Digitale Kreditplattformen - ein Überblick

Ingo Freiling, Foto: Die Bildhauer, Witten

Im Zuge der Digitalisierung vieler Wirtschaftsbereiche haben sich in der Finanzbranche zahlreiche Plattformen entwickelt. Der Autor differenziert die heterogenen Geschäftsmodelle der Kreditplattformen nach den beteiligten Akteuren, die Art der Geschäftsbeziehung und den Kreditgebern Privatkunden oder Bank sowie das mögliche Gefährdungspotenzial für das traditionelle Privat- oder Firmenkundengeschäft der Banken. Den Kreditplattformen im Firmenkundengeschäft bescheinigt er eine Verbesserung der Markttransparenz für die Kunden, hält die Institution Bank aber nicht für gefährdet, solange sie als Intermediär nicht ausgeschaltet wird. Tritt allerdings die Crowd an die Stelle der Banken, droht Letzteren der Verlust des wertvollen Kundenkontaktes. (Red.)

Die Digitalisierung hat diverse neue Anbieter auf dem deutschen Kreditmarkt hervorgebracht1) , die die Wettbewerbsintensität für die etablierten Kreditinstitute verschärfen. Gleichzeitig lässt sich ein verändertes Kundenverhalten beobachten, da Bankkunden höhere Erwartungen an die Transparenz und Vergleichbarkeit von Finanzprodukten stellen.

Finanzintermediationstheorie

Um das Gefahrenpotenzial der Kreditplattformen für etablierte Finanzinstitute einordnen zu können, bedarf es eines systematischen Zugangs zu den heterogenen Geschäftsmodellen der noch jungen, digitalen Akteure im Kreditgeschäft. Dazu werden exemplarische Geschäftsmodelle der vier Kreditplattform-Typen vorgestellt (Abbildung 1), die anhand der beteiligten Kreditgeber und -nehmer differenziert werden. Die Grundlage zur Beantwortung der Frage des Gefahrenpotenzials der Kreditplattformen liegt in der Existenzbegründung der Banken. Jene ist Teil der Finanzintermediationstheorie, die die direkte oder indirekte Beteiligung spezialisierter Akteure (Finanzintermediäre) im Kapitalaustauschprozess zwischen Kapitalgebern und -nehmern bezeichnet. Grundsätzlich wäre es denkbar, dass Marktakteure auch ohne eine Bank als Zwischenhändler finanzielle Austauschbeziehungen miteinander eingehen und zum Beispiel bilateral ein Darlehen aushandeln. Die Theorie liefert seit den 1970ern Jahren Antworten zu den Vorteilen, die indes durch das Einschalten eines Finanzdienstleisters als Mittler zwischen Geldnachfragern und -anbietern realisiert werden können.

Ausgangspunkt der Existenzbegründung ist ein Finanzkontrakt, mit dem für die beteiligten Parteien Transaktionskosten2) für die Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und gegebenfalls Anpassung verbunden sind. Durch eine Standardisierung und Kombination von Leistungen können hier durch Finanzinstitute Größen- und Verbundvorteile generiert werden. Gemäß der Informationsökonomik3) entstehen zudem durch die vertragliche oder rein faktische Delegation von Aufgaben Prinzipal/Agenten-Beziehungen.

Probleme resultieren daraus, dass zwischen Auftraggeber und -nehmer Informationen asymmetrisch verteilt sind, letzterer mindestens zum Teil andere Interessen als der Auftraggeber verfolgt und er zugleich ein Ergebnis herbeiführt, welches er mit dem Auftraggeber teilen muss.4) Banken bieten zur Überwindung der Interessensdivergenzen unterschiedliche Transformationsleistungen an, auf die im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses (siehe Dienstleistungsprozess) in diesem Beitrag ein besonderer Fokus gelegt wird. Dazu zählen die Fristen-, Losgrößen-, Informations- und Risikotransformation.5) Folglich bringen Banken verschiedene Laufzeitinteressen, Kapitalanlage- und -aufnahmebedürfnisse sowie Informationsstände zwischen Kreditgebern und -nehmern in Einklang oder übernehmen Kreditrisiken.

