Banken- und Wirtschaftskrisen als "Motor" der Entwicklung des Bank- und Kapitalmarktrechts

Zahl der Normierungen des europäischen Bank- und Kapitalmarktrechts*

Prof. Dr. Dieter Krimphove, Lehrstuhl für Wirtschaftsrecht und Europäisches Wirtschaftsrecht, Universität Paderborn - Anhand von fünf Banken beziehungsweise Wirtschaftskrisen skizziert der Autor die Entwicklung des nationalen und europäischen Bank- und Kapitalmarktrechtes in den vergangenen vierzig Jahren. Erfolgte die Reaktion in früheren Jahren meist in Form einer freiwilligen Selbstkontrolle der Branche und/oder der nationalen Gesetzgeber, rücken mit den echten Finanzkrisen Dotcom beziehungsweise Subprime gesetzgeberische Maßnahmen des internationalen und europäischen Gesetzgebers in den Vordergrund, die auf nationaler Ebene dann umgesetzt werden. Aktuell registriert er einen Einfluss der Rechtsetzung auf die Konsolidierung der internationalen und europäischen Bank- und Kapitalmärkte. Inhaltlich sieht er dabei insbesondere den Anlegerschutz und das Instrument der Verordnung im Vordergrund zahlreicher europäischer Initiativen. (Red.)

Die Flut von Gesetzen, Reformen, Überarbeitungen und Änderungen des Deutschen Bankrechts nimmt in den letzten 25 Jahren überproportional zu. Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen, europäische Verordnungen, Verwaltungsvorschriften aber auch Richtlinien vervielfältigen beständig das Bank- und Kapitalmarktrecht (Abbildung). Akteure der fortwährenden Rechtsnovellierungen sind nicht nur der deutsche, sondern gerade auch der internationale und insbesondere der europäische Gesetzgeber. Eigens die Europäische Kommission greift mit unmittelbar geltenden Verordnungen und in das nationale Recht umzusetzenden Richtlinien in den Bestand des deutschen Bankrechts ein. Die Entwicklung des deutschen Bankrechts beruht somit unmittelbar auf der Zunahme europäischer Normen.

Krisen als Impulsgeber für Neuregelungen

Augenscheinlich sind es Banken- und Wirtschaftskrisen, die den internationalen, den europäischen Gesetzgeber und auch den deutschen Gesetzgeber bewegen in einer mehr oder weniger schnellen Reaktion, auf die Auslöser der Krisen mit gesetzlichen Neuregelungen zu reagieren.

Von den zahlreichen Banken-Krisen, die nicht erst das 20. oder 21. Jahrhundert erschütterten1), sollen nur die wichtigsten fünf der letzten 40 Jahre ausreichen. Anhand derer und der Analyse der Reaktionsbereitschaft des internationalen, europäischen und deutschen Gesetzgebers scheint es möglich, ihre künftige Vorgehensweise zu prognostizieren.

Die Herstatt-Krise des Jahres 1974: Die erste zu nennende Krise löste das deutsche Bankhaus Herstatt aus. Das Bankhaus Herstatt verlegte seinen Geschäftskreis weitgehend auf den Devisenhandel. Während dessen Erfolgszahlen im klassischen Bankgeschäft sanken, erzielte es beeindruckende Umsätze im Devisengeschäft und profitierte im Jahre 1971 von der Freigabe der Wechselkurse.2) Die Herstatt-Bank betrieb das profitable Devisengeschäft weitgehend als Eigengeschäft. Bankinterne Sicherungsmechanismen, die nur einem begrenzten Personenkreis den Abschluss von Devisengeschäften in bestimmter Höhe gestatteten, überging die Herstatt-Bank großzügig.

