Bancassurance 2.0 - nur alter Wein in neuen Schläuchen?

Till Hannig, Foto: T. Hannig

Durch die zunehmende Digitalisierung des Banken- und Versicherungsgeschäfts belebt die Idee des Bancassurance - den Vertrieb von Versicherungen über die Kanäle der Kreditinstitute - wieder. Die Autoren sprechen von einer Renaissance dieses Geschäftsmodells. Getrieben wird dieser Trend davon, dass der Aufwand dafür durch den technischen Fortschritt geringer geworden ist. Neben den Provisionseinnahmen biete diese Strategie auch noch den Vorteil, dass die Institute damit den Plattformgedanken besser umsetzen könnten und damit für eine höhere Kundenbindung sorgen würden. Hannig/Kindervater weisen jedoch darauf hin, dass es für den Erfolg einer solchen Strategie wichtig sei, das gleiche Niveau von Datenhoheit und von "Convenience" zu erreichen wie die rein digitalen Plattformen. Es brauche dafür das passende Geschäftsmodell. Die Autoren stellen sechs Prüfschritte en détail vor, mit dem sich ein Kreditinstitut dem passenden Geschäftsmodell nähern könne. (Red.)

Der Gedanke der Bancassurance ist wahrlich nicht neu: Der Vertrieb von Versicherungen durch Banken ist seit Jahrzehnten - mit verschiedenen Entwicklungslinien und auch starken Schwankungen - zwar geübte Praxis. Ziel einer entsprechenden Bancassurance-Strategie war und ist regelmäßig eine Allfinanz-Kooperation von Banken und Versicherungen (und zunehmend auch Insurtechs), in der Versicherungsgeschäfte innerhalb des Bankenökosystems verkauft werden - sei es stationär, per Telefon oder aber auch rein online. In der Vergangenheit war es aber etwas stiller um solche Kooperationen geworden. Durch die zunehmende Digitalisierung des Banken- und Versicherungsgeschäfts hat der Bancassurance-Gedanke jedoch in letzter Zeit wieder stark an Strahlkraft gewonnen. Es verwundert daher nicht, dass insbesondere im Direktbankenumfeld Bancassurance geradezu eine Renaissance erlebt und man dieser Tage von "Bancassurance 2.0" sprechen kann.

Im Rahmen dieses Beitrages soll mit Blick auf den neuen beziehungsweise wiederbelebten Trend Bancassurance zunächst die bankenseitige Ausgangssituation dargestellt werden. Sodann sollen die bestehenden Herausforderungen zur Findung eines Bancassurance-Geschäftsmodells sowie die hierbei zu beachtenden regulatorischen Rahmenbedingungen des Versicherungsvertriebs durch Banken näher beleuchtet werden. Schließlich wird ein kurzer Ausblick gegeben.

Banken als Treiber der Entwicklung

Auch wenn Versicherungen traditionell wichtige Treiber der Allfinanz- beziehungsweise Bancassurance-Idee waren, sind es derzeit eher Banken, die in diesem Marktsegment besonders aktiv sind. So engagieren sich Banken vor allem im Privatkundengeschäft aktuell vermehrt um den Absatz von Versicherungen. Es häufen sich Pressemeldungen zu verschiedenen Kooperationen.

Der Absatz der Versicherungen findet dabei in der Regel digital über das Internet statt. Entweder es wird eine Sektion "Versicherungen" auf der Website der Bank platziert oder eine separate Internetseite erstellt, auf der die Dienste im "Look and Feel" der Bank angeboten werden. Vordergründig mag dieser aktuelle Trend durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld und die Suche nach neuen Ertragsquellen bedingt sein. Durchaus relevant scheinen in diesem Zusammenhang aber auch zwei weitere Aspekte zu sein:

Kalkulierbarkeit und geringer Aufwand: Der Aufwand für das "Nebengeschäft" ist für Banken kalkulierbarer geworden. Verschiedene bestehende Lösungen von Versicherungsunternehmen, Maklerpools und Insurtechs erlauben nunmehr die einfache Implementierung von Online-Abschlussstrecken für eine Vielzahl von Versicherungsprodukten auf den Internetseiten der Institute. Für die Bank fällt dabei kein nennenswerter Implementierungsaufwand an (beispielsweise Personal- und IT-Kosten), weil die angebotenen Prozesse häufig gänzlich in der Sphäre des Allfinanz-Kooperationspartners liegen und die gesamte weitere Abwicklung inklusive der Bestandsbetreuung durch die Versicherung, den Maklerpool oder das Insurtech geleistet werden kann.