Systematisierung der Kreditplattformen

Ein Beispiel für bestehende Informationsasymmetrien, die den Ausgleich von Interessensgegensätzen erforderlich machen, wird aus folgendem Szenario ersichtlich: Ein Kreditnehmer etwa wird die eigene Bonität und den Willen zur vertragsgemäßen Verzinsung und Tilgung eines Darlehns stets besser einschätzen können als der Kreditgeber. Dennoch ist von einer Bank als Intermediär zu erwarten, dass sie effizienter als andere Marktteilnehmer in der Lage ist, Informations- und Kontrolldefizite zu verringern 6) , sowohl durch eigene Monitoring- und Screening-Aktivitäten als auch die Verarbeitung von Informationen, die im Zuge von Signaling durch den Kreditnehmer übermittelt werden (Delegated Monitoring). Eine Existenzberechtigung für Banken ergibt sich demnach immer dann, wenn mithilfe ihrer Einschaltung entweder Kapitalanbieter und -nachfrager zu geringeren Transaktionskosten zusammenkommen und/ oder ihre Intermediationsrolle Nutzenvorteile gegenüber einem Direktkontakt mit sich bringt. An jene knüpfen die Kreditplattformen an verschiedenen Stellen ihrer Dienstleistung an.

Ein intuitiver Zugang zu den heterogenen Geschäftsmodellen der Kreditplattformen ergibt sich im Zuge der Betrachtung der beteiligten Akteure, die die Art der Geschäftsbeziehung charakterisieren und somit Auskunft darüber geben, von welchem Kreditgeber (Privatkunde oder Bank) die Gelder stammen, und welches Geschäftsfeld der Banken (Privat- oder Firmenkundengeschäft) potenziell gefährdet ist. Der in Abbildung 1 visualisierte Entscheidungsbaum zeichnet die Pfade der vier Kreditplattform-Typen nach, die ausführlich beschrieben werden.

Die Kreditvermittlung als Dienstleistungsprozess

Der Dienstleistungsprozess gliedert sich gemäß Abbildung 2 in drei Dimensionen auf, wobei die Integration des externen Faktors den Leistungserstellungsprozess moderiert. Die erste Dimension umfasst das Leistungspotenzial, das sämtliche Faktoren umfasst, auf denen die Arbeit der in diesem Beitrag fokussierten Kreditplattformen fußt. Die Theorie leitet im Zuge der Kombination der Faktoren der Potenzialebene in die zweite Dimension, den Leistungserstellungsprozess, über, der mit den Prozessen und Funktionen - dazu zählen unter anderem die Kreditwürdigkeitsprüfung, der Kreditvergleich oder die Einstellung der Kreditinserate - der Kreditplattformen korrespondiert. In die Erstellung jener Prozesse und Funktionen gilt es im Rahmen der Leistungserstellung die Integration des externen Faktors zu berücksichtigen, die insbesondere bei der Erstellung und Vermarktung von Dienstleistungen eine wesentliche Rolle spielen.7) Der hierbei verfolgte Grundgedanke ist, dass im Zuge der Leistungserstellung Faktoren vom Kreditnehmer oder -geber der Leistung, die für sie selbst einen Mehrwert bieten, in den Verfügungsbereich der Kreditplattform eingebracht werden, jedoch ohne einen Übergang des Eigentums.

Die dritte Dimension repräsentiert mit dem Leistungsergebnis am Ende des Dienstleistungsprozesses die unternehmerische Zielebene. Dieses zeichnet sich im betrachteten Fall der Kreditvermittlung - analog zur Bankdienstleistung Kreditvergabe - durch ihre immaterielle Natur aus und weist daher eine besondere Erklärungsbedürftigkeit auf. Inwiefern die Kreditplattformen dem Kreditgeber beziehungsweise -nehmer entgegenkommen, der die Bankleistung als kompliziert empfindet und Misstrauen gegenüber dem Verhalten der Kreditplattformen spürt, damit die Kreditvergabe- beziehungsweise -aufnahmeentscheidung auf ein verlässliches Element gestützt werden kann, hängt insbesondere von der Reputation ab, die sich aus der Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit der Kreditplattform zusammensetzt und eine adäquate Antwort auf die Erklärungsbedürftigkeit und Vertrauensempfindlichkeit darstellt. Die Kompetenz zeigt sich in der von der Plattform unter Beweis gestellten Fähigkeit, die von den Kreditgebern beziehungsweise -nehmern geforderten Leistungen zu erbringen; die Vertrauenswürdigkeit gründet sich auf dem in der Vergangenheit demonstrierten Willen, Sorgfalt walten zu lassen und Vertragsspielräume nicht egoistisch auszunutzen.8)

