Einfluss der räumlichen Distanz auf die Kreditkonditionen

Prof. Dr. Klaus Schäfer, Foto: Universität Bayreuth

Wirken sich die Intensität des Bankenwettbewerbs und die räumliche Nähe zum Kunden auch in den Kreditkonditionen, speziell in der Höhe des Kreditzinssatzes aus? Empirische Befunde aus anderen Ländern weisen tendenziell darauf hin, dass Kreditzinsen mit der Entfernung zwischen Gläubiger und Schuldner steigen und mit höherem Bankenwettbewerb in der Nähe des Kreditnehmers beziehungsweise mit geringerer Distanz zum nächsten Wettbewerber sinken. Für Deutschland kommen die Autoren zu ähnlichen Ergebnissen, nämlich einem robusten und signifikanten positiven Einfluss der Entfernung auf den Kreditzins und zu einem tendenziell sinkenden durchschnittlichen Zinssatz mit stärkerem räumlichem Bankenwettbewerb. Ihr Tenor: Das Thema tangiert nicht zuletzt für das deutsche Bankensystem mit den beiden großen Verbundorganisationen auch die Diskussionen um die Vor-Ort-Präsenz von Kreditinstituten, die Fusion regionaler Institute und die Etablierung digitaler Geschäftsmodelle. (Red.)

Das deutsche Universalbankensystem wird durch seine Drei-Säulen-Struktur geprägt. Zwei der drei Säulen weisen ein dezentrales Geschäftsmodell auf: Die Sparkassen mit ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag und die Kreditgenossenschaften mit dem Förderauftrag für ihre Mitglieder haben einen ausgesprochen regionalen Bezug und setzen als Hausbank auf eine besondere Nähe zum Kunden. Kundennähe ist nicht nur räumlich zu verstehen, sondern weist auch weitere, beispielsweise soziale und kulturelle Komponenten auf. Der regionale Fokus erleichtert den Instituten den Aufbau einer engen Kunde-Bank-Beziehung mit allen Vorteilen gegenüber unpersönlichen Kontaktformen.

Jedoch stellt sich die Frage, ob die Situierung in der Umgebung des Kunden in Zeiten, in denen Bankfusionen keine Seltenheit sind, über sinkende Filialdichten diskutiert wird und eine Vielzahl an einfach anwendbaren globalen Kommunikationsformen existiert, noch von Bedeutung ist und aufrechterhalten werden sollte: Entstehen den Banken tatsächlich Vorteile durch eine räumliche Nähe zum Kunden? Oder haben sich die Geschäftsmodelle in Zeiten des Internets und der weiteren digitalen Möglichkeiten bereits so verändert, dass die räumliche Distanz zwischen Bank und Unternehmenskunde beispielsweise keinen Einfluss auf die Kreditkonditionen hat?

Relevanz der Distanz zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber

Während Distanzen in anderen Wirtschaftszweigen eine Rolle im Gütertransport spielen, werden in der Kreditvergabe hauptsächlich Informationen übermittelt. Dadurch kann sich ein Zusammenhang zwischen den Transportkosten der Bank, die diese in Form von Zinsen an den Schuldner weitergibt, und der Entfernung zum Kunden ergeben.

Eine höhere räumliche Trennung impliziert folglich höheren Aufwand für die Bank und kann sich so in den Kosten eines Kredits niederschlagen. Zu beantworten sind die Fragen, ob der Transport von Informationen Kosten verursacht, ob sich eine Weitergabe der Informationen lohnt und zwischen wem Informationen ausgetauscht werden.

Diese Fragen sind nicht neu, denn bereits mit der flächendeckenden Einführung von Telefonen und Faxgeräten wurde vermutet, dass die räumlichen Transaktionskosten und damit die Relevanz der Distanz zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber erheblich sinken sollten. Die Untersuchung dieser Aspekte gewinnt durch die Entwicklungen der Digitalisierung zusätzlich an Bedeutung und man kann sich die Forschungsfrage stellen, ob die räumliche Entfernung überhaupt noch eine Rolle spielt oder der "Tod der Distanz" bereits eingetreten ist.