Nach der ersten Ölkrise im Jahr 1973 spekulierte die Herstatt-Bank auf einen weiter steigenden US-Dollarkurs. Diese Entwicklung blieb aus. Infolge fiel im Januar 1974 der Dollarkurs rapide, sodass die Bank bereits am 18. März 1974 einen Verlust im Devisenhandel in Höhe von 250 Millionen D-

Mark verbuchen musste. Der Verlust erreichte am 16. Juni 1974 sogar die Höhe von 470 Millionen D-Mark.3) Am 26. Juni 1974 entzog das zuständige Bundesaufsichtsamt der Herstatt-Bank die ihr erteilte Erlaubnis nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 KWG und ordnete die Abwicklung der Geschäfte sowie die Einstellung der Zahlung und die Schließung ihrer Schalter bis auf Weiteres an. Die Herstatt-Bank beantragte nur einen Tag später die Eröffnung des Vergleichsverfahrens mit einem Schuldenstand von 4,8 Millionen D-Mark.

Freiwillige Einlagensicherungssysteme zur Vertrauensbildung

Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers blieb zunächst verhalten. Als unmittelbare Reaktion auf die sogenannte Herstatt-Krise schufen vielmehr die Banken selbst das System freiwilliger Einlagensicherungsfonds. Da aufgrund der finanziellen Intervention des Gerling-Konzerns die Privatanleger wenn auch erst spät und auch nicht in dem erwarteten Umfang entschädigt wurden, erfolgte die Bildung freiwilliger Einlagensicherungssysteme durch Banken wohl zu dem Zweck, das Vertrauen potenzieller Kunden in die Funktionstüchtigkeit der Banken zu sichern oder bestenfalls zurückzugewinnen.

Erst am 22. Dezember 1986 empfahl die Kommission den Erlass einer Einlagen sicherungssystem-Richtlinie4), die erst im Jahr 1994 (Rl 94/19/EG)5) verabschiedet wurde. Sie verpflichtete europaweit die Mitgliedsstaaten zur Einrichtung eigener gesetzlicher Sicherungssysteme. Seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Einlagensicherungssystem-Richtlinie (Rl 94/19/EG) in das deutsche Recht kam allerdings der deutsche Gesetzgeber erst zum 16. Juli 1998 durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG)6) nach.

Da die Herstatt-Krise auf einem Missverhältnis zwischen haftendem Eigenkapital auf der einen Seite und einem übermäßigen Risikopotenzial auf der anderen Seite beruhte, schuf der deutsche Gesetzgeber bereits am 3. Mai 1976 den neuen Grundsatz "Ia" als Ausführungsbestimmungen zu § 10 KWG7). Er limitierte damit das Risiko, indem er offene Devisen-, Derivate- und Edelmetallpositionen an den Umfang des haftenden Eigenkapitals band.

Schaffung eines Sonderinsolvenzrechts

Auch die 2. KWG-Novelle zur Schaffung eines Sonderinsolvenzrechts für Kreditinstitute vom 24. März 1976, die insbesondere § 46 b in das KWG einführte8), stand unter dem Eindruck der Herstatt-Krise. Nach § 46 b KWG ist der Insolvenz-Eröffnungsgrund unverzüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - BaFin) mitzuteilen. § 46 b KWG dient dazu, der BaFin bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung alle notwendigen Informationen bei ihrem Eingreifen zur Verfügung zu stellen.

Gegenüber den Eigenaktivitäten der Banken oder denen des deutschen Gesetzgebers erscheinen im Zusammenhang mit der Herstatt-Krise die Reaktionen des internationalen und des europäischen Gesetzgebers her zurückhaltend und zögerlich:

Das Baseler Abkommen (Basel I) vom Juli 1988 nahm zwar die Herstatt-Krise zum Anlass und verknüpfte das maximale Volumen der Ausgaben der Bank an das tatsächlich verfügbare Eigenkapital. Diese Reaktion kam jedoch - nach immerhin 15 Jahren - so spät, dass sie die unmittelbaren Folgen der Herstatt-Krise kaum noch beeinflussen konnte. Ebenfalls in einem zeitlich übermäßigen Rahmen erfolgte die Reaktion der europäischen Kommission,9) vor allem durch den Erlass der Einlagensicherungssysteme-Richtlinie (Rl. 94/19/ EG)10) und der Anleger-Entschädigungssystem-Richtlinie (Rl. 97/9/EG).11)

