Aufsätze

Verbriefung als Alternative der Mittelstandsfinanzierung

Eine wichtige Säule der europäischen, aber insbesondere auch der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand mit seiner Vielzahl von Betrieben, dem hohen Anteil an Beschäftigung und Wertschöpfung. Durch die Finanzkrise hindurch war er ein robustes Zugpferd und leistete einen signifikanten Beitrag zur derzeitig guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland.

Sorge um Finanzierungsquellen

Traditionell erfolgt die Finanzierung dieses Wirtschaftssektors durch die Banken. Die Nachwehen aus der Finanzkrise und der sich dadurch verändernden Regulierung führen allerdings dazu, dass Banken, vor dem Hintergrund neuer Kapital- und Liquiditätsanforderungen, ihre Bilanzen und insbesondere langfristige Finanzierungen überdenken und teilweise zurückfahren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Politik und Verbände um die künftige Versorgung des Mittelstandes mit Finanzierungsquellen sorgen.

Alternativen bei der Mittelstandsfinanzierung können durch institutionelle Investoren, Privatpersonen oder generell den Kapitalmarkt erfolgen, also alles Kanäle, die die komplette Abhängigkeit von der kreditgebenden Bank reduzieren. Im Fokus der aktuellen Diskussion stehen zunehmend wieder die von den Banken begebenen Wertpapiere mit gebündelten Krediten, die sogenannten Verbriefungen. Ursprünglich als Auslöser der Finanzmarktkrise gebrandmarkt, sehen viele Parteien, auch etwa die Europäische Zentralbank (EZB), in ihnen mittlerweile eine Lösung, um die künftige Finanzierung der Wirtschaft und damit das benötigte Wachstum sicherzustellen.

Unstrittig sind die verschiedenen möglichen Vorteile von Verbriefungen, wie etwa die Entlastung der Bankbilanz, die Möglichkeit Kapital freizusetzen und natürlich auch Liquidität, also Funding zu generieren. Ein funktionierender ABS-Markt hat somit direkte Vorteile für die Banken und indirekte für den kreditsuchenden Mittelstand.

Was bedeutet dies aber konkret für den deutschen Verbriefungsmarkt von Mittelstandskrediten? Der Markt klassischer True-Sale-Verbriefungen mit einem Bilanzabgang der Mittelstandskredite für Funding-Zwecke war und ist in Deutschland nicht so ausgeprägt wie in südeuropäischen Ländern, insbesondere in Spanien oder Italien. Hinzu kommt, dass seit einigen Jahren die Banken ihre True Sale Verbriefungen nahezu komplett als Sicherheit für Finanzierungsgeschäfte der EZB bereitstellen. Papiere werden zum größten Teil nur noch speziell für die EZB als Sicherheit strukturiert und dann eingereicht. Ein normales Angebot, also eine Platzierung bei regulären Investoren, kommt fast gar nicht mehr vor.

Auswirkungen auf den Verbriefungsmarkt

Die günstige Liquidität der EZB hat dazu geführt, dass sich Banken wesentlich billiger bei der Zentralbank unter Zuhilfenahme der ABS-Papiere refinanzieren konnten als selber am Kapitalmarkt mit direkt platzieren Transaktionen. Die Coupon-Anforderungen der Investoren sind im Vergleich zu den Zentralbankkosten zumeist deutlich höher und können sogar teilweise mit den Margen auf den verbrieften Krediten kaum erwirtschaftet werden. Verschärft wird dies dadurch, dass Investoren für die weiterhin herrschende Unsicherheit über die kommende Regulierung häufig noch eine zusätzliche regulatorische Prämie einpreisen.

Ihre gute Reputation können Mittelstandskredite in letzter Zeit auch bei einer weiteren Form des Fundings ausspielen. So genannte Structured Covered Bonds, wie zum Beispiel der von der Commerzbank emittierte "SME Structured Covered Bond", kombinieren Strukturelemente eines Pfandbriefes mit denen einer Verbriefung. Dieses Produkt kann durch seine Besicherung mit Mittelstandskrediten eine Rating- beziehungsweise Kostenverbesserung im Vergleich zu einer reinen unbesicherten Bankanleihe erzielen. Aber auch hier gilt, dass die Banken aktuell über ausreichend Liquidität durch Zentralbank und Kundeneinlagen verfügen. Die Notwendigkeiten der Strukturierung solcher Programme beziehungsweise der Platzierung von weiteren Emissionen ist somit nicht vordringlich.

Hilft weitere Liquidität? Viele Marktbeobachter sehen in zusätzlicher Liquidität der EZB, wie zum Beispiel durch die geplanten zielgerichteten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO), keine Lösung für das Grundproblem bei der Mittelstandsfinanzierung. Die gegenwärtige Liquiditätsausstattung ist in den meisten Fällen komfortabel und die Finanzierungslevel für Banken so niedrig wie nie.

