Bankenchronik Ausgabe 10/2020

23. April bis 8. Mai 2020

Das Bundesverfassungsgericht (BVfG) hat am 5. Mai 2020 seine Entscheidung zu mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das Staatsanleihekaufprogramm Public Sector Purchase Programme, kurz PSPP, bekannt gegeben. Der Zweite Senat hat den Beschwerden stattgegeben. Danach haben die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletzt, indem sie es unterlassen haben, dagegen vorzugehen, dass die Europäische Zentralbank in den für die Einführung und Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüssen weder geprüft noch dargelegt habe, dass die hierbei getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig seien. Dem stehe das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 11. Dezember 2018 nicht entgegen, da es im Hinblick auf die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der zur Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüsse schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und damit ebenfalls ultra vires, sprich in Überschreitung der bestehenden Befugnisse, ergangen sei. Das Gericht weist zudem explizit darauf hin, dass es einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung nicht festgestellt habe und dass die aktuellen finanziellen Hilfsmaßnahmen der EU oder der EZB im Rahmen der Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie nicht Gegenstand der Entscheidung waren.

Die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA wird der Europäischen Kommission erst Ende Dezember 2020 ihre finalen technischen Empfehlungen für den Review des europäischen Aufsichtsregimes für Versicherer, Solvency II, vorlegen. Aufgrund des Corona-Virus sei der bisherige Termin vom 30. Juni 2020 nicht zu halten, da auch die Folgen der Pandemie für die Finanzmärkte und das Versicherungsgeschäft abgeschätzt werden sollen.

Um die Fähigkeit der Banken zur Kreditvergabe zu stärken und die unmittelbaren Folgen der Corona-Krise abzumildern, hat die EU-Kommission vor kurzem eine temporäre Lockerung der Eigenkapitalanforderungen im Rahmen eines Maßnahmenpakets vorgeschlagen. Die Kommission geht davon aus, dass mit diesem Paket Eigenkapitalerleichterungen im Volumen von 450 Milliarden Euro für europäische Banken erreicht werden können. Unter anderem müssen die nach IFRS 9 zwingend vorgeschriebenen Rückstellungen für zu erwartende Kreditverluste in diesem und dem kommenden Jahr nicht gebildet werden. Nun hat sich aber Fitch Ratings als erste der drei großen Ratingagenturen dazu entschlossen, weiterhin zu erwartende Kreditverluste gemäß Bilanzstandard IFRS 9 in ihre Bewertung der Kapitalbasis von Banken mit einfließen zu lassen. Die Ratingagentur sieht Schätzungen zur Wertberichtigung als vorausschauende Indikatoren für die Aktiva-Qualität der Banken an, besonders, wenn makroökonomischer Stress ein Risiko für die Schuldendienstfähigkeit darstellt.

Die Allianz und die spanische Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) gründen ein Bancassurance-Joint-Venture und schließen eine langfristige Distributionsvereinbarung zum Verkauf von Schaden- und Unfallversicherungen in Spanien. Die Allianz beteiligt sich mit 277 Millionen Euro für 50 Prozent plus einer Aktie an dem Gemeinschaftsunternehmen. Zusätzlich stellt sie einen Betrag von bis zu 100 Millionen Euro zur Erreichung konkreter Geschäfts- und Betriebsziele zur Verfügung.

Die spanische Universalbank Banco Santander erwirbt für 350 Millionen US-Dollar (rund 400 Millionen Euro) eine 50,1-prozentige Beteiligung am Londoner Fintech-Unternehmen Ebury. Dieses bietet speziell kleinen und mittelständischen Unternehmen Lösungen für den internationalen Geldtransfer über eine Plattform. Von der Investitionssumme wurden bereits 70 Millionen US-Dollar verwendet, um die internationalen Expansionspläne von Ebury in Lateinamerika und Asien zu unterstützen. Mit der Akquisition setzt die Banco Santander ihre digitale Strategie um und baut ihr Geschäft im Bereich Global Trade Services weiter aus.

Die Royal Bank of Scotland (RBS) wird aufgrund der Corona-Pandemie ihre eigenständige Digitalbank Bó nach nur etwa sechs Monaten schließen. Bó soll abgewickelt und die Technologie in die hauseigene Mittelstandsplattform Mettle integriert werden.

Die Deutsche Bank führt als Reaktion auf die Niedrigzinspolitik der EZB Verwahrentgelte im Privatkundengeschäft ein. Die Negativzinsen sollen ab 18. Mai 2020 bei Neuverträgen für hohe Einlagen jenseits des Freibetrags von 100 000 Euro je Konto erhoben werden. Von der Maßnahme betroffen sind demnach Giro- und Tagesgeldkonten von neuen Privatkunden der Deutschen Bank und Postbank.

Die M-Bank bleibt Teil des Commerzbankkonzerns. Dieser hat beschlossen, die Mehrheitsbeteiligung in Höhe von 69,3 Prozent an der polnischen Tochter zu halten und den Verkaufsprozess damit zu beenden. Im aktuell von der Corona-Krise geprägten Umfeld erscheint der Commerzbank eine Transaktion zu attraktiven Bedingungen, die dem tatsächlichen Wert der M-Bank entsprechen, nicht erreichbar. Die Strategie "Commerzbank 5.0" soll jedoch weiter vorangetrieben werden.

Die Wirecard AG, Aschheim, reagiert mit einem Vorstandsumbau sowie der Überprüfung der operationellen Exzellenz auf die anhaltende Kritik an dem Unternehmen, die nach Veröffentlichung der Sonderprüfung durch KPMG laut wurde. So wird der Vorstand um zwei Sitze auf insgesamt sieben Mitglieder erweitert, vor allem mit dem Ziel, die Bereiche Compliance, Vertrieb und Finanzen zu stärken. Darüber hinaus werden Strukturen, Prozesse und insbesondere die internen Kontrollsysteme im Unternehmen überprüft und zugunsten einer lernenden und sich kontinuierlich verbessernden Organisation ausgelegt.

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