Entwicklungen im deutschen Bankensystem - eine streitbare Antwort

Dr. Hans-Rudolf Flesch, Foto: Die Einfache Bank

Die anhaltende Niedrig- beziehungsweise Negativzinsphase wird unbestritten Folgen für die deutschen Banken und Sparkassen haben. Über die genauen Auswirkungen kann trefflich gestritten werden. Auch über das methodische Vorgehen bei möglichen Analysen der Auswirkungen - wie der hier vorliegende Fall zeigt. Die beiden Autoren setzen sich kritisch mit einem Beitrag aus dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank auseinander und plädieren für mehr methodische Klarheit und für die strikte Anwendung der Marktzins- und Barwertmethode. Auch sie kommen bei ihrer Betrachtung zu dem Schluss, dass es selbst bei anhaltend negativen Zinsen auf absehbare Zeit zu keiner Einengung der Kreditvergabe, wohl aber zu einem weiteren Abschmelzen der Margen und damit einer nicht unerheblichen Gefahr für die Erlösquellen der Institute, die sich nach wie vor überwiegend aus dem Zinsgeschäft speisen, kommen wird. Die eher positive Einschätzung der Bundesbank über die Wirkung der geldpolitischen und aufsichtsrechtlichen Maßnahmen teilen sie daher nicht. Die Kreditwesen-Redaktion möchte einen Beitrag zu fröhlichen Diskussionen leisten. (Red.)

Einem Fachaufsatz sollte eigentlich eine klare Fragestellung zugrunde liegen - sonst ist er eine Erzählung. Der Beitrag "Entwicklungen im deutschen Bankensystem in der Negativzinsphase"1) aus dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank liefert zunächst keine klare Antwort, welchem Zweck diese fast 30 Seiten umfassende Ausarbeitung eigentlich dienen soll? Der Rechtfertigung der Geldpolitik? Der Frage der Beeinträchtigung der Ergebnislage der Banken durch die Negativzinsphase? Der Betrachtung der Entwicklung der Erträge des Kredit- und Einlagengeschäfts der Banken? Der Warnung der Bankenaufsicht vor den Gefahren der alles überdeckenden Corona-Krise auf die künftigen Ergebnisse der Banken? Oder geht es um eine mögliche Systemgefährdung des Bankenwesens durch die Niedrigzinsphase? Denn alle diese Themen werden angesprochen. Wenn die Autoren dieser Replik es richtig verstanden haben, sollen im Konvolut der angesprochenen Themen folgende Fragen beantwortet werden, die so etwas wie ein zentrales Anliegen sein könnten:

(1) Ergeben sich als Folge der Niedrigzinspolitik geringere "Margen" - gerechnet als Differenz der Kreditzinsen zu den Einlagezinsen - aufgrund der Nullverzinsung im Einlagengeschäft mit Kunden? Diese Margeneinengung könnte in der Folge die Kreditvergabe erschweren beziehungsweise unrentabel machen und die Existenz der Banken insgesamt gefährden. Dann wäre der eigentliche Zweck der Niedrig- beziehungsweise Negativverzinsung - nämlich die Kreditaufnahme für Investitionen zu beleben - von der Anbieterseite her verfehlt.

(2) Wie ist die zukünftige Lage der Banken in Summe aller ihrer Geschäftsfelder einzuschätzen?

Marktzins- und ...

Zur Beantwortung dieser Fragen muss zunächst ein methodisches Grundgerüst gelegt werden. Dieses wurde in der modernen Bankbetriebslehre durch die 1982 erstmals publizierte Marktzinsmethode2) geschaffen, die mit der Barwertbetrachtung und der Neugeschäftssteuerung zu einer vermögensbasierten Steuerungsmethode weiterentwickelt wurde.3) Diese Methode hat sich spätestens seit 1995 allgemein als Ausgangspunkt der Banksteuerung bei Sparkassen und Landesbanken4) , Genossenschaftsbanken5) und sonstigen Kreditinstituten allgemein durchgesetzt. Mit zunehmender Verfügbarkeit entsprechender Software liegt seit Jahren eine nahezu vollständige Anwendung dieser Denkweise in der praktischen Arbeit vor.

