Finanzierung der Transformation zur Nachhaltigkeit - eine Herkulesaufgabe für die EU?

Dr. Kathrin Berensmann, Foto: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für Europa und die Welt. Mit dem europäischen Green Deal soll daher der Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft geschaffen werden. Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 netto keine Treibhausgase mehr auszustoßen. Dieses Vorhaben muss aber natürlich finanziert werden: Ein Drittel der Investitionen aus dem Aufbaupaket Next Generation EU und dem Siebenjahreshaushalt der EU mit einem Umfang von insgesamt 1,8 Billionen Euro fließen daher in den Green Deal. Mit den hieran gekoppelten Strategien und Maßnahmen hat die EU einen bisher weltweit einmaligen Aufbau eines nachhaltigen Finanzsystems eingeleitet und einen wichtigen Beitrag zu Erreichung der Klima- und Umweltziele gemacht, so die Autorin. Jedoch würden einige Maßnahmen noch zu kurz greifen und auch die Übertragbarkeit auf andere Länder und Regionen sei noch nicht gewährleistet. Daher gebe es noch viel Verbesserungsbedarf. (Red.)

Die Europäische Union (EU) hat sich basierend auf dem Green Deal zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die Treibhausemissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern und bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Das bedeutet, dass die EU ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstoßen darf, als die Ökosysteme auf natürliche Weise aufnehmen können. Der Green Deal beinhaltet eine neue Wachstumsstrategie mit einer ressourceneffizienten Wirtschaft. Gleichzeitig muss die EU die Corona-Pandemie bewältigen und dies mit Nachhaltigkeitszielen verknüpfen. Dafür hat der Europäische Rat in seinem "Fahrplan für die Erholung" von der Corona-Pandemie die zentrale Funktion des Green Deal anerkannt und das Programm Next Generation EU zur Bewältigung der unmittelbaren wirtschaftlichen und sozialen Schäden durch die Pandemie ins Leben gerufen.

Zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele und zur Bewältigung von Covid-19 besteht ein hoher Finanzbedarf. Dafür hat die Europäische Kommission zum einen im Jahr 2018 den "Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum" und zum anderen 2021 darauf aufbauend die "Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft" ins Leben gerufen. Die Europäische Kommission schätzt, dass Europa allein für die Erreichung des Emissionsziels bis 2030 im Bereich der Energiesysteme im laufenden Jahrzehnt zusätzliche Investitionen von circa 350 Milliarden Euro pro Jahr braucht. Hinzu kommen jährlich 130 Milliarden Euro für andere Umweltziele. Unter dem mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 sowie mithilfe des neuen Aufbauinstruments Next Generation EU beabsichtigt die EU bis zu 605 Milliarden Euro für Projekte zur Bewältigung der Klimakrise und 100 Milliarden Euro für Projekte der biologischen Vielfalt bereitzustellen. Die EU beabsichtigt, etwa 30 Prozent der Mittel für Next Generation EU (250 Milliarden Euro) bis Ende 2026 mithilfe von grünen Anleihen zu mobilisieren (EC 2021a 2021b).

Sustainable Finance als Motor

Für die Erreichung der Klimaziele benötigt Europa ein nachhaltiges Finanzsystem, das die Transformation der Realwirtschaft unterstützt und beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft alle öffentlichen und privaten Finanzierungsmöglichkeiten mit einbezieht.

Nachhaltige Finanzierung umfasst die Berücksichtigung der ESG-Faktoren Environmental, Social und Governance. Umweltbezogene Aspekte beinhalten die Anpassung an den Klimawandel und die Abschwächung von dessen Folgen sowie die Reduzierung anderer Umweltrisiken. Zu den sozialen Kriterien zählen beispielsweise Ungleichheiten oder Inklusion, zu den Governance-Aspekten gehören beispielsweise die Verhinderung von Bestechung und Korruption. Finanzielle Nachhaltigkeit im Sinne von finanzieller Tragbarkeit wird zwar häufig nicht in die Definition von Sustainable Finance mit einbezogen, ist aber ein weiterer wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Finanzierung.