Im Folgenden werden die Geschäftsmodelle der Kreditplattformen anhand dieser Dimensionen näher erläutert und Haupttreiber für die Gefahrenpotenziale der traditionellen Banken herausgearbeitet, die eine vorsichtige Einordnung des Verdrängungswettbewerbs ermöglichen sollen.

Geschäftsmodelle im Profil

Kreditplattformen im Peerto-Peer-Lending (C2C): Der erste Pfad (siehe Abbildung 1) zeichnet den Kreditvermittlungsprozess nach, der in der einschlägigen Literatur9) als Peer-to-Peer-Lending (P2PL) bezeichnet wird. Das Leistungspotenzial wird somit grundsätzlich durch die Kreditvergabe der sogenannten Crowd, einer Vielzahl privater Kreditgeber, an eine Privatperson determiniert. Die größte deutsche P2PL-Plattform Auxmoney konnte 2018 seinen Umsatz um 74 Prozent auf 551 Millionen Euro an vermitteltem Kapital steigern, wie das Unternehmen registrierten Nutzern per E-Mail mitteilte. Damit kann sich die Kreditplattform mittlerweile bei der Vergabe von Konsumentenkrediten mit einigen Sparkassen beziehungsweise Volksbanken messen.

Das Leistungspotenzial wird durch die unternehmenseigenen Ressourcen ergänzt, zu denen die Akquise institutioneller Investoren zählt, wie unter anderem das Versicherungsunternehmen Aegon, das sich seit 2017 nicht nur mit 15 Millionen Euro an der Plattform beteiligt, sondern insbesondere 1,5 Milliarden Euro in Privatkredite über Auxmoney investiert, die den Leistungserstellungsprozess begünstigen. Zu jenen Ressourcen zählt auch die Kooperation mit der N26, bei der Kunden mit "mittlerer" Bonität, die bei der N26 keine Kreditzusage erhalten haben, ihren Kreditbedarf auf der Kreditplattform kommunizieren und von Privatanlegern, die anders als Banken nicht an restriktive Kreditvergabevorschriften der Bankenregulierer gebunden sind, finanziert werden können.

Für eine erfolgreiche Finanzierung gilt es, die Finanzierungsschwelle, die am Ende des Leistungserstellungsprozesses steht, zu erreichen, um die von der Plattform beziehungsweise ihrer Partnerbank aggregierten Kreditbeträge der Crowd zu erhalten (Losgrößentransformation). Aux -money übernimmt dabei weder eine Risiko- noch Fristentransformation. Die Informationstransformation erfolgt zu einem gewissen Maß über die standardisierten Profile der Kreditnehmer und im Zuge der Berechnung des Auxmoney-Scores. Jener, der im Jahr 2013 eingeführt wurde, quantifiziert die Bonität eines jeden Kreditnehmers anhand von 300 bewertungsrelevanten Parametern. Kreditnehmer können zuvor ihren Finanzierungsbedarf zwischen 1 000 und 50 000 Euro festlegen, wodurch den Kreditgebern die Möglichkeit erwächst, Anlagen ab 25 Euro zu platzieren.

Integration des externen Faktors

Welche Bedeutung der Integration des externen Faktors zukommen kann, illustriert die Einflussnahme der Auxmoney-Community auf das Erlösmodell der Kreditplattform, das das Leistungsergebnis nebst anfallender Kosten determiniert: Zu Beginn sah Auxmoney erfolgsunabhängige Vorabkosten (zum Beispiel Listinggebühren) für die Kredit suchenden Personen vor, die nach anhaltender Kritik gestrichen wurden. Stattdessen fällt bei erfolgreicher Kreditvermittlung für den Kreditnehmer eine Provision von 2,95 Prozent des Kreditbetrags an, die über die monatliche Rate beglichen wird. Zusätzlich berechnet die SWK Bank, deren Aufgabe die von der BaFin lizensierte Kreditvergabe und -abwicklung ist, eine Servicegebühr nach Auszahlung des Kredits in Höhe von 2,5 Euro pro Monat. Zudem kann eine Vorfälligkeitsentschädigungsgebühr zwischen 0,5 und 1 Prozent bei der Partnerbank anfallen. Die Anleger zahlen 1 Prozent der Anlagesumme als Gebühr. Umsatztreiber sind somit ausschließlich die Anzahl und das Volumen der erfolgreich vermittelten Kredite.