Regelungen zum Schutz der Anleger

Beide Richtlinien schufen durchaus effiziente Institute zum Schutz des Anlegers im Fall der Zahlungsunfähigkeit von Banken. Aber auch hier verwundert die große zeitliche Distanz. Es entsteht so der Eindruck, dass die internationalen/europäischen Normgeber in der Beurteilung der Herstatt-Krise schwanken zwischen einer Einordnung der Herstatt-Krise als ein einzelfallbezogenes, regionales Ereignis oder als eine global oder zumindest europaweit wirkende Krise; eine Situation, der sich der europäische Gesetzgeber in besonderem Maße erst noch mit der Dotcom-Krise im Jahr 2000 stellen sollte.

Die BCCI-Krise des Jahres 1991: Parallel zu der beschriebenen Entwicklung des "Eigenkapital-Rechts" von Banken auf dem europäischen Markt in der Zeit von 1974 bis zirka 1994 entstand ein erhebliches Bedürfnis an verstärkter Kontrolle der Bankentätigkeit. Nachweislicher Anknüpfungspunkt war der Zusammenbruch der BCCI-Gruppe im Juli 1991.

Die Bank of Credit and Commerce International (im Folgenden: BCCI) - gegründet in Pakistan im Jahr 1972 und mit Sitz in Luxemburg und auf den Cayman-Inseln12) - entwickelte sich rasch zur wichtigsten Bank der Dritten Welt13). In den achtziger Jahren war sie mit über 400 Zweigstellen in 73 Ländern das weltweit größte muslimische Bankinstitut14). Durch die risikoreiche Vergabe von nicht ausreichend besicherten Großkrediten15), ihre Beteiligung an Waffenhandel- und an Geldwäschegeschäften,16) die Unterstützung ihrer Kunden bei Steuerhinterziehung, Schmuggel, Drogenhandel sowie den illegalen Erwerb von Immobilien und Banken, die Förderung illegaler Einwanderung, den Menschenhandel und die Prostitution, die Finanzierung illegaler Waffengeschäfte und den illegalen Handel mit Nukleartechnologie17), die Begünstigung korrupter Staatsführer sowie des internationalen Terrorismus18) wuchs das Geschäftsvolumen der BCCI zunächst erheblich.

Internationale Verflechtungen als Gefahrenherd

Das undurchsichtige Netz von Unternehmensbeteiligungen und die obskuren Transfermöglichkeiten für illegale Gelder begünstigten die kriminelle Tätigkeit des Unternehmens.19) Weder den Anlegern, noch den von der "Bank of England"20) eingesetzten Revisoren Price Waterhouse und Ernst & Young fiel das betrügerische und veruntreuende Geschäftsgebaren der BCCI - insbesondere der Verlust von 13 Milliarden US-Dollar - auf.21) Als die Bank of England am 5. Juli 1991 die BCCI schloss, verloren etwa 1,4 Millionen Anleger insgesamt 11 Milliarden US-Dollar.22)

Wie auch im Fall der Herstatt-Krise handelt es sich auch bei der BCCI-Krise um ein Bankinstitut, das die Krise auslöste. Aufgrund der internationalen Verflechtungen der BCCI konnte der europäische Gesetzgeber allerdings nun nicht über das Geschehen hinwegsehen. In einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum - von zirka viereinhalb Jahren - reagierte der europäische Gesetzgeber: Zum Zweck der Überwachung der Geschäftstätigkeit von Kreditinstituten erließ er am 29. Juni 1995 die sogenannte BCCI-Richtlinie (Rl. 95/26/EG)23). Der Inhalt der Richtlinie 95/26/EG nimmt unmittelbaren Bezug auf den BCCI-Skandal. War in ihrer ersten Begründungserwägung nur andeutungsweise von der Notwendigkeit die Rede, aufgrund "bestimmter Ereignisse" die Rahmenbedingungen für die Beaufsichtigung von Finanzunternehmen verbessern zu müssen, so gab die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Richtlinie 95/26/EG24) ausdrücklich den Zusammenbruch der BCCI-Gruppe als Grund für den Erlass der Richtlinie 95/26/EG an25).