Da die öffentlichen Finanzmittel zur Erreichung der Klima- und Umweltziele nicht ausreichen, muss ein großes Volumen privaten Kapitals mobilisiert werden. Dafür muss eine Reihe von Hürden ausgeräumt werden, die speziell bei der Mobilisierung von privatem Kapital für diese Ziele auftreten. Erstens bestehen häufig Informationsasymmetrien zwischen Investoren und Unternehmen. Begrenzte Transparenz und Offenlegung erschweren es Regulierern und Marktteilnehmern nachhaltige Finanzinstrumente zu überwachen und zu beurteilen. Informationsasymmetrien und mangelnde Transparenz bergen die Gefahr von Greenwashing und gefährden damit das Vertrauen der Anleger in die Nachhaltigkeit ihrer Investitionen.

Zweitens fehlen weltweit häufig harmonisierte Standards für die Definition und Kontrolle nachhaltiger Finanzinstrumente. Es ist beispielsweise eine sehr komplexe und kleinteilige Aufgabe, Taxonomien für nachhaltige Aktivitäten zu erstellen sowie diese weltweit zu vergleichen und anzupassen. Demgegenüber hätten global einheitliche Taxonomien es schwer, den landesspezifischen Gegebenheiten einschließlich dem technologischen Entwicklungsstand eines Landes gerecht zu werden.

Drittens besteht eine Fristeninkongruenz zwischen eher langfristigen nachhaltigen Investitionsvorhaben und den kurzfristigen Zeithorizonten von Investoren. Diese Fristeninkongruenz ist bei nachhaltigen Investitionen häufig höher als bei nichtnachhaltigen Investitionen, weil die Vorabkosten oft höher sind, wie zum Beispiel beim Bau von energieeffizienten Gebäuden oder bei Solar- oder Windprojekten.

Viertens gibt es politische Risiken wie regulatorische Risiken aufgrund von neu eingeführten Maßnahmen. Dazu gehören verzerrende politische Maßnahmen wie zum Beispiel Subventionen für ausgewählte grüne Investitionen. Zudem ist die Ausgestaltung eines nachhaltigen Finanzsystems für eine große Wirtschaftsregion wie der EU aufgrund der Vielzahl der relevanten Akteure sehr komplex. Dazu gehören öffentliche Akteure, wie die Finanzaufsichtsbehörden, die nationale und die Europäische Zentralbank, öffentliche Finanzinstitute, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und das International Accounting Standards Board sowie private Akteure wie private Finanzinstitute, Ratingagenturen und Versicherungen. Die verschiedenen Maßnahmen dieser Akteure sind interdependent und ihre Wirkungen sind aufgrund fehlender Erfahrungen nicht immer vorhersehbar.

Nachhaltiges Finanzsystem für Europa

Um diese Hürden auszuräumen und genügend privates Kapital für den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu mobilisieren, hat die EU mit dem "Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum" im Jahr 2018 und darauf aufbauend mit der "Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft" 2021 begonnen, einen Rahmen für ein nachhaltiges Finanzsystem in der EU zu schaffen. Dabei hat die EU zwar bereits 2018 umfangreiche Reformen durchgeführt und 2021 beschlossen. Diese sind in diesem Umfang, der Breite und Tiefe weltweit bisher auch einmalig, aber bei Weitem noch nicht vollständig.

Vor dem Hintergrund der Komplexität einen geeigneten Rahmen für nachhaltige Finanzierung schaffen zu müssen, sind die Ergebnisse bereits bemerkenswert und es werden die oben genannten Hürden für die Mobilisierung von privatem Kapital für nachhaltige Investitionen angegangen. Zudem ist positiv hervorzuheben, dass die EU mit der Gründung der Internationalen Plattform für nachhaltige Finanzierung (International Platform on Sustainable Finance) zur Förderung des weltweiten Austausches und der Plattform für nachhaltige Finanzierung (Platform on Sustainable Finance), die als Beratungsgremien für die EU agieren und Experten auf dem Gebiet Nachhaltigkeit aus dem privaten und dem öffentlichen Sektor zusammenbringen, geeignete und inklusive Dialogforen unter Beteiligung vielfältiger Finanzmarktakteure für Sustainable Finance geschaffen hat.