Plattformgedanke/Mittel zur langfristigen Kundenbindung: Durch eine Erweiterung des bestehenden Angebots von (Finanz-) Dienstleistungen kann langfristig ein Beitrag zum Halten der Bestandskunden, das heißt letztendlich zum Erhalt des Geschäftsmodells geleistet werden. Im Wettbewerb insbesondere mit Plattformen wie Check24, Verivox und Co droht Banken - wie auch Versicherern - der sukzessive Verlust der Kundenschnittstelle.

So offerieren die genannten Anbieter auf ihren Internetseiten aus einer Hand den bequemen Vergleich einer Reihe von Finanzdienstleistungen. Dabei ist nur ein Login nötig und die dort vorgehaltenen Prozesse sind für den Kunden konsequent auf "Convenience" ausgerichtet. Zu Recht kann vermutet werden, dass ein Bankkunde, der sich einmal auf einer solchen Plattform registriert hat, primär auf das dortige "Ökosystem" und nicht auf den Internetauftritt seiner Bank zurückgreift, wenn er Interesse am Abschluss eines Finanzprodukts hat.

Ist diese Vermutung zutreffend, würden Banken langfristig in eine reine Produktgeberschaft gedrängt, ohne die Möglichkeit zu haben, die eigenen Kunden selbst wirkungsvoll auf Produkte anzusprechen, das heißt den Kundenbestand zu sichern und zielgerichtet weiterzuentwickeln. Weiter noch: Die Vertriebsaktivitäten der Plattformen können dazu führen, dass selbst die Stellung als Produktgeber verloren geht, zum Beispiel das Girokonto samt Wertpapierdepot et cetera zu einem anderen Anbieter wechselt. Das Vorhalten einer Möglichkeit für die Bankkunden Versicherungen abzuschließen, kann dieser Entwicklung entgegenwirken. Ist der Bankkunde bei Interesse am Abschluss einer Versicherung nicht dazu gezwungen, sich anderweitig um den Abschluss einer Versicherung zu bemühen, so besteht die Chance, ihn in der eigenen Sphäre zu halten und damit Abgänge zu verhindern oder zumindest zu begrenzen.

Strategische Positionierung

Ausgehend von der Annahme, dass die technikgetriebenen Plattformen trotz bereits guter Etablierung in den nächsten Jahren die (potenzielle) Kundschaft der Banken weiter durchdringen werden, stellt sich die grundlegende Frage, wie Banken dieser Entwicklung entgegentreten können. Unabhängig vom "Nebenverdienst" über die Versicherungsvermittlung und auch unabhängig davon, ob sich Abgänge von Bestandskunden durch das Vorhalten einer Möglichkeit zum Abschluss von Versicherungsverträgen verhindern lassen, sollten sich Banken strategisch positionieren. Denn es ist anzunehmen, dass es die entsprechenden Plattformen in der Zukunft nicht mehr dabei belassen werden, lediglich eine "Vermittlungsplattform" für den Kunden zu sein, ohne selbst Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Eher ist zu vermuten, dass sie in der Zukunft lernen, "wie Bank geht" und den etablierten Banken dann noch nicht einmal mehr die Produktgeberschaft bleibt.

Eine Antwort könnte nach allgemeiner Meinung darin bestehen, dass die etablierten Banken sich zumindest im Online-Bereich wie Plattformen aufstellen und ausgehend von ihrem Kerngeschäft weitere Leistungen erbringen. Solange sie noch mit der Führung der Konten oder etwa im Rahmen des Kreditgeschäfts über eine gute Ausgangsbasis für eine breitgefächerte Erbringung von bankfremden Dienstleistungen verfügen, können sie den am Markt tätigen Plattformen etwas entgegensetzen. Diesen Gedanken verfolgen im Übrigen auch Versicherer, wie sich in zahlreichen Initiativen aus der Versicherungswirtschaft zeigt.