Unsicherheit über die benötigte Kapitalausstattung

Vielmehr dürfte die Unsicherheit über die notwendige beziehungsweise im Stressfall benötigte Kapitalausstattung der Institute eine weitere Kreditvergabe und den damit erhofften Wachstumsschub verhindern. Die diskutierten ABS-Käufe durch die EZB dürften nach dem aktuellen Stand eher Senior Bonds betreffen und weniger auf Mezzanine oder gar Equity-Tranchen abzielen. Diese wären aber zum Entlasten der Bankbilanzen beziehungsweise dem Risikotransfer eher nötig und hätten den gewünschten Hebel zum Anschub der Kreditvergabe. Dafür wären insbesondere auch die synthetische SME-Verbriefungen sehr effektive Instrumente. Bei ihnen verbleiben die Kredite auf der Bankbilanz und nur das Kreditrisiko wird in den Kapitalmarkt transferiert. Sie ermöglichen die Kapitalfreisetzung für Neugeschäft und adressieren mit ihren Blindpools zudem die Datenschutzbedürfnisse der Mittelständler.

Bereits 2002/2003 wurde in Deutschland die Unternehmensfinanzierung erfolgreich durch diese synthetische Verbriefungsvariante mit Hilfe der KfW und ihrem Verbriefungsprogramm Promise für Kredite an mittelständische Unternehmen unterstützt. Aber auch von Privatbanken in Deutschland begebene Syntheten konnten erfolgreich am Markt platziert werden und erwiesen sich durch die Finanzkrise hindurch als sehr stabil. Die im Zuge der Krise drastisch veränderten Rahmenbedingungen, insbesondere bei den Ratingagenturen, führten zu einer Abkehr von großen extern gerateten sogenannten "public" Transaktionen hin zu stärker maßgeschneiderten Transaktionen mit wenigen oder gar nur einem Investor. Ein großer Teil dieser platzierten Transaktionen dürfte also eher "private" vonstattengehen und nur in Randnotizen in der Presse auftauchen. Ratingagenturen sind hier kein hilfreicher Indikator mehr, da es zunehmend Transaktionen ohne externe Ratingagenturen gibt. Zumeist wird der aufsichtliche Formelansatz (SFA) gewählt.

Wartehaltung bei vielen Banken

Die fortdauernde Unklarheit über die zukünftige regulatorische Behandlung beziehungsweise die notwendigen Vorkehrungen bei den Originatoren führen bei vielen Banken zu einer Wartehaltung. Daraus resultiert ebenfalls ein stark schrumpfendes Angebot dieses Verbriefungssegmentes, das nicht im direkten Fokus der Zentralbanken liegt. Es gibt aber weiterhin spezialisierte Investoren, viele auch aus dem weniger regulierten Umfeld, die nicht zuletzt in der aktuellen Niedrigzinsphase solche Risikoprämien gerne verdienen wollen. Diese sehr professionellen Investoren sind zudem in der Lage, größere Platzierungen teilweise alleine aufzunehmen.

Die beste Käuferbasis für diese Mezzaninen oder gar Equity-Tranchen bilden private institutionelle Investoren. Staatliche Impulse beziehungsweise Garantien wie zum Beispiel bei den derzeit in Frankreich begonnenen SME-Programmen oder Initiativen des EIF können aber hilfreich flankieren, um den Markt für den notwenigen Risikotransfer zu unterstützen. Das eigentliche Dilemma, die regulatorische Unsicherheit beziehungsweise drohende Verschlechterungen werden sie aber nicht beseitigen können.

Die derzeitigen Vorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht über die zukünftige Behandlung von Verbriefungen lassen insbesondere bei den Risikogewichten eine signifikante Verschlechterung für das Instrument Verbriefung - ja sogar fast eine Diskriminierung - befürchten. Im Vergleich zu Instrumenten mit ähnlichem Risikoprofil beziehungsweise Underlying wie direkten Krediten oder auch Pfandbriefen sind die regulatorischen Anforderungen für Verbriefungen deutlich konservativer.

Die geplanten Maßnahmen unterscheiden nicht die zugrunde liegenden Forderungen, ob also deutsche Mittelstandskredite, Automobilfinanzierungen oder Subprime-Kredite vorliegen. Das Problem von vielen der vorgeschlagenen Maßnahmen ist die Kalibrierung auf die schwache Performance des amerikanischen (Subprime-) Verbriefungsmarktes und nicht des starken europäischen Verbriefungsmarktes. Eine Standard & Poor's Studie aus dem Jahre 2014 über die Ausfallraten im Zeitraum Mitte 2007 bis Ende 2013 zeigt dies deutlich. Während die europäischen Verbriefungen eine Ausfallrate von 1,5 Prozent aufwiesen, waren es bei den amerikanischen Verbriefungen über 18 Prozent.

