Steuerrecht

Tipke/Lang, Steuerrecht, Seer/Hey/Montag/Englisch/Hennrichs, Verlag Dr. Otto Schmidt, 23. Auflage 2018, LXVI 1662 S., broschiert, 64,80 Euro; ISBN 978-3-504-20150-0

Im Rahmen der Verpflichtung gem. § 18 KWG wird von den Kunden die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse verlangt. Dazu gehören, neben den betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Jahresabschlüssen und Lageberichten, Steuererklärungen und Steuerbescheide. Ehrlicherweise muss man feststellen, dass sich der Dschungel des Steuerrechts weder dem steuerlichen Berater noch den Beschäftigten in den Finanzämtern erschließt.

Dass Bankmitarbeitern häufig die notwendigen Kenntnisse zur Analyse steuerlicher Unterlagen fehlen, führt dazu, dass wichtige Daten zur Beurteilung des Kunden, insbesondere im periodischen Vergleich, nicht abgerufen werden und sich Alarmsignale nicht erschließen. Dass der Tipke/Lang deshalb unverzichtbar ist und in jede Handbibliothek gehört, hat gleich mehrere Gründe: Das Werk ist die einzige systematische Gesamtdarstellung des deutschen Steuerrechts und umfasst neben der Abhandlung des Steuerschuldrechts (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer), die prägnante Darstellung des Steuerverfahrensrechts. In der druckfrisch vorliegenden 23. Auflage haben die Verfasser unter anderem aktuell eingearbeitet: das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG, Entscheidung des Großen Senats des BFH zum Sanierungserlass, zahlreiche Richtlinien der EU, EU-Datenschutz-Grundverordnung.

Nützliche Verwendung im Bankbetrieb

Bei abhängig Beschäftigten ist die Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse relativ einfach und überschaubar; schwieriger gestaltet sich die Beurteilung von Selbstständigen, hier sind die Ausführungen zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung, dem Bilanzsteuerrecht ausgesprochen hilfreich. Zu häufigen Missverständnissen mit dem Kunden führt die Unkenntnis von § 18 EStG: Selbstständige sind weder nach § 140 AO noch § 141 AO buchführungspflichtig. Hilfreich sind deshalb die Erläuterungen zum freien Wahlrecht zwischen dem Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG, der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG und Verknüpfung der steuerrechtlichen mit den handelsrechtlichen Regeln. Von hoher Relevanz für das Kreditinstitut ist die Bewertung von angebotenen, hereingenommenen, freizugebenden oder zu verwertenden Sicherheiten. Der Abschnitt "Ansatz von Wirtschaftsgütern und sonstigen Bilanzposten" (dem Grunde nach) mit Hinweisen auf die BFH-Rechtsprechung, die den Begriff des "Wirtschaftsgutes" weit fasst, liefert überzeugende Hilfen, wie die vorhandenen Informationen effizient und zutreffend auszuwerten sind. Bereits vor der Hereinnahme stellt sich die Frage nach dem Charakter der Sicherheit. Zweifel in Bezug auf selbstständige, unselbstständige Wirtschaftsgüter, ihre subjektive Zurechnung und Bewertung werden ausgeräumt.

Das Werk thematisiert umfassend "Mitunternehmerschaft" und "zweistufige Gewinnermittlung" - da die Hausbank bei allen wesentlichen unternehmerischen Vorgängen bei wichtigen Kunden beteiligt ist, darf sie ihre Beratungskompetenz nicht nur aus den Kenntnissen des Handels- und Gesellschaftsrechts beziehen, sondern muss notwendigerweise steuerliche Faktoren berücksichtigen. Von hohem Interesse sind deshalb die Abhandlungen zur "Besteuerung von Sondervorgängen: Gründung, Umstrukturierungen, Veräußerungen, Erbfolge, Betriebsaufgabe und Realteilung", rechtsformabhängigen Besteuerung: Belastung bei der Gründung, im laufenden Betrieb. Diese Erläuterungen sind auch für die Beratung und Begleitung von Existenzgründern nützlich. Ebenso relevant ist das Kapitel zur "Umwandlung von Unternehmen" mit Hinweisen auf die Missbrauchsverhinderungsregelung des § 15 Abs. 2 UmwStG und die Erörterung der grenzüberschreitenden und ausländischen Umwandlungen. Der Nutzer wird die klare Darstellung des gesamten Blocks zur Umsatzsteuer mit hohem Gewinn lesen; schwierige Fragen werden umfassend und nachvollziehbar beantwortet.