Die Richtlinie 95/26/EG schuf eine in sich vereinheitlichte dogmatisch stringente, gesetzliche Grundlage für die Zulassung und Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf dem europäischen Markt, wobei sie diese Bankenaufsicht in die Hände der Behörden in den Mitgliedsstaaten legt26). Dazu erweitert die Richtlinie 95/26/EG die Befugnisse der sogenannten Ersten27) und Zweiten Bankkoordinierungsrichtlinie28) erheblich29), indem sie größere Transparenz bei der Bankenaufsicht garantiert und den grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten fördert30).

Die bis spätestens 18. Juli 1996 vorgeschriebene31) Umsetzung der Richtlinie 95/26/EG vollzog der deutsche Gesetzgeber erst am 28. Oktober 1997 durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften.32) Die im selben Jahr des Zusammenbruchs der BCCI verabschiedete Geldwäsche-Richtlinie33) beziehungsweise die aus dem Jahre 1991 stammende Geldwäsche-Änderungs-Richtlinie34) nehmen keinen Bezug auf die BCCI-Krise.

Barings-Bank-Krise des Jahres 1995: Erst in einem vergleichbaren Fall, nämlich dem Zusammenbruch der Barings Bank im Jahr 1995, reagierte der Baseler-Ausschuss mit der Überarbeitung der Eigenkapitalrichtlinie Basel I. Speziell die operationellen Risiken sollten jetzt stärker als zuvor bei der Bewertung von Eigenkapitalrücklagen mitberücksichtigt werden.

Zu dieser internationalen gesetzgeberischen Reaktionen kam es, nachdem ein einzelner Händler für die Barings Bank durch hochriskante Geschäfte mit Optionen, Futures, Regierungsanleihen, Devisengeschäften und Derivaten vornehmlich an den Börsen in Singapur und Osaka einen Verlust von zirka 1,4 Milliarden US-Dollar verursachte. Die Barings Bank meldete daraufhin am 27. Februar 1995 Insolvenz an.35) Wie auch im Fall BCCI war es die fehlende Organisationsstruktur, die eine angemessene Kontrolle von Handel und Abwicklung verhinderte.36)

Das Abkommen Basel II37) schuf - wenn auch erst im Juni 2004 - folgerichtig zur Vermeidung dieser operationellen Risiken eine laufende, regelmäßige Beaufsichtigung durch die Bankenaufsicht. Über die Sicherung der Eigenmittelausstattung der Banken hinaus stärkte zudem Basel II die Marktdisziplin der Unternehmen durch zahlreiche Offenlegungspflichten und verpflichtete die Banken zur Anwendung und Weiterentwicklung geeigneter Risikomanagementsysteme. Die Basel-II-Grundsätze setzte der europäische Gesetzgeber im Jahr 2006 in der Eigenkapital-Richtlinie (Rl. 2006/49/EG)38) und in der Kreditinstitute-Richtlinie (Rl. 2006/48/EG)39)40) um. Damit gelten die Baseler Grundsätze seit dem 1. Januar 2007 europaweit41).

Echte Finanzmarktkrisen

Die Dotcom-Krise: Mit einer echten Finanzmarktkrise, und nicht nur mit der finanziellen Schieflage einzelner Institute, hatte sich der internationale, europäische und deutsche Gesetzgeber im Jahr 2000 mit der sogenannten Dotcom-Krise auseinanderzusetzen.