Es sind aber nicht nur die Kapitalanforderungen des Baseler Ausschusses bei Banken, sondern auch die Vorschläge der Versicherungswelt - eine traditionelle Investorenschaft für Verbriefungen - durch die EIOPA mit den Solvency-II-Regeln. Auch in der Behandlung bei der Liquidity Coverage Ratio (LCR) durch die European Banking Authority (EBA) wird die unterschiedliche Behandlung deutlich. Hinzu kommen noch weitere Diskussionsfelder, in denen die Ausgestaltung der Details sehr entscheidend ist, wie zum Beispiel Anforderungen in Bezug auf Due Diligence, Risk Retention, Reporting, High Cost Credit Protection oder zum signifikanten Risikotransfer.

Sollten die Ende 2013 gemachten Basel-Vorschläge unverändert eingeführt werden, dürften die Effekte auf Verbriefungen und somit indirekt auch auf Kreditvergabe und Wachstum eher negativer Natur sein.

Diskussion zwischen Geldpolitik und Aufsehern

In einem Grundsatzpapier von EZB und Bank of England (BoE) über Bedeutung und Weiterentwicklung des Verbriefungsmarktes wurde eine inhaltliche Diskussion zur Behandlung von Verbriefungen zwischen Geldpolitik und Aufsehern angestoßen. Die Forderung der Geldpolitik ist es, realwirtschaftliche Verbriefungen, die dazu noch einfach und transparent strukturiert sind, differenzierter zu betrachten. Dies ist generell zu begrüßen und wurde von den Marktteilnehmern mit entsprechenden Kommentaren unterstützt. Verbriefte Mittelstandskredite bieten sich hier aufgrund ihrer stabilen Performance in der Vergangenheit genauso wie wegen ihres direkten Bezuges zur Wirtschaft an.

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich die Initiative von EZB beziehungsweise BoE bei den Aufsehern durchsetzen kann und wie dann eine vielleicht weniger konservative regulatorische Behandlung im Detail ausgestaltet ist. Es muss bei den Entscheidungsträgern ein Sinneswandel in Bezug auf Verbriefungen herbeigeführt werden. Die Herausforderung liegt hier sowohl im politischen Willen eine solche Kehrtwende zu vollziehen als auch in den fachlichen Details einer Umsetzung.

Abwarten an der Seitenlinie

Als Fazit kann man festhalten, dass sich die robusten Mittelstandskredite für eine Besicherung von Anleihen gut eignen, und Investoren diese Unterlegung, insbesondere wenn es den deutschen Mittelstand beinhaltet, schätzen. Das Instrument der Verbriefung kann somit eine wirkungsvolle Alternative der künftigen Mittelstandsfinanzierung darstellen und hat dies in der Vergangenheit auch schon getan hat. Die Erfahrungen dazu sind zumeist positiv.

Bei einigen Aspekten gab es in der Vergangenheit auch kritische Stimmen, aber die Institute haben - teilweise durch in der Zwischenzeit eingeführte neue Anforderungen - bereits diverse Lehren aus der Finanzkrise gezogen und zum Beispiel die Transparenz weiter erhöht oder die Anreize weiter an die der Investorenschaft oder Regulatoren angeglichen. Der europäische Verbriefungsmarkt für Mittelstandskredite ist aber dennoch nicht auf dem Niveau, auf dem er sein könnte und viele Marktteilnehmer ihn sich wünschen.

Durch das aktuell günstige Funding bei den Zentralbanken haben die Banken kaum Interesse Verbriefungen zu platzieren. Die unklare und sich weiterhin ändernde regulatorische Behandlung lassen viele Akteure an der Seitenlinie untätig verharren. Sie warten verständlicherweise ab, wie sich die Auflagen und regulatorischen Behandlungen entwickeln. Die Analyse von Kosten und Nutzen wird in der Zukunft ein noch wichtigerer Gradmesser über die zukünftige Rolle des Instrumentes Verbriefungen für die Banken sein. Auch bei den Investoren sind die Nachwehen aus der Finanzkrise und der Rolle von ABS dabei noch zu spüren. Diese Barrieren können explizit in den gesetzlichen Vorgaben, aber auch implizit in Vorbehalten bei dem Entscheidungsträger liegen.

Sollten die verschiedenen Maßnahmen besser untereinander koordiniert und mit Augenmaß gelöst werden, kann das Instrument der Verbriefung bereitstehen und die zugedachten Aufgaben erfüllen. Bis dahin dürfte das Angebot an verbrieften Mittelstandsfinanzierungen aber eher gering und punktuell erfolgen.

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