Brexit-Map: Finanzplatz Frankfurt immer populärer

Dr. Gertrud R. Traud

Seit dem Brexit-Votum verfolgen die Autorinnen die Standortverlagerungen von Finanzdienstleistern von London in andere europäische Metropolen und aktualisieren regelmäßig ihre Brexit-Map um neue Dispositionen der Marktteilnehmer. Dem Finanzstandort Frankfurt bescheinigen sie dabei eine hohe Anziehungskraft und in den kommenden Jahren den Auf- und Ausbau von mehreren Tausend Arbeitsplätzen. Dass sie am Frankfurter Büromarkt keine echten Kapazitätsengpässe befürchten, liegt an mehreren großen Projektentwicklungen, die bereits laufen oder anstehen. (Red.)

Noch immer ist vieles unklar bezüglich des Brexits - klar ist allerdings schon längst die Favoritenrolle Frankfurts für die Londoner Banken. Die EU gewährte Großbritannien im Frühjahr eine weitere Fristverlängerung für den Austritt, und zwar bis Halloween, also Ende Oktober 2019. Vielleicht zeigt sich dann endlich, wie der britische EU-Austritt in allen Einzelheiten stattfinden wird. So haben die Londoner Banken zwar etwas mehr Zeit für ihre Brexit-bedingte Umstrukturierung, müssen aber gleichwohl handeln. Zusehends konkretisieren sich ihre Vorbereitungen, um sich zusätzlich zum britischen noch an einem anderen europäischen Finanzplatz geschäftsfähig aufzustellen und damit für ihre Kunden in der EU nahtlos handlungsfähig zu bleiben.

Eine dynamische Entwicklung

Das deutsche Finanzzentrum ist dabei weiterhin der unangefochtene Favorit. Dementsprechend wird es in der Main-Metropole immer offensichtlicher, in welchen Bürogebäuden die Brexit-Banken ihre Geschäfte auf- beziehungsweise ausbauen. Zudem laufen ihre Personaldispositionen, die teils bisherige Londoner Mitarbeiter betreffen und teils Rekrutierungen vor Ort bedeuten.

Seit dem britischen Referendum Mitte 2016 hat die Helaba die Auswirkungen des Brexits auf die europäischen Finanzplätze in den Mittelpunkt ihres Finanzplatz-Research gestellt und ihre Brexit-Map skizziert: eine Landkarte zur Visualisierung der Geschäftsverlagerungen von London an andere wichtige Bankenstandorte Europas. In der nächsten Finanzplatz-Studie, die im Spätsommer 2019 erscheint, wird neben einigen neuen Aspekten auch wieder die Brexit-Map präsentiert. Dabei sind unter Brexit-Banken vor allem Institute zu verstehen, die durch den drohenden Wegfall des EU-Passes in Großbritannien ihre europäische Geschäftsstruktur anpassen müssen und eine entsprechende Zulassung in einem anderen EU-Mitgliedsland benötigen. Darüber hinaus gibt es Kreditinstitute, die aufgrund der Brexitbedingt erhöhten Attraktivität von Finanzplätzen wie Frankfurt schlichtweg ein neues Büro eröffnen wollen, um Teil der wachsenden Cluster an diesen Standorten zu sein.

Zu den Brexit-Banken werden dabei auch Institute gezählt, die zwar hierzulande keine Banklizenz benötigen, aber gleichwohl bankähnliche oder bankverbundene Tätigkeiten betreiben (beispielsweise M&A- Beratung). Wie viele Banken haben demgemäß ihre Geschäftsverlagerung nach Frankfurt oder ihre hiesige Neuansiedelung bereits offiziell kund getan?

Die Brexit-Map entwickelt sich sehr dynamisch: Bei Veröffentlichung der jüngsten Helaba Finanzplatz-Studie im Herbst 2018 hatten 25 Brexit-Banken die Main-Metropole auserkoren. Ende Januar 2019 zählte die Brexit-Map der Helaba 29 Banken für Frankfurt, wovon nur eine inländischer Herkunft ist. Und eigentlich wäre diese Liste pro Frankfurt noch länger: Unter den zahlreichen Auslandsbanken befindet sich beispielsweise nämlich ein namhaftes Institut, das sich gleich "doppelt" in der Main-Metropole neu angesiedelt hat (mit zwei Lizenzen für unterschiedliche Geschäftseinheiten).

Im Übrigen sind wohl noch einige Banken im Gespräch mit den hiesigen Aufsichtsbehörden und auch Büroflächenanbietern, nur ist ihre Standortentscheidung noch nicht offiziell.

Ein stabiles Ranking der europäischen Finanzplätze

So ist gegenwärtig einiges im Fluss bei den Geschäftsverlagerungen von der Themse an den Main. Die Sichtweise von London auf Frankfurt hat sich seit dem Referendum insgesamt positiv verändert.

Das Ranking der europäischen Finanzplätze in der Gunst ausländischer Banken ist weiterhin eindeutig und recht stabil: Hinter Frankfurt kommen mit Abstand Paris (zehn), dann Luxemburg (sieben), Dublin (sechs) und Amsterdam (fünf). Die Main-Metropole hat also seit dem Brexit-Votum Mitte 2016 deutlich an internationalem Ansehen gewonnen und wird immer populärer.

Schon damals hatte das Research der Helaba eine Prognose über den Umstrukturierungsprozess im europäischen Finanzplatzgefüge abgegeben. Diese grobe Schätzung, die letztlich auf einer Einigung bei den Brexit-Verhandlungen basiert, gilt weiterhin: Von den Brexitbedingt an anderen Finanzstandorten entstehenden Jobs dürfte Frankfurt dank seiner Favoritenrolle rund die Hälfte auf sich ziehen. Dieser mehrjährige Auf- und Ausbau von mindestens 8 000 Finanzjobs in der Main-Metropole ist letzten Sommer angelaufen - Chance und Herausforderung zugleich.

Während die Lage am Wohnimmobilienmarkt ohnehin schon angespannt ist, präsentiert sich der Frankfurter Büromarkt in guter Verfassung. Die Büromieten in zentralen Lagen sind im vergangenen Jahr kräftig gestiegen und die Leerstandsrate ist mit unter 8 Prozent so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Dabei dürften sich die wesentlichen Impulse durch Brexit-bedingte Verlagerungen noch gar nicht ausgewirkt haben. Allein in den zehn Jahren vor dem Brexit ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Stadt um fast 100 000 gestiegen - etwa die Hälfte davon dürfte einen Büroarbeitsplatz einnehmen. Ein Großteil der Leerstände in Frankfurt betrifft nicht zentrale Lagen oder moderne Büroflächen, die von den Brexit-Banken bevorzugt nachgefragt werden. Dass es trotzdem keine echten Engpässe am Büromarkt geben wird, ist in erster Linie mehreren großen Projektentwicklungen zu verdanken, die das Flächenangebot in den nächsten Jahren bereichern.

Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirtin, Leitung Research, Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main
Ulrike Bischoff Referentin Finanzplatz-Research, Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main
Dr. Gertrud R. Traud , Chefvolkswirtin / Head of Research & Advisory , Helaba Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, Frankfurt am Main
Ulrike Bischoff , Referentin Finanzplatz-Research, Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main

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