Bis zum Jahr 1996 ließ sich das Anlageverhalten deutscher Anleger als eher konservativ beschreiben. Dies änderte sich insbesondere mit der Deutschen Telekom. Umfassende Werbemaßnahmen suggerierten hohe Gewinnerwartungen in alle Werte der digitalen Technologie. Zunächst erfolgreiche Spekulationen ließen Anleger Fragen der Unternehmensbewertung ignorieren42) und verleiteten viele nichtprofessionelle Anleger in die Tec-Werte zu investieren. Der deutsche Gesetzgeber förderte sogar deren Anlagemöglichkeiten, um speziell Tec-Unternehmen Finanzierungsmöglichkeiten zu eröffnen43). Hierzu rief die Deutsche Börse am 10. März 1997 eigens den sogenannten Neuen Markt ins Leben. Dies heizte den Markt erneut an. Der Boom endete bereits im März des Jahres 2000. Erst jetzt gelangte ins Bewusstsein der Anleger, dass die hoch bewerteten Tec-Unternehmen, deren Kapital weitgehend aus ihren hoch qualifizierten Mitarbeitern bestand, in der Boomphase des Marktes keine li quiden Gegenwerte akquiriert hatten, die ihren hohen Börsenwert decken konnten. In einer Kettenreaktion von Insolvenzen insbesondere kleiner und mittelgroßer Technologie-Unternehmen brach die sogenannte New Economy mit erheblichen Folgen für den Arbeitsmarkt und die Anleger zusammen.

Die Einführung des Börsenmarktsegments des Neuen Marktes hatte damit genau ihr Gegenteil bewirkt. Konsequenterweise führte der entsprechende Beschluss der Deutschen Börse am 5. Juni 2003 zum völligen Verschwinden eines ganzen Marktsegment, nämlich das des Neuen Marktes.

Der deutsche Gesetzgeber reagierte prompt mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz.44) Dieses führte - bereits zwei Jahre nach der Dotcom-Krise - am 21. Juni 2002 einen umfassenden Anlegerschutz in das WpHG ein. Gegenüber dem deutschen Gesetzgeber kommen die europäischen Maßnahmen zeitlich versetzt. Zirka viereinhalb Jahre nach dem Zusammenbrechen des Wertpapier-Technologiemarktes erließ die Kommission die sogenannte MiFID I (Richtlinie 2004/39/EG) vom 21. April 2004.45) Auch diese nimmt unmittelbaren Bezug auf das Geschehen der Dotcom-Krise.46) Wie auch das deutsche Recht sah der europäische Gesetzgeber Möglichkeiten zur Prävention von Krisen in einer umfassenden Stärkung des Anlegerschutzes, speziell in einer umfassenden Anlegeraufklärung.47)

Die US-amerikanische Immobilienkrise des Jahres 2007: Die von der Dotcom-Krise ausgehende ökonomisch größere Gefahr bestand nicht allein in dem Zusammenbruch eines ganzen Marktsegments und dem damit einhergehenden Aussterben zahlloser Unternehmen der Technologiebranche. Die Dotcom-Krise zeigte vielmehr Folgewirkungen, die bis in unsere heutigen Tage reichen:

Niedrigzinspolitik der Fed zur Konjunkturbelebung

Auf den Zusammenbruch des Technologiemarktes im Jahre 2000 reagierte nämlich die US-amerikanische Fed mit einer Niedrigzinspolitik. Diese sollte die US-Konjunktur beleben. Tatsächlich begünstigte diese Niedrigzinspolitik den euphorischen Anstieg von Investitionen privater Anleger auf dem Immobilienmarkt.48) Dank der "Billig-Geldpolitik" konnten sich nun Anleger Geld für Immobiliengeschäfte von US-Banken günstig leihen. Wie in der Dotcom-Krise schuf die Euphorie kleinerer Anleger auch jetzt eine Preisblase; diesmal auf dem Immobilienmarkt.

US-amerikanische Banken sicherten ihre vornehmlich an Private vergebenen Darlehen vorzugsweise mit Hypotheken und setzten dann die Papiere als neue Handelsprodukte zu ihrer "Refinanzierung" am Finanzmarkt ein.49) Um die steigende Verschuldung privater US-amerikanischer Haushalte zu decken, vertrieben US-amerikanische Banken und Finanzdienstleister, ihre "Hypotheken-, Wertpapiere und entsprechenden Derivate" auf dem asiatischen und europäischen Markt. Als die Immobilien-Preisblase im Jahr 2007 platzte, zog die Krise daher nicht nur US-amerikanische Banken, sondern auch den europäischen Bank- und Kapitalmarkt in Mitleidenschaft.

