Basel-IV-Umsetzung mit Augenmaß

Iris Bethge, Hauptgeschäftsführerin, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, e.V., Berlin

Quelle: VÖB

In der Umsetzung der Standards zur Basel-III-Finalisierung sieht die Autorin in der weltweiten Betrachtung eine Verzerrung zulasten der europäischen und nicht zuletzt der deutschen Kreditwirtschaft. Als maßgeblichen Belastungsfaktor nennt sie dabei den festgelegten Output-Floor, dessen Auswirkungen sie begrenzt wissen will. Konkret will sie die Umsetzung des Output-Floors - ähnlich wie die Leverage Ratio - als zweiten Backstop genutzt wissen. Als Indiz dafür, dass durch den Output-Floor die derzeit geltenden Kapitalanforderungen nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt werden sollen wertet sie die den Banken auferlegten relevanten Offenlegungsanforderungen - nämlich zwei Gruppen von risikogewichteten Kapitalquoten, eine mit und eine ohne Output-Floor. Grundsätzlich plädiert sie dafür, die anstehene Umsetzung weltweit synchron vorzunehmen und als erst einmal als Schlussstein für die Regulierung zu betrachten. Stattdessen lenkt sie den Fokus aller Akteure auf Erleichterungen und weniger Komplexität bei Aufsicht und Regulierung. (Red.)

Am 7. Dezember 2017 hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) die noch ausstehenden Standards zur Basel-III-Finalisierung veröffentlicht. Wegen der absehbaren weitreichenden Wirkung der Veränderungen hat die Kreditwirtschaft frühzeitig von "Basel IV" gesprochen. Die neuen Regeln sollen ab dem 1. Januar 2022 angewendet werden und müssen nun in EU-Recht überführt werden. Europäische - besonders deutsche - Banken drohen zu den Verlierern von Basel IV zu werden.

Höhere Kapitalanforderungen durch Output-Floor

Während sich die Kapitalanforderungen der Banken durch die Beschlüsse des Baseler Ausschusses weltweit kaum erhöhen werden, schätzt die Europäische Bankenkaufsichtsbehörde EBA den Anstieg für Banken in der Europäischen Union auf fast 17 Prozent. Für deutsche Banken hat die Deutsche Bundesbank sogar ein Plus von knapp 24 Prozent ermittelt. Diese extreme Steigerung bedroht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken und würde die Finanzierungsmöglichkeiten der Realwirtschaft stark einschränken. Es ist also dringend geboten, die Baseler Regelungen in europäisches Recht mit Besonnenheit und Augenmaß umzusetzen (Abbildung 1).

Der größte Teil des drohenden Kapitalanstiegs ergibt sich aus dem Output-Floor. Der Output-Floor legt fest, dass das aufsichtliche geforderte Mindestkapital einer Bank, die zur Risikoermittlung interne Verfahren verwendet, mindestens 72,5 Prozent der nach den aufsichtlich vorgegebenen Standardansätzen ermittelten Kapitalanforderung betragen muss. Für deutsche Banken beziffert die Bundesbank den Beitrag des Floors zum Gesamtanstieg auf 17,4 Prozentpunkte. Um die Auswirkungen des Floors zu begrenzen, plädiert der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) zunächst einmal dafür, dass er nur auf diejenigen Bestandteile der Kapitalanforderung angewendet wird, die der Baseler Ausschuss tatsächlich vorgesehen hat. Zum anderen sollte der Output-Floor in der EU neben der Leverage Ratio als weiteres Auffangnetz (Backstop) für die risikogewichteten Kapitalanforderungen dienen.

Was heißt das konkret? Nicht global systemrelevante Banken müssen derzeit unter anderem hartes Kernkapital von 4,5 Prozent und einen Kapitalerhaltungspuffer in Höhe von 2,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva (RWA) vorhalten. Hinzu kommen institutsindividuelle Zuschläge für sogenannte "anderweitig systemrelevante Institute" (A-SRI-Puffer) sowie ein Kapitalzuschlag im Rahmen der sogenannten "zweiten Säule" (SREP-Puffer).

