Blockchain im Fokus - Fintech 2.0

Prof. Dr. Stephan Paul Foto: Ruhr-Universität

Ein bekannter Begriff aus der Makroökonomie bezeichnet die "Schöpferische Zerstörung" und beschreibt den Umstand, dass jede ökonomische Entwicklung auf dem Prozess der schöpferischen oder kreativen Zerstörung aufbaut. Die Autoren gehen der Frage nach, ob Banken durch die von der Blockchain ausgehende technische Revolution den für sie wichtigen Zugang zum Kunden verlieren werden. Sie kommen zu dem Schluss, dass neue Anbieter durchaus fragmentiert Marktanteile übernehmen könnten. Hierzu trägt die Technologie durch die Senkung der Transaktionskosten, die Reduzierung der Abwicklungszeiten im internationalen Zahlungsverkehr, die Anonymität der Transaktionsbeteiligten, die Nachvollziehbarkeit und Manipulationsfreiheit der Transaktionen bei. Doch die Autoren sehen auch die Möglichkeit für Banken, die Technologie für ihre eigenen Interessen zu verwenden und entsprechende Abwehrstrategien gegen die neuen Anbieter zu entwickeln. (Red.)

Die zunehmende Technologieverfügbarkeit führt zu einem Umbruch in der Finanzbranche, der erst kürzlich "greifbar" wurde, als die Commerzbank AG durch den technischen Zahlungsabwickler Wirecard AG im Dax ersetzt wurde. Die Wirecard AG ist eines der "Fintech 1.0", die Paul/Prystav/Stein (2014) in "Die neuen Banken" vorgestellt haben. Eine junge Datenbanktechnologie, die Blockchain, über die einer Studie des World Economic Forums (2015) zufolge in nicht einmal zehn Jahren 10 Prozent des globalen BIP abgewickelt werden, hat neue, weniger beachtete Akteure, sogenannte "Fintech 2.0", hervorgebracht, die ihr Geschäftsmodell auf der neuen Technologie basieren. Dieser Beitrag stellt zentrale Geschäftsmodelle vor und diskutiert deren Gefahrenpotenzial für klassische Banken.

Blockchain in der Finanzwirtschaft

Vier Anbietergruppen lassen sich identifizieren:

1. Neue Zahlungsverkehrsspezialisten: Die Kategorie versammelt Anbieter, die sich auf die Übertragung von Zahlungsmitteln zwischen Wirtschaftssubjekten mithilfe der Blockchain-Technologie spezialisieren und somit eine Alternative zur klassischen Banküberweisung darstellen (Bitpay, Ripple, Satoshipay).

2. Neue Spezialisten im Kreditgeschäft: Anbieter, die mit Hilfe der Blockchain eine auf Fremdkapital basierende Finanzierungsalternative zum klassischen Bankkredit bereitstellen (Bitbond, Loanbase) sowie blockchainbasierte Anbieter, die auf diese Art mit dem Einlagengeschäft der Banken konkurrieren (Safedroid, Bsave) werden in dieser Kategorie zusammengefasst.

3. Neue Spezialisten im Bereich Wagnisfinanzierung: Nicht fremd-, sondern eigenkapitalbasierte Blockchain-Finanzierungskonzepte bilden den Kern dieser Kategorie (Neufund, Iconiqlab). Dabei schält sich eine neue Finanzierungsalternative, sogenannte Initial Coin Offerings (ICOs), heraus.

4. Neue Anbieter im Bereich Kapitalmarkthandel: Lag der Fokus zuvor auf dem Zahlungsverkehr beziehungsweise fremd- oder eigenkapitalbasierten Finanzierungen, so versammelt diese Kategorie Anbieter, die den Handel mit den jetzt mehr als 2 000 virtuellen Währungen und den darauf lautenden Finanzinstrumenten ermöglichen (Binance, Coinbase).

