Zur Attraktivität regional basierter Geschäftsmodelle

Prof. Dr. Thomas A. Lange, Foto: Daniel Biskup

Der BdB ist ohne Zweifel der mit Abstand heterogenste der großen deutschen Bankenverbände. Doch während die Vorstellung dessen, was eine große Universalbank, eine Auslandsbank oder ein Privatbankiers ist, noch relativ klar umrissen ist, fallen derartigen Abgrenzungen bei den so genannten Regionalbanken ungleich schwerer. Der Autor zeigt in diesem Beitrag verschiedene Möglichkeiten der Definition auf, viele von ihnen aus seiner Sicht unzureichend, da die Vielfältigkeit der regionalen Geschäftsmodelle nicht treffend genug gewürdigt wird. Diese so der Autor, hätten aber mit ihrer Konzentration auf private und mittelständische Kunden immer wieder bewiesen, absolut wettbewerbsfähig zu sein. Von der Rückbesinnung auf nationale und regionale Werte im Zuge der gegenwärtigen eher skeptischen Sicht der Globalisierung erhofft er sich einen zusätzlichen Schub für die regional aufgestellten Banken. Ein Freibrief für eine auskömmliche Zukunft sei das aber nicht. Vielmehr müsse man sich mehr denn je mit der Tragfähigkeit des eigenen Antritts auseinandersetzen. (Red.)

Der deutsche Bankenmarkt ist durch ein großes Maß an Vielfalt gekennzeichnet. Die hier vertretenen Institute bieten eine Vielzahl von Dienstleistungen an, die teilweise identische, teilweise unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Die Struktur des Bankenmarktes lässt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten einer Ordnung zuführen. Dazu gehört auch die Definition des Geschäftsgebietes. Global oder international, national oder regional sind Beschreibungen, die hierbei anzutreffen sind. Die damit verbundenen Überzeugungen stehen gelegentlich im Wettstreit miteinander.

Insbesondere im Zuge der Konsolidierungsdebatte wird von unterschiedlichen Protagonisten die Forderung von Institutszusammenschlüssen gestellt. Das bezieht sich auch auf die sogenannten Regionalbanken. Aber was ist unter dem Begriff einer Regionalbank zu verstehen? Welche Perspektive ist maßgebend? Letztlich, so ließe sich argumentieren, ist jedes regional tätige Institut auch international tätig. Insofern erscheint es sinnvoll, zunächst den Versuch zu unternehmen, den Begriff Regionalbank zu präzisieren, um anschließend die Frage nach der Attraktivität regional basierter Geschäftsmodelle zu beantworten.

Schwierige Begriffsabgrenzung

Der Begriff der Region hat eine Vielzahl von Dimensionen. Vom Sprachgebrauch her bezeichnet er in der Mehrzahl der Fälle ein Gebiet, das geografisch, politisch, ökonomisch und/oder administrativ eine abgrenzbare Einheit bildet. Aber auch weitere einheitsbegründende Kriterien wie Kultur, Religion oder Topografie sind von Relevanz. Bei Übersetzungen tritt eine Schwierigkeit hinzu, denn der Begriff der Region hat in anderen Sprachen weitere Gestaltungsmerkmale. So wird im Englischen das Wort "region" vergleichsweise eng mit politischen Gestaltungen verbunden, während im Deutschen die noch vergleichsweise starke Konnotation zum etymologisch institutionell besetzten Begriff der Landschaft vorhanden ist.

Bei dem Versuch, den Begriff der Region inhaltlich zu präzisieren, lassen sich methodisch zwei Kriterien heranziehen: zum einen die Homogenität, zum anderen die Funktionalität. Bei dem ersten werden Gebietseinheiten zu homogenen Regionen zusammengefasst, die einander in bestimmten Indikatoren (sehr) ähnlich sind. Beispiele hierfür sind das Einkommensniveau, eine einheitliche Geologie oder ein vergleichbares Klima. Nach dem Funktionalitätsprinzip werden Gebietseinheiten zusammengefasst, welche miteinander nach bestimmten Indikatoren in besonders enger Verbindung beziehungsweise wechselseitiger Abhängigkeit stehen.

Beispiele für entsprechende Abgrenzungen sind Verflechtungen wirtschaftlicher Faktoren, ökologischer Systeme oder auch der Hydrografie. Danach lässt sich das Ruhrgebiet als industrieller Ballungsraum bis zum Abschied vom heimischen Steinkohlenbergbau Ende 2018 unter das Funktionalitätsprinzip und damit als Gebietseinheit subsumieren.