Crowdfinanzierter Mittelstand (C2B): Der größte Konkurrent im Firmenkundengeschäft (Pfad 2) traditioneller Banken, der 2015 in den deutschen Markt eingetreten ist und namhafte Kapitalgeber, wie zum Beispiel Blackrock Inc., für sich gewinnen konnte, um von der Crowd Mittelstandskredite ab 1,69 Prozent Zinsen per annum zu vermitteln, ist Funding Circle. Das Leistungspotenzial der Kreditplattform wird maßgeblich durch die Börsennotierung in London seit Oktober 2018 determiniert, die dazu beigetragen hat, seit Gründung über 8,9 Milliarden Euro an Krediten zu vermitteln und 2018 einen Umsatz in Höhe von 141,9 Millionen britschen Pfund zu erzielen. Funding Cirlce vermittelt Kredite zwischen 5 000 und 250 000 Euro mit einer Laufzeit von 6 bis 60 Monaten, wodurch deutsche Mittelständler mit "mittlerer" Bonität den Zugang zu Fremdkapital erhalten. Im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses haben Kreditgeber die Möglichkeit, zwischen 100 und 5 000 Euro innerhalb der siebentägigen Finanzierungsrunde zu investieren und eine Rendite vor Steuern zwischen regelmäßig 5 und 7 Prozent per annum zu erzielen.

Keine Fristen- und Risikotransformation

Eine Fristen- und Risikotransformation übernimmt Funding Circle indes nicht, da die Crowd anteilig - gemessen am investierten Kapital - die Kreditrisiken trägt. Da analog zum P2PL die Kredite von der lizensierten Wirecard AG gebündelt werden, liegt zumindest indirekt die Losgrößentransformation als auch die Informationstransformation, die im Zuge der standardisierten Präsentation, die auf Basis der Einteilung der Kreditinserate auf dem Bonitätsrating der Creditreform oder Schufa in sechs Risikoklassen (A+ bis E) erfolgt, im Kompetenzbereich von Funding Circle. Im Leistungsergebnis erhält die Plattform kreditnehmerseitig eine erfolgs-, rating- und laufzeitabhängige Vermittlungsgebühr zwischen 2 und 6 Prozent sowie kreditgeberseitig 1 Prozent der Anlagesumme.

Kreditplattformen im Privatkundengeschäft (B2C): Der dritte Pfad führt zu Kreditvergleichsportalen im Privatkundengeschäft, die zunächst einen Überblick über relevante Kreditangebote der Finanzierungspartner (Banken) verschaffen und nach Auswahl und Zusage des Kredits diesen an die privaten Kreditnehmer vermitteln. Somit wird das Leistungspotenzial der Kreditvergleichsportale zum einen durch die Kreditangebote der etablierten Banken determiniert.

Zu jenen Vergleichsportalen zählt mittlerweile Smava, das über 2 Milliarden Euro per annum an Krediten vermittelt, ein durchschnittliches Umsatzwachstum seit 2012 von 90 Prozent per annum und einen Umsatz 2018 von 70 Millionen Euro vorweisen kann, nachdem es seit 2007 seinen First-Mover-Advantage im P2PL nicht nutzen konnte. Smavas Leistungspotenzial zeichnet sich zum anderen durch über 135 Millionen Euro an Investorengeldern aus mehreren Finanzierungsrunden sowie durch die Kooperation mit mobile.de, dem größten deutschen Fahrzeugmarkt, aus.

Umstellung des Geschäftsmodells

Durch die Umstellung des Geschäftsmodells - vom P2PL zur Vergleichsplattform, bei der das Leistungsspektrum unter anderem durch einen "Kredit2Go" erweitert wurde - ergeben sich für die 450 Mitarbeiter einige Unterschiede zum P2PL im Leistungserstellungsprozess: Die Kreditnehmer kommunizieren zunächst ihren Kreditbedarf an die Plattform und stellen die erforderlichen Antragsdokumente auf der Plattform ein.