Eine technologische Revolution

Derzeit existiert noch keine einheitliche Definition der Blockchain. Folgt man jedoch entsprechend dem Fokus "Finanzwirtschaft" der BaFin, dann bezeichnet die Blockchain fälschungssichere, verteilte Datenstrukturen, in denen Transaktionen in der Zeitfolge protokolliert, nachvollziehbar, unveränderlich und ohne zentrale Instanz abgebildet werden. Die Verteilung der Daten impliziert im Gegensatz zum zentralisierten Finanzsystem, dass jeder Netzwerkteilnehmer eine Kopie sämtlicher Datensätze auf seinem Computer speichert und diese verwaltet. Die Gesamtheit der Knoten bildet das Blockchain-Netzwerk, das den dezentralen Charakter der neuen Technologie ausmacht. Die Struktur einer Kette ergibt sich durch die Verknüpfung einzelner Datensätze durch einen Hashwert.

Transaktion können aufgrund einer bestimmten Verschlüsselungstechnik nicht unbemerkt manipuliert werden. Folglich ist ihre inhaltliche Integrität sichergestellt. Durch dieses Sicherheitsverfahren lassen sich auch sensible Daten miteinander teilen, ohne dass sie sich verändern lassen, da nur die unmittelbar an der Transaktion Beteiligten alle im Datensatz gespeicherten Informationen einsehen können. Hieraus und durch die dezentrale Speicherung wird die häufig beschriebene Fälschungsbeziehungsweise Manipulationsfreiheit und somit Datensicherheit begründet.

Charakteristika von Geschäftsmodellen

Eine Existenzberechtigung für Banken ergibt sich immer dann, wenn mithilfe ihrer Einschaltung entweder Kapitalanbieter und -nachfrager zu geringeren Transaktionskosten zusammenkommen und/ oder ihre Intermediationsrolle Nutzenvorteile gegenüber einem Direktkontakt mit sich bringt. Die Blockchain-Technologie setzt nun genau dort an und verspricht durch die hierauf basierenden Geschäftsmodelle sowohl Kosten- als auch Nutzenvorteile gegenüber etablierten Kreditinstituten.

Ein Geschäftsmodell leitet sich zunächst aus dem jeweiligen Selbstverständnis des Unternehmens ab. Synonym werden auch Begrifflichkeiten wie Aufgabe, Mission, Vision oder Identität verwendet. Das Selbstverständnis in Verbindung mit den Rahmenbedingungen der Unternehmung sowie der Ressourcenausstattung determinieren die Wertschöpfungsidee. Diese beantwortet die Frage in welcher Hinsicht ein Nutzen für den Kunden gestiftet wird. Die konkrete Ausgestaltung des versprochenen Mehrwerts bildet die Wertschöpfungsarchitektur ab, die schließlich im Wertschöpfungsergebnis resultiert. Auf Basis der zuvor beschriebenen Kernelemente werden nachfolgend die Profile der Fintech 2.0 charakterisiert.

Neue Zahlungsverkehrsspezialisten

Bitpay stellt mit einem im Jahr 2017 abgewickelten Transaktionsvolumen von zirka eine Milliarde Dollar und einem Wachstum des Transaktionsvolumens im Höhe von 326 Prozent im Vergleich zum Vorjahr den Marktführer im Zahlungsverkehr mit virtuellen Währungen dar. Das 2011 gegründete Unternehmen hat es sich im Hinblick auf sein Selbstverständnis zur Aufgabe gemacht, Unternehmen die Akzeptanz von Bitcoin-Zahlungen möglichst einfach zu gestalten. Der Kern der Wertschöpfungsidee des Unternehmens adressiert somit erstens die lange Abwicklungszeit von Überweisungen ins Ausland, die zirka 3 bis 5 Tage dauern, zweitens die hohen Gebühren unter anderem für Korrespondenzbankkonten und drittens die nicht hundertprozentige Transaktionssicherheit (Zahlungsausfälle) und somit Vertrauenswürdigkeit heutiger Zahlungsverkehrswege.

Zu den Ressourcen des Unternehmens zählen die 70 Millionen Dollar, die Bitpay in zwei Finanzierungsrunden von renommierten VC-Unternehmen (wie Menlo Ventures) einsammeln konnte. Hinsichtlich der Akzeptanz der neuen Bezahlmöglichkeit kann zudem die Kooperation mit dem Fintech Sum Up als weitere Ressource angesehen werden. Durch die Integration von Bitcoin-Zahlungen in das Geschäftsmodell von Sum Up können kleine und mittelständische Händler neben Kartenzahlungen nun zusätzlich Bitcoin-Zahlungen mit dem Sum-Up-Kartenlesegerät akzeptieren. Nach dem Scan eines QR-Codes beziehungsweise nach NFC-Übertragung muss derjenige, der die Zahlung letztlich durchführt, den Zahlungsbetrag lediglich aktiv bestätigen.

