Bedeutung der Förderbank für den Fintech-Standort Berlin

Dr. Jürgen Allerkamp, Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin (IBB)

Mit Blick auf die Wirtschaftsstruktur der deutschen Hauptstadt Berlin wurde über viele Jahre immer wieder auf die fehlende Industriebasis hingewiesen. Nur vom Tourismus und dem Ruf als spannende Metropole, so eine verbreitete These, dürfte es schwerfallen, an die anderen großen Ballungsräume des Landes auch nur Anschluss zu finden geschweige denn Schritt zu halten. Betrachtet man allein die Gründungs- und Start-up-Szene muss man diese Betrachtung relativieren. Denn auf diesem Feld, das die künftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands maßgeblich prägen könnte, ist Berlin hierzulande führend. In dem Bereich der Fintechs, so verweist der Autor exemplarisch auf ein Feld der Förderung von Zukunftsfeldern durch die landeseigene Förderbank, wird Ende Mai 2018 eine zentrale Anlaufstelle eröffnet, an der sich nationale und internationale Investoren, Banken, Versicherungen und Fintechs treffen und austauschen können. Bis zu 40 000 zusätzliche Jobs könnten aktuellen Berechnungen zufolge in den kommenden zwölf Jahren allein im Finanzdienstleistungssektor entstehen. (Red.)

228 der insgesamt 700 Fintechs in Deutschland domilizieren in Berlin. Das besagt eine aktuelle Studie der Direktbank Comdirect. Damit sind in Berlin fast so viele Fintechs zu Hause wie in Frankfurt (84), München (84) und Hamburg (67) zusammen, die in diesem Ranking die Plätze zwei bis vier belegen. Nach wie vor haben Fintechs in Berlin Hochkonjunktur, obwohl sich die Gründungswelle bei den Fintechs im Vorjahr etwas abgeflacht hat.

Von der Gründungs- in die Wachstumsphase

Nicht so deren Kapitalisierung. Hier profitieren die Berliner Unternehmen von der großen Aufmerksamkeit, die die Start-up-Metropole weltweit genießt.

Im Zuge von 33 Finanzierungsrunden floss den Berliner Fintechs in 2017 Kapital im Volumen von 295 Millionen Euro zu und damit mehr als die Hälfte des in Deutschland insgesamt in diese Unternehmen investierten Venture Capital (EY Start-up-Barometer Deutschland). Die Vorjahreswerte mit 30 Runden über 258 Millionen Euro wurden damit noch einmal übertroffen. Der Fintech-Markt scheint von der Gründungs- in die Wachstumsphase überzugehen.

Fragt man nun nach der Bedeutung der Förderbank für den Fintech-Standort Berlin, so liegt diese sicherlich nicht primär bei der Finanzierung der Fintech-Unternehmen, obwohl die Investitionsbank Berlin auch hier über ihre Beteiligungsgesellschaft "IBB Bet" fünf Beteiligungen hält und einige Finanzierungen im Bereich der Innovationsförderung durchgeführt haben. Viel eher - und das ist bewusst etwas provokativ gemeint - liegt diese Bedeutung zu einem großen Teil in der Vergangenheit.

Wenn man über die Stärken der einzelnen Fintech-Hubs in Deutschland spricht so wird für Frankfurt am Main zuerst dessen Bankenumfeld angeführt, für München ebenfalls das Umfeld von Unternehmen aus der Kredit- und Versicherungsbranche und für Berlin ganz eindeutig sein Stärke in der Digitalwirtschaft und die Vielzahl junger und kreativer Unternehmen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik.

Schwerpunkt Informations- und Kommunikationstechnik

Hier wurde in Berlin etwas aufgebaut, an dem auch die IBB als Förderbank maßgeblich beteiligt war: In konsequenter Ausrichtung der Wirtschaftsförderung auf die innovativen Berliner Zukunftsfelder (Cluster) ist hier ein sehr starker I.u.K.-Sektor entstanden, den nach wie vor eine sehr hohe Gründungsdynamik auszeichnet. Rund ein Drittel der in diesem Bereich 2017 begebenen Finanzierungszusagen der IBB entfielen auf Gründungsvorhaben (Abbildung).

Auf dem Nährboden einer kreativen Digitalwirtschaft finden Fintechs in Berlin hervorragende Entwicklungsperspektiven, und die Digitalwirtschaft hat sich zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor in der Hauptstadt mit rund 9 000 Unternehmen und mehr als 88 000 Arbeitsplätzen entwickelt. Nach wie vor wächst sie überdurchschnittlich schnell und steuert derzeit rund ein Fünftel zum Berliner Wirtschaftswachstum bei.