Austausch schwer übermittelbarer Auskünfte

Gegen ein Bejahen dieser Frage spricht sicherlich, dass gerade die Menge an Informationen, die für die Vergabe eines Kredits benötigt und verarbeitet wird, nicht in kodifizierter Form, sondern nur im direkten Gespräch vermittelbar ist. Auch entstehen durch regelmäßige Besuche im Rahmen der Überprüfung des Kreditnehmers (Screening und Monitoring) weitere Erkenntnisse, die über das reine Berichtswesen und über Unternehmenskennzahlen hinausgehen. Die durch persönlichen Austausch geschaffenen zusätzlichen Informationen sind die Rechtfertigung für die Investition in mit zunehmender Entfernung steigende Transportkosten. Sie stellen auch Elemente des Hausbankprinzips dar, das möglicherweise eine geografische Nähe bedingt.

Diese Kosten, die der Bank entweder aufgrund des Transports entstehen oder aber auch die höhere Risikoeinstufung aufgrund des Fehlens nicht kodifizierbarer risikomindernder Informationen können sich in den Kreditkonditionen niederschlagen. Der Kreditzins ist ein Parameter des Kreditvertrags, mit dem die genannten Kosten vom Gläubiger auf den Schuldner übertragen werden. Der Austausch schwer übermittelbarer Auskünfte ist daher ein wesentlicher Faktor, der sich über die Entfernung auf die beanspruchten Kreditzinsen niederschlagen kann. In Abbildung 1 sind die potenziellen Ursachen der Kosten räumlicher Distanz in der Kreditvergabe dargestellt. Es wird ersichtlich, dass die Auswirkungen von Informationsvorteilen und -nachteilen in etlichen Bereichen auftreten - insbesondere aber im Falle von weichen Informationen.

Qualitative Informationen und weiche Fakten

Weiche Faktoren (soft facts) in der Kreditvergabe sind in der Regel nicht quantifizierbare Informationen und können bei Unternehmen ein schier unbegrenztes Feld an Eigenschaften umfassen, wie die Stimmung unter den Beschäftigten der Branche beziehungsweise im lokalen Wettbewerb, Gerüchten im Umfeld des Unternehmens, die Persönlichkeit des Unternehmers und den Business Plan. Traditionell werden diese Aspekte auch mit der Zahlungswilligkeit des Schuldners in Verbindung gebracht. Informationen über diese Faktoren sind zwar kodifizierbar, sie können also in Worte gefasst und zumindest theoretisch übermittelt werden. Allerdings existiert keine abschließende Vollständigkeit der Darstellung und die Auffassung und Interpretation der Informationen kann je nach Empfänger durchaus variieren.

Harte Fakten hingegen treffen objektive Aussagen, die unabhängig vom Sender und vom Empfänger sind. Erst in der Wertung der Informationen kommen subjektive Einschätzungen des Empfängers zum Tragen. In der Regel handelt es sich um quantitative, kategorische oder binäre Informationen, die problemlos an weiter entfernte Stellen übermittelt werden können, ohne an Aussagegehalt zu verlieren.

Soft Facts im Rahmen der Kreditvergabe

Im Rahmen der Kreditvergabe können dies zum Beispiel Daten der Bilanz und der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sein. Derartige Größen werden meist zur Beurteilung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners herangezogen. Damit ebenso weiche Faktoren in die Kreditrisikobewertung einfließen können, ist eine enge Beziehung zum Kreditnehmer nötig, um einerseits das Unternehmen beurteilen und Soft Facts angemessen bewerten zu können. Andererseits kann die kreditgebende Bank erst durch einen intensiven Einblick in das Unternehmen mögliche Änderungen der weichen Faktoren frühzeitig erkennen.

Die Vergabe von Unternehmenskrediten hat sich aufgrund geänderter institutioneller Rahmenbedingungen der letzten Jahrzehnte stark standardisiert. Das spüren insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Für größere Unternehmen scheint die Verfügbarkeit und Aussagekraft harter Fakten in den meisten Fällen sichergestellt zu sein. Da die Auswertung von Soft Facts schließlich einen hohen Aufwand erfordert, wäre zu vermuten, dass weiche Faktoren kaum noch bei der Kreditvergabe berücksichtigt werden.