Beide Abgrenzungsversuche tragen jedoch Schwächen in sich, denn sie setzen die Verfügbarkeit von Daten voraus, die etwa mit Blick auf amtliche Statistiken oder topografische Aspekte zumeist nicht vorhanden sind. Aus diesem Grund stellt die Gliederung nach dem Verwaltungsprinzip eine weitere Möglichkeit dar, den Begriff der Region inhaltlich zu erfassen. Hiernach werden sie als administrative Einheiten verstanden, die durch spezifische sozioinstitutionelle Strukturen geprägt sind. Bundesländer, Landkreise und Gemeinden sind die typischen Beispiele hierfür.

Große Vielfalt

Die Analyse der nach ihrem eigenen Selbstverständnis regional tätigen Banken zeigt, dass die vorstehend genannten, theoretisch geprägten definitorischen Ansätze nur teilweise zutreffend sind. Soweit die Sparkassen betroffen sind, ist die Gliederung nach dem Verwaltungsprinzip zutreffend. Auf kommunaler Ebene, zumeist als Anstalten des öffentlichen Rechts gegründet, ist - verallgemeinernd ausgedrückt - der geschäftliche Schwerpunkt mit der räumlichen Dimension der jeweiligen Gebietskörperschaft identisch.

Schwieriger ist es mit den Volks- und Raiffeisenbanken. Sie stehen mit ihren rund 10 000 Filialen in Deutschland für ein umfassendes breites Angebot an Finanzlösungen. Sie sehen sich laut ihrem gemeinsamen Auftritt unter "Finanzgruppe.de" als "regional verwurzelt" und sind von dem Selbstverständnis getragen, "den Menschen in der Region" als Partner zur Verfügung zu stehen. Daraus lässt sich sprachlich-interpretativ eine gewisse Örtlichkeit als Geschäftsgebiet ableiten, ein Ansatz, der auch durch den im genossenschaftlichen Sektor anzutreffenden Begriff der "Ortsbank" gestützt wird.

Soweit die privaten Institute betroffen sind, gerät der Versuch der sprachlichen Einordnung jedoch an seine Grenzen, denn die nach ihrem eigenen Verständnis "klassischen" Regionalbanken haben sich zumeist durch Kaufleute mit Blick auf eine bestimmte regional anzusprechende Zielgruppe entwickelt. Dabei spielten formaldefinitorische Kriterien keine Rolle. "Customs & practice", wie es im englischen Recht zur Beschreibung gewohnheitsrechtlicher Grundsätze heißt, beschreiben Entwicklung und Typik dieser Häuser zutreffend. Dabei ist im Institutsvergleich ein hohes Maß an Heterogenität anzutreffen. Kaum eine in Deutschland tätige Regionalbank lässt sich noch mit einer anderen vergleichen.

Regionalbanken lassen sich kaum vergleichen

Auch die Annahme einer verbandspolitischen Perspektive hilft nicht weiter. So umfassen die Volks- und Raiffeisenbanken gleichermaßen Genossenschaften und Aktiengesellschaften. Und auch bei den im Bundesverband deutscher Banken zusammengeschlossenen Häusern zeigt sich, dass unter der Bezeichnung der Regionalbanken eine Gruppe von Instituten zusammengefasst wird, die im Rahmen einer wörtlichen Interpretation des Wortes, zumindest in seiner sprachlichen Assoziation, irreführend ist. Es ist ein ungeordnetes Sammelsurium von Auslandsbanken, Direktbanken und zukünftig auch den Wertpapierhandelsbanken. Der ursprüngliche Kern der dieser Gruppe den Namen gebenden Institute wie die National-Bank oder die Oldenburgische Landesbank ist über die Jahrzehnte sowohl durch die Konsolidierung der Kreditwirtschaft als auch durch die Veränderung von Geschäftsmodellen schrittweise kleiner geworden.

Relative Grenzen

Zur Lösung der sprachlichen beziehungsweise definitorischen Schwierigkeiten mit dem Ziel einer terminologischen Präzisierung erscheint es deshalb sinnvoll, dem Begriff des Wortes "regional" im Gegensatz zu "eine Region" nicht der Bestimmung eines absoluten geografischen Ausmaßes, also die Festlegung einer absoluten Grenze, sondern eine relative Grenze, bezogen auf den eigenen Standpunkt, beizumessen. Das ermöglicht sowohl die terminologische Präzisierung als auch die notwendige inhaltliche Flexibilität unterschiedlicher regional basierter Geschäftsmodelle.

Dies umso mehr, als bei deren holistischem Verständnis sowohl historische als auch geschäftliche Entwicklungszusammenhänge zu berücksichtigen sind. Damit werden Institute wie das Bankhaus Max Flessa oder die Union Bank ebenso erfasst wie die National-Bank oder die Oldenburgische Landesbank.

