Finanzplatz Luxemburg: die richtigen Antworten geben

Nicolas Mackel, Foto: Luxembourg for Finance (LFF)

Die Frage nach den Gewinnern eines wie auch immer gearteten Brexits ist für den Autor im Wettbewerb der Finanzstandorte beachtenswert, aber keineswegs entscheidend. Viel wichtiger ist ihm die Positionierung bezüglich der drei globalen Herausforderungen Klimawandel, Digitalisierung und die Gewichtsverlagerung der Weltwirtschaft in Richtung China. Und in diesen drei Bereichen sieht er Luxemburg bei der Weiterentwicklung seines Finanzplatzes und dessen Schwerpunkten bei Sustainable Finance, Digitalisierung und der Drehscheibenfunktion zwischen Europa und China gut positioniert. Dank der hohen Präsenz am Standort sieht er auch die Wege zu Entwicklungspartnern und Finanzierern nicht weit. (Red.)

Wer profitiert vom Brexit? Wer verliert? Wird Frankfurt das neue Herz des europäischen Finanzsystems? Oder werden sich Paris, Dublin, Amsterdam oder Luxemburg die größten Stücke vom Kuchen sichern? Ging es in den vergangenen Monaten um die Zukunft des europäischen Finanzsektors, dann stand häufig der echte oder vermeintliche Wettbewerb der übrigen EU-Finanzplätze um Brexit- Umzügler im Mittelpunkt.

Drei globale Herausforderungen

Dabei scheint manchmal in Vergessenheit zu geraten, dass der Finanzsektor vor ganz anderen, weitaus größeren Aufgaben steht. Seine dauerhafte Zukunftsfähigkeit entscheidet sich vor allem daran, ob es gelingt, die richtigen Antworten auf die drei großen globalen Herausforderungen für Banken, Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes zu geben.

Da wäre als erstes der Kampf gegen den Klimawandel und die Frage, welchen Beitrag der Finanzsektor leistet, um die menschengemachte Erderwärmung zu verhindern beziehungsweise deren Folgen zumindest soweit wie möglich zu mindern. Der Bedarf ist groß: Auf 180 Milliarden Euro pro Jahr taxiert die EU-Kommission die erforderlichen Investitionen, damit die CO2 -Reduktionsziele erreicht werden können, auf die sich die Gemeinschaft im Klimaschutzabkommen von Paris verpflichtet hat. Diese Summe wird die öffentliche Hand allein nicht schultern können.

Die zweite große Herausforderung ist die Digitalisierung. Sie sorgt jetzt bereits für tiefgreifende Veränderungen im Finanzbereich. Und durch sie werden die Karten im Wettbewerb zwischen Unternehmen aber auch zwischen Finanzplätzen nochmal neu gemischt.

Die dritte prägende Entwicklung ist die Gewichtsverlagerung in der Weltwirtschaft, die maßgeblich mit dem Aufstieg Chinas verbunden ist. Das Land ist längst aus seiner Rolle als reiner Produktionsstandort und wichtiger Absatzmarkt für Produkte hinausgewachsen. Chinesische Unternehmen sind heute nicht nur Schrittmacher bei der digitalen Transformation vieler Branchen. Sie spielen auch eine sehr bedeutsame Rolle am globalen Kapitalmarkt, sei es als Emittent von Anleihen und anderen Finanzprodukten oder als Investor in Europa.

Grenzüberschreitende Perspektive als Markenzeichen

Luxemburg stellt alle drei Themen ins Zentrum im Bemühen, die Position als wichtiger Finanzplatz in Europa weiterzuentwickeln und sich dauerhaft zukunftsfähig aufzustellen. So unterschiedlich Themen und konkrete Aufgabenstellungen dabei sein mögen, gibt es ein verbindendes Element: Für den Erfolg kommt es maßgeblich darauf an, den Blick über den eigenen Tellerrand zu werfen und offen zu sein für Inspiration von außen und die Zusammenarbeit mit anderen.

Dieser Blick über die eigenen Grenzen hinaus gehört für Luxemburg von jeher zum guten Ton. Als kleines Land mitten in Europa ist Luxemburg wie kaum ein zweites Land in Europa auf Offenheit und Internationalität ausgerichtet. Das zeigt sich auch in der Bevölkerung selbst: So leben aktuell Menschen aus mehr als 170 Nationen in Luxemburg und fast jeder zweite Einwohner hat eine andere Staatsangehörigkeit als die Luxemburgische. Hinzu kommen die mehr als 200 000 Menschen, die täglich aus einem der europäischen Nachbarländer nach Luxemburg hineinpendeln.