EU-Aktionsplan

Die Europäische Kommission hat zur Förderung von nachhaltiger Finanzierung 2018 im Rahmen des Aktionsplans zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum eine Strategie für ein nachhaltiges Finanzsystem verfasst, die folgende drei Elemente umfasst.

Erstens hat die Kommission eine Taxonomie mit einem Klassifikationssystem für nachhaltige Aktivitäten entwickelt, damit Nichtfinanz- und Finanzunternehmen eine gemeinsame Definition für nachhaltige Aktivitäten nutzen und somit Greenwashing verhindert werden kann. Auf der einen Seite ist positiv hervorzuheben, dass die EU überhaupt eine umfassende regionale und rechtlich verankerte Taxonomie erstellt und umgesetzt hat. Auf der anderen Seite ist diese Taxonomie zwar bei der Internationalen Plattform für nachhaltige Finanzierung diskutiert worden, aber es ist nicht möglich, diese weltweit mit allen anderen Taxonomien abzustimmen.

Da adäquate Taxonomien detailliert sowie zum Teil auch länder- und regionalspezifisch sein müssen, um Greenwashing zu verhindern, ist es aber grundsätzlich schwierig und zeitaufwendig, Klassifikationssystem für nachhaltige Aktivitäten weltweit abzustimmen. Zu diesen Umständen gehören zum Beispiel die lokale wirtschaftliche und/oder die technologische Entwicklung. Sollten aber unterschiedliche Taxonomien bestehen, dann ist es notwendig, diese Unterschiede transparent und nachvollziehbar für die Marktteilnehmer darzustellen. Die internationale Plattform für nachhaltige Finanzierung arbeitet derzeit an einer international "einheitlichen Basistaxonomie".

Zweitens beinhaltet der Aktionsplan Standards, Normen und Referenzwerte für Sustainable-Finance-Instrumente. Im Jahr 2021 hat die EU beispielsweise einen Legislativvorschlag für grüne Anleihen gemacht und umgesetzt. Des Weiteren hat die EU zwei neue Kategorien von kohlenstoffarmen Referenzwerten eingeführt. Dazu gehört ein Referenzwert, der auf den Klimawandel bezogen ist, und ein Referenzwert, der speziell auf das Pariser Abkommen ausgerichtet ist und den Temperaturanstieg auf zwei Grad limitieren soll. Damit können Investoren ihre Anlagen anhand von Klimazielen bewerten. Damit unterstützt die EU Investitionen in nachhaltige Projekte und Anlagen. Mit diesen Standards, Normen und Referenzwerten besteht für Investoren mehr Transparenz über den CO2-Abdruck ihrer Anlagen. Damit kann Greenwashing besser verhindert werden.

Drittens hat die EU im Rahmen des Aktionsplans eine Offenlegungspflicht für Unternehmen über die Effekte der Aktivitäten der Unternehmen auf die Umwelt und die Gesellschaft sowie über die Risiken, mit denen ein Unternehmen aufgrund seiner Nachhaltigkeitsrisiken konfrontiert ist (Konzept der "doppelten Wesentlichkeit") eingeführt. Diese Transparenz ist notwendig, damit die Finanzmarktteilnehmer die Nachhaltigkeitsrisiken der Unternehmen besser einschätzen können. Dafür hat die Kommission im Juli 2021 einen Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung erlassen, in dem die Informationen, die Unternehmen auf der Basis der EU-Taxonomie offenlegen müssen, festgesetzt werden.