Allerdings ist das Interesse an weichen Informationen sogar gewachsen, da über deren Auswertung versucht wird, Vorteile gegenüber herkömmlichen Kennzahlen zu erreichen:1) Bereits bevor sich Risiken in den Kennzahlen von Unternehmen - die teilweise nur jährlich erfasst werden - niederschlagen, können sie sich frühzeitig in nicht kodifizierbaren Befunden manifestieren.2)

Verschiedene Arten von Bankbeziehungen

Damit Banken qualitative und für die Unternehmen mitunter risikoreduzierenden Informationen tatsächlich erfassen können, ist eine enge Kunde-Bank-Beziehung unerlässlich. Dadurch entstandene Informationsasymmetrien können aber auch zu sogenannten Lock-in-Situationen (Abbildung 1) führen, in denen die Bank die Kreditzinsen über die eigentlichen Risikokosten anheben kann.

Dies ergibt sich aufgrund eines Mangels an alternativen Kreditgebern für das Unternehmen und entschädigt den Gläubiger zumindest zum Teil für die vergleichsweise hohen Kosten des Aufbaus einer engen Beziehung zum Schuldner. Diese verschiedenen Arten von Bankbeziehungen werden in der englischsprachigen Literatur dem sogenannten transaction based oder dem relationship lending zugeordnet. Ersteres beruht auf quantifizierbaren Fakten, die leicht transferiert werden können und so eine Kreditbeziehung über weite Entfernung und auch mit mehreren verschiedenen Banken zulassen, ohne dass zwangsläufig ein Institut als Hauptkreditgeber angesehen werden muss. Dies schließt auch die Kreditvergabe unter Einsatz von hohen Besicherungen mit ein.

Im relationship lending hingegen steht eine enge Kunde-Bank-Beziehung im Vordergrund, die auch den Einsatz qualitativer Informationen zulässt. Ein wesentliches Merkmal dieser Beziehungen ist, dass es im Gegensatz zum transaction based lending entweder einen einzigen Kreditgeber gibt oder ein Hauptkreditgeber existiert, mit dem im engen persönlichen Kontakt agiert wird, während mit anderen Banken tendenziell nur unpersönliche Beziehungen im Rahmen des transaction based bankings eingegangen werden.

Besserer Informationsfluss durch flachere Hierarchien

Aus der schwierigen Übermittelbarkeit weicher Faktoren folgt die Notwendigkeit einer Vielzahl von Besuchen beziehungsweise persönlichen Kontakten. Zusätzlich wird geschultes Personal benötigt, das diese Informationen auch verarbeiten und in einen richtigen Kontext einordnen kann. Hier kann auch branchenspezifisches und lokal gebundenes Wissen eine große Rolle spielen, zum Beispiel bei der Cashflow-Analyse, die bei fehlenden Inputdaten zur Kreditentscheidung herangezogen werden kann.

Oft ist auch die Frage, ob und wie ein weicher Aspekt bei der Kreditvergabe berücksichtigt werden kann, abhängig von der hierarchischen Ebene des Bearbeiters innerhalb einer Bank. Je nach dem Rang des Kreditsachbearbeiters kann es dazu kommen, dass die Information mehrere Schichten durchfließen muss, in deren Verlauf sie modifiziert wird und ein Teil davon verloren geht (Flüsterpost).3)

Es kann vermutet werden, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken im relationship lending Vorteile gegenüber Großbanken haben. Die regionale Präsenz fördert die räumliche Nähe, darüber hinaus weisen kleinere Institute flachere hierarchische Strukturen auf. Diese Eigenschaften sind eine logische Konsequenz ihres Aufbaus und ihrer historischen Entwicklungen. Sie beschreiben das Selbstverständnis der beiden Säulen und finden sich auch in Leitbild und Werbeslogans wieder ("Wir sind vor Ort", "Gut für die Region"). Geringere Distanzen senken zum einen die Reisekosten im Rahmen des Monitorings und implizieren oft auch eine Beschäftigung regionalen Personals, das über lokal gebundenes Wissen verfügt. Flache Hierarchien zum anderen senken die Gefahr einer "Verformung" von Informationen.

Räumliche Dimension des Interbankenwettbewerbs

Zusätzlich zu den durch Soft Facts verursachten Transportkosten kann sich die Entfernung zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber auch unter Berücksichtigung des Bankenwettbewerbs niederschlagen. Lock-in-Situationen können beispielsweise dadurch begünstigt werden, dass keine anderen Institute in der Nähe des Unternehmens sind. Auch spielt hier der regionale Informationsvorteil hinsichtlich der Soft Facts eine Rolle: Sind Unternehmen räumlich näher an der Konkurrenzbank situiert, so hätte diese bei einem gleichen Niveau an Information geringere Transportkosten zu tragen.