Kein Gold-Plating bei der Umsetzung des Output-Floors in der EU

Nach Einführung der überarbeiteten EU-Bankenverordnung (CRR II) müssen Institute zusätzlich eine Leverage Ratio in Höhe von 3 Prozent der nicht risikogewichteten Aktiva einhalten. Wichtig ist, dass die Leverage Ratio als nicht risikogewichtetes Auffangnetz (Backstop) für die risikogewichteten Kapitalanforderungen eingeführt wurde. Sie soll dafür sorgen, dass die risikogewichteten Kapitalanforderungen der Banken nicht unter ein bestimmtes Niveau fallen. Sie deckt die gleichen Risiken ab wie die risikogewichteten Kapitalanforderungen und kann entsprechend mit dem gleichen Kapital erfüllt werden (Abbildung 2).

Von großer Bedeutung bei der Umsetzung des Output-Floors in der EU ist zunächst, dass die oben beschriebenen RWA nach Basel IV nicht auf sämtliche Kernkapitalanforderungen, sondern lediglich auf die harten Kernkapitalanforderungen und die Kapitalerhaltungspuffer angewendet werden müssen. Eine darüber hinausgehende Anwendung auf weitere Puffer (A-SRI- und SREP) hat der Baseler Ausschuss nicht vorgesehen. Dies wäre ein klarer Fall eines Gold-Platings der Baseler Vorschriften in der Europäischen Union, der die Wettbewerbsnachteile europäischer Institute weiter verstärken würde. Das muss auf jeden Fall vermieden werden.

Zweiter Backstop neben der Leverage Ratio

Entscheidend ist, dass der Output-Floor als zweiter Backstop neben der Leverage Ratio umgesetzt wird. Der VÖB geht davon aus, dass durch den Output-Floor die derzeit geltenden Kapitalanforderungen nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt werden sollen. Hierfür spricht vor allem, dass die Banken nach den Offenlegungsanforderungen von Basel IV zwei Gruppen von risikogewichteten Kapitalquoten offenlegen müssen: eine mit und eine ohne Output-Floor.

Der Floor soll sicherstellen, dass die Kapitalanforderungen der Banken nicht unter einen bestimmten Prozentsatz der nach den Standardansätzen ermittelten Kapitalanforderungen fallen. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, die Baseler Floor-Anforderungen - wie die Leverage Ratio - als einen weiteren "Backstop" für die risikogewichteten Eigenkapitalanforderungen aufzufassen. Das "High-level Summary of Basel III Reforms" des Baseler Ausschusses bezeichnet den Output-Floor folgerichtig als einen "risk-based backstop", der das Ausmaß, in dem die Banken ihre Kapitalanforderungen im Vergleich zu den Standardansätzen verringern können, begrenzt.

Während die Leverage Ratio als nicht risikogewichter Backstop ein übermäßiges Absinken der risikogewichteten Kapitalanforderungen bei allen Banken verhindern soll, stellen die Floor-Anforderungen einen zusätzlichen risikogewichteten Backstop für Banken dar, die interne Verfahren zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen verwenden. Entsprechend ergäbe sich das in Abbilung 3 aufgezeigte Bild.

Negative Auswirkungen auf das Fördergeschäft verhindern

Während die "normalen" Kapitalanforderungen weiter auf Basis der RWA vor Anwendung des Floor (RWA pre-floor) ermittelt werden, würden zur Ermittlung der Floor-Anforderungen die RWA nach Anwendung des Floor (RWA floored) herangezogen. Diese Umsetzung birgt die Chance, die erwarteten Kapitalerhöhungen durch Basel IV zu dämpfen.

Wichtig ist, dass die Auswirkungen der von uns vorgeschlagenen Lösung von der EBA im Rahmen ihrer derzeit durchgeführten umfassenden Auswirkungsstudie zu Basel IV berechnet werden. Erst auf dieser Grundlage können weitere Schlussfolgerungen für die Umsetzung des Output-Floors in der Europäischen Union gezogen werden.

