Der Finanzplatz und die Energiewende - Green Finance in Frankfurt

Tarek Al-Wazir Foto: Hessisches Wirtschaftsminsiterium

Eine Grundsympathie für nachhaltige Investments gibt es in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern schon seit etlichen Jahren. Doch zu einem anerkannten Investmentkonzept entwickelt sich der Markt für Green Finance erst seit einigen Jahren. Im Zuge der Aktivitäten von internationalen Organisationen und hierzulande insbesondere auch der politisch gewollten Energiewende registriert der Autor inzwischen einen rasch wachsenden Markt, der sich auch mit Blick auf die Renditeerwartung zu einem anerkannten Konzept entwickelt hat. Als Kernfrage für das weitere Marktwachstum sieht er die Arbeit an einem Standard und einem verbindlichen Klassifizierungssystem für nachhaltige Finanzanlagen. Die Bündelung der Nachhaltigkeitsaktivitäten am Finanzplatz Frankfurt wertet er als positives Signal im sportlichen Standortwettbewerb mit anderen Finanzzentren wie Paris, London und Luxemburg. (Red.)

In Deutschland ist die Energiewende bei der Stromerzeugung in vollem Gang. Unzählige Rotorblätter drehen sich an Land und vor den Küsten. Auf immer mehr Freiflächen und Dächern glitzern Photovoltaikanlagen. Erneuerbare Energien tragen inzwischen rund 37 Prozent zum Bruttostromverbrauch bei.

Doch unsere Ziele sind sehr viel weiter gesteckt. Im Jahr 2050 - also in einer Generation - wollen wir nicht nur unseren Strombedarf, sondern nahezu unseren gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken, unsere Häuser klimaneutral heizen und uns CO2 -frei fortbewegen. Denn Deutschland hat sich bei der Pariser Klimaschutzkonferenz 2015 dazu bekannt, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Dies erfordert den Abschied von unserer bisherigen, vorwiegend fossil angetriebenen Wirtschaftsweise.

Technologisch anspruchsvolle Aufgabe mit enormem Investitionsbedarf

Dies ist eine technologisch hoch anspruchsvolle Aufgabe mit enormem Investitionsbedarf. So schätzt die EU-Kommission, dass pro Jahr 180 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden müssen, um die europäischen Klimaziele für 2030 zu erreichen.

Es ist offensichtlich, dass die öffentliche Hand allein damit völlig überfordert wäre. Deshalb muss in großem Umfang privates Kapital - gerade von institutionellen Investoren - mobilisiert werden. Dies ist aus Gründen der Zukunft der Menschheit nötig, aber es ist inzwischen zunehmend auch ein gutes Geschäft. Was anfangs nur ein Nischendasein für besonders Überzeugte fristete, hat sich zu einem anerkannten Investmentkonzept entwickelt.

Green Finance ist ein rasch wachsender Markt. Allein in Deutschland hat das Anlagevolumen im vergangenen Jahr um 9 Prozent auf 171 Milliarden Euro zugenommen. Besonders gut entwickelten sich nachhaltige Investmentfonds, die um 30 Prozent auf 30 Milliarden Euro anschwollen.

Es besteht kein Zweifel, dass grüne Investments bei den Anlegern auf große Nachfrage treffen. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen zudem, dass nachhaltige Anlagen gegenüber konservativen Investments keine Nachteile hinsichtlich ihrer Renditeerwartung aufweisen. Kontinuierlich ändert sich daher das Anlageverhalten und es etablieren sich Klima- sowie soziale Gesichtspunkte auch beim Investment. Gleichzeitig hat sich bei den Unternehmen ein Bewusstsein etabliert, dass Marktwert und Zukunftsfähigkeit stärker als je zuvor davon abhängen, welche Rolle sie in einer emissionsarmen Welt spielen können.

Im ureigenen Interesse der Finanzwirtschaft

Noch aus einem zweiten Grund liegt Green Finance im ureigenen Interesse der Finanzwirtschaft. Der Klimawandel gefährdet nämlich nicht nur die Biosphäre, sondern auch die Stabilität der Märkte. Die Versicherungsschäden infolge von Naturkatastrophen erreichten im vergangenen Jahr mit 110 Milliarden Euro ein neues Rekordniveau. Klimabezogene Risiken, die nicht rechtzeitig erkannt werden, können eine Neubewertung von Vermögenswerten erforderlich machen und so zu beträchtlichen Verlusten in den Bilanzen führen.

Mittlerweile hat man an so gut wie allen Finanzplätzen der Welt die Bedeutung von Green Finance erkannt. Auf staatlicher Seite wird inzwischen breit diskutiert, was unternommen werden kann, um den Trend zu fördern. Das Pariser Übereinkommen und die UN-Agenda 2030 mit ihren 17 Sustainable Development Goals haben zahlreiche Entwicklungen angestoßen. So haben die G20-Staaten unter der Präsidentschaft Chinas die "Sustainable Finance Study Group" ins Leben gerufen, und auch beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg wurden "grüne Finanzen" thematisiert.

