Anlagestrategien in der Post-Corona-Zeit

Alexander Schindler, Foto: Union Investment

Gut zehn Jahre nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise hält die Corona-Pandemie neue Anforderungen für Investoren bereit. Mit Hilfs- und Konjunkturprogrammen in Billionenhöhe haben die Staaten weltweit für Stabilität an den Real- und Finanzmärkten gesorgt. Der Eingriff der Politik in die Märkte hat Folgen, auf die sich Investoren nun einzustellen haben. Was ist zu tun? Alexander Schindler, Vorstand für das Geschäft mit institutionellen Kunden bei Union Investment, dem Asset Manager der genossenschaftlichen Finanzgruppe, plädiert für die Beachtung eines altbekannten Investmentprinzips. Für ihn liegt die Antwort in der verstärkten Diversifikation. Dabei sollten Anleger seiner Meinung nach nicht nur regional diversifizieren, auch könnten alternative Investments aufgrund geringer oder gar negativer Korrelation zu Aktieninvestments zu einer Verbesserung des Risiko-Rendite-Profils eines Portfolios beitragen. (Red.)

Vor allem in den Industriestaaten haben die Regierungen schnell und umfassend auf die Corona-Krise reagiert. Bereitwillig wurden die Geldhähne weit geöffnet, um den durch die Pandemie verursachten Schaden für Gesellschaft und Wirtschaft in Grenzen zu halten. Hierzulande brachte die Bundesregierung das größte Hilfspaket für die Wirtschaft in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg. Auch Brüssel machte zügig gigantische Summen locker. Und in den USA entschied sich die Politik für Hilfsprogramme in Billionenhöhe. Die Kapitalmärkte nahmen die staatliche Unterstützung dankbar auf. An den Aktienmärkten war der Schock schnell verdaut. Weltweit gingen die Börsenkurse inzwischen kräftig nach oben. Mancher Anleger konnte davon profitieren.

Dies ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Denn obwohl die Aktienquote bei vielen institutionellen Investoren in den vergangenen Jahren angestiegen ist, machen Anleihen nach wie vor den Hauptbestandteil in den Portfolios aus. Mit Blick auf diese Tatsache bringen die zweifellos erforderlichen Hilfsprogramme dann aber eine eher unangenehme Erkenntnis mit sich. Nämlich die, dass das Niedrigzinsumfeld mit all seinen Herausforderungen nun auf Jahre hinaus zementiert werden dürfte. Denn so viel steht fest: Nur mit weiterhin extrem niedrigen Zinsen lässt sich die gigantische Neuverschuldung, mit der die verschiedenen Hilfsmaßnahmen finanziert werden, haushaltspolitisch halbwegs in den Griff bekommen.

Darüber hinaus sorgt das Thema Inflation für Unbehagen bei den Anlegern. Die Sorge um den Erhalt realer Renditen schwappt vor allem aus den USA herüber. Dort scheint sich die Wirtschaft infolge der Hilfsprogramme derart erholt zu haben, dass eine Überhitzung nicht ausgeschlossen werden kann. Zwischenzeitlich erreichte die US-Inflationsrate einen Wert von fünf Prozent, nachdem sie zu Beginn des Jahres noch bei 1,4 Prozent gelegen hatte. Auch in Europa zieht die Teuerungsrate an. Und so mancher Beobachter stellt sich die Frage, ob die Inflation gekommen ist, um zu bleiben, und was es bedeuten würde, wenn sich die Inflationsrate deutlich über dem von der EZB anvisierten Ziel von zwei Prozent pro Jahr einpendeln würde. Trotz einer starken Dynamik kann hier wohl Entwarnung gegeben werden. Dennoch sorgt das Thema für Verunsicherung bei Investoren.

Risiken wieder im Vordergrund

Gleiches gilt auch mit Blick auf die Aktienmärkte. Zwar besteht dort weiterhin Potenzial. An den Kapitalmärkten wird jedoch zunehmend der Übergang in die "Nach-Corona-Zeit" eingepreist. Mit einem fortgesetzt starken Anstieg der Kurse ist daher nicht zu rechnen. Es wird wohl langsamer bergauf gehen. Die Aktie bietet damit weiterhin Chancen für Anleger. Allerdings rücken nun auch die Risiken wieder stärker in den Vordergrund, ebenso wie die Frage, ob der nicht zuletzt auch politisch begründete Aufschwung an den Aktienmärkten Bestand haben kann oder vielleicht doch auf tönernen Füßen steht. Taktisches und selektives Agieren in Rahmen eines aktiven Managements wird vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewinnen. Bei allen Herausforderungen, welche die Post-Corona-Phase für Investoren bereithält, sind diese den Geschehnissen nicht hilflos ausgeliefert. Denn das Investmentuniversum hat sich in den vergangenen Jahren stetig ausgedehnt. Damit ist einerseits zwar die Komplexität der Kapitalanlage gestiegen. Andererseits aber steht Investoren nun eine große Vielfalt an Möglichkeiten zur Verfügung, ihre individuellen Renditeziele zu erreichen. Dort, wo es möglich ist, sollte daher das gesamte Spielfeld genutzt werden. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Anlageregionen als auch auf die Anlageklassen.

Ein Blick in die Portfolios hiesiger Investoren zeigt allerdings, dass viele von ihnen dazu neigen, überproportional in Deutschland und im Euroraum zu investieren. Zu den Gründen für den Home Bias zählen eine (gefühlt) bessere Informationsbasis bezüglich des Wirtschaftsgeschehens im eigenen Land, Sprachbarrieren und eine länderspezifische Regulierung. Außerdem können höhere Transaktionskosten im Ausland, Währungseffekte oder Steuervorschriften eine Rolle spielen. Mit der Fokussierung auf die heimischen Märkte schränken Anleger die regionale Diversifikation ihrer Portfolios jedoch unnötig ein. Sie verzichten damit freiwillig auf eine wichtige Möglichkeit der Risiko-Rendite-Optimierung.

