Duldung von Veränderung ist keine Lösung

Prof. Dr. Liane Buchholz, Foto: SWLV

Mit Blick auf das vieldiskutierte Spitzeninstitut im Sparkassensektor ist die Bestandsaufnahme der Autorin klar. Die Sparkassen benötigen mehr denn je ein solches Institut für Geschäfte, die sie nicht alleine machen wollen oder für die sie einen Koordinierungspartner brauchen. Die Landesbanken und Girozentralen haben aus ihrer Sicht bei dieser Aufgabe in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend versagt, besonders augenfällig im Auslandsgeschäft. Ihren Vorstellungen nach sollte ein solches Spitzeninstitut möglichst in den Händen der Sparkassen liegen und bei allen Konsolidierungsschritten sollte das Kernziel verfolgt werden, den Wettbewerb mit den Sparkassen zu beenden. Als Beispiel nennt sie an dieser Stelle ausdrücklich das Immobiliengeschäft. Auch der institutssichernde Haftungsverbund der Sparkassen-Finanzgruppe könnte ihrer Auffassung nach unter Fortführung der aufsichtlichen Vorteile nach Schaffung des Spitzeninstituts weiterentwickelt beziehungsweise reformiert werden. (Red.)

Wenn der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in einem ausführlichen Gespräch mit der Börsen-Zeitung am 13. April 2019 - und damit im unmittelbaren Vorfeld des 26. Deutschen Sparkassentages am 15./16. Mai 2019 in Hamburg - für die Schaffung eines Spitzeninstituts wirbt, dann macht er das aus gutem Grund.

1. Ausgangssituation: Nach dem Verkauf der HSH Nordbank gehören zur Sparkassen-Finanzgruppe noch fünf Landesbanken. Die gegenwärtige Lage der Nord-LB ist unklar. Der erreichte Zwischenstand wird von der EU-Kommission geprüft. Dauer und Ergebnis dieses Verfahrens sind kaum vorhersehbar. Allein schon deswegen sollten Verkauf, Rettung oder Abwicklung der Nord-LB einerseits und die Arbeit zur Schaffung eines Spitzeninstituts andererseits konsequent entkoppelt werden.

Günstiger Zeitpunkt

Ein Spitzeninstitut in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt öffentlichen Rechts, die der Rechtsaufsicht des Bundesministers der Finanzen unterliegt, stellt eine Notwendigkeit für die Geschäftstätigkeit der deutschen Sparkassen dar. Dieses Modell wurde in verschiedenen Strategiepapieren über die letzten Jahre mehrfach aufgrund seiner herausgehobenen Bedeutung eingefordert und würde aus dem Stand heraus über ein nachhaltig funktionierendes Geschäftsmodell verfügen.

Dies gilt sowohl mit Blick auf das Inlandsgeschäft der deutschen Sparkassen als auch für die Geschäftstätigkeit im Ausland. Diese Sachlage anzuerkennen und sich auf sie einzulassen, stellt die Weichen für ein beherrschbares Spitzeninstitut und damit für eine erfolgreiche Zukunft der deutschen Sparkassenorganisation.

Der Zeitpunkt ist günstig. Die Bundesregierung hat erkennbar Interesse, den Bankenstandort Deutschland zukunftsfest aufzustellen. Die Volks- und Raiffeisenbanken haben, bezogen auf ein Spitzeninstitut, in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht. Die Sparkassenfamilie hat Nachholbedarf. In der Sparkassenorganisation könnten neue Räume inhaltlichen Konsenses entstehen - durch eine erkennbare Offenheit einzelner Landesbankeneigentümer für eine Exit-Strategie.

In diesem Kontext ist die bloße Duldung von Veränderungen keine akzeptable Haltung, weder politisch, noch unternehmerisch. Allein in der Zusammenführung von Instituten liegt nicht das Heil für die Sparkassen. Vielmehr geht es darum, die Frage zu klären, was das Geschäftsmodell eines Spitzeninstituts konkret ausmacht. Dies ist eine der brennendsten Fragen unserer Organisation.