Grundgedanke dieser Methoden ist die interne Preisverrechnung der einzelnen Produkte der Bank durch Vergleich mit den Zinsen am Interbankenmarkt. Die Marktzins- und Barwertmethode sind völlig unabhängig vom aktuellen Zinsniveau auch bei negativen Zinsen anwendbar.6)

In beiden Methoden werden folgende vier Erfolgsquellen der Bank identifiziert: Ergebnis aus Aktivgeschäft, Ergebnis aus Passivgeschäft sowie Ergebnis aus Anlage des Vermögens der Bank, wobei letzteres die Fristentransformation beinhaltet. Die vierte Erfolgsquelle sind die Kosten, sofern diese in einer Deckungsbeitragsrechnung nicht vollständig den ersten drei Erfolgsquellen zugeordnet werden. Da in der Bundesbankanalyse auf diese Größe nicht eingegangen wird, soll sie hier auch nicht weiter betrachtet werden. Erträge aus Provisionen werden fallweise dem Aktiv- oder Passivgeschäft zugeordnet oder können als weitere eigene Erfolgsquelle betrachtet werden.

Bei periodischer Betrachtung erfolgt eine GuV- und bilanzorientierte Betrachtung der Bank. Dabei werden zwar die in der veröffentlichten Rechnungslegung der Bank publizierten Ergebnisse abgebildet und erklärt, aber es werden Erfolge und Misserfolge aus Geschäften der Vergangenheit mit denen des Neugeschäfts vermischt.

... Barwertmethode

Bei barwertiger Analyse werden alle Positionen der Bank mit dem aktuellen Marktwert erfasst. Das heißt, dass zukünftig fließende Erträge, die bereits fest vereinbart sind (zum Beispiel bei Festzinsgeschäft über den Zeitraum der Zinsbindungsdauer) im aktuellen Marktwert enthalten sind. Dadurch werden die Wirkungen aus bereits fest vereinbarten Geschäften des Altgeschäftes bei der Berechnung der Ertragskraft der Bank eliminiert. Zur Schätzung der Rentabilität des Kundengeschäfts in der Zukunft - dem Hauptanliegen des Fachaufsatzes der Bundesbank - werden nur die barwertigen Margen dieser Neugeschäfte nach Abzug von Kosten erfasst. Diese Vorgehensweise ist für eine zukunftsorientierte Beurteilung der Lage der Banken anzuwenden.7)

Auch die Deutsche Bundesbank beziehungsweise die deutsche Bankenaufsicht verwendet diese Methoden in ihren Prüfungskriterien wenigstens teilweise. Beispiele bilden der Zinsrisikokoeffizient 8) und die Vorschriften zur Risikotragfähigkeit. Hierbei entsprechen die "Normative Perspektive" der periodischen Betrachtung und die "Ökonomische Perspektive" der barwertigen Analyse.9)

Kritikpunkte

Nichts davon ist im hier diskutierten Aufsatz zu finden. Stattdessen verwenden die Autoren des Fachaufsatzes der Deutschen Bundesbank offensichtlich die methodisch überkommene und völlig ungeeignete Schichtenbilanz als Ausgangspunkt.10) Die Zinsdifferenz zwischen den Zinsen auf der Aktivseite und denen der Passivseite wird als "Marge" bezeichnet, obwohl es sich hier um die Zinsspanne handelt, die in die oben genannten drei Ergebniskomponenten zerlegt werden muss. Der Begriff der "Marge" ist in der modernen Bankliteratur hingegen dem Ertrag aus einem Kundengeschäft zuzuordnen, der risikolos oder mit so wenig Risiko wie möglich erzielt werden kann. Dies gelingt durch die interne Verrechnung mit einem Bewertungszins, der aus Interbankenzinsen abgeleitet wird.