Bank und Steuerbetrug

Zu beachten ist, dass Banken immer mehr für Steuerbetrug mitverantwortlich gemacht werden, da sie über umfassende Informationen bezüglich des laufenden Geschäftsbetriebs des Kunden verfügen, die sich auch aus der Offenlegungspflicht gem. § 18 KWG gegenüber der BaFin und dem gesetzlichen Prüfer ergeben. Wichtig sind die Hinweise zur EU-Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden zur Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (VO (EU) Nr. 904/ 2010 und der Abschnitt zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug und -ausfällen; bereits seit längerer Zeit sind die "Karussellgeschäfte" ins Blickfeld gerückt, ein Thema, dass auch für Bankmanager von Interesse ist. Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen zu den "besonderen Verfahren der Sachaufklärung" (§ 21 Durchführung der Besteuerung): Außenprüfung, Steuerfahndung; Nachschau gem. § 210 AO, § 27b UStG als Ad-hoc-Kontrolle und Präventionsinstrument von Relevanz. Das Gleiche gilt für den Datenschutz im Besteuerungsverfahren, auch wegen der Hinweise auf die EU-Datenschutz -Grundverordnung, und das Steuergeheimnis nach § 30 AO.

Dem Gesamtverständnis des Steuersystems dienen die Darlegungen zu den "Grundlagen der Steuerrechtsordnung", mit erhellenden Hintergründen, aber auch prägnanter Kritik: schleichende, aber stetige Fortentwicklung von der gerechten Steuer zur "Dummensteuer" - der schlecht Informierte, schlecht Beratene zahlt. Ergänzende Kenntnisse vermitteln die Kapitel Steuerverfassungsrecht, Rechtsanwendung im Steuerrecht und Europäisches Steuerrecht.

Umgang der Bank mit dem Finanzamt

Weitere wertvolle Informationen für den Umgang der Bank mit der Steuerbehörde bietet das Werk in § 21 Durchführung der Besteuerung (Kooperationsmaxime: Fürsorge- und Betreuungspflicht der Steuerbehörde gem. § 89 Abs. 1 AO, verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 - 7 AO, verbindliche Zusage gem. §§ 204 - 207 AO, zulässige tatsächliche Verständigung mit der Steuerbehörde): Steuerverwaltungsakt, Ermittlungsverfahren, Korrektur von Steuerverwaltungsakten.

Die Ausführungen zur Betriebsprüfung/ Außenprüfung sind deshalb wichtig, weil die Resultate für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden herangezogen werden und damit für die gesamte Geschäftsbeziehung von entscheidender Bedeutung sein könnten. Ebenso lohnend: § 22 Rechtsschutz in Steuersachen, hier vor allem: Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren, Gerichtliches Rechtsbehelfsverfahren; § 23 Materielles Steuerstraf- und -ordnungswidrigkeitenrecht.

Fußnoten kein Selbstzweck

Umfangreiche Rechtsprechungs- und Literaturhinweise zu jedem Abschnitt ermöglichen die vertiefte Beschäftigung mit der interessierenden Frage. Die Fußnoten sind kein Selbstzweck, sondern dienen dem Lesernutzen - sie erweitern den Informationsgehalt erheblich, mit ergänzenden, auch kritisch hinterfragenden Anmerkungen, Rechtsprechungshinweise mit kurzgefasster Aussage zum Inhalt der Entscheidung. Das mit hohem Aufwand erstellte 87-seitige Stichwortverzeichnis ist ein wertvolles Arbeitsmittel und verweist zuverlässig auf alle Fundstellen zu dem gesuchten Thema.

Der Tipke/Lang ist hier von jeher der umfassende, wertvolle Ratgeber für das gesamte Steuerrecht; der Leser wird fündig zu jedem steuerlichen Aspekt des Rechnungswesens. Das Werk erschließt dem Anwender Hilfen zur Beurteilung einer Geschäftsbeziehung und liefert zudem wichtige Argumente für die Diskussion mit der gesetzlichen Prüfung im Hinblick auf die unterschiedliche Bewertung von Sicherheiten, was für ein Kreditinstitut von existenzieller Bedeutung ist. Dieses umfassende Kompendium erfüllt in vorzüglicher Weise die Funktion eines Lehrbuchs und praxisbezogenen Nachschlagewerkes auf dem neuesten Stand der Rechtsprechung und Literatur. Verfasser und Verlag haben auch mit dieser Neuauflage wieder ein Handbuch der Spitzenklasse vorgelegt, das für jeden Bankbetrieb unverzichtbar ist.

Abschließender Hinweis: Der Tipke/Lang ergänzt die zwei in "Kreditwesen" empfohlenen Titel: Braun/Günther (Hrsg.), "Das Steuer-Handbuch: ABC-Praxis des Steuerrechts", Verlag Dr. Otto Schmidt, Grundwerk 3 Bände, 3 658 S., in: ZfgK 6/2018 sowie Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht mit Zoll- und Verbraucherstrafrecht, 8., völlig überarbeitete Aufl. 2015, XXVII, 987 S., Verlag C.H. Beck, München, ISBN: 978-3-406-65094-9, Rezension in: ZfgK 11/2017, 562.

Hartmut Glenk, Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin

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