Sparkassenverbund 2012 - Aufsätze

Verbünde aus Sicht der Aufsicht

Die Bankenaufsicht1) hat sich historisch aus dem Gewerberecht entwickelt. Wie in der Gewerbeordnung, zu der das 1934 als Reaktion auf den Zusammenbruch der deutschen Kreditwirtschaft 1931 ergangene KWG und das hierauf aufbauende KWG von 1961 eine Spezialregelung darstellt, steht das einzelne Unternehmen im Zentrum der gesetzlichen Regelungen. Dem Einzelinstitut werden Rechte gewährt und Pflichten auferlegt.

Aufsicht über Institutsgruppen

Erstmalig mit der 3. KWG-Novelle von 19842) wurden Vorschriften zur Aufsicht über Kreditinstitutsgruppen formuliert. Mittels Tochtergesellschaften konnten zuvor an das haftende Eigenkapital anknüpfende Geschäftsbeschränkungen durch mehrfache Ausnutzung unterlaufen werden. Durch ein von der gesellschaftsrechtlichen Konsolidierung unabhängiges bankaufsichtliches Zusammenfassungsverfahren wurde der Aufbau dieser Kreditpyramiden weitgehend unterbunden.3) Die 5. KWG-Novelle4) erweiterte 1994 den bankaufsichtlichen Konsolidierungskreis5) und führte die Finanzholding-Gruppe ein. Mit der 6. KWG-Novelle6) wurden im Jahre 1997 Finanzdienstleistungsinstitute einbezogen; terminologisch erweiterte sich die Aufsicht über Kreditinstitutsgruppen zur Aufsicht über Institutsgruppen.7) Das Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz8) führte 2004 die Konsolidierungspflicht auch für "Horizontale Institutsgruppen" ein.

Wirklich praktisch wird Konsolidierung nicht, in dem einen Bundesland gibt es zwei, in dem anderem überhaupt keine Institutsgruppe. Die Sparkassen-Finanzgruppe9) selbst erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer nach den §§ 10, 10a KWG zu konsolidierenden Institutsgruppe. Nach Art. 33 (1) (h) und (i) CRR-E sind spätestens ab 1. Januar 2018 unmittelbare und mittelbare Beteiligungen vom Kernkapital abzuziehen. Die Regelung ist strenger als die bisherige, die nur den Abzug unmittelbarer Beteiligungen verlangt. Die geänderte Abzugsregelung trifft die Sparkassen insbesondere deshalb, weil Verbundbeteiligungen häufig mittelbar über die Regionalverbände gehalten werden und daher bisher nicht abzugspflichtig waren.

Institute, die zu einer Instituts (oder Finanzholding-)gruppe gehören, können den Abzug wie bisher durch Einbeziehung der Beteiligungsunternehmen in die aufsichtliche Konsolidierung vermeiden. Instituten, die einem Haftungsverbund angehören, eröffnet Art. 46 (3) CRR-E diese Möglichkeit bei einer konsolidierten Rechnung für die ihm angehörenden Institute. Der Aggregationskreis der vom Haftungsverbund der S-Finanzgruppe erstellten aggregierten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung umfasst die Abschlüsse aller Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen. Die Befürchtung, dass sich Institute gegenseitig Eigenmittel, insbesondere nachrangige Verbindlichkeiten, zur Verfügung stellen, konnte entkräftet werden.

Das BMF hat daher der dänischen Ratspräsidentschaft einen Vorschlag zur Ergänzung von Erwägungsgrund 19 der CRR-E vorgelegt. Hierin wird klargestellt, dass von Haftungsverbünden, die nicht als Konzern organisiert sind, das Konsolidierungserfordernis als erfüllt gilt, wenn eine erweiterte aggregierte Berechnung/virtuelle Konsolidierung vorgelegt wird, die einer handelsrechtlichen Konsolidierung insbesondere mit Blick auf Zwischengewinn-Eliminierung gleichwertig ist.

