Digitales Geld: Welche Optionen hat Europa?

Burkhard Balz, Foto: Frank Rumpenhorst

Wesentliche Aufgabe der Zentralbanken im Massenzahlungsverkehr ist es, neutral dafür zu sorgen, dass Verbraucher aus einem breiten Spektrum von Zahlungsmethoden wählen können. Eine zunehmend digitale Welt stellt dabei auch neue Anforderungen an das Geld und damit an die Zentralbanken. Für die Autoren ist das in Europa eine große Herausforderung. Entsprechend wichtig sei es, dass die Notenbanken wie EZB und Bundesbank zwar einerseits auf dem neuesten Stand der Technik sind, aber auch immer wieder ihre Rolle kritisch hinterfragen. Denn den Vorzügen digitalen Zentralbankgeldes stehen auch Risiken gegenüber. Die Autoren plädieren für eine ausreichende Zeitspanne des Überlegens und Abwägens sowie im Falle der Einführung dafür, erhebliche Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten für die Zentralbank vorzusehen. (Red.)

Digitales Geld ist an sich nichts Neues. Die Umgestaltung von analogen Prozessen mit vielen manuellen Bearbeitungsschritten und mehreren Systembrüchen in digitale automatisierte Abläufe nahm im volumenstarken Zahlungsverkehr bereits in den achtziger Jahren Fahrt auf. Zu den materialgebundenen Formen barer (Banknoten, Münzen) und unbarer (Wechsel, Scheck) Zahlungsmittel trat das elektronisch übertragbare Giralgeld. Guthaben auf Girokonten können heute per Karte oder Überweisung, per Online-Banking oder Smartphone, mittlerweile auch in Sekunden vom Zahler zum Empfänger übertragen werden. Dieses - auch digitale - Giralgeld ist freilich nicht gemeint, wenn heute von der möglichen Emission digitalen Geldes gesprochen wird. Gemeint ist eine Erweiterung zum heutigen Angebot an Geld, die gleichsam als digitale Ergänzung wie Bargeld dienen kann oder die im weitesten Sinne in dezentralen blockchain-basierten Netzwerken umlaufen kann, also digital übertragbare Token.

Geld und digitales Geld

Mit Bitcoin wurde nicht nur ein neues dezentrales Zahlungsverkehrssystem basierend auf der "Distributed Ledger"-Technologie (DLT) entwickelt, sondern zugleich auch eine digitale Werteinheit, die zur Übertragung verwendet wird, der Bitcoin. Da die Überträge oder Transaktionen innerhalb dieses Netzwerks anhand eines technischen Protokolls erfolgen, das auf kryptografischen Verfahren basiert, wird diese Art Token als "Krypto-Token" bezeichnet.

Die DLT erlaubt die fälschungssichere Übertragung digitalisierter Werte ohne Intermediär. Potenziell bietet die neue Technik Vorteile durch die gemeinsame Datenhaltung, was unter anderem Abstimmungsprozesse bei komplexen arbeitsteiligen Wertschöpfungsketten erleichtern kann. Dadurch könnten die Transaktionskosten in der Abwicklung solcher Geschäfte deutlich sinken.

Während sich mit der Nutzung der DLT große Hoffnungen verbinden, kamen die so bereitgestellten Krypto-Token bislang nicht über eine Nischenfunktion in einigen dezentralen Netzwerken und eine Rolle als Spekulationsobjekt hinaus. Denn sie erfüllen de facto die drei Geldfunktionen - Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit - nicht. Das liegt vor allem an der hohen Volatilität ihres Wertes gegenüber von Zentralbanken herausgegebenen Währungen oder Waren und Dienstleistungen. Hinzu kommen große Zweifel in Bezug auf die Werthaltigkeit. Krypto-Token werden praktisch ex nihilo geschaffen, sie haben keinen intrinsischen Wert. Sie repräsentieren weder ein Gebrauchs- oder Verbrauchsgut, noch haben sie einen zuverlässigen Emittenten, der für sie haftet.

Der Euro, das heißt Euro-Zentralbankgeld, hingegen wird von einer gesetzlich damit beauftragten Institution, der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken des Euroraums (Eurosystem) herausgegeben. Der Euro ist eine Verbindlichkeit des Eurosystems mit seinen Zentralbanken, darunter die Bundesbank. Euro-Zentralbankgeld gilt heute als das sicherste und zugleich wertstabilste Zahlungsmittel im Euroraum.