Ein weiterer erheblicher Schwachpunkt der Überlegungen der Bundesbank sind die Ausführungen zur Fristentransformation.11) Diese wird als quasi "schicksalhaft" betrachtet, wenn die Zinsbindungsdauern der Aktiv- und Passivseite im Kundengeschäft nicht übereinstimmen. Tatsache ist aber, dass Banken ihre Fristentransformation autonom durch vielfältige Maßnahmen (insbesondere Swaps, Refinanzierungen oder Veränderungen der Zinsbindungsdauern in der Eigenanlage) selbst steuern können. Die aktuell zu beobachtende Ausweitung der Fristentransformation ist also primär durch ein Abwägen der Banken zwischen erwartetem Ertrag und hierbei eingegangenem Risiko zu verstehen.

Die Tatsache, dass es sich bei der in der Analyse der Bundesbank zugrunde gelegten Zinsspannenrechnung durch die Zuordnung von Passivzinsen zu Aktivzinsen - oder umgekehrt - um einen Denkfehler handelt, erlaubt es auf langwierige Diskussion der Verfeinerungen und Differenzierungen zu verzichten. Alle Zurechnungsmodalitäten vermögen diesen Fehler nur zu verschleiern, aber nicht zu beheben, denn er ist nicht ein Mangel an empirischer Genauigkeit, sondern an logischer Klarheit.

Daran ändern auch umfangreiche volkswirtschaftliche Modelle, die im Fachaufsatz der Bundesbank vorgestellt werden, nichts. Modelle sind immer nur so brauchbar, wie es die Grundvoraussetzungen dieser Modelle sind. Unzureichende Modellbildung führt zu unbrauchbaren Ergebnissen!

Detaillierte Aufarbeitung

Zurück zu den beiden oben formulierten Fragen:

(1) Ist die Rentabilität im Kreditgeschäft gegeben beziehungsweise droht ein Angebotsengpass?

Die Antwort hierzu bedarf nur weniger Sätze: Die prozentuale Bruttomarge im Kreditgeschäft ist nicht - wie im Fachaufsatz definiert - die Differenz zwischen den Zinsen im Aktivgeschäft und Passivgeschäft der jeweils betrachteten Bank, sondern die Differenz zwischen dem Kreditzins und einem jeweiligen Referenzzins, der typischerweise ein Marktzins ist. Je nach Zinsbindungsdauer der Kredite sind diese derzeit überwiegend negativ, sodass die wirkliche Marge größer ist als der Kreditzins abzüglich der "Null" für die Kundeneinlage.12)

Von dieser Bruttomarge sind die Kosten für die in den Krediten enthalten Optionen des Kunden (Tilgungsrechte) und die Risikoprämie für den erwarteten Kreditausfall abzuziehen. Dieser Deckungsbeitrag 1 ist weiter um die zuzurechnenden Kosten für die Kreditvergabe und der laufenden Kosten für Verwaltung und Betreuung zu korrigieren, letztlich also um die gesamten Kosten, die das Kreditgeschäft in der Bank verursacht.

Keine Einschränkung der Kreditvergabe

Banken können kalkulieren und tun dies nahezu einheitlich sehr exakt. Entsprechende Software wird in der Vor- und Nachkalkulation standardmäßig eingesetzt. Die Banken würden lieber mehr Kreditgeschäft vergeben als sie tun, daran hindern sie in großer Zahl weder mangelndes Eigenkapital noch andere Vorschriften, sondern allenfalls mangelnde Nachfrage. Wenn deshalb die Margen im Kreditgeschäft teilweise sinken, ist dies eine Frage des Wettbewerbs um Kunden. Banken und Sparkassen wissen aber, wie weit sie hierbei gehen können.

Die Frage zu (1) kann also eindeutig beantwortet werden: Nein, die Kreditvergabe ist durch die Negativzinsen nicht bedroht, denkbar sind sogar rentable Kredite mit negativen Zinsen, wenn die Interbankenzinsen noch weiter sinken.

(2) Wie ist die Lage der Banken in Summe aller ihrer Geschäftsfelder?

Wie oben ausgeführt, ist hier eine getrennte Betrachtung der vier Erfolgsquellen der Bank gemäß Marktzins- beziehungsweise Barwertmethode notwendig. Für das Kreditgeschäft mit Kunden ist die Antwort bereits unter (1) gegeben. Nachstehend werden die weiteren Erfolgsquellen "Passivgeschäft mit Kunden" und "Anlage des Vermögens inklusive Fristentransformation" analysiert.