Das Verbundrisiko

Die S-Finanzgruppe besteht aus 423 Sparkassen, acht Landesbank-Konzernen, zehn Landesbausparkassen, elf regionalen öffentlich-rechtlichen Erstversicherergruppen sowie der Deka-Bank und weiteren Finanzdienstleistungsunternehmen mit insgesamt 600 Unternehmen.10) Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband11) organisiert im Verbund mit den Regionalverbänden die gemeinsame Willensbildung und ist für die strategische Ausrichtung verantwortlich. Mit einem aggregierten Geschäftsvolumen von 3250 Milliarden Euro, 360300 Mitarbeitern sowie einem Marktanteil von fast 40 Prozent stellt der öffentlich-rechtliche Bankensektor für den deutschen Finanzplatz durchaus ein systemrelevantes Risiko dar. Man kann sich daher die Frage stellen, ob die S-Finanzgruppe als Risikoeinheit zu betrachten ist und neben den Einzelinstituten zusätzlich der Verbund beaufsichtigt werden sollte.

Bisher wurde davon ausgegangen, dass Verbünde für die Einzelinstitute eher risikomindernd wirken, da bei Ausfallgefährdung eines Instituts dieses automatisch durch die anderen Verbundpartner gestützt werden würde. Spätestens seit der Finanzkrise ist es augenscheinlich, dass sich die Zugehörigkeit zu einem Verbund auch als risikoerhöhend herausstellen kann. Ohne staatliche Stützung der Landesbanken wäre der Verbund wohl überfordert gewesen. Mehrere kleinere bis mittelgroße Stützungsfälle im Sparkassenbereich würden eine erhebliche Herausforderung darstellen. Einzelinstitute und Verbund bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Daher ist bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit des Einzelinstituts auch die Risikotragfähigkeit des Verbundes ein wichtiges Datum.

Die zahlreichen Verflechtungen im Verbund können zusätzliche Risiken bergen, die im einzelinstitutsbezogenen Ansatz unzureichend berücksichtigt werden. Hierzu gehören zentrale Dienstleistungen der Landesbanken und der Deka-Bank für die Sparkassen.12) Ein Ausfall träfe alle angeschlossenen Institute.

Steuerung

Sparkassen setzen zur Steuerung eine Vielzahl gleichartiger DV-Systeme ein: Die Mehrheit misst, steuert und überwacht Zinsänderungsrisiken mit S-Treasury. Von vielen wird CPV13) zur Messung und Darstellung von Adressenrisiken in einem Kreditportfolio eingesetzt. Die Kreditvergabe ist ein Kerngeschäft; das RAP14)-Tool errechnet den individuellen Kreditzinssatz. Das SVE15)-Tool ist ein zentraler Baustein zur Steuerung des Adressenausfallrisikos. Mit ihm lassen sich Verlustquoten frühzeitig einschätzen. Auch für die Messung der Risiken im Portfolio CPV werden die Ergebnisse des SVE-Tools benötigt. Mit dem Sparkassen-Standard-Rating wird das Risiko im Unternehmenskundenbereich bewertet. Das Immobiliengeschäfts-Rating dient zur Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit gewerblicher Immobilienkunden.

Das Sparkassen-Kunden-Scoring ermöglicht die Einschätzung der Bonität von Privatkunden; es bildet eine Grundlage für Kreditentscheidungen, Vertriebssteuerung, Port foliosteuerung und risikogerechte Preisstellung. Die Verwendung einheitlicher Produkte, Systeme, Prozesse und Verfahren führt zu Risikoerhöhungen aufgrund gleichgerichteten Verhaltens. Den Systemen liegen Annahmen zugrunde. Sofern es zu Systemstörungen, modellmäßigen Falschannahmen beziehungsweise Fehlprogrammierungen kommt, steuern alle Sparkassen "in die falsche Richtung". Gleiches gilt bei problematischen Formulierungen für zentral erarbeitete Musterverträge.

Die Fusion der Rechenzentren zum gemeinsamen DV-Dienstleister Finanz Informatik GmbH & Co. KG16) führt zu einer Risikokonzentration, die im Worst Case den gesamten Verbund "lahm legen" kann. Das zentrale Rechenzentrum stellt eines der bedeutendsten operationellen Risiken der S-Finanzgruppe dar. Bisher können nur die ausgelagerten Bereiche der Institute bei den Insourcern, nicht aber die Insourcer selbst beaufsichtigt werden.