Auch die Fintechs selbst werden zunehmend zum Wirtschaftsfaktor. Mit den mehr als 200 Unternehmen scheint eine kritische Masse erreicht, die Kooperationen und Kundenbeziehungen der Fintechs untereinander ermöglicht. Da viele Fintechs hochspezialisierte Lösungen anbieten, steckt in einer Kombination ihrer unterschiedlichen Produkte und Lösungen zusätzliches Marktpotenzial.

Digitalwirtschaft als wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Hauptstadt

Dazu bedarf es effizienter Kommunikationsstrukturen. Da braucht man sich um die Branche im Allgemeinen zwar keine Sorgen zu machen und doch hat es auch hier im letzten Jahr nennenswerte Fortschritte gegeben. Neben Frankfurt am Main wurde auch Berlin im letzten Jahr im Rahmen der Digital Hub Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums als Digital-Hub für Fintechs ausgewählt.

Die Digital Hub Initiative soll die Transformation Deutschlands zu einem führenden Digitalstandort vorantreiben. Unter der gemeinsamen Dachmarke "de:hub" soll durch die enge Kooperation zwischen Start-ups, etablierter Wirtschaft, Forschungseinrichtungen und Experten ein innovatives Netzwerk verschiedener Ökosysteme entstehen. Auch Gründer und Investoren aus dem Ausland sollen so für den Digitalstandort Deutschland gewonnen werden.

Eine zentrale Adresse in Citylage

Mit Unterstützung der IBB ist es jetzt gelungen dem Digital-Hub für Fintechs - es gibt in Berlin ein zweites Digital-Hub für das Internet der Dinge - eine zentrale Adresse zu geben: H:32! H:32 steht für Hardenberg Straße 32 und bezeichnet die frühere Geschäftsadresse der Berliner Bank in unmittelbarer Umgebung des Bahnhof Zoo - also in zentraler Citylage.

Auf acht Etagen über 11 000 Quadratmeter steht hier für Berliner Fintech und Insuretech-Unternehmen Büroraum zur Verfügung. Betrieben wird das Center - das am 30. Mai 2018 offiziell eröffnet wird - gemeinsam von dem Company Builder Finleap und dem Office-Anbieter Scaling Spaces als ein Ort, an dem sich nationale und internationale Investoren, Banken, Versicherungen und Fintechs treffen und austauschen.

H:32 ist ein wichtiger Baustein für die weitere Entwicklung der Berliner Fintech-Szene und man darf zuversichtlich sein, dass die Zeichen hier weiter auf Wachstum stehen. Bereits heute wird fast jede zweite neue Stelle im deutschen Fintech-Bereich in Berlin ausgeschrieben. Die Digitalisierung birgt nach Berechnungen der IBB-Volkswirte für Berlin ein Potenzial von rund 40 000 zusätzlichen Jobs im Finanzbereich bis 2030. Dies ergibt sich als Saldo aus den Automatisierungspotenzialen in der etablierten Finanzbranche und dem hohen Fachkräfteaufbau vor allen Dingen in neu gegründeten Fintechs.

Unter internationalen Maßstäben noch viel Potenzial nach oben

Für die Zukunft der Fintechs ist die Positionierung gegenüber den etablierten Akteuren der Finanzbranche von erheblicher Bedeutung. Derzeit zeichnet sich, neben vereinzelten Gründungen mit Banklizenz, eine wachsende Kooperation ab, bei der Banken und Versicherungen Fintech-Leistungen zunehmend in ihr Produktportfolio eingliedern. Vor diesem Hintergrund ist es für die Banken notwendig, sich von Anfang an mit diesen innovativen Entwicklungen auseinanderzusetzen.

Daneben müssen auch Überlegungen für den Bankplatz Berlin insgesamt vorangetrieben werden. Ohne eine abgestimmte Strategie in Bezug auf das digitale Zeitalter können sowohl Finanzinstitute als auch nationale Bankstandorte im internationalen Vergleich nicht bestehen.

Die Digitalisierung im Bankensektor muss daher auch hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Finanzplatzes Berlin vorrangig diskutiert werden und es ist kein Geheimnis, dass derzeit nur relativ wenige deutsche Fintechs in internationalen Maßstäben agieren. Unter den Top 100 "Leading Global Fintech Innovators" von KPMG und H 2 Ventures befinden sich gerade einmal fünf Unternehmen aus Deutschland, aber 19 aus den USA, 10 aus Australien, 9 aus China, 8 aus Großbritannien und 6 aus Kanada. Die Hauptstadt ist hinsichtlich der Fintechs zwar die internationalste Stadt und der bedeutendste Standort in Deutschland, es gibt hier aber auch noch viel Potenzial nach oben.

Jürgen Allerkamp Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin (IBB), Berlin
Dr. Jürgen Allerkamp , Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin

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