Mit diesem Aktionsplan hat die EU die Umsetzung einer umfangreichen Sustainable-Finance-Strategie eingeleitet. Dennoch ist dieses Paket bei Weitem nicht vollständig. Ein Teil der Themengebiete, die für ein nachhaltiges Finanzsystem wichtig sind, sind in der ersten Phase nicht oder kaum berücksichtigt worden. Dies gilt zum Beispiel für Maßnahmen, um den Finanzsektor gegen Klima- und Umweltrisiken widerstandsfähiger zu machen. Ebenfalls nicht ausreichend berücksichtigt wurden systemische Risiken, die die Finanzmarktstabilität gefährden, und Standards oder Gütesiegel für andere Finanzinstrumente als grüne Anleihen oder Rechnungslegungsstandards. Außerdem sollten vor dem Hintergrund der Verflechtung der internationalen Finanzmärkte neben der internationalen Plattform für nachhaltige Finanzierung auch weit mehr Maßnahmen zur internationalen Kooperation umgesetzt werden. Vor allem sollte die EU-Strategie soweit möglich und praktikabel besser international abgestimmt werden.

Maßnahmen der Kommission

Basierend auf dem Aktionsplan von 2018 hat die EU 2021 eine neue Strategie - "Neue EU-Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft" entwickelt. Diese Strategie umfasst vier Bausteine: (i) Instrumente und Maßnahmen für den Übergang zur Nachhaltigkeit; (ii) Inklusive Gestaltung eines nachhaltigen Finanzsystems; (iii) Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und des Beitrags des Finanzsektors und (iv) Unterstützung einer internationalen Strategie für ein nachhaltiges Finanzsystem. Damit soll die neue Strategie auch einige der beschriebenen Defizite der ersten Phase adressieren.

Erstens beabsichtigt die EU, einen umfassenden Rahmen für nachhaltige Finanzierung aufzustellen und Zwischenschritte für Unternehmen beim Übergang zur Nachhaltigkeit zu unterstützen. Dazu gehört beispielsweise die Erweiterung des EU-Taxonomie-Rahmens um nachhaltige Tätigkeiten, die in einem Zwischenschritt gemacht werden. Außerdem sollen Gütesiegel für andere als grüne Anleihen wie Nachhaltigkeitsanleihen/ESG-Anleihen erstellt werden.

Zweitens soll der Rahmen für ein nachhaltiges Finanzsystem inklusiver gestaltet werden. Dabei liegt ein besonderer Fokus darauf, für KMU den Zugang zu nachhaltiger Finanzierung zu verbessern. Die EU schlägt vor, die Mitgliedsstaaten beim Kapazitätsaufbau und der fachlichen Beratung für KMU hinsichtlich der freiwilligen Berichte über die Risiken und Effekte beim Übergang zur Nachhaltigkeit zu unterstützen. Gleichermaßen soll der Zugang von Verbrauchern und Kleinanlegern zu nachhaltigen Finanzmitteln verbessert werden wie zum Beispiel mit grünen Krediten zur Finanzierung von Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz ihrer Gebäude.

Drittens soll auf der einen Seite der Finanzsektor selbst widerstandsfähiger gegen Risiken des Klimawandels und Umweltschäden werden und dieser soll besser zu den Zielen des Grünen Deals beitragen. Die EU beabsichtigt mit einer Reihe von Maßnahmen den Finanzsektor gegen Nachhaltigkeitsrisiken widerstandsfähiger zu machen.

Für die Bewertung von Investitionen sind Rechnungslegungsstandards und die Art der Rechnungslegung wichtig, daher beabsichtigt die EU in Zusammenarbeit mit den relevanten Institutionen, der Europäischen Beratergruppe für Rechnungslegung, der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und dem International Accounting Standards Board zu analysieren, wie Nachhaltigkeitsrisiken in den Rechnungslegungsstandards berücksichtigt werden können.

Banken und Versicherer sollen Nachhaltigkeitsrisiken besser erfassen und in ihre Risikomanagementsysteme einbinden können. Auch Stresstests sollen Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen. Zudem beabsichtigt die EU Änderungen bei den Eigenkapitalanforderungen, die diese Risiken miteinbeziehen. Ergänzend müssen systemische Nachhaltigkeitsrisiken, die die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden, angegangen werden. Es soll überprüft werden, ob der derzeitige makroprudenzielle Rahmen und dessen Instrumente geeignet sind, um die Klimarisiken für die Finanzstabilität zu bewältigen. Dafür plant die Kommission, einen Stresstest für das Finanzsystem zu entwickeln. Die EZB arbeitet bereits daran.