Als Reaktion auf den sogenannten "Larosière-Report"50) betrieb Basel III vom 16. Dezember 201051) die Erhöhung der Wert-Beschaffenheit der Einlagenkapitalbasis, die Verbesserung der Risikodeckung, insbesondere durch die Einführung von antizyklischen Puffern, die Limitierung der Bankenverschuldung, aber auch die Entflechtung der Geschäftsbeziehung insbesondere sogenannter Systembanken. Außerdem stellt das Abkommen Basel III eingehende Prinzipien für das Liquiditätsmanagement und dessen Überwachung auf.52) Die Umsetzung der Basel-III-Anforderungen erfolgte erst im Jahr 2009 durch die sogenannte Rating-Verordnung53) und im Jahre 2013 durch die CRD-IV-Richtlinie54) und die CRD-Verordnung.55)

Der europäische Gesetzgeber unternahm mit der OGAW-IV-Richtlinie (Rl. 2009/65/ EG)56) sowie der Änderung der Betriebliche-Altersvorsorge-Richtlinie (2003/41/EG), der OGAW-IV-Richtlinie (Rl. 2009/65/EG) und der AIF-Rating-Richtlinie (Rl. 2011/61/EU)57) eine weitere inhaltliche Verschärfung der vielfach geänderten OGAW-I-Richt linie.58)

Mit Wirkung zum 22. Juli 2013 setzte der deutsche Gesetzgeber die genannten Richtlinien, insbesondere die AIFM-Richtlinie59), in sein Kapitalanlagegesetzbuch60) (KAGB) um. Er übernahm damit die Unterscheidung von professionellen, semiprofessionellen und privaten Anlegern.

Gravierende Rechtsetzungsfristen der internationalen Gesetzgeber

Die Analyse der fünf Bank- und Finanzmarktkrisen ergibt, dass der Anlass für eine gesetzgeberische Initiative nicht unbedingt, wie im Fall der Dotcom-Blase oder der US-Immobilienkrise, in einer echten Banken- oder Kapitalmarktkrise bestehen muss. Auch Ereignisse wie die Überschuldung einzelner Banken wie der Herstatt-Bank oder der BCCI, aber auch politische Ereignisse genügten, um den Gesetzgeber zum Tätigwerden zu veranlassen.

Es fällt auf, dass vorrangig nationale Banken oder die nationalen Gesetzgeber selbst und erst später die europäischen/internationalen Gesetzgeber auf die frühen Banken-Krisen, wie etwa im Fall Herstatt, reagierten. Diese Abfolge ändert sich mit der Dotcom-Krise und in der US-amerikanischen Immobilienkrise. Zu ihrer Lösung traten gesetzgeberische Maßnahmen des internationalen und europäischen Gesetzgebers in den Vordergrund, während der deutsche Gesetzgeber diese internationalen/europäischen Vorgaben lediglich in sein Recht übernahm.

Überraschend erscheinen die gravierenden Rechtsetzungsfristen der internationalen Gesetzgeber. Regelungen des Baseler Ausschusses und/oder des europäischen Gesetzgebers entstehen erst nach einer Zeit von 10 bis 15 beziehungsweise von viereinhalb bis 5 Jahren nach dem Eintritt der jeweiligen Krise. Deren komplexe Gesetzgebungsverfahren eignen sich aber nicht, um gezielt und unmittelbar auf eine Krisensituation zu reagieren. Hier sind trotz internationaler und europäischer Vorgaben weiterhin nationale Kompetenzen - in Gestalt von bankinternen Selbstbindungsregelungen oder nationalen Normen - gefragt.