Im Rahmen der Wertschöpfungsarchitektur kümmert sich das Unternehmen um die Plattform-Wartung, die Sicherheit, die Akquise von Akzeptanzstellen, die Werbung, den Customer Support sowie die Forschung und Entwicklung beispielsweise neuer Tools. Neben den Kernaktivitäten gehören zum Leistungssortiment von Bitpay P2P-Zahlungen (Peer-to-Peer), P2R-Zahlungen (Person-to-Retailer) sowie die Integration der eigenen Leistungen in die Zahlungsprozesse der Netzwerkpartner und Kunden. Ergänzt wird das Leistungssortiment durch die Kooperation mit Kreditkartenfirmen und Banken. Bitpay verlangt im Hinblick auf das Wertschöpfungsergebnis für die Zahlungsabwicklung 1 Prozent Transaktionsgebühren von den Händlern und liegt damit unter den bis zu 3 Prozent erhobenen Transaktionsgebühren von Paypal. Jedoch können diverse weitere Gebühren anfallen, die der "Cardholder Fees and Transaction Limits"-Auflistung entnommen werden können. Beispielsweise verlangt Bitpay bei Auszahlungen am Geldautomaten 2 Dollar pro Abhebung. Umsatztreiber sind folglich die Anzahl an Kunden, Transaktionsvolumen und -frequenz.

Neue Spezialisten im Kreditgeschäft

Bitbond, eine in Berlin ansässige Kreditvermittlungsplattform, wird in dieser Kategorie aufgrund ihrer Pionierstellung fokussiert. Die Wertschöpfungsidee liegt in der Übertragung des Peer-to-Peer-Lending-Gedankens auf virtuelle Währungen verankert. Durch die Nutzung des Bitcoins als Währung gestaltet Bitbond als erstes Unternehmen die P2P-Kreditvergabe für KMU-Darlehen im internationalen Kontext als attraktive Anlagemöglichkeit. Seit 2013 konnte das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits über 3 000 Darlehen mit einem kumulierten Darlehensvolumen von über 14 Millionen US-Dollar weltweit über die Blockchain vermitteln. Zudem kann Bitbond bis zum Ende des dritten Quartals 2018 über 160 000 Kunden sein eigen nennen.

Die weltweite Öffnung der Kreditvermittlung spiegelt sich im Selbstverständnis des Unternehmens wider: "Die Mission von Bitbond ist es, Investitionen und Finanzierungen global zugänglich zu machen". Aktuell gestaltet sich die KMU-Darlehensfinanzierung im internationalen Kontext durch die Vielzahl an beteiligten Finanzintermediären kostspielig und langwierig. Durch die Blockchain-Technologie sollen Transaktionen nicht nur sicherer und schneller werden, sondern vor allem auch kostengünstiger, da das Unternehmen unabhängig von Banken und seit 2016 zudem mit eigener Ba-Fin-Lizenz am Markt agiert. Um ein kostengünstigeres Wertangebot nachhaltig offerieren zu können, setzt Bitbond auf ein konsequentes Onlinebanking - von der Registrierung bis zur Anlage.

Die Wertschöpfungsarchitektur unterscheidet sich in wenigen Punkten zur mittlerweile bekannten P2P-Kreditvergabeplattform Auxmoney. Nach der Auswahl vielversprechender Darlehensgesuche nimmt Bitbond eine Bewertung der Kreditnehmer durch eigenständig durchgeführte Bonitätsprüfungen vor. Hierbei berücksichtigt das Unternehmen auch Informationen, die nicht durch konventionelle Auskunfteien abgedeckt werden. So können Darlehensnehmer zum Beispiel mit guten Ebay- oder Amazon-Rezensionen ihre Bonität signalisieren. Im Ergebnis wird jedem Kreditnehmer ein Bonitätsurteil von A bis F zugewiesen, das maßgeblich den individuellen Darlehenszinssatz der Kreditnehmer beeinflusst.