Weitere wichtige Akteure für die Bewertung der Kreditrisiken sind die Ratingagenturen. Daher plant die EU Maßnahmen für die systematische und transparente Einbindung der ESG-Risiken mit Blick auf Bewertung der Ratingagenturen. Auf der anderen Seite soll der Finanzsektor selbst dazu beitragen, den Nachhaltigkeitsgrad zu erhöhen. Dafür sollen die Finanzinstitute die Nachhaltigkeitsziele der EU in ihren Strategien mitberücksichtigen, zum Beispiel bei Messungen, Offenlegung sowie der Überwachung von Nachhaltigkeitsrisiken.

Viertens beabsichtigt die EU, die internationale Kooperation im Bereich Sustainable Finance in internationalen Foren zu unterstützen, wie der G20-Arbeitsgruppe Nachhaltige Finanzen. Zudem unterbreitete die Kommission den Vorschlag, das Mandat des Finanzstabilitätsrates um globale Klima- und Umweltziele zu erweitern. Für eine bessere internationale Zusammenarbeit hat die EU die bereits erwähnte internationale Plattform für nachhaltige Finanzierung etabliert, um die internationale Kooperation zu stärken.

EU-Strategie ausreichend?

Insgesamt hat die EU ein umfangreiches Paket für die Ausgestaltung eines nachhaltigen Finanzsystems geschnürt und eine weltweit bislang einmalige Strategie angestoßen. Insofern übernimmt die EU in vielen Sustainable-Finance-Bereichen weltweit eine Vorreiterrolle und exportiert ihre Ansätze auch in andere Regionen und Länder der Welt. Damit attrahiert die EU internationale Investoren mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit für den europäischen Finanzmarkt. Besonders in der zweiten Phase werden die wichtigsten Akteure des europäischen Finanzsystems in die Umsetzung und Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele eingebunden. Es ist auch zu berücksichtigen, dass es unmöglich ist eine derartige Herkulesaufgabe - ein an die Nachhaltigkeit ausgerichtetes Finanzsystem in einem Guss - zu planen und umzusetzen. Vermutlich wird es viele Jahre eventuell sogar zwei bis drei Jahrzehnte dauern, bis eine derartige Transformation vollständig umgesetzt worden ist.

Vor dem Hintergrund, dass die EU kein nachhaltiges Finanzsystem zu einem einzigen Zeitpunkt aufbauen konnte, ist es wichtig, die richtige Abfolge der Maßnahmen (Sequencing) zu wählen. Daher stellt sich die Frage, ob die Schwerpunkte des "Aktionsplans zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum" von 2018 mit Blick auf Taxonomien, Standards, Normen, Referenzwerte und Offenlegungspflichten alleine geeignet waren, um ein nachhaltiges Finanzsystem in Europa zu starten. Besonders zwei Schwerpunkte der "Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft" aus dem Jahr 2021, also die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und der Beitrag des Finanzsektors sowie die intensivere Unterstützung einer internationalen Strategie für ein nachhaltiges Finanzsystem, wären bereits in der ersten Phase wichtig gewesen. In diesem Zusammenhang ist auch zu kritisieren, dass die nachhaltige Transforma tion des realen Sektors schon viel früher begonnen hat als die Einführung eines nachhaltigen Finanzsystems.

Zudem gibt es noch einige Lücken in der laufenden Strategie, ein nachhaltiges europäisches Finanzsystem zu errichten. Bisher ist die Nachhaltigkeitsstrategie bis auf wenige Ausnahmen auf die Klimaund Umweltziele fokussiert. Es sollten aber nicht nur die Klima- und Umweltziele, sondern alle ESG-Ziele in einer derartigen Strategie angegangen werden. Soziale Faktoren werden bisher nur wenig berücksichtigt. Die EU arbeitet zwar auch an einer Taxonomie für soziale Finanzierung, aber soziale Faktoren werden bei den meisten Maßnahmen der EU-Strategie noch nicht oder kaum berücksichtigt, auch wenn dies in der Planung ist.

