Coaching in der Bankpraxis - "A in der Welt von B"

Dr. Stefan Eckhardt, Foto: S. Eckhardt

Dass die demografische Entwicklung in Deutschland einen Mangel an qualifiziertem Nachwuchs bedeuten könnte, war schon lange absehbar. Spätestens seit der jüngsten Finanzkrise kommt in der Kreditwirtschaft noch ein schleichender Imageverlust hinzu. Auch wenn in Zeiten der Digitalisierung der Tendenz nach ein Abbau von Mitarbeitern anstehen mag, fällt die Suche nach geeignetem Personal vielen Instituten zunehmend schwer. Und die Belegschaft ihrerseits legt verstärkten Wert auf ein gutes Betriebsklima. Sowohl bei der Auswahl als auch bei der Mitarbeiterführung und der Problemlösung im Team baut der Autor auf Coaching-Tools, die es allen Beteiligten erlauben, die Sichtweisen und Blickwinkel der anderen einzunehmen. (Red.)

Das Schulungswissen zu Coaching-Tools sowie dementsprechend deren Einsatz spielt in der Bankenwelt noch eine untergeordnete Bedeutung. Dies überrascht, wenn man sich vor Augen führt, dass hinsichtlich der "weichen" Eigenschaften wie persönliche Kompetenz, Selbstreflexion, Teamfähigkeit, Empathie beispielsweise bei Stellenbesetzungen oder auch im beruflichen Alltag im Rahmen von betriebsinternen Evaluationsgesprächen eine hohe Erwartungshaltung in der Praxis vorherrscht.

Die systematische Anwendung von Coaching-Tools setzt zum einen voraus, dass man diese kennt - und zum anderen richtig anwenden kann. Coaching hilft bei der Mitarbeiterbegleitung - aber auch beim eigenen - lösungsfokussierten - Umgang mit Problemstellungen. Möchte man beispielsweise ein bestimmtes Ziel erreichen, man ist sich jedoch nicht sicher, wie die Person, mit der man darüber sprechen möchte, reagiert - oder diese Person nicht auf derselben hierarchischen Stufe wie der Klient (also derjenige den man coacht) steht, ist ein mögliches Tool für die Bankpraxis "A in der Welt von B".

Eine völlig neue Sichtweise auf die eigene Situation

Beim Coaching-Tool "A in der Welt von B"1) wird - nach Anliegenklärung und Skalierung (wo stuft sich der Klient auf einer Skala von "ich habe noch keine Ahnung, wie ich mein Ziel erreichen will" bis hin zu "ich weiß ganz genau, wie ich mein Ziel erreichen will" ein) wird dem Klienten die Möglichkeit eröffnet, in einem geschützten Raum (man spricht nicht über das Folgende mit Dritten) die Situation anhand von Repräsentanten (Personen welche die jeweiligen Rollen einnehmen) darzustellen.

Während Repräsentant A (zum Beispiel eine fremde Person, die den Bankangestellten, den man coacht, "spielt") mit Repräsentant B (fremde Person, welche die Rolle der Person, mit welcher der Klient sprechen möchte, einnimmt) über durch den Coach vorgegebene verbal und nonverbale Kommunikations- und Ablaufschritte im Austausch ist, kann der Klient - quasi von außen - die Geschehnisse auf sich wirken lassen und Rückschlüsse ziehen. Auch weitere Personen (zum Beispiel Repräsentanten für Kollegen) und Gegebenheiten (zum Beispiel ein Repräsentant für die konkrete Aufgabe) können in diese Strukturaufstellung miteinbezogen werden.

Es ergibt sich für den Klienten eine völlig neue Sichtweise, da er die Rolle von außen quasi als Betrachter - auf seine eigene Situation einnehmen kann. Die Anwendung des Tools dauert (je nach Komplexität) rund 10 Minuten - mit welcher anderen Methode bekommt man in so kurzer Zeit eine völlig neue Sichtweise auf eine Problemstellung und nimmt dabei für sich rein lösungs-(nicht problem-)fokussierte Anregungen mit? Gerade in "festgefahrenen" Situationen eine Schlüsselmethode, um den eigenen Horizont möglicher Lösungen - in kurzer Zeit - zu erweitern.