Auch am Finanzplatz ist die Perspektive von jeher grenzüberschreitend: Gut 140 internationale Banken haben einen Standort in Luxemburg, und Luxemburg ist darüber hinaus Europas Nummer Eins bei internationalen Notierungen von Wertpapieren, bei international ausgerichteten Investmentfonds und bei grenzüberschreitenden Versicherungen. Wer so stark in der internationalen Wirtschaft vernetzt ist, kann und will sich nicht heraushalten, wenn es gilt, Antworten auf globale Herausforderungen zu finden. Im Gegenteil.

Vorreiter bei nachhaltigen Investments und Finanzierungen

Entsprechend gehört Luxemburg zu den Pionieren im Bereich Sustainable Finance. Beispielsweise bei Green Bonds, also Anleihen die helfen umweltfreundliche Projekte in Sektoren wie erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu finanzieren, war Luxemburg schon sehr früh dabei, als 2007 die weltweit erste grüne Anleihe, die von der Europäischen Investitionsbank ausgegeben Climate Awareness Bond, an der Luxemburger Börse notiert wurde.

In den folgenden Jahren hat sich Luxemburg zum weltweit führenden Zentrum für Green Bonds entwickelt. Die 2016 an den Start gegangene Luxemburg Green Exchange (LGX) ist die weltweit erste und einzige rein auf grüne Anleihen fokussierte Handelsplattform. Aktuell sind dort mehr als 260 Green Bonds mit einem Gesamtvolumen von rund 130 Milliarden Euro gelistet. Das entspricht einem Weltmarktanteil von rund 50 Prozent. Die Emittenten der an der LGX gelisteten Bonds stammen aus Europa, Nord- und Südamerika sowie aus China und Australien. Mit den hierdurch gewonnen Erfahrungen und dem Know-how bringt sich die LGX neben vielen weiteren Akteuren auch in die Erstellung und Diskussion des EU-Aktionsplans zu Sustainable Finance ein. Hier nimmt die Frage der Taxonomie, also einheitlicher Definitionen in diesem Bereich, eine wichtige Rolle ein.

Und auch bei auf nachhaltige Investments ausgerichtete Investmentfonds ist Luxemburg mit Abstand der wichtigste Emissionsstandort in Europa, denn jeder dritte europäische Nachhaltigkeitsfonds stammt schon heute aus Luxemburg. In den vergangenen Jahren ist so ein umfassendes Ökosystem für Sustainable Finance & Investments entstanden, das kontinuierlich wächst. Neben spezialisierten Emittenten, Beratungen und Agenturen zur Bewertung und Zertifizierung von grünen Finanzprodukten gehören die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen dazu. Und mit der 2018 verabschiedeten Novelle des nationalen Pfandbriefgesetzes hat Luxemburg einen weiteren Meilenstein erreicht: als erstes Land weltweit hat es eine verbindliche Rechtsgrundlage für die Emission von Green Covered Bonds geschaffen.

Wachsendes Ökosystem

Geht es nach dem erklärten Willen der luxemburgischen Regierung, dann soll und wird das Land hier nicht stehen bleiben. So ist im Ende 2018 geschlossenen Koalitionsvertrag zwischen Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen das Ziel festgeschrieben, den Finanzplatz im Hinblick auf den Aspekt Sustainable Finance weiterzuentwickeln. Die öffentliche Hand und private Unternehmen sollen dabei Hand in Hand arbeiten. Wie beim ebenfalls 2018 eingerichteten International Climate Finance Accelerator (ICFA). Diese vom luxemburgischen Finanz- und Umweltministerium, der Europäischen Investitionsbank sowie verschiedenen privaten Unternehmen gemeinsam getragene Plattform unterstützt Start-ups im Bereich nachhaltiger Investmentfonds beim Aufbau ihres Geschäfts. Das Spektrum reicht von finanzieller Förderung über Coaching und Mentoring bis zur allgemeinen höheren Sichtbarkeit am Markt, die sich aus der Mitgliedschaft automatisch ergibt.

Die jüngste Initiative im Bereich Sustainable Finance schlägt zugleich den Bogen zum zweiten bereits erwähnten Kernthema eines zukunftsfähigen Finanzsektors in Europa: die Verbindung zum wachsenden Kapitalmarkt in China. Im Frühjahr 2019 hat die Luxemburger Börse gemeinsam mit den beiden größten chinesischen Börsen in Shanghai und Shenzen, der Bank of China sowie dem Shanghai Clearing House einen global ausgerichteten Handelsplatz für Green Bonds etabliert.