2. Notwendigkeiten aus Sicht der Sparkassen: Sparkassen sind erfolgreich, weil ihre vier Arbeitsprinzipien Dezentralität, Subsidiarität, Eigenverantwortlichkeit und Regionalität einen geradezu idealtypischen Ordnungsrahmen schaffen: Vertrauensvoll und verlässlich machen sie Geschäfte, die sie verstehen, für Menschen, die sie kennen. Diese Arbeitsprinzipien werden auch in Zukunft entscheidende Bedeutung haben.

In den Händen der Sparkassen

Mehr denn je benötigen Sparkassen jedoch ein Institut für Geschäfte, die sie nicht alleine machen wollen oder für die ein Koordinierungspartner sinnvoll beziehungsweise notwendig erscheint. Die Landesbanken und Girozentralen haben bei dieser Aufgabe in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend versagt. Der kaum wahrnehmbare Marktanteil im kommerziellen Auslandsgeschäft ist ein anschauliches Beispiel für diese Einschätzung. Jede einzelne Landesbank konnte aufgrund zu geringer Losgrößen von der Ausübung der Dienstleistungsfunktion für Sparkassen allein nicht existieren. Deswegen wurden, in Abkehr vom Gründungsauftrag, teure Ausflüge in nicht beherrschte Geschäftsfelder unternommen mit bekanntem Ausgang.

3. Lösungsansatz: Alle Überlegungen über künftige Strukturen sind zunächst geleitet von dem übergeordneten ordnungspolitischen Argument, dass ein zu schaffendes Spitzeninstitut zu 100 Prozent (mindestens aber zu 75 Prozent unter Ausschluss einer Sperrminorität) in den Händen der Sparkassen liegen muss. Nur so kann die geschäftspolitische Ausrichtung des Spitzeninstituts im ausdrücklichen Sinne der Sparkassen gelingen. Eine nennenswerte Beteiligung von Bundesländern widerspricht dem hier skizzierten ordnungspolitischen Rahmen und muss aus diesem Grund unterbleiben. Mit Blick auf die zurzeit ohnehin bereits im Allein- oder Mehrheitsbesitz der deutschen Sparkassen befindlichen Institute bietet sich ein Zielbild an, das in einer ersten Stufe genau diese Institute umfasst.

Konkret bedeutet das: Wer ein Spitzeninstitut für die Sparkassenfamilie skizziert und ernsthaft verfolgt, kommt in der logischen Konsequenz automatisch zur Frage, warum die ohnehin in ihrem Eigentum befindlichen Institute nicht bereits zur Hebung von Synergiepotenzialen konsolidiert werden. Im Zuge der Zusammenführung ist dem Ordnungskriterium Dezentralität insofern Rechnung zu tragen, als das derzeit noch integrierte Sparkassen herausgelöst und künftig als selbstständige Institute an ihren jeweiligen Standorten betrieben werden.

Beendung des Wettbewerbs mit Sparkassen

Wenn die Sparkassen über die Schaffung eines Spitzeninstituts diskutieren, dann steht im Vordergrund die Etablierung eines leistungsfähigen und dauerhaft profitablen Geschäftsmodells mit eindeutigem Mandat und in ebenso eindeutiger Abgrenzung zu ihrem eigenen Geschäft. Die Fehlentwicklung der vergangenen Jahrzehnte, die sich vor allem durch - wie schon erwähnt - eine Lösung der Landesbanken von ihrem Gründungsauftrag beschreiben lässt, muss korrigiert werden. Kernziel der Konsolidierung muss sein, den Wettbewerb mit Sparkassen zu beenden. Die Prinzipien Subsidiarität und Regionalität sind dabei strategische Leitplanken.