Datenhoheit und Convenience als Voraussetzung

Der Absatz von Versicherungen ist für Banken jedenfalls ein naheliegender erster Schritt in diese Richtung, weil Versicherungen die Bankprodukte an der Kundenschnittstelle sinnvoll ergänzen können und insbesondere aus dem Bankgeschäft durch Auswertung von vorhandenen Daten Vertriebsansätze für Versicherungen generiert werden können. Bei der Eröffnung eines Kontos für ein Kind kann gegebenfalls eine Kinderunfallversicherung angeboten werden, bei Volljährigkeit eine eigene Haftpflichtversicherung, beim Auszug aus dem Elternhaus (Adresswechsel) eine Hausratversicherung, beim voraussichtlichen Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze (monatlicher Geldeingang) eine Krankenvollversicherung, bei Erreichen bestimmter Altersgrenzen der Abschluss einer Rentenoder Berufsunfähigkeitsversicherung et cetera.

Maßgeblich für den Erfolg wird jedoch sein, ob man dasselbe Level an Datenhoheit und "Convenience" wie Plattformen erzeugen, das heißt ein einheitliches "Ökosystem" für Bank- und Versicherungsdienstleistungen schaffen kann, bei welchem der Kunde Leistungen gefühlt aus einer Hand erhält und sowohl die Bankprodukte als auch die Versicherungsprodukte online auf einen Klick hin abschließen und verwalten kann. Banken könnten sich so in die Rolle eines umfassenden Ansprechpartners beziehungsweise "Finanzbegleiters" entwickeln. Anders als in der Vergangenheit zeigt der "digitale Kunde" hierfür auch offenbar grundsätzlich eine größere Offenheit, was der Erfolg der verschiedenen Plattformanbieter eindrucksvoll zeigt. Diese neue Rolle bezieht sich im Übrigen nicht nur auf das Online-Geschäft, sondern auch auf das stationäre Filialgeschäft, wobei die derzeitige Renaissance der Bancassurance eindeutig durch die von Maklerpools und Insurtechs angebotenen Lösungen und zusätzlich durch den Plattform-Gedanken getrieben erscheint.

Die Findung eines geeigneten Geschäftsmodells für die Vermittlung von Versicherungen oder die Neuausrichtung eines bestehenden, aber gegebenenfalls als nicht mehr marktfähig empfundenen Modells hängt primär von den individuellen Gegebenheiten der einzelnen Bank und den regulatorischen Anforderungen an die Versicherungsvermittlung ab.

Verschiedene Ausgestaltungen

Stellt man aus Bankensicht erste Überlegungen an, ob der Vertrieb von Versicherungen oder eine Neuausrichtung einer solchen Tätigkeit sinnvoll ist und betrachtet man hierfür zunächst die am Markt zu findenden Geschäftsmodelle, dann blickt man auf eine Vielzahl von verschiedenen Ausgestaltungen. So findet man einerseits jüngst implementierte reine Online-Lösungen auf den Seiten von eigens gegründeten Vermittlungsgesellschaften, deren Abschlussprozesse von Maklerpools/Insurtechs gestellt werden und die Vermittlung von Versicherungen aus der ganzen Breite des Marktes erlauben. Andererseits findet man langjährig gewachsene Kooperationen, bei denen in den Bankfilialen eigene Berater zusätzlich Produkte von einem Versicherer anbieten. Dazwischen liegen die verschiedensten Kooperationsformen, welche sich aus den unterschiedlichen Gegebenheiten der jeweiligen Banken, wie etwa Größe, Kundenstruktur und auch Unternehmenskultur, aber insbesondere den regulatorischen Anforderungen an den Versicherungsvertrieb erklären.

Es bieten sich für erste Vorüberlegungen die folgenden sechs Prüfungsschritte an, um sich auf den Weg zu einem passenden Bancassurance-Geschäftsmodell zu machen:

1. Schritt - Welche Versicherungsprodukte sollen verkauft werden? Abhängig vom bestehenden Kundenstamm sollte zunächst überlegt werden, welche Versicherungsprodukte den größten Absatzerfolg versprechen. Im Rahmen einer Analyse der Bestandskunden lässt sich feststellen, welche konkreten Versicherungsprodukte potenziell auf das größte Interesse der eigenen Kunden stoßen dürften. So haben Privatkunden einen anderen Versicherungsbedarf als Geschäftskunden. Sollte die Bank über spezielle Kundengruppen verfügen (beispielweise bestimmte Berufsgruppen), könnten sich hieraus Erkenntnisse für ein möglicherweise erfolgversprechendes Produktportfolio ableiten lassen. Dabei kann es sinnvoll sein, zunächst ein begrenztes Produktspektrum anzubieten, um die Komplexität anfänglich möglichst gering zu halten und das Geschäftsmodell dann stufenweise weiter zu entwickeln. Gerade besonders "beratungsintensive" Versicherungsprodukte könnten unter Umständen erst später angeboten werden.