Smava prüft den Kreditantrag insbesondere hinsichtlich relevanter Kreditangebote und leitet ausgewählten Finanzierungspartnern die Antragsunterlagen weiter. Nach positivem Bonitätscheck und der Kreditzusage wird der Kredit ausgezahlt.

Folglich übernimmt Smava weder die Fristen-, noch Losgrößen-, noch Risikotransformation, da jene Transformationsleistungen bereits im Vorfeld, das heißt bevor die Kredite über die Plattform vermittelt werden, vom Kreditgeber (der Bank) erfüllt wurden. Lediglich im Zuge der Transparenzschaffung und der damit verbundenen aggregierten Darstellung relevanter Kreditangebote der Banken leistet Smava einen Beitrag zur Informationstransformation. Im Leistungsergebnis veranschlagt Smava gemäß AGB eine erfolgsabhängige Vermittlungsprovision von bis zu 4 Prozent, die im effektiven Jahreszins inbegriffen ist.

Kreditplattformen im Firmenkundengeschäft (B2B): Im Bereich der Kreditvergleichsportale (Pfad 4) konnte zudem das erste im Bankenverband NRW ansässige Fintech Compeon Fuß fassen. Dazu beigetragen haben namhafte Partner (zum Beispiel Tengelmann), die in der Series- B-Finanzierungsrunde 12 Millionen Euro investierten und somit das Leistungspotenzial der Plattform durch zusätzliche Liquidität erweiterten. Einen weiteren Anteil zum bisherigen Erfolg der Plattform haben zudem die über 30 000 registrierten Unternehmenskunden geleistet, die durchschnittlich eine Finanzierung von rund 700 000 Euro auf der Plattform anfragen und der Kreditplattform vermittelte Kreditvolumina in Höhe von 2,5 Milliarden Euro (2016) und 3,5 Milliarden Euro (2017) einbrachten. Folglich fokussiert Compeon im Gegensatz zu Smava den Markt für Mittelstandskredite und hat es sich mit seinen derzeit 80 Mitarbeitern zur Aufgabe gemacht, den Finanzierungsprozess, der den Kern des Leistungserstellungsprozesses ausmacht, kleiner und mittelständischer Unternehmen zu optimieren.

Dieser gestaltet sich wie folgt: Unternehmenskunden schreiben ihren Finanzbedarf (etwa Kredit, Leasing, Factoring) zunächst unverbindlich in dem Portal aus. Compeon leitet diese Angaben an mehrere ausgewählte Finanzdienstleister (der 220 Finanzierungspartner) in strukturierter Form weiter und ergänzt etwaige Informationen um externe Bonitätsauskünfte von Auskunfteien wie der Creditreform. Dabei behält sich Compeon eine thematische und inhaltliche Prüfung einer Finanzierungsanfrage vor, übernimmt jedoch keinerlei Haftung für die Richtigkeit der vom Kunden gemachten Angaben. Die Finanzierungspartner haben sodann die Möglichkeit, freibleibende Angebote zu unterbreiten.

Erhöhte Transparenz

Der Nutzer hat nach Erhalt der Offerten die Möglichkeit, durch die Bestätigungsfunktion einen Vertrag über Compeon abzuschließen. Dabei ist davon auszugehen, dass Compeon seinen Kunden eine zum direkten Wettbewerber Fin-Compare, der die fünf besten Kreditangebote seinen Kunden unterbreitet, vergleichbare Anzahl von Offerten präsentiert. Durch die Dienstleistung von Compeon erhalten Mittelständler eine im Zuge der Vergleichbarkeit der Kreditangebote sich einstellende erhöhte Transparenz und somit die Möglichkeit, verbesserte Kreditkonditionen zu erhalten.