Ausfallrisiko minimieren

Einen weiteren Unterschied stellt die Währung dar, mit der in die Kreditgesuche der Darlehensnehmer im Rahmen von Finanzierungsrunden, die auf maximal zwei Wochen pro Darlehen begrenzt sind, investiert werden kann. Demzufolge benötigt ein Darlehensgeber Bitcoins, um ein Gebot für ein Darlehen, das als Raten- oder Nullkupondarlehen je nach Laufzeit ausgestaltet ist und in US-Dollar, Euro oder Bitcoin denominiert sein kann, abgeben zu können. Sollte das Darlehen bereits vor Ablauf der Vergabefrist finanziert worden sein, so endet die Finanzierungsrunde unmittelbar. Die Kreditgeber können ihre Gebote während der Finanzierungsrunde nicht revidieren. Die Zahlungsabwicklung der Darlehen erfolgt ausschließlich in Bitcoin.

Um das Ausfallrisiko zu minimieren, kann jeder Darlehensnehmer maximal ein laufendes Darlehen in Anspruch nehmen. Ob ein Darlehensnehmer dazu berechtigt ist, ein Darlehen aufzunehmen, kann durch die Transparenz der Blockchain beurteilt werden. Einen weiteren Unterschied zu Auxmoney stellt die Finanzierungsschwelle dar. Sofern mindestens 60 Prozent - und nicht wie bei Auxmoney 100 Prozent - des angefragten Betrags geboten wurde, erhält der Darlehensnehmer das Darlehen von den Darlehensgebern.

Mit Blick auf das Wertschöpfungsergebnis behält Bitbond von jedem Tilgungsbetrag des Darlehensnehmers ein Prozent als Rückführungsgebühr für die Abwicklung des Darlehens ein. Zudem verlangt der Kreditvermittler von den Darlehensnehmern eine laufzeitabhängige Vermittlungsgebühr zwischen 1,0 Prozent und 2,5 Prozent. Demnach stellen die Anzahl und das Volumen der KMU-Darlehen die Umsatztreiber des Geschäftsmodells dar. Darüber hinaus können Verzugs- und Mahngebühren anfallen. Nach dreimonatigem Zahlungsverzug wird ein Inkassounternehmen eingeschaltet.

Spezialisten der Wagnisfinanzierung

Neufund, ein blockchainbasierter Venture-Capital-Fonds, setzt an dem traditionell langwierigen Venture-Capital-Fundraising-Prozess an. Kapitalnehmer sehen sich in diesem Kontext häufig mit ressourcenzehrenden Roadshows und einer Vielzahl von zeitraubenden Pitches konfrontiert, die zwar auf der einen Seite nach erfolgreichem Funding Kapital erheblichen Volumens in die Unternehmung einbringen, auf der anderen Seite aber über Monate hinweg wertvolle Kapazitäten binden, worunter das Unternehmenswachstum leiden kann.

Diese Erfahrungen sammelte auch die Gründerin von Neufund, Zoe Adamowicz. Im Gegensatz zu ihrem damaligen sechs Monate andauernden Venture-Capital-(VC)-Prozess, konnte das polnische Unternehmen Golem, das auch als "Uber für Computer" bezeichnet wird, unabhängig von Neufund innerhalb von zwei Wochen VC via Blockchain aufnehmen. Das eigentliche Fundraising, auch als Initial Coin Offering (ICO) bezeichnet, war sogar in einer rekordverdächtigen Zeit von 25 Minuten abgeschlossen. Bislang konnten über 1200 Unternehmen zirka 22 Milliarden Dollar via ICO einsammeln. Plattformen wie Neufund, auf denen sich die Unternehmen präsentieren können, sowie die Verwendung von Smart Contracts sollen die Geschwindigkeitsvorteile erschließen.

Die Wertschöpfungsidee des Unternehmens zeichnet sich vor diesem Hintergrund durch den Dreiklang aus Eigenkapital, virtuellen Währungen und Crowdfinanzierung aus. Durch die Verknüpfung von Unternehmensanteilen mit sogenannten Equity Token, die durch die Smart Contracts automatisch und somit auf schnelle Art und Weise sowie zu minimalen Transaktionskosten an die Crowdinvestoren ausgegeben werden, und die Einbeziehung jeglicher, das heißt nicht ausschließlich auf der Blockchain basieren der Unternehmen in allen Unternehmensphasen, erzielt Neufund seinen Unique Selling Point. Folglich kennzeichnet die Aufgabe, eine im Besitz der Neufund-Gemeinschaft befindliche Plattform aufzubauen, die die Welt der virtuellen Währungen mit Unternehmensanteilen verknüpft, das Selbstverständnis von Neufund.