Erfolgsquelle Passivgeschäft mit Kunden: Einlagen von Kunden erfolgen derzeit praktisch nicht mehr im Festzinsgeschäft. Das auslaufende frühere Passiv-Festzinsgeschäft (zum Beispiel in Form von Sparbriefen oder Termingeldern) ist bei einer Zukunftsbetrachtung daher zu eliminieren. Es ist somit ausreichend, wenn die variabel verzinslichen Kundeneinlagen mit unbestimmter oder sehr kurzer juristischer Haltedauer betrachtet werden. Dies sind Sichteinlagen von Privat-, Gewerbe- und Firmenkunden, Geldmarktoder Cash-Konten dieser Kundengruppen sowie Spareinlagen.

Bei Privatkunden stoßen diese Einlageformen an die Grenze der Nullverzinsung, die nur bei hohen Beträgen oder Neukunden im Einzelfall durch ein "Verwahrentgelt" durchbrochen wird. Bei Gewerbe- und Firmenkunden setzten sich die Negativzinsen in Form des Verwahrentgeltes zunehmend durch.

Die entscheidende Frage bei der Beurteilung der Rentabilität dieser Geschäfte ist, welcher Bewertungszins gemäß Marktzinsmethode zur Erfolgsmessung herangezogen wird. Im Fachaufsatz der Bundesbank wird hierzu die Einlagefazilität genannt, allerdings ohne hierbei von Bewertung zu sprechen. Diese Beurteilung leitet die Bundesbank offensichtlich aus der juristischen Kurzfristigkeit der Einlagen ab. Auch bei den Ausführungen zur Fristentransformation wird den Geschäften nur ein kurzfristiger Charakter zugesprochen.

Die Bewertung von variabel verzinslichen Produkten beziehungsweise von Produkten mit nahezu fixer Nullverzinsung gepaart mit unbestimmter oder sehr kurzer juristischer Haltedauer erfordert eine wesentlich differenziertere Vorgehensweise. Diese im Detail für alle gängigen derartigen Produkte hier aufzuzeigen, würde den Rahmen der Ausführungen sprengen und ist im Übrigen in der Literatur13) und in der Bankpraxis14) zur Genüge beschrieben.

Fakt ist, dass einige verzinsliche Produkte immer noch positive Passivmargen erzielen, was seinen Grund darin hat, dass die variabel verzinslichen Produkte zum einen eine trägere Zinsanpassung als die Zinsen am Interbankenmarkt zeigen.

Zum anderen können regelmäßig stabile Bodensätze festgestellt werden, die auch in Krisensituationen nie unterschritten wurden und aller Voraussicht nach auch zukünftig verbleiben. Dies gilt insbesondere auch für Sichteinlagen von Privatkunden auf dem Girokonto. Der Bodensatz dieser Geschäfte wird an besten wegen seiner wirtschaftlichen Langfristigkeit durch den gleitenden Zehnjahreszins bewertet.15) Mit Stand 30. Oktober 2020 liegt der gleitende Zehnjahreszins bei 1,45 Prozent16) , Sichteinlagen von Privatkunden haben entsprechend noch eine positive Marge. Allerdings war diese Marge vor zehn Jahren noch um circa 3,0 Prozentpunkte höher.

Beeinträchtigung der Erfolgsquellen

Bei anhaltenden Negativ- oder Nullzinsen am Interbankenmarkt ist in der Zukunft somit im Passivgeschäft mit Kunden mit weiter sinkenden beziehungsweise bereits aktuell oder später negativen Margen zu rechnen. Ob dieser Margenrückgang durch die bereits erfolgte und weiterhin zu erwartende Erhöhung der Gebühren und anderes Provisionsgeschäft teilweise oder ganz aufgefangen werden kann, soll hier nicht untersucht werden.

Erfolgsquelle Anlage des Vermögens inklusive Fristentransformation: Sparkassen und Banken besitzen Vermögen17) , das im Kundengeschäft und Interbankengeschäft angelegt ist. Dieses Vermögen wird in der Regel durch kurze Geldaufnahme gehebelt ("Fristentransformation").