Diese Kostenersparnis kann das Institut in Form niedrigerer Zinsen an den Kunden weitergeben, weshalb hohe Bankenkonkurrenz am Sitz des Kreditnehmers dem zinssteigernden Effekt hoher Entfernung entgegenwirkt. Jedoch kann der Versuch, durch günstige Konditionen in räumlich weiter entfernten Kreditmärkten Marktanteile zu gewinnen, zum sogenannten Winner's Curse im Banking führen: Aufgrund von Informationsvorteilen wird eine lokale Bank dem neuen Marktakteur, dessen Risikoeinschätzung aufgrund der höheren Entfernung unterlegen ist, möglichst nur riskante Kreditnehmer überlassen.

Entfernung und Kreditkonditionen in Deutschland

Die Anzahl der empirischen Studien zu den Auswirkungen räumlicher Konditionen auf die Kreditkonditionen von Unternehmen ist nicht zuletzt aufgrund der Sensibilität und schweren Verfügbarkeit der Daten durchaus überschaubar. So bedient sich ein großer Teil der publizierten Studien der Ergebnisse von Umfragen oder der Kreditnehmerdaten einer einzigen Bank. Meistens handelt es sich dabei um US-amerikanische Daten4) , jedoch existieren auch Publikationen zu den Effekten räumlicher Entfernung in Italien und Belgien. Die Ergebnisse der Studien sind zuweilen sehr unterschiedlich.

Überwiegend aber lässt sich feststellen, dass Kreditzinsen mit der Entfernung zwischen Gläubiger und Schuldner steigen und mit höherem Bankenwettbewerb in der Nähe des Kreditnehmers beziehungsweise mit geringerer Distanz zum nächsten Wettbewerber sinken. Gemeinhin anerkannt ist zudem, dass die Entfernung zwischen Kreditnehmern und -gebern zumindest seit der Einführung von Scoring-Systemen gestiegen ist.

Zurek (2018) untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen räumlicher Entfernung und Kreditzinsen auch für deutsche Unternehmen nachgewiesen werden kann. Aufgrund der geringen Verfügbarkeit von Daten unterschiedlicher Bank- und Kredittypen wird in dieser Untersuchung auf Unternehmensdaten zurückgegriffen. Die zu leistende Zinslast wird ins Verhältnis zur Gesamtkreditsumme gesetzt, um einen durchschnittlichen Zinssatz zu generieren. Im Anschluss werden ausschließlich Beziehungen zu lediglich einer Bank als Indikator für das relationship lending und die damit tendenziell stärkere Nutzung von Soft Facts zur weiteren Betrachtung herangezogen. Dies bietet zusätzlich den Vorteil, dass die gesamte Kreditsumme einer Bank zugeordnet werden kann. Aufgrund dieser Auswahl ist die Stichprobe nicht zufällig gezogen, was durch das sogenannte Heckman-Verfahren behoben wird.

Da die Namen und Standorte der Banken verfügbar sind, kann mittels Georeferenzierung der Adressen von Unternehmen und Banken die euklidische Distanz zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber berechnet werden. Aus den Geodaten lassen sich (geo)grafische Darstellungen konstruieren, in denen eine räumliche Korrelation zwischen Unternehmens- und Bankenstandorten in Deutschland zu erkennen ist (Abbildung 2): Der Umstand, dass wirtschaftliche Aktivität und Bankenstandorte nach wie vor dicht beieinander situiert sind, ist ein erstes Zeichen für die Relevanz räumlicher Nähe der Kreditinstitute zu ihren Kunden. Die Entfernung zwischen Kreditnehmer und -geber wird neben weiteren unternehmensspezifischen Kennzahlen verwendet, um den Kreditzins zu erklären. Tatsächlich lässt sich in der Studie für das betrachtete Jahr 2014 ein robuster und signifikanter positiver Einfluss der Entfernung auf den Kreditzins feststellen (Abbildung 3).