Wertschöpfungsarchitektur und -ergebnis

Von besonderer Relevanz im Rahmen der Wertschöpfungsarchitektur sind die Bekanntheit der Plattform und die sich anschließende Einbindung der Start-ups und Investoren in den Leistungserstellungsprozess. Hierzu bedarf es eines professionellen Community Managements, aber auch einer bewussten Auswahl der Start-ups, in die die Plattform-Community investieren kann. Sind die Start-ups einmal ausgewählt, liegt es im Interesse des Unternehmens hinsichtlich einer erfolgreichen Finanzierungsrunde, die Startups bei der Präsentation auf der Plattform in unterstützender Art und Weise zu beraten. Darüber hinaus muss das Unternehmen ein Augenmerk auf die Programmierung und reibungslose Funktionsweise der Smart Contracts sowie auf die Umwandlung der Equity Token, die die Investoren erhalten, legen.

Das Wertschöpfungsergebnis wird analog bekannter Crowdinvesting-Modelle durch eine erfolgsabhängige Gebühr bestimmt. Dabei behält Neufund zum einen 3 Prozent direkt von dem eingesammelten Kapital der erfolgreichen Finanzierungsrunde ein, auf der anderen Seite sichert sich das Unternehmen 2 Prozent der offerierten Token. Die Erlöse werden dabei an alle (Mit-)Eigentümer der Plattform gleichermaßen - und nicht nur an die Betreiber der Plattform - verteilt. Wie bereits in den Rahmenbedingungen anklang, wird das Wertschöpfungsergebnis somit durch die Anzahl und Volumina der über die Plattform finanzierten Projekte determiniert.

Anbieter im Bereich Kapitalmarkthandel

Das 2012 in San Francisco gegründete Unternehmen Coinbase stellt eine der ersten großen Handelsplattformen für virtuelle Währungen wie Bitcoin oder Ethereum dar. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden bereits mehr als 150 Milliarden Dollar in digitalen Währungen von mehr als 20 Millionen Nutzern aus über 32 Staaten gehandelt. Das Unternehmen verfolgt mit Blick auf sein Selbstverständnis das Ziel eines offenen, globalen Finanzsystems, das nicht durch ein bestimmtes Land oder Unternehmen kontrolliert wird. Durch die Nutzung der Blockchain-Technologie, die mit dem Internet verbunden ist, wird das freie Verbreiten von Informationen auf eine wirksame Art und Weise ermöglicht, ohne dass eine zentrale Instanz über die Informationsallokation entscheiden beziehungsweise auf diese Einfluss nehmen kann.

Hinsichtlich der Rahmenbedingungen tritt Coinbase in einen hochgradig ausgeprägten Wettbewerbsmarkt mit 200 direkt konkurrierenden Handelsplattformen für virtuelle Währungen ein. Zu den Ressourcen zählt das eingesammelte Kapital in Höhe von 217 Millionen Dollar von führenden Investoren der Welt, wie beispielsweise die BBVA, sowie die vergleichsweise breite Mitarbeiterbasis von 350 für Blockchain-Anbieter. Das Unternehmen besitzt darüber hinaus eine E-Geld-Lizenz der FCA (Financial Conduct Authority). Zur Wertschöpfungsarchitektur von Coinbase gehört neben dem reibungsfreien Handel mit virtuellen Währungen auch eine Wallet, in der diese aufbewahrt werden können. Darüber hinaus wird Coinbase einen Krypto-Index-Fonds für akkreditierte Großinvestoren ab 10 000 Dollar anbieten, der nach Marktkapitalisierung sämtliche Kryptowährungen enthält, die auf der zum Unternehmen gehörenden Plattform Gdax gehandelt werden. Darüber hinaus plant das Unternehmen kryptobasierte Fondsprodukte für Kleinanleger - Coinbase veranschlagt eine Managementgebühr in Höhe von zwei Prozent.