Die aktuelle Entwicklung prägt die Konsolidierung der internationalen und europäischen Bank- und Kapitalmärkte. Dabei steht insbesondere der Anlegerschutz im Vordergrund zahlreicher europäischer Initiativen. Der europäische Gesetzgeber setzt dabei verstärkt auf Verordnungen, um unmittelbar und direkt inhaltlich in das nationale Bank- und Kapitalmarktrecht eines jeden europäischen Mitgliedslandes einzugreifen.

Fußnoten

1) C. Reinhart/K. Rogoff, Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen, 15. März 2010.

2) W. Filc, Zinsarbitrage und Währungsspekulation, 1975, S. 13.

3) V. Peemöller/S. Hofmann, Bilanzskandale: Delikte und Gegenmaßnahmen, 2005, S. 81.

4) Empfehlung der Kommission vom 22. Dezember 1986 (87/63/EWG); ABl. L 1987, Nr. 33, S. 16ff.

5) Richtlinie 94/19/EG, ABl. L 1994, Nr. 135, S. 5ff.

6) Einlagensicherung- und Anlegerentschädigungsgesetz vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1842), das durch Art. 6 des Gesetzes vom 15. Juli 2014 (BGBl. I S. 934) geändert worden ist.

7) Siehe dazu: Bitz/Matzke, in T. Nguyen (Hrsg.): Bankenaufsicht in Deutschland - Entwicklungslinien und -tendenzen, 2010, S. 24.

8) mit Wirkung zum 3. Mai 1976.

9) Blei: Früherkennung von Bankenkrisen - dargestellt am Beispiel der Herstatt-Bank, 1984; S. 13; Krimphove, Europäisches Bankrecht, München, 2007, S. 269ff., 280 (m.w.H.)

10) ABl. L 1994, Nr. 135, S. 5ff.

11) ABl. L 1997, Nr. 84, S. 22ff.

12) Vgl. Romeike: Bank of Corruption and Criminal Incompetence - Der Zusammenbruch der BCCI. In: RISKNEWS 04/2004, S. 52ff.

13) Vgl. Napoleoni: Die Ökonomie des Terrors. München, 2004, S. 145f.

14) Vgl. Napoleoni: a.a.O., S. 146.

15) Vgl. Napoleoni: a.a.O., S. 195.

16) Insbesondere wusch die BCCI Gelder des Drogenkartells Medellín. David Sirota, Jonathan Baskin, Follow the Money How John Kerry busted the terrorists' favorite bank, September 2004, http://www.washingtonmonthly.com/features/2004/0409.sirota.html

17) "The BCCI Affair", Report to the Committee on Foreign Relations, United States Senate, Senator John Kerry und Senator Hank Brown, 1992, 102nd Congress 2nd Session Senate Print 102-140 (Rapport Kerry), Kap. 4.

18) Adams, James, Frantz, Douglas, A Full Service Bank, Simon and Schuster, 1992, S. 90.

19) Siehe dazu: Napoleoni: a.a.O., S. 146 ff.; Adams, James, Frantz, Douglas, A Full Service Bank, Simon and Schuster, 1992, S. 89-91, S. 136.

20) als zuständige Bank-Aufsichtsbehörde

21) Siehe: http://visar.csustan.edu/aaba/bccipage.html

22) Bank of Credit and Commerce International Scandal (BCCI). UK Government Forced to Publish the Sandstorm Report (posted 9 September 2011).

23) ABl. Nr. L 168 vom 18. Juli 1995, S. 7ff.

24) ABl. Nr. C 52 vom 19. Februar 1994, S. 15ff.

25) Siehe Punkt 1.2. der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. Nr. C 52 vom 19. Februar 1994, S. 15.

26) Siehe Begründungserwägung Nr. 2 der Richtlinie 95/26/EG. ABl. Nr. L 168 vom 18. Juli 1995, S. 7.

27) Richtlinie 77/780/EWG (sogenannte Erste Bankkoordinierungsrichtlinie) ABl. Nr. L 322 vom 17. Dezember 1977, S. 30ff.