Die internationale Plattform für nachhaltige Finanzierung entwickelt zwar derzeit eine international einheitliche Basistaxonomie, aber diese Plattform könnte auch für die Entwicklung anderer Basisinstrumente genutzt werden wie zum Beispiel die Entwicklung von international einheitlichen Basisrechnungslegungsstandards in Zusammenarbeit mit dem International Accounting Standards Board. Auf der COP26 wurde im November 2021 angekündigt, dass das International Sustainability Standards Board (ISSB) weltweit gültige Offenlegungsstandards erarbeiten soll. Infolge der Verflechtung der internationalen Finanzmärkte sind internationale Mindeststandards in vielen Bereichen des nachhaltigen Finanzsystems nicht zuletzt für die Verhinderung von regulatorischer Arbitrage und die Stabilität der internationalen Finanzmärkte wichtig.

Die EU hat aber bisher weltweit einmalige Maßnahmen für den Aufbau eines nachhaltigen Finanzsystems eingeleitet und damit einen besonders wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klima- und Umweltziele gemacht.

Fußnoten

1) EC (Europäische Kommission) (2019a): The European Green Deal, Brussel, 11.12.2019, online unter: https://eurlex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b828d165-1c22-11ea-8c1f-01aa75ed71a1.0021.02/DOC_1&format=PDF

2) EC (2020a): A roadmap for recovery. Towards a more resilient, sustainable and fair Europe, Brussel, 21.04.2020, online unter: https://www.consilium.europa.eu/media/43384/roadmap-for-recovery-final-21-04-2020.pdf

3) EC (2021a): The EU's 2021-2027 longterm Budget and NextGenerationEU, online unter: https://op.europa.eu/en/publicationdetail/-/publication/d3e77637-a963-11eb-9585-01aa75ed71a1/languagede

4) EC (2018): Action Plan: Financing sustainable growth, 8.3.2020, Brussel, online unter: https://eurlex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/PDF/?uri=CE-LEX:52018DC0097&from=EN

5) EC (2021b): Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft, Straßburg, den 6.7.2021, online unter: https://eur-lex.europa.eu/resource. html?uri=cellar:9f5e7e95-df06-11eb-895a-01aa75ed71a1.0003.02/DOC_1&format=PDF

6) Berensmann, K./N. Lindenberg (2019): Green finance across the universe, in: S. Boubaker/D. Cumming/D. Nguyen (eds.), Ethics, ESG and Sustainable Prosperity, World Scientific Publishing.

7) EC (2018)

8) Berensmann, K. (2020): Sustainable finance: International standards are important, in: Development and Cooperation (10/2020), Frankfurt a. M., online unter: https://www.dandc.eu/en/article/sustainable-financing-precondition-mobilising-private-capital

9) EC (2021c): Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische grüne Anleihen, 6.7.2021, Brussel, online unter: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri= cellar:e77212e8-df07-11eb-895a-01aa75ed71a1.0024.02/DOC_1&format=PDF

10) EC (2019b): Report on Benchmarks. TEG Final report on climate benchmarks' ESG Disclosures, online unter: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190930-sustainable-finance-teg-final-report-cl...

11) EC (2021b)

12) EC (2021b)

13) EC (2021b)

14) ECB (European Central Bank) (2021): Climate-related risk and financial stability, Frankfurt a. M. online unter: https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.climateriskfinancialstability202107~87822 fae81.en.pdf

15) EC (2021b)

16) Hilbrich, S. (2021): What is Social Finance? Definitions by Market Participants, the EU Taxonomy for Sustainable Activities, and Implications for Development Policy, Discussion Paper 29/2021, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Bonn, online unter: https://www.diegdi.de/discussionpaper/article/what-is-social-finance-definitions-by-market-participants-the-eu-taxonomy-for-sustainable-activiti...

Platform on Sustainable Finance (2021): Draft report by Subgroup 4. Social taxonomy. online unter: Retrieved from https://ec.europa.eu/info/publications/210712-sustainable-finance-platform-draft-reports_en

Die Autorin dankt Sören Hilbrich und Prof. Dr. Ulrich Volz für wertvolle Kommentare.

Dr. Kathrin Berensmann , Senior Researcher und Projektleiterin , Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Bonn
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