Im Zuge der Kreditvermittlung übernehmen die kreditgebenden Banken die im Beispiel der Kreditplattform Smava beschriebenen Transformationsleistungen. Compeon kommt nunmehr insoweit eine Informationstransformationsfunktion zu, als die Kreditplattform die Bonität der Kreditnehmer vorab prüft, und nur diejenigen Kreditnehmer, die eine für die Plattform unter Reputationsgesichtspunkten vertretbare Bonität aufweisen, an ausgewählte Finanzierungspartner weiterleitet. Im Zuge der Zeichnung des Finanzierungsvertrags erhält Compeon im Hinblick auf das Leistungsergebnis eine erfolgsabhängige Provision vom Finanzierungspartner.

Disintermediation durch die Kreditplattformen?

Der bloße Vergleich vermittelter Kreditvolumina verschafft zwar das erste Gefühl, dass einzelne Kreditplattformen ihren Umsatz weiter steigern und den Vorsprung etablierter Kreditinstitute verringern konnten, jedoch greift dieser Aspekt zur Beantwortung der Disintermediationsfrage insgesamt zu kurz. Der vorliegende Beitrag vermittelt ein differenziertes Bild bezüglich der Veränderungen auf dem Kreditmarkt, und zeigt, dass solange die Bank als Kreditgeber agiert und die Kreditvergleichsportale von ihren Dienstleistungsangeboten abhängig sind, deren Intention nicht darin bestehen kann, die Institution "Bank" als Intermediär ausschalten zu wollen. Vielmehr dürfte es den Vergleichsportalen darum gehen, durch die Bereitstellung von kundenfreundlicheren, effizienteren Prozessen die eigenen Erlösströme anzukurbeln. Tritt jedoch die Crowd an die Stelle der Bank, kommt Letzterer lediglich noch die Aufgabe der Kreditabwicklung zu, womit der wertvolle Kontakt zum Kunden verloren geht. Dennoch existieren mit der N26 und Auxmoney bereits Kooperationsmodelle, aus denen beide Seiten einen Vorteil aus dem disruptiven Wettbewerbsumfeld ziehen können. Traditionelle Kreditinstitute sollten sich folglich nicht vor dem zunehmenden Wettbewerb verschließen, sondern sich mit den sich eröffnenden Kooperationsmöglichkeiten auseinandersetzen.

Fußnoten

1) Prystav/Paul/Stein, 2014

2) Scholes/Benston/Smith, 1976

3) Alchian/Demsetz, 1972; Jensen/Meckling, 1976

4) Picot/Dietl/Franck, 2015

5) Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, 2019

6) Diamond, 1984

7) Engelhardt/Freiling, 1995

8) Süchting/Paul, 1998

9) Überblickspapiere s. Bachmann et al., 2011 sowie Moritz/Block, 2014

Literaturverzeichnis

Alchian, A. A./Demsetz, H. (1972): Production, Information Costs, and Economic Organization, in: The American Review, 62(5), S. 777-795.

Bachmann, A. et al. (2011): Online Peer-to-Peer-Lending, in: Journal of Internet Banking and Commerce, 16(2), S.1.

Diamond, D. W. (1984): Financial Intermediation and Delegated Monitoring, in: Review of Economic Studies, 51(3), S. 393-414.

Engelhardt, W. H./Freiling, J. (1995): Die integrative Gestaltung von Leistungspotenzialen, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 47(10), S. 899-918.

Hartmann-Wendels T./Pfingsten A./Weber M. (2019): Bankbetriebslehre, 7. Auflage, Berlin: Springer.

Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976): Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs, and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics, 3(4), S. 305-360.

Moritz, A./Block, J. H. (2014): Crowdfunding und Crowdinvesting: State-of-the-Art der wissenschaftlichen Literatur (Crowdfunding and Crowdinvesting: A Review of the Literature), in: Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship, 62(1), S. 57-89.

Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2015): Organisation - Eine ökonomische Perspektive, 7. Auflage, Stuttgart.

Prystav, F./Paul, S./Stein, S. (2014): Die neuen Banken, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 67, S. 880-885.

Scholes, M./Benston, G./Smith, C. (1976): A Transaction Cost Approach to the Theory of Financial Intermediation, in: The Journal of Finance, 31(2), S. 215-231.

Süchting, J./Paul, S. (1998): Bankmanagement, 4. Auflage, Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

Ingo Freiling Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität in Bochum
Ingo Freiling , Externer Doktorand , Ruhr Universität, Bonn

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