Die FI hat sich Anfang 2010 verpflichtet, Jahresabschlussprüfungsberichte, Risikoberichte sowie die wesentlichen Berichte der von den Prüfungsstellen der regionalen Sparkassenverbände bei der FI durchgeführten Revisionsprüfungen vorzulegen. Seit diesem Jahr werden jährliche Informationsgespräche unter Teilnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Vorsitzenden der Geschäftsführung durchgeführt.

Der Haftungsverbund umfasst 13 Sicherungseinrichtungen: elf regionale Sparkassen-Stützungsfonds, die Sicherungsreserve der Landesbanken und Girozentralen sowie den Sicherungsfonds der Landesbausparkassen. Wenn bei der Stützung einer Sparkasse die Mittel des betroffenen Regionalfonds, gegebenenfalls nach Nachschüssen der Mitglieder, nicht ausreichen, kommt es zum "Überlauf", bei dem sich die anderen Regionalfonds der Sparkassenverbände quotal nach ihrer Größe am Stützungsfall beteiligen müssen. Zuletzt würde der Fonds der Landesbanken und Landesbausparkassen in Anspruch genommen. Der Unterstützungsmechanismus ist kein Automatismus, sondern abhängig von qualifizierten Mehrheiten. Eingriffsrechte zur vorbeugenden Eliminierung oder Reduzierung riskanter Aktivitäten oder Engagements sind begrenzt.

Die Erfahrung zeigt, dass dieser Prozess schleppend verlaufen kann: Ein Verband fordert Unterstützung durch die anderen Regionalfonds an. Daraufhin gibt es ein "Gezerre" um die Art der Sanierung (Ausfallbürgschaften, Garantien oder Barmittel) und die Höhe der Sanierungsbeiträge. Die anderen Stützungsfonds fordern zunächst die volle Ausschöpfung der Belastungsmöglichkeiten des betroffenen Regionalfonds sowie eine angemessene Beteiligung der kommunalen Träger. Entscheidungen werden unter Gremienvorbehalt formuliert. Zu viele Entscheidungsträger sind involviert.

Informationsquellen der Aufsicht

Ein Rechtsanspruch auf Stützung existiert nicht. Trotzdem ergibt sich ein faktischer Zwang zum Beistand innerhalb der S-Finanzgruppe aus dem Wert der Marke, welcher anderenfalls gefährdet wäre. Wie geht die Aufsicht mit dem Verbundrisiko um? Bisher kann sie auf folgende Informationsquellen zugreifen:

- aggregierte Bilanz und aggregierte Gewinn- und Verlustrechnung,

- unregelmäßig auf Anforderung: unterjährige Erfolgsspannenrechnungen des DSGV mit Prognosen/Hochrechnungen zum Geschäftsjahresende betreffend die Ertragslage, aggregiert für alle deutschen Sparkassen;

- nur unterschiedlich und unregelmäßig: unterjährige Erfolgsspannenrechnungen der regionalen Sparkassenverbände für ihre jeweiligen Sparkassen,

- Jahresabschlüsse der regionalen Sicherungsfonds;

- Berichte der Ratingagenturen;

- Gespräche mit DSGV, regionalen Sparkassenverbänden, Prüfungsstellen und Sicherungseinrichtungen;

- anlassbezogene Umfragen bei den Instituten.

Der bankaufsichtliche Informationsbedarf ist immens, insbesondere zur Vorbereitung finanzpolitischer Entscheidungen in kritischen Zeiten. Gespräche und Umfragen sind allerdings aufwendig; die sporadischen Erfolgsspannenrechnungen decken nur einen Teilbereich des Bedarfs ab.