2. Schritt - Wahl des "Selling Point" unter Berücksichtigung der regulatorischen Anforderungen. Mit Blick auf die Wahl des passenden "Selling Point" spielen die zu beachtenden rechtlichen Anforderungen eine übergeordnete Rolle. So ist die Versicherungsvermittlung durch die Umsetzung zweier EU-Richtlinien in den vergangenen 15 Jahren zu einer hochregulierten Tätigkeit geworden. Den selbst mit einer Vielzahl von Regulierungen kämpfenden Banken fällt es daher in der Regel nicht leicht, sich in dem komplex gewordenen Universum der Versicherungsvermittlung zurechtzufinden, die passende Ausgestaltung des Vertriebs zu wählen sowie Rechts- und Reputationsrisiken zu vermeiden. Entsprechendes rechtliches Know-how ist nur selten in den Instituten selbst vorhanden. Die Wechselwirkungen der verschiedenen rechtlichen Aspekte (unter anderem Gewerberecht, Versicherungsaufsichts- und Versicherungsvertragsrecht, Wettbewerbs- und Datenschutzrecht sowie EU-Recht) bedingen in der Regel komplexe Überlegungen für die Wahl des "Selling Point". Diese Komplexität schlägt dabei auch letztlich auf die Formulierung der Vertragswerke mit Kooperationspartnern durch.

Eine grundlegende Weichenstellung für das angestrebte Geschäftsmodell ist die Wahl des Status als Tippgeber, Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler:

- Tippgeber: Der Tippgeber vermittelt keine Versicherungen. Er weist einem Versicherungsvermittler oder einem Versicherer lediglich die Möglichkeit zum Abschluss eines Vertrages nach, das heißt, er leitet den "Lead" des Interessenten an einen Versicherungsvermittler oder Versicherer weiter. Dieser tätigt dann den Abschluss. Der Tippgeber unterliegt dabei keinen regulatorischen Anforderungen. Er hat allerdings in datenschutzrechtlicher Hinsicht selbstverständlich sicherzustellen, dass er die Daten des Interessenten weitergeben darf. Zu beachten ist, dass die vertriebliche Durchschlagskraft des Tippgebers beschränkt ist. Der Grund liegt in der Regulatorik. Denn nach der Rechtsprechung zur Abgrenzung der Tätigkeit eines Tippgebers endet die Tippgebertätigkeit und beginnt die Versicherungsvermittlung dort, wo eine Konkretisierung auf ein bestimmtes Produkt erfolgt.

- Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler: Die in vertrieblicher Hinsicht stärkere Versicherungsvermittlung darf nur unter Wahrung der gewerberechtlichen Voraussetzungen ausgeübt werden, das heißt durch "Versicherungsvermittler". Unter diesem Begriff sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler zusammengefasst. Ein Versicherungsvertreter ist dabei Vertreter eines oder mehrerer Versicherer und hat deren Interessen wahrzunehmen, während ein Versicherungsmakler die Interessen des Kunden wahrzunehmen und seine Angebote aus der Breite des Marktes zu schöpfen hat.

Viele Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung

Der Status als Vertreter oder Makler ist nach dem konkret angestrebten Geschäftsmodell zu wählen: Sollen den Bankkunden ausschließlich die Produkte einer Versicherung(sgruppe) angeboten und diese(r) zum Beispiel als exklusiver Kooperationspartner mit Sonderkonditionen zur Darstellung des gerade im Online-Vertrieb wichtigen Alleinstellungsmerkmals platziert werden, kommt nur der Status als Versicherungsvertreter in Betracht. Der Status als Versicherungsvertreter ist weiter dann zu wählen, wenn zwar in einem "Select-Ansatz" konkurrierende Produkte einiger weniger Versicherer angeboten werden, dabei aber der Markt nicht ausgeschöpft wird (sogenannte Mehrfachvertreter). Denn eine solche Tätigkeit erfüllt noch nicht die Voraussetzungen für einen Versicherungsmakler, der seinem Angebot grundsätzlich eine hinreichende Anzahl der am Markt befindlichen Anbieter zugrunde legen muss. Der Status als Versicherungsmakler ist demzufolge jedenfalls dann zwingend zu wählen, wenn Angebote aus dem gesamten Markt eingeholt werden sollen und der Service auch entsprechend beworben werden soll.