Richtungsweisende Papiere der G20 und der EU

Richtungsweisend waren die Empfehlungen der beim Finanzstabilitätsrat der G20 angesiedelten "Task Force on Climaterelated Financial Disclosures" (TCFD), die sich intensiv mit der Entwicklung von freiwilligen, einheitlichen Angaben zu klimabezogenen Finanzrisiken auseinandergesetzt hat. Den bisher umfassendsten Plan zur systematischen Integration von Nachhaltigkeitsaspekten im Finanzwesen in der EU legte die High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) im Januar 2018 vor.

Auf dieser Vorarbeit fußt der Aktionsplan "Finanzierung nachhaltigen Wachstums" der EU-Kommission vom März 2018. Zu den wichtigsten daraus abgeleiteten Vorschlägen zählt ein einheitliches Klassifikationssystem, anhand dessen sich bestimmen lässt, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als "grün" zu betrachten ist oder dies nur vortäuscht.

Transparente Kriterien als Impuls für private Investitionen

In der Tat ist damit eine Kernfrage angesprochen. Denn die Definitionen von Green oder Sustainable Finance (Finanzprodukte und -dienstleistungen mit ökologischem Nutzen beziehungsweise Finanzservices mit positiver Wirkung auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft) helfen nicht sehr viel, wenn in der Praxis zu entscheiden ist, ob ein Produkt dieser Definition genügt oder ob es sich um Etikettenschwindel handelt. Unklarheit aber ist Gift für Investitionen. Gerade deshalb sind transparente Kriterien ein entscheidender Faktor, um private Investitionen auszulösen.

Ansätze dazu existieren bereits. Emittenten von Green Bonds können sich etwa an die Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA) oder die etwas enger formulierten Climate Bond Standards der Climate Bond Initiative halten. Die Green Bond Principles beispielsweise definieren Green Bonds als alle Arten von Anleihen, deren Emissionserlöse ausschließlich zur anteiligen oder vollständigen Finanzierung und Refinanzierung grüner Projekte mit klarem Umweltnutzen verwendet werden und die an den vier Kernkomponenten (Mittelverwendung, Projektbewertung und -auswahl, Management der Erlöse und Berichterstattung) der Green Bond Principles ausgerichtet sind.

Arbeit an einem verbindlichen Standard

Allerdings sind weder die Green Bond Principles noch die Climate Bond Standards verpflichtend; sie ermöglichen also lediglich eine Orientierung. Deshalb arbeitet die EU-Kommission derzeit an einem verbindlichen Green Bonds Standard und einem verbindlichen Klassifizierungssystem für nachhaltige Finanzanlagen.

Die Hessische Landesregierung hat großes Interesse daran, dass Frankfurt als führender Finanzplatz der Eurozone auch auf dem Gebiet Green Finance vorne mitspielt. Daher hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung zusammen mit anderen Akteuren den Innovations-Hub "Green Finance Cluster Frankfurt e.V." eingerichtet.

Er fungiert als Anlauf- und Koordinierungsstelle mit dem Fokus auf pragmatischen und umsetzungsorientierten Lösungen. Es wird Methoden und Instrumente für den Transformationsprozess zu einer Green Economy entwickeln und gleichzeitig den Unterschied zwischen wirksamen Instrumenten und "Greenwashing" sichtbar machen. In erster Linie geht es um praxisgerechte Messansätze und -methoden für die Wirksamkeit von Green Finance - beispielsweise für die Bestimmung von CO2-Risiken in Finanzportfolios.

Die zweite Aufgabe des Clusters ist es, von Frankfurt aus eine wahrnehmbare Stimme in der internationalen Diskussion über Green Finance zu artikulieren. Denn diese Diskussion wurde bisher in hohem Maße außerhalb des Landes geführt, das bei der praktischen Seite der Energiewende so erfolgreich ist.

Bündelung der Interessen

Eine bedeutende Stärkung des Clusters ist der Zusammenschluss mit der "Accelerating Sustainable Finance Initiative" der Deutsche Börse AG. Die Aktivitäten der beiden Initiativen werden künftig unter dem Namen "Green and Sustainable Finance Cluster Germany" fortgeführt. Dies multipliziert die Finanzexpertise und die Kräfte zur Entwicklung konkreter Handlungsansätzen. Über die Kooperation der Deutsche Börse AG mit dem Rat für Nachhaltigkeit im "Hub for Sustainable Finance" (H4SF) gewinnt das Netzwerk darüber hinaus eine Schnittstelle zur Bundesregierung.

Momentan wird ein Arbeitsprogramm entworfen. Dies erfordert eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsaktivitäten am Finanzplatz Frankfurt sowie der regulatorischen Situation an konkurrierenden Finanzzentren wie Paris, London und Luxemburg. Dies ist Thema des Baseline-Reports, der in Kürze veröffentlicht wird. Von ihm versprechen wir uns Hinweise, welchen spezifischen Beitrag Frankfurt für den Weg in eine nachhaltige Finanzwirtschaft leisten kann.

Tarek Al-Wazir Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Wiesbaden
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Tarek Al-Wazir , Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
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