Nach wie vor bilden in vielen Instituten Zinspositionen den größten Anteil am Vermögen. Eine geeignete Benchmark zur Beurteilung dieser Positionen ist der gleitende Zehnjahreszins aus Pfandbriefen. Wie oben erwähnt, ist der Zinsertrag aus dem gleitenden Zehnjahreszins permanent gesunken, in der vergangenen Dekade allein um rund drei Prozentpunkte. Durch Hebelung mit kurzen Zinsen kann zwar ein Mehrertrag durch Fristentransformation erzielt werden, doch ist dieser Mehrertrag in Relation zum zusätzlichen Zinsänderungsrisiko wegen der geringen Steilheit der Zinsstrukturkurve deutlich niedriger als in Zeiten "normaler" Zinsen.

Werden variabel verzinsliche Positionen mit unbestimmter Kapitalbindung gemäß Auffassung im Fachaufsatz der Deutschen Bundesbank kurz bewertet, müssen Banken und Sparkassen ein wesentlich höheres Zinsänderungsrisiko in Form des Zinsrisikokoeffizienten aus weisen als bei einer Abbildung mit Gleitzinsen auch längerer Fristen. Sie weisen dadurch also ein höheres Risiko auf, als sie tatsächlich besitzen. Dies kann zu Fehlsteuerung führen, indem auf durchaus tragbare Risiken verzichtet wird und sich unnötige Ertragseinbußen ergeben.

Wegen der gesunkenen Zinsen ist das Vermögen in Zinspositionen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Nur ist der Ertrag auf dieses Vermögen eben massiv kleiner als früher. Im Grunde ist dies ein Indikator dafür, sich nach anderen Vermögensklassen im Rahmen der Vermögensallokation umzusehen. Entsprechend sind in vielen Instituten Umschichtungen von Zinspositionen in Immobilien und Aktien sowie weitere Vermögensklassen bereits vollzogen worden und weiterhin im Gange. Ein Teil der zukünftig erwarteten Ertragsverluste kann dadurch aufgefangen werden. Leider fehlen solche Überlegungen, die bundesweit nur mit entsprechender Datenbasis möglich sind, im Fachaufsatz der Bundesbank vollständig.

Abschließende Beurteilung

Wie dargelegt, ist nicht nur die eigentliche Fragestellung des Bundesbank-Beitrags unklar, sondern auch die Methode, mit der das Konvolut der vermuteten Fragestellungen bearbeitet wird, ist widersprüchlich:

- Die Frage nach der Entwicklung der "Kreditmarge" kann nicht beantwortet werden, da es keine Definition der Kreditmarge als Erfolgsbeitrag aus dem Kredit gibt. Die von der Deutschen Bundesbank im hier diskutierten Fall gewählte Definition wurde vor fast 40 Jahren von der modernen Bankbetriebslehre wegen ihres Mangels an logischer Klarheit abgelehnt und ersetzt.

- Da wegen der mangelhaften Methode eine Zerlegung des Bankergebnisses nicht gelingt, kann auch keine Aussage über den Einfluss der Fristentransformation getroffen werden. Sie bleibt eine schicksalhafte Residualgröße, eine Sichtweise, die jeden Aufseher sofort in helle Aufregung versetzen müsste!

- Auch die Aussagen zur Gesamtergebnisentwicklung der Banken bleiben nur deskriptiv, wenn dargestellt wird, dass Ergebnisse durch die gebildeten Wertberichtigungen der vergangenen Jahre die Bankergebnisse gestützt haben. Eine fundierte Aussage über das Risikoergebnis im Sinne der vereinnahmten Risikoprämien für erwartete Verluste fehlt völlig. Von daher ist eine Aussage über positive Einflüsse der Niedrigzinspolitik zumindest unvollständig, wenn nicht sogar falsch.

Fußnoten

1) Deutsche Bundesbank Monatsbericht Oktober 2020, S. 15 ff.

2) Flechsig, R./Flesch, H. R.: Die Wertsteuerung - ein Ansatz des operativen Controlling im Wertbereich, in: Die Bank, 10/1982, S. 454 ff.

3) Benke, H./Flesch, H. R./Piaskowski, F.: Die Marktzinsmethode wird erwachsen: Das Barwertkonzept (i) und (II), in: Die Bank, 8/1991, S. 457 ff. dgl. 9/1991, S. 514 ff.