Anstehende Gespräche mit dem Vorgesetzten (etwa der Bereichsleiter mit dem Vorstand) zu Bankthemen - aber auch beispielsweise zum persönlichen Umgang miteinander - sind Gegebenheiten die den Einsatz des genannten Tools sinnvoll erscheinen lassen. Aber auch auf gleicher Hierarchiestufe - zum Beispiel zwei Bereichsleiter untereinander, wobei der Klient die mögliche Reaktion des anderen Bereichsleiters im Vorhinein nicht einschätzen kann - lassen die Wirkung dieses Tools entfalten. Beispielsweise steht ein Gespräch des Kreditmarktfolgeleiters mit dem Kreditmarktbereichsleiter zu bisher ausgeblendeten Risikothemen an oder der Leiter Gesamtbanksteuerung will dem Leiter Treasury seine kritische Sichtweise auf die letzten Depot-A-Transaktionen kundtun.

Erweiterung des Spielraums im Umgang mit schwierigen Situationen

Als konkretes Beispiel sieht sich nun eben dieser Leiter Gesamtbanksteuerung einem - sicherlich kontroversen - Gespräch mit dem Leiter Treasury gegenüber und er ist sich unsicher, wie der Handelsleiter auf die Argumentationen und sachlichen Kritikpunkte reagiert. Im Rahmen eines Coachingprozesses könnte man diese Situation im Vorfeld durchspielen, indem der Leiter Gesamtbanksteuerung (der Klient A) sowie der Leiter Treasury (B) von 2 Repräsentanten vertreten werden, welche die jeweilige Rolle einnehmen.

Der eigentliche Leiter Gesamtbanksteuerung kann nun im Rahmen einer durch den Coach geleiteten Aufstellung von außen beobachten, wie A und B miteinander - verbal und nonverbal - kommunizieren. Ohne detailliert in ihre Rollen eingeführt zu sein, reagieren A und B überraschend praxisnah auf die jeweiligen Situationen.

Wissenschaftlich betrachtet werden in diesem Zusammenhang neuronale Netze - wie sich dabei vielfach in der Praxis gezeigt hat, liegen die Reaktionen sehr nah an den tatsächlichen Interaktionen der echten Personen. Über Fragetechniken des Coaches und - teilweise selbst durch die Darsteller - eingenommenen Positionen im Raum ergibt sich ein umfassendes Bild über die Situation. Es ermöglicht dem Klienten von außen auf die Situation zu schauen - und (gerade zum Ende der Aufstellung) auch direkt Fragen an die Probanden zu richten, zum Beispiel an den Treasurer "Wie fühlst du dich, wenn du die Punkte des Steuerers hörst?" oder "Was brauchst du von dem Gesamtbanksteuerer?". Im Ergebnis zeigt sich regelmäßig eine deutliche Annäherung des Klienten - in diesem Fall also des Gesamtbanksteuerers - an sein im Vorfeld herausgearbeitetes Ziel.

In der Bankpraxis bietet sich ein lösungsfokussiertes (also ein nicht in permanente Problemanalysen verhaftetes) Vorgehen an. Bei lösungszentrierenden Entwicklungsschritten wird davon ausgegangen, dass die Lösung vom Problem völlig losgelöst ist - die Lösung hat nichts mit dem Problem zu tun! Lässt man sich auf dieses Gedankenmodell ein, kann man sich - als eigene Praxisvalidierung - an dieser Stelle fragen, wie viel Zeit in der Bank beziehungsweise dem jeweiligen Tätigkeitsfeld mit dem Wälzen und der detaillierten Analyse von Problemen verschwendet wird - oder man bisher auch selbst dieses Vorgehen wählt ...