Anleger können auf einer gemeinsamen Plattform englischsprachige Informationen zu chinesischen Green Bonds abrufen sowie aktuelle Kursdaten erhalten. Außerdem bekommen Investoren aus Europa einen vereinfachten Zugang, um in chinesische Green Bonds investieren zu können. Das Potenzial ist groß: China ist schon heute nach den USA der zweitgrößte Emittent von grünen Anleihen weltweit und wird seine Position in diesem Sektor weiter ausbauen.

Finanzplatz als Bindeglied zwischen Asien und Europa

Auch über das Thema Green Bonds hinaus werden die Verbindungen zwischen dem chinesischen und dem europäischen Kapitalmarkt künftig noch enger werden. Dafür sorgen allein die Investitionen globaler Anleger in China und das Engagement chinesischer Unternehmen in Europa.

Luxemburg hat eine lange Historie als Drehscheibe zwischen Europa und China. So eröffnete vor exakt 40 Jahren mit der Bank of China die erste Bank aus der Volksrepublik eine Präsenz außerhalb Asiens im Großherzogtum Luxemburg. Mittlerweile haben sieben chinesische Banken ihren Europa-Hub hier etabliert.

Ein weiteres Beispiel: Im Jahr 2011 wurde in Luxemburg der erste Dim Sum Bond in Europa gelistet. Dabei handelt es sich um in Renmimbi denominierte Anleihen, die außerhalb Chinas begeben werden. Seitdem hat sich die Luxemburger Börse zum wichtigsten Handelsplatz für diese Finanzprodukte entwickelt und hat mit einem globalen Marktanteil von 26 Prozent zuletzt sogar Hong Kong überholt. Selbiges gilt auch für Investmentfonds mit Fokus auf China: Hier kommt das Großherzogtum global auf einen Anteil von knapp 30 Prozent und liegt damit sowohl vor Hong Kong als auch den USA.

Angesichts dieser Daten ist es nur folgerichtig, dass die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) Luxemburg als Standort für ihr erstes Jahres-Meeting außerhalb Asiens gewählt hat. Die internationale Bank mit Hauptsitz in Peking stellt Finanzierungen für Investitionen in den Bereichen Nachhaltigkeit und industrielle Entwicklung zur Verfügung. Im Juli dieses Jahres werden rund 1 500 Delegierte in Luxemburg über die weitere Entwicklung der AIIB - mit 93 Mitgliedern aktuell die zweitgrößte Entwicklungsbank weltweit - und Projekte beraten. Luxemburg hat sich als erstes nichtasiatisches Land als Mitglied der AIIB engagiert; auch das unterstreicht die Rolle des Finanzplatzes als Bindeglied zwischen Asien und Europa.

Plattform zur Skalierung innovativer Geschäftsmodelle

Offenheit und konsequente Ausrichtung auf europäische und globale Lösungen geben auch bei der Digitalisierung die Richtung vor; der dritten großen Zukunftsfrage.

In Luxemburg entwickeln sich innovative technologiebasierte Unternehmen (Fintechs) vor allem in den Finanzsektoren, in denen das Land ohnehin stark ist: Banking, Asset Management, Wealth Management und Versicherungen. Hier finden Start-ups ein etabliertes Ökosystem, an das sie mit ihrer Innovation andocken können und wo sie ihr Geschäft durch die Verankerung im EU-Binnenmarkt schnell skalieren können. Dazu trägt nicht zuletzt das Bemühen des Gesetzgebers bei, den Rechtsrahmen fortlaufend an aktuelle technische Entwicklungen anzupassen.

Jüngstes Beispiel hierfür ist die Anpassung des Wertpapierhandelsgesetzes im laufenden Jahr, mit dem Handel und das Halten von Wertpapieren über Blockchain- und andere Distributed-Ledger- Technologien auf eine verlässliche rechtliche Grundlage gestellt wurde.

Kurze Wege zu Entwicklungspartnern und Finanzierern

Außer zu potenziellen Kunden sind aber in Luxemburg auch die Wege zu Entwicklungspartnern und Finanzierern nicht weit: So haben die 10 größten Private-Equity-Häuser der Welt allesamt eine Repräsentanz in Luxemburg und mehr als 100 globale Venture-Capital-Investoren sind maximal eine Flugstunde entfernt. Mit verschiedenen Förderinstrumenten wie dem Luxembourg Future Fund oder dem Digital Tech Fund greifen zudem öffentliche Banken und der Luxemburger Staat jungen Fintechs oder Regtechs unter die Arme.