Auch kann gezeigt werden, dass der durchschnittliche Zinssatz mit stärkerem räumlichem Bankenwettbewerb tendenziell sinkt.

Neigung zur Konzentration der Bankbeziehungen

In der Untersuchung bestätigt sich, dass die Kreditaufnahme bei einer nahegelegenen Bank für Unternehmen mit der Beziehung zu nur einer Bank (also einer Zuordnung zum relationship lending) im Schnitt günstigere Kreditzinsen aufweist. Da Sparkassen und Genossenschaftsbanken ubiquitärer sind als Kreditbanken, wäre eine geringere Entfernung für diese Institute nicht weiter verwunderlich. Um auf diese höhere Filialdichte zu kontrollieren, wurden in den Schätzungen Dummy-Variablen für Sparkassen und Genossenschaften eingefügt. Diese bestätigen den in Abbildung 3 erhaltenen Eindruck, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken grundsätzlich im Durchschnitt niedrigere Kreditzinsen verlangen, die allerdings mit größerer Nähe zum Institut noch weiter sinken.

Zum anderen ergibt sich auch auf der Stufe zuvor bereits ein interessantes Bild, das auch Konsequenzen für den zu leistenden Kreditzins hat: Der Standort des Unternehmens scheint auch eine wichtige Rolle dabei zu spielen, ob ein Unternehmen Kunde einer oder mehrerer Banken ist. Es lässt sich nämlich feststellen, dass ein tendenziell quadratischer Zusammenhang besteht: Sowohl Unternehmen in Großstädten als auch solche in ländlichen Gemeinden neigen dazu, ihre Bankbeziehungen zu konzentrieren, während für Gemeindetypen zwischen diesen beiden Extrempunkten eher mehrere Bankbeziehungen zu finden sind (Abbildung 4).

Die Klassifizierung nach fünf Arten von Gemeindetypen wird vom Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) vorgenommen und orientiert sich u.a. an Bevölkerungszahlen und zentralörtlichen Funktionen. Erwartungsgemäß findet sich in Tabelle 1 eine steigende Filialdichte in städtischen Gebieten. Zusätzlich zu der in Zurek (2018) durchgeführten Untersuchung auf die Wahrscheinlichkeit der Kreditaufnahme sind hier die jeweiligen Kreditzinsen und Entfernungen zum angegebenen Bankenstandort abgebildet. Hier zeigt sich, dass nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer engen Einzelbankbeziehung stark mit dem Gemeindetyp des Unternehmenssitzes verbunden ist, sondern dass sich auch ein positiver Zusammenhang zwischen der räumlichen Entfernung und den Kreditzinsen offenbart.

In der Gesamtbeurteilung der Untersuchung zeigt sich die starke Interdependenz von Kreditzinsen, Standorten, Entfernungen und Banktypen. Diese beeinflusst nicht nur das Finanzierungsverhalten der Unternehmen, sondern kann bis hin zur Standortwahl eine große Menge gesamtökonomischer Implikationen beinhalten.

Interdependenz von Kreditzinsen, Standorten und Banktypen

In der Konsequenz stellt sich unter anderem die Frage, ob und inwiefern der sich immer weiter ändernde Bankenmarkt Auswirkungen auf dieses Phänomen hat und ob der Einbezug weicher Informationen in der Kreditvergabe weiterhin Bestand haben wird. Insbesondere für Unternehmen in ländlichen Gemeinden, die tendenziell nur eine Bankbeziehung haben und auch eine geringere lokale Auswahl an möglichen Finanzierungspartnern (Abbildung 4), könnte eine räumliche Zentralisierung der Finanzmärkte erhebliche Konsequenzen haben.

So fehlt zum einen der regionale Wettbewerbsdruck im Bankenmarkt, der unabhängig vom Siedlungsraum für im Durchschnitt niedrigere Kreditzinsen sorgt.5) Zum anderen erhöhen sich die Entfernungen zu potenziellen Kreditgebern, wodurch höhere Kreditzinsen zu erwarten sind. Dies betrifft insbesondere jene Unternehmen, die nur wenige Möglichkeiten besitzen, die Kreditaufnahme im transaction based lending fortzuführen. Folglich haben kleine und junge Betriebe, die als intransparent gelten, einen zusätzlichen Anreiz, sich in größeren Bankenmärkten - tendenziell also in größeren Städten - anzusiedeln.

Wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass persönliche Kontakte in einer engen Kunde-Bank-Beziehung eine wichtige Bedeutung haben. Dies zeigt sich einerseits über die Transportkosten, die im Rahmen des Monitorings anfallen, sowie für nur persönlich vermittelbares Wissen. Direkt übermittelte Kenntnisse liefern weitere Informationen und unterstützen die Risikoeinschätzung eines Schuldners und damit die Kreditvergabeentscheidung.

Die Gewinnung und Verarbeitung weicher Informationen ist ein Thema, dem noch viel Forschungsarbeit gewidmet werden wird. So ist zu erwarten, dass mit der weiteren Etablierung von Kreditvergabeplattformen des Peer-to-Peer-Lendings zu beobachten ist, welche neuen Möglichkeiten im Rahmen einer automatisierten Verarbeitung qualitativer Informationen existieren.

Die Analysen müssen dabei mit dem eingeschränkten Zugang zu leicht verfügbaren weichen Informationen leben. Berichte zu Großkonzernen, aus denen Soft Facts extrahiert werden können, sind wesentlich häufiger zu finden als Berichte über kleine Unternehmen, die zwar in einem lokalen Umfeld eine wichtige Bedeutung, darüber hinaus jedoch eine geringere mediale Aufmerksamkeit besitzen. Zudem lassen sich auch schriftliche Berichte im Zweifel leichter manipulieren als beispielsweise die Stimmung in der Belegschaft oder die Persönlichkeit des Geschäftsführers. Daher darf davon ausgegangen werden, dass zumindest in naher Zukunft die Nutzung räumlich gebundenen Wissens und die Eindrücke aus persönlichen Begegnungen auch in der Vergabe von Unternehmenskrediten nicht vollständig ersetzt werden können.6)

Fußnoten

1) Eine ausschließliche Analyse weicher Faktoren ohne jedwede Hinzuziehung harter Fakten kann hingegen auch irreführend sein und ist unter anderem gemäß CRR, Art 179 Abs. 1a nicht gestattet.

2) Qualitative Informationen können beispielsweise zusätzliche Möglichkeiten zur Risikoeinschätzung im Peer-to-Peer (P2P)-Lending bieten. Dorfleitner et al. (2016); Description-text related soft information in peer-to-peer lending - Evidence from two leading European platforms, Journal of Banking and Finance, Vol. 64, S. 169-187, analysieren die Inhalte von Texten zu Projekten im P2P-Lending nach deren Inhalt weicher Informationen und untersuchen die Auswirkungen darauf auf den Kreditantrag.

3) Die Distanz zwischen Kreditnehmer lässt sich daher auch in operative und funktionale Distanz aufteilen: Erstere beschreibt die Entfernung zwischen Kreditnehmer und Bankenfiliale und letztere die zwischen dem Kreditsachbearbeiter in der Filiale und dem Kreditentscheider in der Zentrale.

4) Siehe beispielsweise Petersen/Rajan (2002): Does Distance Still Matter? The Information Revolution in Small Business Lending, The Journal of Finance, Vol. 57, S. 2533-2570; Kenneth/Wolken (2009): Does Distance Matter in Banking?, in: The Changing Geography of Banking, Fratianni et al. (Hg.), S. 27-56; Agarwal/Hauswald (2010): Distance and Private Information in Lending, The Review of Financial Studies, Vol. 23, S. 2757-2788.

5) Siehe Degryse/Ongena (2005): Distance, Lending Relationships, and Competition, The Journal of Finance, Vol. 55, S. 231-266; Bellucci/Borisov/Zazzaro (2013): Do banks price discriminate spatially? Evidence from small business lending in local credit markets, Journal of Banking and Finance, Vol. 37, S. 4183-4197; Zurek (2018): The Effects of Spatial Distance on Loan Pricing in Relationship Lending - Evidence from Germany, Die Unternehmung Vol. 72, S. 212-228

6) Ein umfassendes Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag kann per E-Mail unter maximilian.zurek[at]uni-bayreuth[dot]de angefordert werden.

Prof. Dr. Klaus Schäfer Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre I: Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Universität Bayreuth
Maximilian Zurek Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre I: Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Universität Bayreuth
Klaus Schäfer , Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Universität Bayreuth

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