Ist die grundsätzliche Entscheidung über die Tätigkeit als Tippgeber, Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler getroffen, so sind - bei der Tätigkeit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler - Überlegungen zu den gewerberechtlichen Erlaubnistatbeständen und den damit verbundenen Implikationen anzustellen.

- Versicherungsmakler: Für eine Tätigkeit als Versicherungsmakler kann bei der lokalen Industrie- und Handelskammer (IHK) eine eigene Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) beantragt werden. Die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung sind Nachweise für

- Sachkunde im Bereich der Versicherungsvermittlung,

- gewerberechtliche Zuverlässigkeit,

- Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse und

- das Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung.

Mag der Nachweis des Bestehens einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung dabei noch unproblematisch möglich und die Beantragung von Führungszeugnissen und Gewerbezentralregisterauszügen für sämtliche gesetzliche Vertreter lediglich lästig sein, so stellt der Nachweis der Sachkunde regelmäßig eine Herausforderung dar. Denn der Nachweis der Sachkunde wird grundsätzlich für sämtliche gesetzliche Vertreter gefordert und wird für eine Bank nicht ohne Weiteres zu erbringen sein.

Der Nachweis kann zum einen durch die Vorlage einer Bestätigung über die erfolgreich abgelegte Prüfung zum/zur "Geprüften Versicherungsfachmann/-frau IHK" erfolgen. Abschlüsse, wie zum Beispiel ein BWL- oder Jurastudium, werden nur bei zusätzlichem Nachweis von mehrjähriger Berufserfahrung anerkannt. Zwar können die gesetzlichen Vertreter das Sachkundeerfordernis auf eine andere Person "delegieren", allerdings muss dann zumindest diese Person die Sachkunde besitzen. Ein passender Mitarbeiter mit Sachkunde ist aber oftmals nicht einfach zu finden und die entsprechende Qualifikation einer passenden Person ist langwierig. Denn das Ablegen der sogenannten Sachkundeprüfung bei einer IHK setzt in der Regel eine mehrmonatige Vorbereitung voraus. Weiter ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es nicht bei der erstmaligen Qualifikation verbleiben kann, sondern die betreffende Person auch einer Weiterbildungspflicht von 15 Stunden pro Jahr unterliegt.

- Versicherungsvertreter: Für den Versicherungsvertreter gelten die oben zum Versicherungsmakler gemachten Ausführungen zunächst entsprechend. Auch der Versicherungsvertreter kann nach § 34d Abs. 1 GewO unter den oben genannten Voraussetzungen eine eigene Erlaubnis erhalten.

Ermessensspielraum für den Versicherer

Zusätzlich besteht aber bei einer Tätigkeit als Versicherungsvertreter die Möglichkeit, sich als "gebundener Vertreter" durch einen Versicherer im bundesweiten Versicherungsvermittlerregister registrieren zu lassen, sodass es nach § 34d Abs. 7 GewO für die Tätigkeit keiner Erlaubnis bedarf. Der registrierende Versicherer hat dann die Sachkunde, die gewerberechtliche Zuverlässigkeit, das Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse und auch die Weiterbildung sicherzustellen. Diese Möglichkeit ist insbesondere interessant, wenn ausschließlich die Produkte einer Versicherungsgruppe vermittelt werden. Weiter kommt diese Möglichkeit auch dann in Betracht, wenn zwar die Produkte verschiedener Versicherer vermittelt werden, diese aber nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Bei Letzterem spricht man von sogenannter Teilausschließlichkeit. Es kann insoweit zum Beispiel für jede Versicherungssparte ein anderer Kooperationspartner platziert werden.