Euro-Zentralbankgeld steht bislang in zwei Formen zur Verfügung: Als Bargeld für jedermann und als Guthaben auf einem Zentralbankkonto für Banken. Daneben gibt es Geschäftsbankengeld, denn die Banken spielen im Geldkreislauf eine entscheidende Rolle. Sie bieten Einlagemöglichkeiten auf Konten an und versorgen die Wirtschaft mit Bargeld, das gegen Kontoguthaben dort abgehoben werden kann.

Die Einlagen bei Geschäftsbanken sind heute der größte Teil der umlaufenden Geldmenge. Sie stellen Verbindlichkeiten der Geschäftsbanken dar, sind also Geschäftsbankengeld. Sie sind aber praktisch genauso wertstabil wie Zentralbankgeld, weil sie eins zu eins in Bargeld umgewandelt werden können.

Für die große Mehrheit der privaten Haushalte ist es unerheblich, ob es sich um Geschäftsbankengeld oder Zentralbankgeld handelt, zumal Einlagen bis zu 100 000 Euro innerhalb der Europäischen Union von der Einlagensicherung gedeckt sind. Deshalb werden die meisten Zahlungen von Unternehmen und Haushalten in Geschäftsbankengeld abgewickelt, während Banken für ihre großen Übertragungen, etwa bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften, sicheres Zentralbankgeld in der Abwicklung bevorzugen.

Neue Anforderungen

Durch die DLT kommen nun neue Anforderungen an das Geld als Transaktionsmittel hinzu. Damit ist es nämlich möglich, sogenannte programmierbare Zahlungen zu nutzen. Programmierbare Zahlungen sind Überträge von Geld, bei denen Zeitpunkt, Betragshöhe und/oder Art des Übertrags nicht ad hoc beim Zahlungsvorgang, sondern durch vorab festgelegte Bedingungen bestimmt werden. Begrenzt geht das schon heute, etwa bei regelmäßigen Zahlungen per Dauerauftrag; hier werden Zahlungen zu bestimmten Kalenderterminen ausgelöst. In den dezentralen Netzwerken lassen sich allerdings komplexe Geschäftsprozesse automatisiert durch sogenannte Smart Contracts steuern. Um das auch geldseitig zu ermöglichen, bedarf es programmierbarer Zahlungen oder programmierbaren Geldes.

Mittlerweile hat die Wirtschaft zahlreiche Anwendungsfälle für die Abwicklung von Geschäften mittels der DLT entwickelt, sodass ein Bedarf für programmierbare Zahlungen besteht. Dazu gehören zum Beispiel Machine-to-Machine-Zahlungen, bei denen Maschinen automatisch erbrachte Leistungen miteinander verrechnen und begleichen, natürlich letztlich auf Rechnung ihrer Besitzer. Analog dazu werden Pay-per-use-Modelle entwickelt, die einen Kauf überflüssig machen und bei denen eine automatische Abrechnung nach Verbrauch erfolgt, zum Beispiel die Bezahlung eines Mähdreschers für die Zeit seiner Inanspruchnahme.

Die Möglichkeit zur Einbettung in programmierbare Anwendungen ist das eigentlich neue Merkmal des Geldes, das in dezentralen Netzwerken genutzt werden kann. Sie erst erlaubt die Nutzung der DLT für die vollständige Abwicklung von Geschäftsprozessen. Diese Variante wird als programmierbares oder tokenisiertes Geld bezeichnet. Nur dieses kann in programmierbaren Prozessen verwendet werden, wäre also die weitergehende Innovation. Digitales Geld im Sinne einer digitalen Ergänzung zum Bargeld hingegen muss nicht programmierbar ausgestaltet sein.

Formen programmierbarer Zahlungen

Im Folgenden werden fünf Formen programmierbaren Geldes beziehungsweise programmierbarer Zahlungen vorgestellt, um die Optionen aufzuzeigen: Erstens Krypto-Token beziehungsweise Stable Coins, zweitens digitales Geschäftsbankengeld, drittens Trigger-Lösungen sowie viertens und fünftens digitales Zentralbankgeld, und zwar entweder für einen begrenzten Nutzerkreis oder für jedermann.