Im Wertschöpfungsergebnis lässt sich Coinbase die unmittelbare Aufladung des Verrechnungskontos per Kreditkarte innerhalb der EU mit 3,99 Prozent des Transaktionsvolumens vergüten. Das Anlegen des Verrechnungskontos sowie das Aufladen per SEPA-Überweisung, bei dem der Einzahlungsvorgang bis zu 5 Tage dauern kann, sind hingegen entgeltlos. Beim Handel mit virtuellen Währungen fallen zudem jeweils 1,49 Prozent Gebühren für deren Kauf beziehungsweise Verkauf an. Beim Verkauf wird der Gegenwert der Bitcoin in Euro auf dem Coinbase-Konto gutgeschrieben. Für den Transfer vom Coinbase-Konto auf das Bankkonto behält Coinbase 15 Cent ein.

Blockchain - Gefahr der Disintermediation?

Verlieren Banken durch die von der Blockchain ausgehenden technischen Revolution, die das Aufkommen neuer Geschäftsmodelle insbesondere in der Finanzwirtschaft im Sinne der nach Schumpeter (1912) bekannt gewordenen "schöpferischen Zerstörung" inititiert, somit künftig den für sie wichtigen Zugang zum Kunden? Die folgenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass neue Anbieter fragmentiert Marktanteile übernehmen könnten. Hierzu trägt die Technologie durch die Senkung der Transaktionskosten, die Reduzierung der Abwicklungszeiten im internationalen Zahlungsverkehr, die Anonymität der Transaktionsbeteiligten, die Nachvollziehbarkeit und Manipulationsfreiheit der Transaktionen bei.

Des Weiteren übernehmen Blockchain-Anbieter wie Bitbond und andere die wohl wichtigste Intermediärsfunktion, das delegated monitoring, im Zuge der Bonitätsprüfung bei der Vergabe von Darlehen, die hinsichtlich einer langfristigen Kundenbindung und -beziehung Vertrauen aufbauen kann. Banken können jedoch auf Basis ihrer Erfahrungswerte die Bonität eines Darlehensnehmers präziser einschätzen, als die in den Markt eintretenden, noch unerfahrenen Blockchain-Anbieter. Abzuwarten bleibt, wer am stärksten vom Megatrend Big Data profitieren wird. Banken haben durch ihre Umsatzzahlen eine gute Startposition.

Inwieweit sich die Netzwerkstrukturen des Finanzsystems durch die Blockchain letztlich verändern werden oder ob auch in dieser Hinsicht von einem Umbruch gesprochen werden kann, ist jenseits der aufgezeigten Mehrwerte abhängig von den zu überwindenden Herausforderungen, mit denen sich die noch vergleichsweise junge Technologie konfrontiert sieht. Problematisch ist nicht nur, aber vor allem der immense Stromverbrauch beim Schürfen neuer Bitcoins. Zudem besteht für Banken die Möglichkeit, die Technologie für ihre eigenen Interessen zu verwenden und entsprechende Abwehrstrategien gegen die neuen Anbieter zu entwickeln. Im Zuge der Digitalisierung könnten in allen Geschäftsbereichen unternehmensinterne Blockchain-Technologien genutzt werden, in denen zentrale Register, Konten oder Datenbanken relevant sind. Dies können beispielsweise Verzeichnisse für Aktien, Bonds, Derivate, Kredite oder Versicherungen sein.

Noch ist unklar, ob "Vertrauen in Technik" das bisherige "Vertrauen auf Menschen" ersetzen kann. Doch die dezentrale, vielfach kostengünstige, verlässliche und irreversible Blockchain-Technologie ist eine Gefahr für die etablierten Banken. Sie werden sich um zusätzliche Kosten- und/oder Nutzenbeiträge für den Kunden kümmern müssen, um den "Fintech 2.0" zu begegnen und ihre Intermedationsrolle zu verteidigen. Denn um den Kundenzugang zu behalten, muss schnell gehandelt werden.

Ausführliche Erläuterungen, Literaturhinweise und veranschaulichende Abbildungen zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Prof. Dr. Stephan Paul Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum
Ingo Freiling Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum
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Prof. Dr. Stephan Paul , Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft , Ruhr Universität Bochum
Ingo Freiling , Externer Doktorand , Ruhr Universität, Bonn

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