Attraktiv sind diese Möglichkeiten, weil kein formaler Antragsprozess bei der IHK durchlaufen werden muss. Zwar hat der Versicherer nach § 48 Abs. 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sicherzustellen, dass Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse und Sachkunde vorhanden sind sowie eine regelmäßige Weiterbildung stattfindet. Allerdings steht dem Versicherer ein gewisser Ermessensspielraum zu. Er kann etwa bei einem Vorstandsmitglied einer Bank davon absehen, die Zuverlässigkeit zu prüfen, weil dieser schon von der BaFin geprüft wurde. Dies gilt entsprechend für die geordneten Vermögensverhältnisse, die bei einer unter der Aufsicht der BaFin stehenden Bank vorausgesetzt werden können.

3. Schritt - auch stationärer Vertrieb sinnvoll und (rechtlich) möglich? Im Rahmen der Anbahnung einer Kooperation zwischen Banken und Versicherern - seien sie auch "onlinegetrieben" - wird bei Vorhandensein von Filialen häufig die Frage aufgeworfen, welche Möglichkeiten bestehen, auch stationär, das heißt "offline" Geschäft zu generieren. Die Beantwortung der Frage ist in der Regel leider unbefriedigend. Denn aufgrund der regulatorischen Vorgaben sind die Möglichkeiten begrenzt. So scheitert die Vorstellung, dass Bankangestellte in den Filialen zu Versicherungen beraten und Abschlüsse tätigen, in der Regel daran, dass diese nicht über die gesetzlich erforderliche Qualifikation verfügen. So dürfen sowohl Versicherungsvermittler mit eigener Erlaubnis als auch von der Erlaubnispflicht befreite "gebundene" Versicherungsvertreter nach § 34d Abs. 9 Satz 1 GewO unmittelbar bei der Vermittlung mitwirkende Angestellte nur dann beschäftigen, wenn sie deren Zuverlässigkeit geprüft haben und sicherstellen, dass diese Personen über die für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung sachgerechte Qualifikation verfügen. Weiter haben sie eine Weiterbildung von mindestens 15 Stunden pro Jahr zu gewährleisten.

Eine "sachgerechte Qualifikation" im Sinne dieser Vorschrift ist ohne größeren Schulungsaufwand nicht sicherzustellen. Gerade wenn alle Versicherungssparten angeboten werden sollen, müsste der Schulungsaufwand denjenigen erreichen, welcher für das erfolgreiche Ablegen der Sachkundeprüfung bei der (IHK) erforderlich ist. Nimmt man zu dem einmaligen Schulungsaufwand noch den jährlichen Aufwand der Weiterbildung hinzu, so wird klar, dass der Aufwand schnell in einen unvertretbaren Bereich geht, wobei noch hinzukommt, dass die Bankangestellten im Kern ja eigentlich weiterhin Bankgeschäft betreiben sollen.

Richtiger Kooperationspartner wichtig

Für das Filialgeschäft bleiben daher in der Regel nur Tätigkeiten, die denen eines Tippgebers nahekommen. Zu nennen wären etwa das Platzieren von Aufstellern und das Auslegen von Flyern/Broschüren in den Filialen, mit denen die Bankkunden zum Beispiel via QR-Code auf die für die Versicherungsvermittlung eingerichtete Landingpage oder auf die eingerichtete Telefon-Hotline geleitet werden. Die vertriebliche Wirkung ist dabei freilich eher begrenzt.

4. Schritt - Übernahme der Betreuung von Bestandsverträgen. Eine weitere wichtige Vorüberlegung ist die Beantwortung der Frage, ob man im Rahmen der Bancassurance-Strategie nicht nur Neugeschäft, das heißt den Abschluss von neuen Versicherungsverträgen anstrebt, sondern auch ebenso bestehende ("externe") Verträge in die Betreuung nehmen will. In diesem Zusammenhang spielen eine Reihe von Aspekten eine Rolle. So kann die Übernahme von bestehenden Verträgen ein wichtiger Baustein hin zu einem umfassenden "Finanzbegleiter" im Sinne des Plattformgedankens sein.

Der Kunde kann sämtliche Versicherungen, die er hat, an einem Ort verwalten und gegebenenfalls auch im Rahmen von Neuabschlüssen austauschen. Damit steigt im Zweifel nicht nur die Kundenbindung, zusätzlich erhöht sich auch potenziell die Anzahl der Abschlüsse pro Kunde. Auf der anderen Seite sind aber regulatorische Anforderungen zu beachten. Dies betrifft insbesondere die Wahl des "Selling Point". Die Betreuung von kooperationsfremden Verträgen etwa im gewerberechtlichen Status eines Ausschließlichkeitsvertreters ist nicht möglich.