Krypto-Token beziehungsweise Stable Coins: Einige der oben beschriebenen Krypto-Token ermöglichten als erstes die Zahlungsabwicklung in dezentralisierten Netzwerken in programmierbarer Form. Angesichts der grundlegenden Probleme in Form der Instabilität und des fehlenden intrinsischen Wertes ohne verlässliche Emittenten dürfte ihre Verwendung auch dauerhaft auf Nischenaspekte beschränkt bleiben, dabei teilweise leider auch für illegale oder illegitime Transaktionen.

Um dem Manko der mangelnden Wertstabilität zu begegnen, wurden deshalb sogenannte Stable Coins geschaffen. Ihr Wert sollte unter anderem durch Bindung an eine von einer Zentralbank herausgegebene Währung und durch Hinterlegung mit derselben stabilisiert werden. Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt vom konkreten Besicherungskonzept ab.

Ausgestaltung von Krypto-Token und Stable Coins

Es sind mehrere Formen denkbar, wie solche Zahlungsmittel rechtlich gestaltet werden können. Nach derzeitigem europäischem Recht könnte es sich beim Herausgeber eines Stable Coins um ein E-Geld-Institut handeln. Dann freilich müssten die Rückzahlungsansprüche der Nutzer eines solchen Zahlungsmittels garantiert sein und weitere Forderungen der E-Geld-Richtlinie erfüllt werden. Es ist ebenso denkbar, dass Stable Coins als Geldmarktfonds organisiert werden, dann unterliegen sie dem entsprechenden Wertpapierrecht und nicht zuletzt könnte das verwendete digitale Geld auch eine Verbindlichkeit für das emittierende Institut darstellen. Dann jedoch wäre der Emittent eine Bank, und es handelte sich um digitales Geschäftsbankengeld. Um die Herausgabe von Stable Coins in der Europäischen Union neu zu regeln, ist gerade eine neue Verordnung in Vorbereitung.

Digitales Geschäftsbankengeld: Geschäftsbanken könnten für ihre Kunden Geld auch in tokenisierter Form zur Verfügung stellen. Rechtlich hätten die Kunden wie heute bei ihren Kontoguthaben eine Forderung gegenüber der herausgebenden Geschäftsbank. In praktischer Hinsicht wäre ein solcher von Geschäftsbanken herausgegebener, auf die offizielle Währung lautender Token von besonderem Nutzen, wenn Zahlungen mit diesem Token von allen Geschäftsbanken eines Währungsraums akzeptiert würden. Banken könnten diese neue Form von Geschäftsbankengeld im Tausch für Kontoguthaben und/oder Bargeld herausgeben.

Damit eine allgemeine Akzeptanz dieses neuen Geldtyps möglich würde, müsste sich der Geschäftsbankensektor aber auf einheitliche technische Standards verständigen und eine rechtliche Konstruktion entwickeln, die es erlaubt, die mit dem Token verbundene Forderung nicht gegenüber einzelnen Geschäftsbanken geltend zu machen, sondern zum Beispiel gegenüber einer gemeinsamen rechtlichen Einheit. Dazu wäre vermutlich die Gründung einer Zweckgesellschaft notwendig.

Bei digitalem Geschäftsbankengeld könnte die Ausfallsicherheit wie heute bei jedem Kontoguthaben auf bis zu 100 000 Euro begrenzt werden. Damit wäre für eine Vielzahl von Transaktionen aus Sicht der Nutzer ausreichend Sicherheit geboten. Das Risiko könnte durch häufiges untertägiges Clearing und anschließendes Begleichen der Nettoforderung in Zentralbankgeld reduziert werden. Inwieweit eine Einbeziehung in die bisherigen Clearing-Strukturen sinnvoll ist, wäre nicht zuletzt unter Kosten- und Aufsichtsgesichtspunkten zu erörtern.

Die entscheidende Herausforderung bei digitalem Geschäftsbankengeld ist der hohe Koordinationsaufwand, der damit für die Geschäftsbanken verbunden ist. Denn hier müssten Wettbewerber im Euroraum sich zu einer neuen und weitreichenden Kooperation zusammenfinden, was möglicherweise nur unter sehr hohem externen Druck vorstellbar wäre.