Wünschenswert wäre eine Verstetigung und Erweiterung des Informationsflusses, etwa die regelmäßige Einreichung von den gesamten Verbund betreffenden Unterlagen:

- Erfolgsspannenrechnungen beziehungsweise Prognosen/Hochrechnungen zur Ertrags- und Risikolage (aufgegliedert nach den wichtigsten Ergebniskomponenten, durchschnittlich pro Institut und gesamt, inklusive Bewertungsergebnisse/Einzel wertberichtigungen, Cost Income Ratio, SolvV-Kennziffer und Kernkapitalquote),

- Bestände und Bewegungen Depot-A,

- Monitoringergebnisse der Regionalverbände,

- Darstellungen der Gesamtrisikotragfähigkeit für den Verbund,

- Zahlen und Informationen zu verbundsinternen Transaktionen/Geschäften,

- Angaben über operationelle Risiken aufgrund vereinheitlichter Systeme, Prozesse und Produkte,

- einen "Gesamtbanksteuerungsreport" (unter anderem S-Treasury, Credit Portfolio View) für den Verbund,

- einen konsolidierten Jahresabschluss nach IFRS,

- zusammengefasste Bista-Meldungen/ Monatsausweise.17)

Änderungen vorstellbar?

Auch die Schließung aufsichtsfreier Räume wäre zu diskutieren. Gegenüber den institutssichernden Einrichtungen gibt es bislang wenig Befugnisse. Manches wird durch Selbstverpflichtungen erreichbar sein, anderes durch Gesetzesänderungen. Zu denken wäre an:

- Erstreckung der Aufsicht auf Verbände und Rechenzentren (systemrelevante Insourcer),

- Zusammenschluss der einzelnen Sicherungssysteme,

- Befugnis der Aufsicht, auf die Höhe der Umlage der Sicherungseinrichtungen Einfluss nehmen zu können,

- umfassenden Überblick über die wirtschaftliche Situation der Mitgliedsinstitute an zentraler Stelle beim DSGV und nicht nur bei den regionalen Sparkassenverbänden,

- effizientere Einwirkungsmöglichkeiten der Sicherungssysteme auf die Mitgliedsinstitute,

- Verpflichtung zur Sicherung im Bedarfsfall und zur rechtzeitigen Bereitstellung der Sicherungsmaßnahme.

Sparkassenorganisationsrecht ist Landesrecht. Die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Bundes sind beschränkt. Regelungen über Ländergrenzen erforderten gegebenenfalls Staatsverträge der Bundesländer. Einen Zwischenschritt böten auf das jeweilige Bundesland begrenzte Regelungen. Ein Fazit ist erkennbar: Das Erkennen des Verbundrisikos ist relativ einfach; die Formulierung praktischer Schlussfolgerungen steckt noch in den Anfängen. Sie gestaltet sich deutlich schwieriger.

Die Ausführungen stellen die private Auffassung des Verfassers dar, keine amtliche Äußerung der BaFin. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der Autor bedankt sich bei Regierungsamtmann Matthias Huhn für umfangreiche Vorarbeiten. Eine Einbeziehung des BVR, für den sich vergleichbare Fragen stellen, hätte den Umfang des Beitrags gesprengt.

Fußnoten

1) Nachfolgend: Aufsicht. Die Rechtsaufsicht der Länder (Staats- beziehungsweise Sparkassenaufsicht) kann hier nicht behandelt werden.

2) BGBl. I S. 1693.

3) Panowitz/Jung, KWG, 1988, § 10 a Rn. 1.

4) BGBl. I S. 2735.

5) Um Finanzunternehmen und Unternehmen mit bankbezogenen Hilfsdiensten.

6) BGBl. I S. 2518.

7) Vgl. im einzelnen Reischauer/Kleinhans, KWG, § 10 a, Rn. 5ff.

8) BGBl. I, S. 3610.

9) Nachfolgend S-Finanzgruppe.

10) Der Finanzbericht 2012, Finanzgruppe DSGV, Stand: 15. Mai 2012.

11) Nachfolgend DSGV.

12) Zum Beispiel eine gemeinsame Plattform für Konsumentenkredite.

13) = Credit Portfolio View.

14) = Risk adjusted Pricing.

15) = Sicherheitenverwertungs- und Einbringungstool

16) Nachfolgend FI.

17) Künftiger Terminus gemäß § 25 KWG-E: Finanzinformationen.

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