5. Schritt - selbstständige Vertriebsgesellschaft oder Bank als Erlaubnisträger. Die Beantwortung der Frage, ob das Versicherungsgeschäft durch eine eigens gegründete Versicherungsvermittlungsgesellschaft oder durch die Bank selbst durchgeführt werden soll, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab. Die maßgeblichen Überlegungen sind dabei oftmals nur in zweiter Linie rechtlicher Natur.

Ist etwa nur das aufwandarme Heben des Potenzials für online generierte Versicherungsabschlüsse im Kundenstamm der Bank oder gegebenenfalls sogar nur ein erster Pilot zur Evaluierung der Möglichkeiten beabsichtigt, wird man von der Gründung einer eigenen Gesellschaft und deren Unterhaltung wohl zunächst eher absehen wollen. Ist man demgegenüber fest entschlossen, langfristig die Versicherungsvermittlung in das Geschäftsmodell zu integrieren, es nicht nur bei einer Landingpage zu belassen, sondern auch online eine Plattform gegebenenfalls zur Verwaltung der Verträge zur Verfügung zu stellen und schließlich die Versicherungsvermittlung in den Filialen zu bewerben, kann sich der Aufwand lohnen, eine Gesellschaft zu gründen und gegebenenfalls mit eigenem Personal zu unterhalten.

6. Schritt - Wahl des Kooperationspartners. Die Wahl des "richtigen" Kooperationspartners sollte erst am Ende der eigenen Überlegungen zu einem Bancassurance-Modell stehen und sich an eine umfassende Analyse des Marktangebots anschließen. Letztlich wird die Auswahl des Kooperationspartners aber stark mit Blick auf den gewählten Selling Point determiniert. Hat man sich etwa entschieden, das Versicherungsgeschäft im Status eines unabhängigen Versicherungsmaklers zu betreiben, kann eine Anbindung entweder über eine Vielzahl von Versicherern oder einen Maklerpool erfolgen, da der Kaufempfehlung an den Kunden stets eine hinreichende Anzahl der am Markt befindlichen Anbieter zugrunde gelegt werden muss. Sollen Versicherungen hingegen im Status eines Versicherungsvertreters vermittelt werden, kommt auch eine exklusive Anbindung an nur einen Versicherer infrage. Schließlich besetzen mittlerweile auch zahlreiche Insurtechs dieses Marktsegment und bieten entsprechende Kooperationsmöglichkeiten an.

Verstärkung des bestehenden Trends möglich

Das Thema Bancassurance 2.0 nimmt weiter Fahrt auf! Treiber ist nicht nur die Suche nach neuen Erträgen im Bereich der Versicherungsvermittlung, sondern insbesondere die Verfügbarkeit technischer Lösungen und nicht zuletzt der Plattform-Gedanke. Letztlich wird zwar keineswegs der Allfinanz-Ansatz neu erfunden, die Einbettung aber in die mehr und mehr von digitalen Angeboten geprägte Welt eröffnet diesem Ansatz aber gänzlich neue Möglichkeiten. Von "altem Wein in neuen Schläuchen" kann insoweit nicht die Rede sein.

Kreditinstitute sind in diesem Umfeld aufgefordert, die bestehenden Möglichkeiten zur Ergänzung oder sogar Anpassung ihres Geschäftsmodells zu prüfen und unter Berücksichtigung des regulatorischen Umfelds in der Versicherungsvermittlung die passende Lösung für ihr Institut zu finden. Insofern dürfte sich der bestehende Trend verstärken und sich die bereits begonnene Entwicklung unverändert fortsetzen. Nicht zuletzt zeigt die aktuelle Covid-19-Krise, wie wichtig es sein kann, über ein konsequent digitales und auch möglichst breites Dienstleistungsangebot zu verfügen. Das Thema Bancassurance kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Till Hannig Partner, PwC Tax & Legal Insurance, Hamburg
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Wolf Kindervater Manager, PwC Tax & Legal Insurance, Hamburg
Till Hannig , Partner, PwC Tax & Legal Insurance, Hamburg
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