Trigger-Lösungen: Mit Trigger-Lösungen sind technische Brücken zwischen DLT und konventionellen Zahlungssystemen gemeint. Bei einer DLT-basierten Abwicklung von Geschäften stehen im einfachsten Fall ein Asset-Token, der das digitalisierte Gut repräsentiert, und ein Geld-Token zur Verfügung. In Trigger-Lösungen wird dieser Geld-Token aber durch eine Zahlungsanweisung substituiert. Sobald alle Bedingungen für den Warenübergang erfüllt sind, blockiert der Smart Contract den Asset-Token und initiiert ("triggert") eine Zahlung über den konventionellen Zahlungsverkehr. Sobald die Zahlung erfolgt ist, sendet der Betreiber des Zahlungssystems eine signierte Zahlungsbestätigung in die DLT. Daraufhin gibt der Smart Contract den Asset-Token frei, und das Geschäft ist geld- und warenseitig abgewickelt.

Mischformen durch technische Brücken

Der Geld-Token wird also durch eine tokenisierte signierte Zahlungsbestätigung ersetzt. Die geldseitige Abwicklung des Geschäftes kann entweder in Geschäftsbankengeld oder in Zentralbankgeld erfolgen. Im ersten Fall müsste die DLT mit einem Clearinghaus der Geschäftsbanken verbunden werden, im zweiten Fall mit Target2 oder TIPS (Target Instant Payment Settlement).

Eine Trigger-Lösung mit Anbindung an ein Zahlungssystem der Zentralbank hätte den Vorteil, dass die bestehende Arbeitsteilung zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken praktisch unverändert bleibt. Es könnte in Zentralbankgeld zu den derzeitigen Bedingungen abgewickelt werden, ohne tokenisiertes Zentralbankgeld zu schaffen. Insbesondere müsste der Zugang zu Zentralbankgeld nicht erweitert werden. Eine solche Trigger-Lösung dürfte einige Geschäftsfälle für programmierbare Zahlungen für die Real- und die Finanzwirtschaft abdecken. Nicht zuletzt sollte eine solche Trigger-Lösung relativ schnell implementierbar sein.

Neue Form des Zentralbankgelds

Digitales Zentralbankgeld: Zentralbankgeld unterscheidet sich von Geschäftsbankengeld dadurch, dass die Forderung gegenüber der ausfallsicheren Zentralbank besteht. Digitales Zentralbankgeld wäre neben Bargeld und Kontoguthaben von Geschäftsbanken bei der Zentralbank eine zusätzliche Form von Zentralbankgeld. In einer Variante würde die Zentralbank den Geschäftsbanken die offizielle Währung von der Zentralbank in tokenisierter Form anbieten, die für programmierbare Zahlungen einsetzbar wäre. In einer anderen Variante würde Zentralbankgeld als Kontoguthaben nicht nur Geschäftsbanken, sondern auch Privatpersonen und Unternehmen zur Verfügung gestellt.

Die auf eine begrenzte Nutzergruppe bezogene Ausgabe von digitalem Zentralbankgeld wird in der Diskussion als sogenannte Wholesale-Variante bezeichnet, die zum Beispiel bei der Abwicklung von Finanzmarkttransaktionen zur Anwendung kommen könnte. Dabei geht man davon aus, dass diese Form von digitalem Zentralbankgeld nur an den heutigen Kreis von Geschäftsbanken ausgegeben würde, der in geldpolitische Geschäfte einbezogen ist. Um solches digitales Zentralbankgeld darüber hinaus für DLT-basierte Anwendungen in der Wirtschaft nutzbar zu machen, könnte die Weitergabe an Unternehmen in engen Grenzen erwogen werden, wobei sicherzustellen wäre, dass dies keine negativen Auswirkungen auf die Geldpolitik hätte. Ob dies als eine neue technische Form als Geschäftsbankengeld geschehen würde, das nur teilweise von Zentralbankgeld gedeckt ist, oder vollgedeckt als DZBG nur an bestimmte Nutzer weitergeben würde, ist offen.

Aus Zentralbanksicht hätte digitales Zentralbankgeld in der Wholesale-Variante den Vorteil, dass die Struktur des zweistufigen Bankensystems nicht grundsätzlich infrage gestellt würde. Zu klären bliebe, in welcher Form die Banken digitales Zentralbankgeld an welche Kunden weitergeben würden. Möglicherweise könnte die Weitergabe zunächst auf solche Unternehmen begrenzt werden, die es benötigen, um damit blockchain-basierte Anwendungen friktionslos betreiben zu können. Inwieweit Privatpersonen digitales Zentralbankgeld benötigen werden, könnte bei fortschreitender Digitalisierung nachfragegetrieben entschieden werden.