Die Rückschau auf diese und andere in diesem Sinne vergleichbare Institute zeigt, dass bezogen auf die angestammte (traditionelle) Geschäftstätigkeit, mit Blick auf die National-Bank also ohne den Aufbau eines signifikanten Portfolios verbriefter Finanzierungen in den Jahren 2005 bis 2007 und mit Blick auf die Oldenburgische Landesbank also ohne den Versuch des Aufbaus der Allianz-Bank in der Zeit der Zugehörigkeit zu dem Allianz-Konzern, stets eine nachhaltige Profitabilität, verbunden mit einer entsprechenden Rentabilität, zu verzeichnen gewesen war.

Offenbar hat das hinsichtlich seiner bankbetrieblichen und -organisatorischen Komplexität vergleichsweise überschaubare Geschäftsmodell mit seinem Fokus auf Privat- und mittelständische Firmenkunden eine Attraktivität, die im Wettbewerb seine Tragfähigkeit beweist. Langjährige von gegenseitigem Vertrauen getragene Beziehungen, eine tiefe Verwurzelung vor Ort mit einem für Dritte deutlich erkennbaren kulturellen und gesellschaftlichen Engagement beweisen, dass die jeweilige Region für das Institut tatsächlich und nicht nur verbal von Relevanz ist.

Grundlegend verändertes Umfeld

So wird eine Identifikation offensichtlich, die ihren Reflex gegenüber dem jeweiligen Haus entfaltet. Es wird als Teil der Heimat assoziiert. Für die National-Bank kommt aufgrund ihrer Rechtsform als Aktiengesellschaft begünstigend hinzu, dass ihre Aktien an keiner öffentlichen Börse zum Handel zugelassen sind. Vielmehr erfolgt das Market Making durch das Institut. Dabei werden die Anteilscheine so platziert, dass ausschließlich Kunden berücksichtigt werden. Das schafft eine das Geschäftsmodell stützende Identität, die zwar auch genossenschaftliche Häuser kennzeichnet, jedoch ist das durchschnittliche Investment in die National-Bank wesentlich höher.

In einem sich gesellschaftlich grundlegend ändernden Umfeld, in dem die Globalisierung - unabhängig von der Corona-Pandemie sowie klimatologischer Herausforderungen - schrittweise an ihre Grenzen stößt, hat für viele Menschen der Begriff der Heimat, der einer Region immanent ist, einen positiven Klang. Es ist ein Wort, das viele europäische Sprachen gar nicht kennen. Heimat, für Martin Walser war das noch "der schönste Name für Zurückgebliebenheit". Heimat, würde vermutlich Theodor Fontane sagen, ist ein weites Feld.

Revival der Regionalität

Heute erlebt Heimat ein Revival. Bücher erscheinen zu diesem Begriff, er ist Stoff vieler Filme. Deutschland hat mittlerweile einen Heimatminister und der Bundespräsident zeigte sich am 6. Februar 2020 bei einem Heimatabend im Schloss Bellevue überzeugt: "Wer sich nach Heimat sehnt, der ist ganz und gar nicht von gestern. Im Gegenteil: Heimat, das ist etwas Positives, etwas, das Zusammenhalt stiften kann, das gemeinsame Zukunft möglich macht."

Es ist wie so oft: Der Bewegung folgt die Gegenbewegung. Insofern bedarf es keiner Prophetie zu erkennen, dass der Globalisierung die Re-Globalisierung folgen wird. Dies erscheint schon deshalb realistisch, weil die Corona-Pandemie langfristig nicht nur volks- und betriebswirtschaftliche, sondern auch verhaltensbasierte Veränderungen nach sich ziehen wird. Der Trend zur Regionalisierung mit seiner Inklusion der Heimat dürfte sich dadurch sicherlich weiter verstärken. Das wird regional tätige Häuser begünstigen.

Daraus allerdings für die Zukunft eine Carte blanche für regional tätige Institute abzuleiten, würde die Realität verkennen. Vielmehr müssen sich auch regional tätige Institute mehr denn je (selbst-) kritisch mit der Tragfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle auseinandersetzen.

Ihre Überlebensfähigkeit in einem durch historisch einmalig niedrige beziehungsweise negative Zinsen, eine hohe Regulierungsdichte sowie einen verschärften Wettbewerb gekennzeichneten Umfeld wird entscheidend davon abhängen, inwieweit es ihnen gelingt, sich auch zukünftig erfolgreich zu positionieren. Dazu gehört (unverändert) ein hohes Maß an Risikosensibilität sowie die geschickte Nutzung komparativer Wettbewerbsvorteile, wie großer Kundennähe, tiefer Verwurzelung sowie eine in der Regel exzellente Reputation.

Prof. Dr. Thomas A. Lange Vorsitzender des Vorstandes, NATIONAL-BANK Aktiengesellschaft, Essen
Prof. Dr. Thomas A. Lange , Vorsitzender des Vorstandes , National-Bank AG, Essen
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