Mit dem Luxembourg House of Financial Technology (LHofT) hat Luxemburg eine Plattform geschaffen, die Start-ups mit etablierten Finanzunternehmen, Forschern und Aufsichtsbehörden zusammenbringt. Das LHofT arbeitet mit Fintech-Zentren in aller Welt zusammen und hilft so beim Aufbau grenzüberschreitender Arbeitsgruppen und Initiativen.

Analog zu vielen großen Playern aus dem klassischen Asset Management nutzen globale Tech-Firmen Luxemburg als Europa-Hub. Dazu zählen der Fintech-Pionier Paypal, der bereits seit 2007 mit einer vollen Banklizenz am Finanzplatz vertreten ist, oder Amazon Payment und Six Payment. Und Anfang 2019 hat der chinesische Zahlungsdienstleiter Alipay eine Lizenz in Luxemburg erhalten. Sie eröffnet ihm über das EU-Passporting- System den Zugang zum gesamten europäischen Markt.

Attraktives Umfeld - auch für Brexit-Banker

Wichtigster europäischer Standort für nachhaltige Geldanlage und Finanzierungen, Drehscheibe für die Investment-Beziehungen zwischen Europa und China und ein Ökosystem, in dem innovative technologiebasierte Unternehmen ihre Geschäftsmodelle europaweit skalieren können. Das sind die wesentlichen Stoßrichtungen beim Bemühen Luxemburgs, den Finanzplatz zukunftsfähig zu halten. Der Blick nach London und das Werben um Brexit-bedingt umziehende Banken, Asset Manager oder Versicherer gehört nicht dazu.

Was im Umkehrschluss natürlich nicht heißt, dass Luxemburg diese Unternehmen nicht gerne willkommen heißt. Bisher haben 58 Finanzdienstleister öffentlich angekündigt, wegen des Brexit vorher in London angesiedelte Aktivitäten nach Luxemburg zu verlagern beziehungsweise bestehende Standorte in Luxemburg auszubauen. Die Asset Manager stellten darunter die größte Gruppe, aber auch etliche Banken, Versicherungen und Zahlungsdienstleister haben sich für Luxemburg entschieden.

Sie finden in Luxemburg nicht nur einen attraktiven Standort für sich, inklusive der Möglichkeit, Lizensierungen und andere Dokumente in englischer Sprache einzureichen, sondern können auch ihren Mitarbeitern ein attraktives Umfeld liefern: Die OECD listet Luxemburg als eines der Länder, das Expats die höchste Lebensqualität bietet. Außerdem zählt das Großherzogtum zur weltweiten Spitzengruppe, wenn es um die Englischkenntnisse der breiten Bevölkerung geht.

Nicolas Mackel CEO, Luxembourg for Finance, Luxemburg
 
Finanzsektor in Luxemburg: Daten und Fakten
 
Banking
136 Banken aus 29 Ländern Bilanzsumme: 785 Milliarden Euro Assets under Management im Bereich Private Banking: 363 Milliarden Euro
 
Asset Management
Zweitgrößter Standort für Investmentfonds der Welt Kumulierte Assets under Management aller in Luxemburg domizilierten Fonds: 4,35 Billionen Euro Weltweit größter Standort für Investmentfonds mit China-Fokus
 
Börse/Kapitalmarkt
Einer der führenden globalen Handelsplätze für Listings bei internationalen Anleihen und für Dim-Sum-Bonds Weltweit wichtigster Handelsplatz für Green Bonds (Listing-Volumen LGX: 121 Milliarden Euro)
 
Green/Sustainable Finance
Pionier bei Green Bonds und Sustainable Finance: - Weltweit erste Emission einer grünen Anleihe (durch die EIB im Jahre 2007) - Erste auf Green Bonds fokussierte Börse weltweit - Erstes Gesetz für Green Covered Bonds weltweit - Wichtigster Standort für Sustainable Investment Fonds in Europa
 
Brexit
Bis dato haben 58 Finanzinstitute bekannt gegeben, Aktivitäten von London nach Luxemburg verlagert zu haben beziehungsweise angekündigt, dies zu tun (Stand: Mai 2019) Alle Angaben Ende 2018, sofern nicht anders gekennzeichnetQuelle: Luxembourg for Finance
Nicolas Mackel , CEO , Luxembourg for Finance (LFF), Luxembourg
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