Digitales Zentralbankgeld für jedermann

Die Diskussion im Euroraum konzentriert sich inzwischen auf digitales Zentralbankgeld in der sogenannten Retail-Variante, da das Eurosystem in seinem Bericht zum digitalen Euro vom 2. Oktober 2020 die Fragen aufgeworfen hat, unter welchen Umständen und in welchen denkbaren Ausprägungen der Allgemeinheit digitales Zentralbankgeld angeboten werden könnte.

Die Retail-Variante wird begründet mit Szenarien, in denen Bargeld kaum noch nachgefragt wird, den Bürgerinnen und Bürgern aber weiterhin der Zugang zu ausfallsicherem Zentralbankgeld ermöglicht werden soll. Allerdings bekennt sich das Eurosystem weiterhin zur Ausgabe von Bargeld, solange eine Nachfrage danach existiert. Ein anderes Szenario begründet die Notwendigkeit einer europäischen Alternative zu privatwirtschaftlich angebotenen Stable Coins oder dem digitalen Zentralbankgeld anderer Zentralbanken.

Angesichts dieser Szenarien ist es wichtig, dass das Eurosystem sich analytisch, technisch und organisatorisch mit der möglichen Emission digitalen Zentralbankgeldes befasst, um gegebenenfalls vorbereitet zu sein. Freilich darf nicht übersehen werden, dass digitales Zentralbankgeld für jedermann die weitgehendste Variante digitalen Geldes mit den mutmaßlich gravierendsten Implikationen wäre. Im Sinne eines innovativen Vorgehens sollte auch diese Form von digitalem Geld programmierbar sein können, damit die Möglichkeiten der neuen Technologien auch vollständig genutzt werden könnten.

Parallel zu der Frage, ob und warum digitales Zentralbankgeld eingeführt werden sollte, ist zu prüfen, wie es ausgestaltet werden müsste, um attraktiv für die Nutzung in allen denkbaren Situationen des alltäglichen Zahlungsverkehrs zu sein, ohne die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors signifikant zu beeinträchtigen und die Aktivität der Zentralbank über Gebühr, zulasten des Wettbewerbs und Geschäftsmodells privater Anbieter, auszuweiten.

Sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken

Klar ist, dass die Wertstabilität und Ausfallsicherheit einen Vorteil des digitalen Zentralbankgeldes begründen, der es für sich genommen zu einem bevorzugten Zahlungsmittel werden ließe. Das bisherige Verhältnis zwischen öffentlichem Sektor und Privatsektor im Zahlungsverkehr würde spürbar verschoben in Richtung einer Ausweitung der Rolle der Zentralbanken. Damit einher gingen vermutlich auch größere Risiken in der Zentralbankbilanz, die entsprechend abgesichert werden müssten. Hinzu kommen Implikationen für andere Ziele, etwa für die Umsetzung der Geldpolitik, für die Finanzstabilität oder, bei etwaigen Fehlfunktionen, Ausfällen oder Leistungseinschränkungen, für die Reputation der Notenbanken.

Wäre das Angebot von digitalem Zentralbankgeld unverzinst und in unbegrenzter Menge für jedermann, könnte es die Geldpolitik in ihrem Einfluss stark begrenzen, insbesondere im Niedrigzinsumfeld. Denn es würde die bisher auf Bargeldnutzung begrenzte Vermeidung negativer Zinsen erleichtern, weil digitales Zentralbankgeld eben digital transferiert und gehalten werden kann, sodass Transaktions- und Verwahrkosten deutlich niedriger ausfallen als beim Bargeld. Freilich sind Nutzungsbeschränkungen für digitales Zentralbankgeld denkbar. Jedoch darf Geld auch nicht zu komplex ausgestaltet sein, um nicht zusätzliche Friktionen und Kosten zu verursachen.