4) Goebel, R./ Sievi, Ch./Schumacher, M.: Wertorientiertes Management und Performancesteuerung, Deutscher Sparkassenverlag Stuttgart 1999. Das Buch basiert auf einer "Machbarkeitsstudie" zum Barwertkonzept und Cashflow orientierten Bilanzstrukturmanagement des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes.

5) VR-Control® Neufassung Weißbuch und Musterbank, interner Leitfaden des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken 2001, zuletzt aktualisiert und erweitert im "Konzept Steuerungsrahmen" des BVR 2018

6) Krob, B./Sievi, Ch., Barwertmethode bei negativen Zinsen - Besonderheiten und Interpretation, in: Bankinformation 01/2020, S. 48-53

7) Zu weiteren Ausführungen zur internen und externen Rechnungslegung siehe Sievi, Ch./Flesch, H. R.: Rechnungslegung 4.0: Radikale Veränderung notwendig, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 4-2018, Sonderdruck

8) Leider ist der Zinsrisikokoeffizient in sich nicht konsistent definiert. Zwar steht im Nenner das barwertige Zinsänderungsrisiko, leider wird dieses jedoch auf das bilanzielle Eigenkapital bezogen. Richtig wäre eine Bezugnahme auf das im Zinsgeschäft gebundene Vermögen, aus dem ja auch das Zinsänderungsrisiko berechnet wird. Siehe auch Wegner, O./Sievi, Ch./Goebel, R., Kritische Analyse des BaFin Zinsrisikokoeffizienten, in: Betriebswirtschaftliche Blätter, 09/2011, S. 486 ff.

9) Hierzu umfassend: Reuse, S. (Hrsg.): Risikotragfähigkeit, 3. Auflage, Heidelberg 2020

10) Zur Eignung der Schichtenbilanz als Controllinginstrument siehe Flechsig, R., Di Schichtenbilanz - ihr Glanz und Elend, in: Die Bank 1985, S. 298 ff.

11) Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2020 S. 33 ff.

12) Die Kreditinstitute berichteten in den Umfragerunden in der Negativzinsphase von Verengungen der Differenz zwischen ihren Kreditzinsen und einem jeweiligen Referenzzins, der typischerweise ein Marktzins ist. Die Umfrage basiert somit auf dem korrekten Margenbegriff. Dies wird im Fachaufsatz der Bundesbank zwar erwähnt, aber nicht weiter beachtet. Siehe Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2020 S. 31 und Fußnote 29

13) Goebel, R./ Sievi, Ch./Schumacher, M.: Wertorientiertes Management und Performancesteuerung, Deutscher Sparkassenverlag Stuttgart 1999, S. 65 ff.; Sievi, Ch./Wegner, M. Sondersituation durch Niedrigzinsphase, in: Betriebswirtschaftliche Blätter, 14.9.2015;

14) Schlüter, T./ Fleckenstein, F.: Dispositionsrisiko begrenzen durch zukunftsgerichtete Einlagenmodellierung, in: Betriebswirtschaftliche Blätter, 20.3.2017

15) Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch ein gleitender Fünfzehnjahreszins vertretbar.

16) Deutsche Bundesbank, Statistische Zeitreihen für gleitende Durchschnitte von Pfandbriefen.

17) Das Vermögen muss vom bilanziellen Eigenkapital unterschieden werden. Ersteres ist der Saldo aller mit Marktpreisen bewerteten Positionen der Bank, letzteres ergibt sich als Saldo aller Buchwerte.

Dr. Hans-Rudolf Flesch Partner, Die Einfache Bank - Beratungsgesellschaft mbH, Stephanskirchen
Dr. Christian Sievi Geschäftsführer, Die Einfache Bank - Beratungsgesellschaft mbH, Stephanskirchen
Dr. Hans-Rudolf Flesch , Die Einfache Bank - Beratungsgesellschaft mbH, Stephanskirchen
Dr. Christian Sievi , Geschäftsführer , Die Einfache Bank - Beratungsgesellschaft mbH, Stephanskirchen

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X