Diese Erkenntnis konnten Union Investment in einer internen Studie klar belegen. Darin wurden die Auswirkungen einer Internationalisierungsstrategie mit Schwerpunkt auf den liquiden Assetklassen Aktien und Renten untersucht. Da Investoren in der Praxis mit Regulierungsvorschriften konfrontiert sind, die zum Teil den Spielraum für eine Internationalisierung der Kapitalanlage begrenzen können, untersuchte die Studie die Attraktivität einzelner, sequenzieller Internationalisierungsschritte. Dahinter steckt die Überlegung, dass eine vollständige Internationalisierung nicht zwangsläufig erforderlich ist. Auch einzelne Schritte können das Portfolio verbessern. Die Untersuchung weist nach, dass eine differenzierte Internationalisierungsstrategie fast immer in der Lage ist, das Portfolio zu optimieren. Sie gibt Auskunft, wie international diversifizierte Investmentstrategien in der Praxis als Antwort auf die schwierigen strukturellen Rahmenbedingungen im Euroraum und die Auswirkungen der Corona-Pandemie funktionieren können.

Und noch ein weiteres Argument spricht für die regionale Diversifikation. Nämlich die Erwartung, dass Corona und die sich abzeichnende neue Blockbildung mit den USA und China als Hauptprotagonisten die schon zuvor existierenden Tendenzen zur Deglobalisierung in bestimmten Bereichen weiter beschleunigen könnten. Eine weniger integrierte Weltwirtschaft aber bedeutet, dass sich an den Kapitalmärkten der Gleichlauf verschiedener Anlageregionen reduzieren könnte. Dadurch wiederum stiege das Diversifikationspotenzial durch Internationalisierung.

Einbeziehung alternativer Investments

Eine effektive Diversifikation ist heute ohne die Einbeziehung alternativer Investmentstrategien kaum mehr vorstellbar. Inzwischen haben daher zunehmend mehr Investoren das Thema für sich entdeckt und sind entsprechend investiert. Noch aber gibt es Berührungsängste und eine gewisse Zurückhaltung im Umgang mit alternativen Investments. Diese gilt es abzubauen. Denn alternative Investments wie etwa Private Equity, Private Debt oder Infrastruktur bieten grundsätzlich wichtige Vorteile. Erstens: Sie weisen zwar eine erhöhte Komplexität sowie eine geringere Liquidität auf, ermöglichen allerdings gerade deshalb attraktive Renditen. Zweitens: Abhängig von der Art der alternativen Investments korrelieren diese nur schwach oder sogar negativ mit den Aktien- oder Anleihemärkten. Dadurch können alternative Investments das Portfolio nicht nur unter schwierigen Marktbedingungen vor der Volatilität an den Aktien- und Anleihemärkten schützen. Drittens: Der Einsatz alternativer Investmentstrategien sorgt so für ein robusteres Portfolio mit einem verbesserten Rendite-Risiko-Profil.

All diese Vorteile werden inzwischen auch von deutschen institutionellen Investoren vermehrt gesehen. Dies jedenfalls lässt sich unter anderem auch aus der Investor Survey 2020 des Bundesverbandes Alternative Investments (BVAI) ablesen. Diese bescheinigt ein starkes Interesse der Anleger an alternativen Investmentmöglichkeiten. Die Gründe hierfür sehen die Befragten vor allem in der verbesserten Portfoliodiversifikation (96 Prozent), dem guten Rendite-Risiko-Verhältnis (85 Prozent) sowie im Niedrigzinsumfeld (75 Prozent). So verwundert es nicht, dass das verwaltete Vermögen deutscher Investoren in alternativen Anlagen allein zwischen 2018 und 2019 um 27,3 Prozent angestiegen ist. Und das Interesse hält an. Unter anderem auch deshalb, weil alternative Investments die aktuelle Krise bisher überwiegend gut weggesteckt haben und ihr Leistungsversprechen weitgehend erfüllen konnten.

Für Kapitalgeber ist das gegenwärtige Umfeld weiter günstig. Zum einen gibt es einige Unternehmen, die zwar von den Auswirkungen der Pandemie hart getroffen wurden, aber ein erhebliches Aufholpotenzial aufweisen und dafür Kapital benötigen. Zudem ist davon auszugehen, dass infrastrukturelle Maßnahmen künftig noch stärker über private Finanzierungen erfolgen werden. All das ermöglicht gute Chancen für die Kapitalanlage.

Dass mancher institutioneller Investor dennoch zurückhaltend agiert, ist wahrscheinlich auf die erhöhte Komplexität alternativer Investments zurückzuführen. In der Regel erfordern diese zusätzliche Spezial- und Marktkenntnisse sowie einen höheren Aufwand bei Prüfung und laufender Begleitung eines Investments, zumal diese zumeist über mehrere Jahre laufen. Etablierte und professionelle Partner können jedoch helfen, tatsächliche und gefühlte Hürden auf dem Weg zu alternativen Investments zu überwinden. Denn für viele Asset Manager sind alternative Investmentstrategien längst kein Neuland mehr. Sie können ihre Erfahrungen und ihr Netzwerk mit Investoren teilen. So lassen sich auch auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Investoren zugeschnittene Lösungen finden.

Alexander Schindler , Mitglied des Vorstands , Union Investment
Noch keine Bewertungen vorhanden


X