Operative Aspekte und Ausblick

Europa steht vor großen Herausforderungen im Geldwesen. Die Digitalisierung und besonders die Entwicklung der neuen dezentralen Abwicklungstechniken ermöglichen neue Prozesse und stellen neue Anforderungen, auch an das Geld. Die Zentralbanken im Eurosystem stellen sich diesen Herausforderungen. Geld soll vor allem stabil sein. Daher bleibt der Grundauftrag für die Zentralbank so aktuell wie eh und je. Daneben hat das Eurosystem auch einen Sorgeauftrag für den Zahlungsverkehr, für seine Stabilität und Effizienz. Zentralbanken sollten alles tun, damit die aus der Digitalisierung resultierenden Anforderungen der Realwirtschaft, des Finanzsektors und der privaten Haushalte an das künftige Geld erfüllt werden. Neben Sicherheit, Schnelligkeit, Bequemlichkeit und vielen anderen Anforderungen an Geld tritt in besonderer Weise die Programmierbarkeit hinzu. Es wurden mehrere Optionen beschrieben.

Für den digitalen Zahlungsverkehr haben sich bereits in den vergangenen Jahren gute privatwirtschaftliche Lösungen etabliert, denen allerdings häufig die europäische Reichweite fehlt. Deshalb dringen Eurosystem und EU-Kommission zu Recht auf den Aufbau paneuropäischer Zahlverfahren, die allerdings auch die derzeitigen technischen Möglichkeiten, wie zum Beispiel Instant Payments, voll nutzen sollten. Spannend bleibt die weitere Entwicklung dezentraler Netzwerke, die bislang aber immer noch technisches Neuland sind, jedenfalls gemessen an den operativen Erfordernissen einer modernen Volkswirtschaft. Der Zahlungsverkehr und die Wertpapierabwicklung sind hochtechnische, komplexe Infrastrukturen, die höchsten Anforderungen an Ausfallsicherheit und Widerstandsfähigkeit genügen müssen.

Der Aufbau von entsprechend verlässlichen dezentralen Netzwerken in der benötigten Dimension dürfte erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.

Kontrolle durch Zentralbank

Die Zentralbank sollte eine entscheidende Rolle beim Aufbau und Betrieb des Zahlungssystems für programmierbares Geld spielen. Bislang läuft Zentralbankgeld, abgesehen vom quantitativ weniger bedeutsamen Bargeld, ausschließlich in Zentralbanksystemen um. Sollte sich dies etwa bei der Einführung von digitalem Geld ändern, bestünde die Gefahr eines negativen Reputationseffektes im Falle von auftretenden Problemen in privaten Systemen. In jedem Fall wären erhebliche Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten für die Zentralbank vorzusehen.

Operativ bietet sich möglicherweise das Lernen in kleinen Schritten an. Eine Trigger-Lösung ließe das bestehende Zahlungssystem unverändert, ermöglichte aber den Einsatz der DLT als Abwicklungstechnik für komplexe Geschäftsfälle. Eine Wholesale-Lösung bei digitalem Geld hätte den Vorteil, dass das benötigte Netzwerk deutlich kleiner ausfallen könnte. Zudem handelten nur Profis mit digitalem Geld, sodass eine operative Grundkompetenz unterstellt werden könnte. Digitales Zentralbankgeld für jedermann wäre in jeder Hinsicht die weitgehendste Option, birgt damit die größten Risiken und erfordert die umfassendste und längste Vorbereitung.

Fußnoten

1) Nakamoto, S. (2008): Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, https://bitcoin.org/bitcoin.pdf (zuletzt abgerufen am 14.7.2020).

2) Zu den Grundlagen zu DLT und Blockchain siehe: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) (2017), Distributed ledger technology in payment, clearing and settlement - An analytical framework, Bericht des Committee on Payments and Market Infrastructures; P. Roßbach (2016), Blockchain-Technologien und ihre Implikationen, Banking and Information Technology, 17(1), S. 54-69; V. Brühl (2017), Bitcoins, Blockchain und Distributed Ledgers - Funktionsweise, Marktentwicklungen und Zukunftsperspektiven, Wirtschaftsdienst, 97(2), S. 135-142; sowie L. Geiling (2016), Distributed Ledger: Die Technologie hinter den virtuellen Währungen am Beispiel der Blockchain, BaFin Fachartikel.

3) Zur Anwendbarkeit der DLT siehe: Bundesbank (2017), Distributed-Ledger-Technologien im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung: Potenziale und Risiken, Monatsbericht September 2017, S. 35-50.

4) Vgl. Thiele, C.-L.; Diehl, M. (2017). Kryptowährung Bitcoin: Währungswettbewerb oder Spekulationsobjekt: Welche Konsequenzen sind für das aktuelle Geldsystem zu erwarten?, ifo Schnelldienst 22/2017, 70. Jahrgang, 23. November 2017, S. 3-6.