Als Coaching-Tools mit einem lösungfokussierten Ansatz bieten sich - neben "A in der Welt von B" in der Praxis folgende innovative Coaching-Maßnahmen an:2) erstens Tetralemma, zweitens der Leere Stuhl und drittens kleine und große Wunderfrage. Kommt nach der Anliegenklärung im Rahmen der Skalierung heraus, dass sich der Klient zwischen zwei Wegen entscheiden muss beziehungsweise will, kommt das Tool Tetralemma zur Anwendung. Repräsentanten für die unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten äußern ihre Gefühle und Eindrücke auf eine durch eine Aufstellung herbeigeführte Situation. Der Klient lässt diese auf sich wirken - und erhält regelmäßig völlig neue Einblicke in dieser Außenansicht seines Entscheidungsspektrums.

Kristallisiert sich nach Anliegenklärung und Skalierung heraus, dass es um ein Verhalten zwischen zwei Personen geht (beispielsweise Konfliktsituation), der Klient die andere Person aber gut einschätzen kann und hierarchisch nicht über ihr steht, dann kann das Coaching-Tool Leerer Stuhl zum Einsatz kommen. Hier wird eine anstehende Gesprächssituation mit der anderen Person simuliert. Dazu werden zwei Stühle gegenübergestellt und der Klient wechselt immer zwischen seiner eigenen und der Rolle der anderen Person hin und her. Abschließend nimmt der Klient auch noch die Rolle eines Außenstehenden ein, der von dieser Außenansicht den beiden Gesprächspartnern einen Rat gibt. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen - und die am eigenen Leib gespürte Rolle des Gegenübers und des Ratgebers - eröffnet dies dem Klienten regelmäßig Anstöße zur Lösung.

Mit der "kleinen und großen Wunderfrage" wird der Klient gedanklich in die angenehme Situation gebracht, bereits die Lösung gefunden zu haben. Aus dieser Situation heraus schildert er bei der kleinen Wunderfrage, wie er dies gemacht hat und bei der großen Wunderfrage, wie er einen Tag nach diesem "Wunder" verbringen wird. Während die kleine Wunderfrage bei nur temporären Problemen zur Anwendung kommt (etwa eine anstehende externe Bankprüfung, in die der Klient involviert ist) findet die große Wunderfrage bei umfangreichen Verhaltensänderungen (zum Beispiel eine sich für unentbehrlich haltende, aber auch persönlich unzufriedene Führungskraft) ihre Anwendung.

Noch nicht weit verbreitet

"A in der Welt von B" ist ein in der Praxis bewährtes Coaching-Tool in Situationen, in denen man ein bestimmtes Ziel erreichen möchte, man sich jedoch nicht sicher ist, wie die Person, mit der man darüber sprechen möchte, reagiert - oder diese Person nicht auf derselben hierarchischen Stufe wie der Klient steht. "A in der Welt von B" - ist in der Bankenwelt noch nicht weit verbreitet. Ansatzpunkte sind augenscheinlich reichlich vorhanden und können den eigenen Spielraum im Umgang mit herausfordernden Situationen deutlich erweitern - und beschleunigen.

Fußnoten

1) Zur Vertiefung siehe Sparrer, Einführung in Lösungsfokussierung und Systemische Strukturaufstellungen, 2017, Seite 75 ff. sowie Alex/Erb, Die Ordnung des Erfolges, 2015.

2) Zur Vertiefung zu den Tools siehe beispielsweise Alex, K./Erb, K., s.o., Biedermann, K.: Burn-In statt Burn-Out - Wie Sie in Balance bleiben, 2016, Kotrba, V./Miarka, R.: Agile Teams lösungsfokussiert coachen, 2017, Shazer, S./Dolan, Y.: Mehr als ein Wunder. Lösungsfokussierte Kurztherapie heute, 2016, und Sparrer, s.o.

Dr. Stefan Eckhardt Vorstand, Volksbank Reiste-Eslohe, Eslohe, sowie Lehrbeauftragter, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Essen
Dr. Stefan Eckhardt , Dr. Stefan Eckhardt, Mitglied des ­Vorstands , Volksbank im Hochsauerland eG, Eslohe
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