Die Sparkassen wollen und brauchen ein Spitzeninstitut, das komplementär zu ihrer Geschäftstätigkeit steht und sie zielgerichtet unterstützt. Dabei geht es im Kern um folgende Elemente:

- Schaffung einer nach innen ausgewogenen und nach außen homogenen Eigentümerstruktur mit hoher Kongruenz der Interessenlagen aller Beteiligten,

- signifikante Reduzierung der regulatorisch bedingten Kosten insbesondere der EZB-Aufsicht (IT, Meldewesen, Compliance, Jahresabschlüsse, Revision),

- Liquiditätsmanagement im Verbund,

- Konsortialkreditgeschäft,

- Zahlungsverkehrsdienstleistungen,

- Entwicklung eines konkurrenzfähigen Auslandsgeschäftes zur Unterstützung des hohen Marktanteils der Sparkassen im Firmenkundengeschäft,

- Hebung von Synergien im Asset Management und Schaffung eines im europäischen Maßstab bedeutenden Asset Managers,

- Aufhebung der Wettbewerbssituation der bisher selbstständigen Institute im Immobiliengeschäft.

4. Konsequenzen für den Haftungsverbund: Der Haftungsverbund der Sparkassenfinanzgruppe war und ist keinesfalls ein konstituierendes Element der Sparkassen. Seit seiner Etablierung vor etwa 20 Jahren (angesichts der mehr als 200-jährigen Geschichte der Sparkassen also eine kurze Zeitspanne) sind am institutssichernden Haftungsverbund der Sparkassen, Landesbanken/Girozentralen und Landesbausparkassen laufend Änderungen vorgenommen worden. Der Bedarf ergab sich aus Wünschen und Interessenlagen der Mitglieder oder aus der Notwendigkeit, Neuerungen des regulatorischen Rahmens im System abzubilden.

An dieser Praxis laufender Anpassungen wird sich erkennbar in den nächsten Jahren nichts ändern. Plausible Argumente deuten sogar darauf hin, dass die Geschwindigkeit des Wandels und die Menge der Änderungen weiter zunehmen werden.

Wenn alle in Allein- oder Mehrheitseigentum der Sparkassen befindlichen Institute in dem unter Ziffer 3 beschriebenen Spitzeninstitut zusammengeführt werden, dann führt dies unmittelbar und zwangsläufig zu einer erneuten Weiterentwicklung des Haftungsverbundes. Diese wiederum lässt sich nicht unabhängig von aktuellen Entwicklungen der Sicherungssysteme in Deutschland und Europa betrachten.

Auf europäischer Ebene hat die Debatte über EDIS Vorschläge erbracht, die in die Richtung eines Rückversicherungssystems gehen, ergänzt um einen Backstop (Peter Simon, Börsenzeitung, 15. Juni 2018). Unter solchen Bedingungen könnte der institutssichernde Haftungsverbund der Sparkassen-Finanz gruppe unter Fortführung der bekannten aufsichlichen Vorteile auch nach Schaffung des Spitzeninstituts weiterentwickelt - manche sagen auch reformiert - werden.

Zeit zum Handeln

5. Vorteile des Lösungsansatzes: Festhalten lässt sich, dass erst mit den Losgrößeneffekten durch Aufgabenbündelung in einem Spitzeninstitut die notwendige Abgrenzung zum Geschäftsmodell der Sparkassen dauerhaft verwirklicht werden kann. Die Sparkassen brauchen und wollen keine "Riesen-Landesbank", sondern ein Spitzeninstitut mit den beschriebenen Aufgaben. Darin liegen aus Sicht der Sparkassen grundlegende Chancen.

Die hier niedergelegte Skizze eines Spitzeninstituts unterstützt das identitätsstiftende Element der kommunalen Daseinsvorsorge durch deutsche Sparkassen. Seine Gründung als Spitzeninstitut in der Rechtsform der bundesunmittelbaren Anstalt öffentlichen Rechts verbindet zudem ihre langfristigen Interessen mit denen der Bundesrepublik Deutschland.

Wenn sich die Sparkassenorganisation dem Zielbild eines Zentralinsititutes annehmen würde, dann wäre sie nicht nur "gemeinsam allem gewachsen", sondern dann könnte sie "Veränderungen gemeinsam gestalten", denn es ist Zeit zum Handeln.

Prof. Dr. Liane Buchholz

Präsidentin, Sparkassenverband Westfalen-Lippe, Münster

Prof. Dr. Liane Buchholz , Präsidentin , Westfälisch-Lippischer ­Sparkassen- und Giroverband, Münster
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