5) Im September 2020 beliefen sich in Deutschland die umlaufende Bargeldmenge auf 301,9 Mrd. Euro, die Guthaben der Monetären Finanzinstitute bei Zentralnotenbanken auf 887,4 Mrd. Euro und die Geldmenge M3 (ohne Bargeld) auf 3 398,6 Mrd. Euro. Vgl. Bundesbank (2020), Statistische Fachreihe Saisonbereinigte Wirtschaftsdaten, November 2020; Bundesbank (2020), Statistische Fachreihe Bankenstatistiken, November 2020 und Bundesbank (2020), Zeitreihendatenbank Bargeldumlauf, https://www.bundesbank.de/dynamic/action/de/startseite/suche/statistiken/suche-im-zeitreihen-code/747632/ titelsuche-in-der-zeitreihendatenbank?query=Bargeldumlauf, zuletzt aufgerufen am 1. Dezember 2020.

6) Die Zahlungsverkehrsstatistik weist für 2019 in der deutschen Target2-Komponente 48,2 Mill. Transaktionen in Zentralbankgeld im Wert von 209 082,3 Mrd. Euro aus. Insgesamt wurden aber bargeldlose Zahlungsinstrumente von Nicht-Zahlungsdienstleistern für 24 202,7 Mill. Transaktionen genutzt, übertrugen dabei aber "nur" 60 593,2 Mrd. Euro. Vgl. Bundesbank (2020), Zahlungsverkehrs- und Wertpapierabwicklungsstatistiken, Statistische Fachreihe September 2020, https://www.bundesbank.de/de/statistiken/banken-und-andere-finanzielle-unternehmen/zahlungsverkehr/zahlungsverkehrs-und-wertpapierabwicklungsstatistiken-804046.

7) Vgl. Bundesbank (2019), Krypto-Token im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung, Monatsbericht Juli 2019, S. 39-59; Balz, B. und Paulick, J. (2019), Parallelwährungen jenseits der Finanzaufsicht: Haben Bitcoin und Libra eine Zukunft?, ifo Schnelldienst 17/2019, Volume 72, S. 13-16.

8) Vgl. https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/legal-and-regulatory-framework-blockchain.

9) Vgl. Adrian T. (2019), Stablecoins, Central Bank Digital Currencies, and Cross-Border Payments: A New Look at the International Monetary System, Remarks by Tobias Adrian at the IMF-Swiss National Bank Conference, Zurich, May 2019, https://www.imf.org/en/News/Articles/2019/05/13/sp051419-stablecoins-central-bank-digital-currencies-and-crossborder-payments, zuletzt aufgerufen am 27. November 2020.

10) https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/Report_on_a_digital_euro~4d7268b458.en.pdf.

11) Vgl. zu den in der Literatur diskutieren Implikationen Carapella F. und Flemming J. (2020), Central Bank Digital Currency: A Literature Review, FEDS Notes, November 09, 2020, https://www.federalreserve.gov/econres/notes/feds-notes/central-bank-digital-currency-a-literature-review-20201109.htm zuletzt aufgerufen 11. November 2020.

12) Vgl. Auer, R. et alii (2020), Rise of the central bank digital currencies: drivers, approaches and technologies, BIS working paper No. 880, August 2020.

13) Z. B. durch Limite oder eine gestaffelte Verzinsung. Vgl. Bindseil, U. (2020), Tiered CBDC and the financial system, ECB working paper No. 2351, January 2020.

Burkhard Balz Mitglied des Vorstands, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
Dr. Martin Diehl Leiter der Hauptgruppe Ökonomische Analyse des Zahlungsverkehrs und der Abwicklungssysteme, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
Dr. Heike Winter Leiterin der Hauptgruppe Digitalisierung im Zahlungsverkehr. Strategie, Politik und Marktanalysen, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
 
Burkhard Balz , Mitglied des Vorstands, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
Dr. Martin Diehl , Leiter der Hauptgruppe Ökonomische Analyse des Zahlungsverkehrs und der Abwicklungssysteme, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
Dr. Heike Winter , Leiterin der Hauptgruppe Digitalisierung im Zahlungsverkehr. Strategie, Politik und Marktanalysen, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main

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