28) Zweite Bankkoordinierungsrichtlinie: Richtlinie 89/646/EWG vom 15. Dezember 1989 (sogenannte Zweite Bankkoordinierungsrichtlinie) ABl. Nr. L 386 vom 30. Dezember 1989, S. 1ff.

29) Art. 4 Abs. 3 Rl. 95/26/EG. ABl. Nr. L 168, S. 10.

30) Art. 4 Abs. 2 Rl. 95/26/EG. ABl. Nr. L 168, S. 10.

31) Art. 6 Abs. 1 Rl. 95/26/EG. ABl. Nr. L 168, S. 13.

32) Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997, BGBl. I 1997, S. 2518f.

33) Geldwäsche-Richtlinie (Rl. 91/308/EWG) ABl. L 1991, Nr. 166, S. 77ff.

34) Geldwäsche-Änderungs-Richtlinie (Rl. 2001/97/ EG) ABl. L, 2001, Nr. 344, S. 76ff.

35) Die niederländische ING Groep erwarb am 6. März 1995 das Unternehmen und führt Teile ihres Investmentbank-Geschäftes unter der Marke ING Barings fort.

36) Erben, Sandbank: Wie Barings und Co. Schiffbruch erlitten hat, in RISKNEWS Bd. I (1) 2004, S. 46ff.

37) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht - Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen, 2004. http://www.bis.org/publ/bcbs107ger.pdf

38) ABl. L 2006, Nr. 177, S. 201ff.

39) ABl. L 2006, Nr. 177, S. 1ff.

40) Siehe: H. Andreas, Bankenaufsicht in der EU im Wandel, WM 2007, S. 1053ff. (m.w.H.)

41) Beide Richtlinien hob die CRD IV (ABl. L 2013, Nr. 176, S. 338ff.) auf.

42) Von Kalckreuth/Silbermann, Bubbles and incentives: a postmortem of the Neuer Markt in Germany; Discussion Paper Series 1: Economic Studies Nr. 15/2010.

43) Bundesreg.: Ges.-Entwurf: Begründung A, BT-Drucks. 14/8017 vom 18. Januar 2002.

44) "Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland", vom 21. Juni 2002, BGBl. I S. 2010ff.

45) ABl. L 2004, Nr. 145, S. 1ff.

46) Siehe: Erwägungsgrund 31 Richtlinie 2004/39/ EG.

47) So insbesondere Art. 19 Rl 2004/39/EG, Ferrarini, Contract Standards and the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), ERCL 2005, S. 19ff.

48) Fehr: Der Weg in die Krise, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. März 2008.

49) FCIC: The Financial Crisis Inquiry Report. Januar 2011, S. 1, 2, 6ff.

50) The Hight-Level Group of Financeial Supervision in the EU, sog.: Larosière-Report, vom 25. Februar 2009, S. 18 ff. Basel III: International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring December 2010, http://www.bis.org/publ/bcbs188.htm

51) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: s. o.; siehe auch: Deutsche Bundesbank, Basel III - Leitfaden zu den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken. 2011, http://www. bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Buch_Broschuere_Flyer/bankenaufsicht_basel3_leitfaden.pdf?__ blob=publicationFile

52) Basel III: International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring December 2010, http://www.bis.org/publ/bcbs 188.htm

53) Ratingagentur-Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, ABl. L 2009, Nr. 302, S. 1ff.

54) Richtlinie 2013/36/EU (ABl. L 2013, Nr. 176, S. 338ff.)

55) Aufsichtsanforderungs-Verordnung (EU) Nr. 575/2013 VO Nr. 646/2012 (ABl. L 2013, Nr. 176, S. 1ff.)

56) ABl. L 2009, Nr. 302, S. 32ff.

57) ABl. L 2013, Nr. 145, S. 1ff.

58) ABl. L, Nr. 375, S. 3ff.

59) Richtlinie 2011/61/EU, ABl. L, Nr. 174, S. 1ff.

60) vom 4. Juli 2013 (BGBl. I S. 1981).

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