vorteile. Diese Vorteile werden jedoch erst dauerhaft und sicher, weil sie in Gestalt der Bausparkassen institutionalisiert sind.

Ein Blick auf die Entwicklung in Großbritannien zeigt: Die Liberalisierung der dortigen Bausparkassen hat dazu geführt, dass sich diese Institute zu Quasi-Universalbanken gewandelt haben, von denen die meisten in Folge der Finanzkrise in großen Finanz-Konglomeraten aufgegangen sind. Auch die Situation in den USA lehrt, dass das Modell des "Finanzsupermarktes" wesentlich zur Verschärfung der Krise beigetragen hat. Wenn unter dem Dach eines Instituts Investmentbanking, Retail-Geschäft, Versicherungen, Hypothekendarlehen und Verbraucherkredite gemanagt werden, muss das zwangsläufig zu Konflikten führen.

Schutz vor Krisenauswirkungen

Das Spezialbankprinzip allein kann zwar keine Finanzkrisen verhindern, es stellt jedoch sicher, dass ein wesentlicher Teil des deutschen Baufinanzierungsmarktes - die Bausparkassen sind mit jährlichen Auszahlungen von rund 40 Milliarden Euro die bedeutendsten Wohnungsbaufinanzierer vor Krisenauswirkungen geschützt wird. Das Bausparkassengesetz beschränkt Bausparkassen auf das Bausparen und verbietet anderen Kreditinstituten diese Tätigkeit - ein "systemischer" Vorteil des deutschen Marktes, der bewahrt werden muss. Allerdings muss es möglich sein, die gesetzlichen Grundlagen weiterzuentwickeln, beispielsweise um Produktinnovationen zu schaffen oder die Steuerungssystematik zu verbessern. Das Spezialbankprinzip allerdings darf dabei nicht angetastet werden.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X