Ebenso wichtig ist auch, dass sich infolge von Basel IV die Bedingungen für das Geschäft der Förderbanken nicht verschlechtern dürfen. Förderkredite werden in Deutschland zumeist über andere Kreditinstitute ausgereicht (Hausbankprinzip). Daher bestehen die Kreditportfolios von Förderbanken zu einem großen Teil aus Forderungen an Geschäftsbanken und Sparkassen.

Zumindest angemessene Ausnahmen

Für diese Forderungen sehen die neuen Regelungen sowohl im internen Ratingansatz (IRBA) als auch im Standardansatz für Kreditrisiken erhebliche Belastungen vor. Entsprechend sollten diese Regelungen in der EU nicht umgesetzt werden; zumindest aber sollten angemessene Ausnahmen für das Fördergeschäft geschaffen werden.

Im Standardansatz soll das Sitzlandprinzip, nach dem Forderungen an Banken in Anlehnung an die Bonität des Sitzlandes risikogewichtet werden dürfen, nicht mehr anwendbar sein. Das würde die Kapitalanforderungen für Forderungen an Institute ohne Rating verdoppeln. Das Sitzlandprinzip sollte daher zumindest für Forderungen an Banken, die Förderdarlehen durchleiten, erhalten bleiben.

Fortgeschrittene IRBA auch für Forderungen an Banken weiterführen

Im fortgeschrittenen IRBA stellen abgetretene Forderungen an die Förderkreditnehmer eine wichtige Sicherheit dar. Da nach Basel IV der fortgeschrittene interne Ratingansatz nicht mehr auf Bankenforderungen angewendet werden kann, könnten für diese Sicherheiten keine selbst geschätzten Verlustquoten (LGD) mehr verwendet werden. Im einfachen IRB-Basisansatz wäre eine Verringerung der LGD nur für abgetretene Forderungen mit einer Laufzeit von unter einem Jahr zulässig. Hierdurch dürften die allermeisten abgetretenen Forderungen in diesem Ansatz nicht mehr anerkennungsfähig sein. Auch für die wenigen verbleibenden Forderungen würde die aufsichtlich vorgegebene Verringerung der LGD wesentlich geringer ausfallen als bei selbst geschätzten LGD.

Daher sollte der fortgeschrittene IRBA auch für Forderungen an Banken weitergeführt werden. Die von der EBA angestoßene EU-weite Harmonisierung der Mindestanforderungen an den IRBA wird die nicht durch unterschiedliche Risiken bedingten Unterschiede in den Risikoschätzungen der Institute auf ein annehmbares Maß verringern. Darüber hinaus lassen sich auch bei wenigen Ausfällen verlässliche LGD-Schätzungen vornehmen. Gemeinsam mit der Kreditwirtschaft sollten daher Anforderungen erarbeitet werden, die eine verlässliche Schätzung von Risikoparametern für solche "Low-default-Portfolios" ermöglichen.

Basel IV als Schlussstein der Regulierung

In einer weltweit vernetzten Branche wie der Kreditwirtschaft sind gemeinsame globale Regeln unverzichtbar. Schmerzhafte Kompromisse im Baseler Ausschuss gehören grundsätzlich zu gemeinsamen Regeln dazu. Der Basel-IV-Kompromiss ist jedoch für Europas Banken besonders unvorteilhaft. Wichtig ist nun, dass Basel IV weltweit synchron umgesetzt wird, um europäische und deutsche Institute nicht über Gebühr zu benachteiligen.

Zudem sollte die EU bei der Umsetzung in europäisches Recht jeden Spielraum zugunsten der Kreditwirtschaft nutzen und auf eine einseitige Übererfüllung der Baseler Vorschriften verzichten. Schließlich muss Basel IV auch der Schlussstein für noch mehr Regulierung sein. Stattdessen sollte der Fokus aller Akteure auf Erleichterungen und weniger Komplexität bei Aufsicht und Regulierung liegen. Entlastungen sollten schnellstmöglich erfolgen, um die Leistungsfähigkeit der Kreditwirtschaft zu erhalten.

Iris Bethge Hauptgeschäftsführerin, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, Berlin
 
Iris Bethge , Hauptgeschäftsführerin, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB

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